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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.08.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-23
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070823010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907082301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907082301
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-23
- Monat1907-08
- Jahr1907
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September sind taktische und strategische Uebungen in der Nordsee geplant. Am 7. September sammelt sich die Flotte wieder auf der Jade, womit die Kaisermanöver ihren,Abschluß finden. * Die spanische Regierung lehnt es ab, ihre Truppen in Casablanca an einem Kampfe gegen die Kabylen teilnehmen zu lassen. lS. Ausl.) * Das Redaktionskommitee der Schiedsgerichts kommission nahm in zweiter Lesung, wie aus dem Haag gemeldet wird, den deutsch-englischen, von Frankreich und den Vereinigten Staaten mit Abänderungen versehenen Entwurf eines Prisengerichtcs mit allen Stimmen gegen diejenige Brasiliens an. * Nach einer Mitteilung des „Reuterschen Bureaus" aus Lon don bildete die Neutralität Norwegens eine der Haupt fragen, die zwischen dem Kaiser und dem Zaren in Swine- münde erörtert wurden. (S. Ausl.) * Im sibirischen Heere sind Meutereien ausgcbrochen. lS Ausl.) * Der italienische Minister des Aeußern, Tittoni, ist gestern zum Besuche des Jreiherrn von Achrenthal in Semmering eingetroffen. lS. Ausl.) * Zwei am Mittwoch auf die französische Stellung in Casa ¬ blanca von einer starken Abteilung berittener Araber unter nommenen heftige Angriffe wurden zurückgeschlagen. (S. Letzte Dep.) was unseren Eisenbahnen not tut. Neben den Erträgen der direkten Steuern und Abgaben bilden auch im sächsischen Etat die Ueberschüsse der Eisenbahnen gewissermaßen das Rückgrat des Staatskaushalts, und es ist daher erklärlich, daß die Er gebnisse dieses wichtigen Zweiges unserer Staatsverwaltung alljährlich mit gespanntem Interesse erwartet werden. Die Erträgnisse haben sehr gewechselt, es hat Jahre gegeben, in denen sie (1850) noch nicht 3 Pro zent Verzinsung des in den Staatseisenbahnen angelegten Kapitals er- brachten, und 1875 hinwiederum konnte Finanzminister Freiher v. Frie sen trotz der durch die Gründerjahre herbeigeführten starken Erschüt terung der Staatsfinanzen eine Rente von 6,02 Prozent aus den Eisen bahnen verzeichnen. In den letzten zehn Jahren hat sich die Verzinsung unserer Eisenbahnen nicht über 4,703 Proz. erhoben, 1901 sogar nur 3,04 Proz. betragen. Im abgelaufenen Jahre 1906, worüber das Finanzministerium kürz- lich den üblichen „statistischen Bericht" erstattet hat, ist ein besonders hohes Erträgnis zu verzeichnen: 5,242 Prozent gegen 4,703 Prozent im Vorjahre, so daß der Voranschlag um mehr als 15 Millionen Mark überschritten worden ist. Das ist ein sehr erfreuliches Ergebnis, das um so günstiger zu beurteilen ist, als es nicht künstlich herausgerechnet, sondern tatsächlich durch Steigerung des Verkehrs erzielt worden ist. Es erscheint sehr Wohl angebracht, dies ausdrücklich sestzustellen; denn es ist jedem, der sich in das Zahlenmaterial des statistischen Berichts und des die Eisenbahnen betreffenden Kapitels 16 unseres Landesetats einigermaßen eingearbeitet hat, bekannt, daß sowohl 1902 wie 1903 die obendrein noch sehr mäßigen Verzinsungen von 3,71 und 4,42 Prozent nur dadurch herauszurechnen waren, daß die Verwaltung dringend not wendige Ausgaben, die im Etat bereits vorgesehen waren, unterlassen und auf die nächste Finanzperiode verschoben hatte. Der Rechenschafts bericht für 1902/03 weist nach, daß die tatsächlichen Ausgaben in der Finanzperiode um 16 916 003 hinter dem Etatsanschlag zurückgeblieben sind. Allerdings finden sich hierunter etwa 314 Millionen Mark, die erspart worden sind durch Personalverminderungen, aber wir finden auch bei den Löhnen der Bahnunterhaltungsarbciten, bei dem Posten für Beschaffung der Oberbau- und Baumaterialien und bei der Position „Sonstige Ausgaben" Minderausgaben von fast 8 Millionen Mark, die zum großen Teil damit erläutert werden, „daß die Instandhaltungs arbeiten auf ein geringeres als bei der Veranschlagung angenommenes Maß beschränkt werden konnten", oder damit, „daß die Ausführung der weniger dringlichen Bauten ohne Beeinträchtigung der Verkehrsinter essen noch hinausgeschoben werden konnte". Das ist ein Verfahren, das wohl Augenblickserfolge schaffen kann, aber nicht als eine zweckmäßige Finanzdisposition zu bezeichnen und überdies geeignet ist, das Bild des ganzen Eisenbahnetats in sein Gegenteil zu verkehren. Wären z. B. in der Jinanzperiode 1902/03 die Ausgaben genau dem Etat entsprechend gemacht worden, so wäre der Ueberschuß aus dem Staatseisenbahn betrieb noch um 1,05 Millionen Mark hinter dem Etatsanschlag zurück- geblieben! Auch im Jahre 1904 haben die Ausgaben mit 94 Millionen Mark den Voranschlag von 102 Millionen Mark um reichlich 8 Millionen hinter sich gelassen, während 1905 diese Differenz nur noch 2 Millionen Mark beträgt. Die Erläuterung dafür muß sich im Rechenschaftsbericht auf die Finanzperiode 1904/05 finden, der dem im Oktober d. I. zu sammentretenden Landtage vorgelegt werden wird. Im Jahre 1906 ist nach dem statistischen Bericht fast genau die etatsmäßig angesetzte Summe verausgabt worden, nur 210 M F sind als erspart zu verzeichnen. Das ist ein Betrag, der bei einem Eisenbahn- budget von jährlich 145,5 Millionen Mark nicht ins Gewicht fällt. Wir hoffen, darin ein Zeichen sehen zu können, daß die „Politik der Schie bungen", die so lange in unserer Bahnverwaltung maßgebend war, nun mehr endgültig verlassen worden ist. Wir wollen gern zugeben, daß nach dem Draufloswirtschaften Watzdorfs eine eiserne Sparsamkeit not- wendig war, um wieder Ordnung in die aufs ärgste verfahrenen StaatS- finanzen zu bekommen, und wir wollen ebensowenig bestreiten, daß eS eine aufs höchste anzuerkennende Leistung des jetzigen Finanzministers Dr. v. Rüger gewesen ist, daß er den Verlust von 7 Millionen Mark der Finonzperiode 1900/01 in namhafte Ueberschüsse verwandelt hat, wir verlangen nunmehr aber auch, daß diese Ueberschüsse im besten Sinne produktiv angelegt werden. Dazu gehört nicht allein die jetzt ohne weiteres mögliche Erhöhung der Tilqunqsquote für die Staatsschulden auf 1^ Prozent, wie sie in den „Allgemeinen Erläuterungen" zum StaatshauShaltetat auf 1906/07 als in Aussicht genommenes Ziel der Jinanzverwaltung bezeichnet ist, sondern es muß nun auch einmal an eine gründliche Revision unserer Eisenbahnbetriebsmittel gegangen werden. Diese ist um so notwendiger, als der Ersatz und die Ver mehrung des Lokomotiven- und Wagenparks in den letzten Jahren nicht gleichen Schritt gehalten haben mit den Anforderungen des Verkehrs. Gewiß lag manchmal der Knüppel dicht beim Hunde; wenn aber der Verkehr resp. seine Erträgnisse das Rückgrat der Staatsfinanzen bilden sollen, so muß man ihm auch die Gelegenheit bieten, diese Werte zu schassen, und dazu gehören vor allen Dingen reichliche und gute Be triebsmittel. In beiden Richtungen ist hier sehr viel zu tun. Daß der Zustand eines großen Teils der sächsischen Personenwagen sehr viel zu wünschen übrig läßt, ist eine leider ebenso älte, wie berechtigte Klage, die aber immer wieder erhoben werden muß, damit sie endlich einmal nicht allein das Ohr des Finanzministers erreicht, sondern auch die beabsichtigte Wirkung ausübt. Herr Dr. v. Rüger wird in dieser Beziehung einiges im neuen Landtag zu hören bekommen, was ihm nicht gerade sehr lieb lich in die Ohren klingen wird. Namentlich sein allerneuester Ukas, betr. Sparsamkeit mit Putzmaterialien fordert zu scharfer Kritik geradezu heraus und wird dieser nicht entgehen. Sollen die Angestellten die Wagen sauber halten, so muß ihnen das dazu nötige „Handwerkszeug" auch in ausreichendem Maße geliefert und nicht durch Knausererlasse be- knappt werden. Oder heißt das etwa nach der neuesten amtlichen Auffassung „am rechten Orte sparen". Sollte dem so sein, so empfehlen wir dem Finanzminister, einmal unerkannt Sonntags auf Fahrkarte 3. Klasse nach Stationen wie Pötzscha-Wehlen oder Schandau zu fahren. Er kann dann die treffendste Kritik seiner neuesten Maßregeln hören und am eigenen Leibe empfinden, wie berechtigt diese ist. Was nun die Zahl der Betriebsmittel angeht, so hat der Finanz minister auf Drängen der Finanzdeputation im letzten Landtage selbst 1 Million Mark für die Vermehrung der Betriebsmittel während der Finanzperiode 1906/07 mehr eingestellt. (Ursprünglich waren nur 500 000 F angesetzt.) Aber von dieser Vermehrung ist noch wenig zu merken. Nach dem oben erwähnten „Statistischen Bericht" hatte die sächsische Staatsbahnverwaltung (einschließlich der Zittau-Jonsdorfer Bahn) Ende 1904 im ganzen 1392 Lokomotiven, 1906 nur 1391 oder 4,28 (1905 4,34) auf je 10 Km Betriebslänge und 1,10 auf je 1 Million Wagenachskilometer (1905 1,15). Der Personenwagenpark umfaßte 1904 insgesamt 3817, Ende 1906 dagegen 3849 Stück. Hier ist zwar eine absolute Zunahme zu verzeichnen, relativ aber doch eine Abnahme, denn während Ende 1905 aus je 10 Km Betriebslänge für den Personenver kehr 30,68 Achsen zur Verfügung standen, betrug die entsprechende Zahl Ende 1906 nur noch 30,51. Die Zahl der Gepäck- und Güterwagen hat sich -war im Jahre 1906 um 80, also auf 32 214 vermehrt, es waren aber Ende 1906 auf je 10 Km Betriebslänge für den Güterverkehr nur 207,65 Achsen verfügbar, gegen 210,32 zu Ende 1905. Die Zahl der bedeckten Güterwagen im Jahre 1906 um 89 (auf 11406) oder 139 Achsen zurückgegangen. Eine Zunahme zeigt sich nur bei den offenen Güter wagen, die um 182 Stück (378 Achsen) auf 20174 gestiegen sind. Die Zunahme umfaßt aber nur 7 vierachsige und 175 zweiachsige Wagen. Das Ladegewicht, berechnet auf je 10 Km Betriebslänge sür den Güter verkehr, ist 1906 von 1110,40 Tonnen auf 1104,56 Tonnen zurückge- gangen. Dem steigenden Verkehr haben also weniger Betriebsmittel zur Verfügung gestanden. Das beweist zwar eine sorgfältigere Ausnutzung des Wagenparks, läßt aber auch erkennen, daß die Verstärkung der Be triebsmittel in rascherem Tempo als bisher erfolgen muß, wenn nicht die Klagen über mangelhafte Wagengestellung, die niemals ganz ver stummt sind, chronisch werden sollen. Nach Mitteilung des Finanz ministeriums vom 22. Januar 1906 an die Finanzdeputation der Zweiten Kammer sollten in der Finanzperiode 1906/07 etwa 300 voll spurige offene Güterwagen neu beschafft werden, wovon 182, wie vor- stehend gezeigt, bis Ende 1906 eingestellt worden sind. Es wäre sehr angezei,^, wenn die Regierung sich darüber äußern wollte, wie es mit dem Rest von 118 Stück aussieht und ob das auch nur wieder aus schließlich zweiachsige Wagen sein werden. Wir würden das allerdings für einen sehr schweren Fehler halten, aber es wäre ja nicht der erste Bock, der von der sächsischen Eisenbahnverwaltung geschossen würde. Die Herbstmanover -er Armeen. In Kürze werden wieder die Bestimmungsmensuren bei den Heeren ausgesuchten werden. Manchem der jeweiligen Paukanten wird die Mappe des Leitenden, der der Kriegsplan entflattert, wie eine Büchse der Pandora anmuten, der unheilbringender Mehltau entströmt, der sich auf die Gefilde seiner militärischen Zukunftsträume legt. Die Hohen Führer dürfen eben nur einmal praktisch >m Jahre zeigen, was sie können. Wie vielen erklang schon im Manöver „Halt", das „Halali" ihrer Laufbahn! Dabei wird es der Generalität in fast allen Heeren mit jedem Jahre schwerer gemacht. Immer mehr sind die Manöver leitungen bestrebt, die Uebungen wirklich kriegsgemäß verlaufen zu lassen, sie nicht durch Eingriffe einzuengen oder in eine bestimmte Rich tung zu zwängen, sondern den Führern der Parteien Gelegenheit zu geben, aus eigener Initiative unter dem Eindruck der Kriegshandlungrn des Gegners und vor allem unter Berücksichtigung der eigenen Aufgabe selbständig zu handeln. Die Erkenntnis des „laisser nllsr" bezüglich der Truppenführung ist bei uns schon lange beimisch. Die Manöverquartiere lassen auch z. B. nicht mehr den Schluß zu, daß „rot" siegen und „blau" verlieren muß. In diesem Jahre, wo am linken Ufer der Weser, in der Nähe des Teutoburger Waldes, zwischen dem westfälischen (VII.) und hanno verschen (X.) Korps gekämpft werden soll, lassen auch die Paradetage, die lange vor Beginn der eigentlichen Kaisermanöver (vom 9. bis 11. September) angesetzt sind, nicht die Oertlichkeiten erkennen, von denen auS die Gegner aufeinander losgelassen werden. Unser General- stabschef v. Moltke, der im vorigen Jahre viel Ehre mit seinem Ma- növerentwurf eingeheimst hat, hat die diesjährigen Kaisermanövcr so angelegt, daß den aufklärenden Kaoalleriedivisionen (für jede Partei eine) ein weiter und freier Spielraum sür eine wirklich krregsmäßig- Ausklärung gewährt wird. Das Gros der Armeen dahinter tappt dem entsprechend im Dunkeln, und die Führer wissen zumeist nicht, wo Zu- fammenstöße erfolgen können. Zufällig trifft es sich in diesem Jahre, daß sowohl Frankreich als auch Oesterreich-Ungarn und Italien als Manöverleiter „neue Herren" aufweisen, die solche Ideen bei den Hauptübunaen zur Anwendung bringen wollen. Der bisherige fran zösische Generalissimus Hagron bat bekanntlich demissioniert; an seiner Stelle wird der vielgerühmte General Lacroir sein militärisches Licht leuchten lassen. In dem Dreieck Bordeaux-Angoulvme und Li- moaes werden das HI. und XVHI. Korps fechten, wobei die Verbände in Kriegsstärke (Kompagnien zu 200 Mann) erscheinen sollen. Letzteres ist auch bei uns der Fall. In der ö st erreichisch-ungarischen Armee ist man auf die Leistungen deS neuen Generalstabschess v. Hötzendorf gespannt, der auch zum ersten Mdle vor den Augen des greisen und noch immer „raschen" Monarchen, den die längste Hebung nicht aus dem Sattel zwingt, sein Genie" bezeugen soll. Es gibt diesmal wieder Gebirgsmanover in Oesterreich zwilchen dem Grazer (III.) und Innsbrucker (XIV.) Korps. La der treue Verbündete jenseits der Alpen besonderes Augenmerk auf seine „Alpini" (Gebirgstruppen) richtet, so hat man, von gleichen bundesfreundlichen Gefühlen beseelt, bei letztgenannten Korps im vorigen Jahre auch Gebirgstruppen errichtet, die nun begutachtet werden sollen. Die dritte Dreibund macht strengt sich in diesem Jahre besonders an. Das befähigte Generalstabsoberhaupt Saletta entbietet auch zum ersten Male 10 Tage lang nicht weniger als 3 Korps (I. bis III.) die in Turin, Mailand und Alessandria ihr Hauptquartier Haden. Zwischen dem Tessin und der Sesia (bei Novara) wird dit Kriegssackel im Frieden leuchten. Im ganzen sollen gegen 55 000 Mann zusammen gezogen werden, was allerdings eine volle Kriegsstärke der Truppen nicht erkennen läßt. „ „ „ In Frankreich haben schon die letzten Manöver unzweifelhaft mehr die Entschlußfähigkeit der höheren Führer gestärkt, General Saletta will die deutschen Prinzipien nach Möglichkeit zur Anwendung bring.-«, und bei den österreichischen Manövern fällt Heuer zum ersten Male v'.e Neutralitätszone, die von keiner Partei betreten werden durfte. La- durch und durch die Bestimmung, daß Manöverleituna und kaiserliches Hauptquartier nicht mehr örtlich zusammenzufallen haben, ist die nötige Freiheit im Handeln mehr wie bisher gewährleistet. In Englano haben bisher die Manöver immer einen mehr schematischen Eindruck gemacht, die bestimmte Ahnungen stets zur Gewißheit werden ließen. Auch vier hat man Beiserung gelobt und ist dabei, ein großes Festungs- Manöver bei Chatham abzuhalten, was als dringende Notwendigkeit nach den Erfahrungen von Port Arthur bezeichnet wurde. Dann stehen aber noch vom 2. bis 22. «September (sehr lange!) große Jeldmanöver beim Ost-, Süd-, irischen Kommando und in Aldershot bevor. Also auch hier rege Anspannung der militärischen Kräfte! Nur in Rußland müht man sich in diesem Jahre nicht aus „inneren Gründen", die vielleicht wieder zu blutigen Manövern führen können. Außer auf die Prüfung der Führer ist bei den Manövern aller Staaten das Augenmerk auf bestimmte taktische Prinzipien und Neue- rungen technischer Art gerichtet. Bei uns wird man die Ergeb- nisse der Erziehung, die aus dem neuen Infanterie- und Feldartillerie- Reglement resultieren, besonders beachten. Die Zuteilung der Ma schinengewehre zur Infanterie wird diesmal bei allen genannten Armeen begutachtet, und ebenso spielen die Lastautomobile (in Frankreich 40) hinter der Front eine Rolle. Auch Personenautos und Motorfahrer können im Die sie der Armeen ihr Benzin verduften lassen. In Italien wird sogar ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß die neuen Kruppschen 75-Millimeter-Geschütze kritisieren, und m Frankreich be- faßt man sich auch mit neuen Küchenwagen, Munitionswaaen und Uni formen. In Oesterreich-Ungarn wendet man ferner neue Beleuchtungs- züqc und Gcsechtstelephone zum ersten Male an usw. Die „Lenkbaren" fehlen aber diesmal noch sowohl in Frankreich als auch in Deutschland, Ueberall, wohin man sieht: ein „para belluna". Deutsches Reich. Leipzig, 23. August. * Der Kaiser unternahm gestern morgen mit den Herren der Um gebung eine» Spaziergang unv hörte später den Vortrag des stellver- tretenven Chefs deS MarinelabinettS, Kapitän z. S. Trummler und des Chefs des Zivilkabinettü v. LucanuS. Um 11'/« Ubr empfing der Kaiser den Kardinal Fürstbischof Kopp. Der Kardinal wurde zur Tafel gelaven. * Ter Unfall der Kaiserin ist nach einer Meldung deS „L.-A." wahrscheinlich beim Tennisspiel erfolgt, dem sie sich am Nachmittag des Mittwoch hingab. Anscheinend liegt nach einer anderen Meldunr eine Venenzerreißung oberhalb des Knöchels vor, die bei kinderreichen Frauen in reiferem Alter keine Seltenheit ist und auch ohne ein AuSgleiten ein treten könne. Sie gilt als unbedenklich. UebrigcnS hat die Kaiserin nicht nur zweimal, sondern schon dreimal Unfälle erlitten, nämlich in Berchtesgaden 1899, in Cadinen 1902 und im Grünewald 1903, nicht aber in Obe: Hof. * Zur prrutzischen Wahlrechtsfrage hat sich nun auch der bekannte freikonservatwe Landtagöabgeordneie Freiherr von Zedlitz und Neu- kirch geäußert und was er auSsührt, ist sür die parteipolitische Kon stellation charakteristisch. Unter einem billigen Spott über die Freude einer baldigen und gründlichen Wahlreform verbirgt er nur schwer den Aerger über diese Bewegung und sucht sie dann mit dem Zentrums- Wauwau zu schrecken, indem er schreibt, es liege „sür jeden nicht ganz in Phantastereien ausgegangenen Politiker völlig klar auf der Hand, daß schon ein Liebäugeln der Regierung mit der Naumannschcn For derung den Block vollständig sprengen müßte", und „Nur weltfremde Naivität kann anuehmen lassen, daß die Konservativen nicht alsbald vom Block zu dem Zentrum abschwenken würden." Herr von Zedlitz muß ja die ihm nahe verwandten Koner- vativen auch von der strengeren Richtung kennen. Soll sich aber damit der Liberalismus wirtlich immer abschrecken kaffen, auf siinen Forderungen zu bestehen? Das würde einfach heißen, nur ein Liberalis mus von konservativen Gnaden habe bei uns Aussicht aus Er folge. Dieses Drohen mit der komervativ-ultramontanen Verbrüde rung sollte darum erst recht die Liberalen aufrütteln, eine weitgehende Wahlrcform zu fordern. Läßt man sich durch diese Drobung irre machen, dann ist das nichts anderes als eine Kapitulation des Liberalis mus. Die Blockpolitik in Ebren — wir haben sie nun einmal als Frucht der letzten Reichstagswahlen, aber sie darf nicht gleichbedeutend sein mit einer Kapitulation des Liberalismus vor den Konservativen. In diese Situation möchten aber augenscheinlich gegenwärtig die frei- lonservativen Geister und allzu ängstliche Nationalliderale den Liberalis mus treiben, nur um die Blockpolitik zu retten. * Wiederbelebung der Proleftpartet im Neichslandk Das offene politische Protestlertum der Reichslande hat seit einer Reihe von Jahren zu existieren aufgehört; wenigstens besitzt eS leine Vertretung mehr im deutschen Reichstag. Von den elsässischen Mandaten befindet sich die Mehrheit in den Händen des Zentrums; nur der Wahlkreis Zabern ist einer bürgerlichen Partei ;Rs>/> verblieben. Die Lothringer haben sich bisher vom Zentrum unabhängig zu erhalten gewußt; ihre drei Ver treter im Reichstage bezeichnen sich als „unabhängige" Lothringer. Etwa 200 000 Lothringer sprechen da« Franzdffische als ibre Muttersprache. In dem unrubigen Parteigetriebe der letzten Jahre scheint nun eine national-französische Partei unter Führung des Abbö Collin, der seine politischen Ansichten übrigens schon wiederholt ge wechselt hat, von neuem erstehen zu wollen. Er sammelt die Ein heimischen ohne Unterschied der Konfession unter seine Fahne, im Gegen satz zu den eingewanrerten deutschen Elementen. Es fragt sich, ob Collin, der zugleich Redakteur des „Lorrain" ist, Einfluß genug besitzt, um wieder die nationale Frage im Reichslaude aufzurollen.
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