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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.08.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-27
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070827029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907082702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907082702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-27
- Monat1907-08
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Tas Wetter ist regnerisch. * Eine offiziöse französische Note betont, daß Botschafter Cam- bon und Fürst von Bülow in Norderney ihr Vertrauen in die Vortrefflichkeit der deutsch-französischen Beziehungen kon statieren konnten. (S. Dtschs. R.) * In Hakodate hat gestern eine riesige Feuersbrunst gewütet. 70 Prozent der sämtlichen Gebäude sind eingeäschert worden. Sämtliche Konsulate, mit Ausnahme des amerikanischen, sind niedcrgebrannt. * Das englische Oberhaus lehnte mit 118 gegen 31 Stimmen den von der Negierung eingebrachten Gesetzentwurf ab, der ein neues Sy st em der Abschätzung von Grundbesitz in Schottland Vorsicht. Die Vertagung erfolgt voraussichtlich am 28. August. * Am 25. August wurde dem Schsrifischen Kriegsmini st er eine Note übermittelt, welche im Namen Frankreichs und Spaniens verlangt, daß zur Organisation der Polizei in den Hafen- Plätzen von Marokko und Algier die erforderlichen Maß nahmen gemäß der Algecirasakte getroffen werden. HI. d. bes. Art.) Tagesschau. Konservative Kampfesweise im sächsischen Wahlkampf. Mit frommem Augenaufschlag hat man von konservativer Seite immer wieder versichert, man wolle den gegenwärtigen Landtagswahl- kampf ruhig und sachlich führen. Schon die Fülle unwahrer Angriffe, die Herr Opitz vor kurzem gegen die Liberalen richtete, strafte diese Be teuerung Lügen. Allein darüber braucht man sich nicht aufzuregcn. Herr Opitz kann, wenn er vom Liberalismus und gegen ihn redet, nicht aus seiner Haut heraus. Und in dieser verwirren sich die Begriffe immer bedenklich, sobald er vom Liberalismus redet. Jetzt aber beginnt man auch mit einer Taktik von konservativ-agrarischer Seite, die zwar nicht neu ist, — anderwärts übten sie wenigstens die Konservativen schon häufig —, die aber für Sachsen in dieser Form eine Neuerung bedeutet. Man berichtet uns aus dem 32. ländlichen Wahlkreise: Am Montag sand eine öffentliche Wahlversammlung für die Kandi datur des bisherigen Abgeordneten Geh. Oekonomierat Schub arth in Niederwiesa statt: dazu hatten sich auch Nationalliberale, unter ihnen Abgeordneter Langhammer, eingefunden. Bei Eröffnung der Ver sammlung teilte der Vorsitzende mit, daß nur Wähler des Wahlkreises Zutritt hätten. Abgeordneter Langhammer, der sofort zur Geschäfts ordnung sprach, berief sich auf das Vereinsrecht, appellierte an seinen Landtagskollegcn Schubarth und erwartete von ihm, daß er aus Gründen der Billigkeit zu sachlichen Auseinandersetzungen auch einem Gegner das Wort gönnen werde. Dem Abgeordneten Lang Hammer wurde aber trotzdem das Wort verweigert. Die Nationalliberalen ver ließen daraufhin den Saal und ließen die Konservativen unter sich. Ab- geordneter Langhammer benutzte die Gelegenheit, sich sofort nach Lichtcnwalde zu begeben, wo eine öffentliche Versammlung für die Kan didatur Klauß stattfand, und trug dort diesen unerhörten Fall un heimlicher Angst eines konservativen Kandidaten den Liberalen unter deren Beifallsstürmen vor. Mit Recht hebt dieser Bericht als Milderungsgrund für das Ver- halten der Konservativen hervor, daß die Angst vor dem liberalen Red ner die Herren bewogen hat, einem politischen Gegner das Wort zu ver bieten. Allein das hat nur psychologischen Wert zur Beurteilung des tapferen Herrn Schubarth. Unberührt bleibt davon die Tatsache, daß ein Landtagsabgeordneter dem andern gegenüber diesen unglaub lichen Mangel an politischen Takt besaß, ihm das Wort in einer öffentlichen Wahlversammlung zu verbieten. Das ist em so grober Verstoß gegen den parlamentarischen Anstand, daß man sich über diesen Mangel an parlamentarisch-politischer Bildung bei einem Mann wun dern muß, der den stolzen Titel eines Geheimen Ockonomierates führt. Die Konservativen können sich nicht wundern oder gar beklagen, wenn nach diesem Vorfall die Kampfesweise gegen sie schärfer werden wird. Schon ein derartiges Verbot gegen politische Gegner ist geeignet, ver bitternd zu wirken, mag es auch zu den allbeliebtcn Tricks konservativer Agitation gehören, aber wo es in dieser Weise verschärft wird durch das Verhalten eines Abgeordneten gegen den andern, da wird man gut tun, den Herren, die den politischen Anstand so weit vergessen, überall kräftig auf die agrarischen Finger zu klopfen, die augenscheinlich über der Hand habung des Dreschflegels vergessen haben, wie man sich politischen Geg nern gegenüber zu benehmen hat. Tas marokkanische Abenteuer. Ob die Begegnung Cambons mit Bülow Klarheit über die marokkanische Situation geschaffen hat? Niemand gibt eine ausdrückliche Versicherung darüber ab. Wohl aber ist man sich klar darüber, daß sich die Verstimmung der deutschen Diplomatie nicht fortblasen läßt. Man singt überall von der internationalen Einmütigkeit, welche die Monarchen- entrevuen geschaffen haben sollen; aber das bedeutet doch noch keine volle Beruhigung. Wir haben den Hilfeschrei unserer Landsleute in Marokko vernommen. Man hat von einem deutschen Kriegsschiff gemunkelt, das Casablanca anlaufen sollte. Allein: tds rest is silenes — immer noch. Die offiziellen Kreise bleiben apathisch, ohne dabei zu argumentieren, daß diese Taktik klug sei. Nun zu Frankreich. Es befindet sich in einer verzweifelten Lage. Wir brauchen es diesmal nicht zu beneiden, bildet doch das marokkanische Abenteuer die Ecke, an der das Regime Clemeuceau früher oder später scheitern wird. Schon zetern drüben Stimmen über den niedlichen Batzen, den die Geschichte kosten wird. Erst das Panamacharivari, dann das russische Engagement und nun die marokkanischen Zechinen. Man sät und erntet nicht. Eine nette Bescherung. Du I'ss vouln, Ceorgo vunckill. Man muß die bittere Suppe bis auf den letzten Tropfen schlucken. Bang stöhnt man, wie der Nibelungenwotan, von dem Ende. Immerhin: das Aechzen des Nachbars wird unö zum schwachen Trost. Nur England fällt dabei nicht aus seiner angenehmen Rolle: ich bleibe der tertius gauäens. Schicke meinen König auf Reisen, laste überall ein wenig Himmelblaue entstehen. Man kann siätzs momentan leisten, stecken doch die andern bis über den Hals in Blamage und Malheur. Marokko ist noch lange nicht der Haken, der Albion fängt. Uns küm mert das Spektakulum nicht, freuen uns nur über daö Zappeln des Hahns und des Adlers. Vorläufig ist's bester, sich im Parlett zu amü sieren, als auf dem Theater zu agieren. Vierden uns gelegentlich schon eine Nebenrolle sichern. Vorläufig heißt'L für den lieben Alliierten nur: dabnm sibi! * * * Ueber die Lage in Marokko selbst liegen momentan folgende Nach richten aus Tanger vor: Die hiesige britische Kolonie hielt eine Versammlung ab und entwarf eine Petition zur Uebersendung an die britische Negierung, worin auSgedrückt ist, daß die Vor kehrungen, welch- die französische und spanische Negierung zum Schutze der Europäer hier getroffen haben, ganz ungenügend seien, da sich hier nur ein französischer und ein spanischer Kreuzer be finden. Es seien mehr Schiffe notwendig, besonders britische, welche wahrscheinlich den unglücklichen Folgen der französischen Landung bei Casablanca entgegenwirlen würden. Es wird gemeldet, daß die deutsche Kolonie morgen Fez verlassen und nach Larrasch sich wenden werde. Die Deutschen sind wahrscheinlich die letzten Euro päer in Fez, obgleich von gut unterrichteter Seite erklärt wird, daß die französische militärische Mission noch dortgeblieben sei. — In offiziellen marokkanischen Kreisen herrscht Besorgnis, obwohl eine amtliche Mitteilung von der Proklamierung des Muley Hafid zum Sultan hier noch nicht eingegangen ist. Die scherifischen Minister in Tanger haben gestern, wie es heißt, Eilboten nach Fez geschickt mit dem Ersuchen um Mitteilung, ob der Maghzen noch im Amte sei. „Daily Telegraph" meldet aus Casablanca von Sonntag Mitter nacht: General Drude beschloß vorzurücken. Er wird versuchen, mit den Verstärkungen, die gestern angekommen sind, das marokkanische Lager bei Taddert vor Tagesanbruch zu überrumpeln. Der Feind würde sich dann von dreitausend Franzosen mit acht Feldgeschützen uns mehreren Maschinengewehren umringt sehn. In Taddert sind zehntausend Marokkaner konzentriert. Aus Paris wird schließlich dem „L.-A." geschrieben: Von allen Seiten wird jetzt bestätigt, baß mit der Stadt Marrakesch dec ganze Süden von Marokko die neue Ordnung der Dinge unter Muley Hafirs Herrschaft ohne Widerstreben anerkannt. In Tanger erhielten die Minister El Torres und Gebbas gleichlautende Schreiben von Muley Hafid, worin er ihnen den Beginn seiner Negierung ankündigt. Die Wehrpflicht in Dcutschsüdwcstafrika. Ueber die Wehrpflicht in Deutfchsüdwestafrika heißt es in dem amtlichen Ratgeber für Auswanderer nach Deutschsüdwest afrika, es sei in Aussicht genommen, die Landsturmpflicht für die Wehr pflichtigen während ihres Aufenthaltes im Schutzgebiet bis zum vollende ten 60. Lebensjahre zu verlängern und die Landsturmpflichtigen bis zum vollendeten 45. Jahre zu Uebungen heranzuziehen. — Gegen eine solche Maßnahme wirft die „Deutsch-Südwestafrikanische Zeitung" sin ihrer Nummer vom 27. Juli) erhebliche Bedenken auf. Zutreffend ist zunächst, daß eine derartige Regelung der Dienstpflicht nicht ohne reichsgesetzliche Zustimmung erfolgen kann. Aber auch diese vorausgesetzt, würde doch in Erwägung zu ziehen sein, ob die Hinaufsetzung der Grenze der Dienst pflicht nicht ohne reichsgesetzlichc Zustimmung erfolgen kann. Aber auch diese vorausgesetzt, würde doch in Erwägung zu ziehen sein, ob die Hinaufsetzung der Grenze der Dienstpflicht sich für die Kolonie Südwest afrika empfiehlt. Die Erfahrung des letzten Krieges zeigte, daß alle waffenfähigen Männer sich zur Verteidigung der Kolonie auch ohne Zwang sammelten. „Wird er jedoch angewandt", so führt die „Deutsch- Sndwestafrikan. Ztg." aus, „so kann man sicher sein, daß viele von den jenigen, die bereits in höherem Lebensalter stehen und nun gezwungen der Truppe eingereiht werden, ihr brauchbare Dienste nicht leisten, son dern ihr eher zur Last fallen werden. Ebenso erscheint cs sehr bedenklich, daß die Landsturmpflichtigen bis zum 45. Jahre zu Hebungen herange- zogen werden können. Viel Zweck werden solche Uebungen, die insgesamt 28 Tage nicht überschreiten sollen, ohnehin nicht haben; sie können ander seits recht empfindliche Schädigungen mit sich bringen, die man dem Ansiedler nach Möglichkeit ersparen sollte. Wie es aber mit der Diszi plin bei diesen Landsturmübungen ausschen uürde, wenn Leute auf einige Wochen eingezogen sind, die sich bereits im reiferen Alter befinden, die seit 20 Jahren oder überhaupt noch nicht Soldaten waren und die nun mit einemmale viel jüngeren Vorgesetzten unterstellt werden, das sollte man sich auch überlegen. Im Kriege gleicht sich das Alter eher aus; im Frieden werden sich Konflikte nicht vermeiden lassen, die bei unseren strengen militärischen Gesetzen manchen sonst tüchtigen Mann vielleicht für sein ganzes Leben unglücklich machen können. Jedenfalls erwartet die „Dcutsch-Südwestafrikan. Ztg.", daß man solche Maßnahmen nicht trifft, ohne zuvor den Gouvernementsrat gehört zu haben. Deutsches Reich. Leipzig, 27. August. * Tie deutsch-französischen Beziehungen werden anläßlich des Be suchs Cambons in Norderney natürlich lebhaft erörtert. Wie auch die französische Regierung bestrebt ist, sie als recht freundlich zu be- zeichnen, geht aus solgender Notiz der „Agence Havas" hervor: „Der Botschafter Jules Cambon, der alte Beziehungen zum Fürsten Bütow Feuilleton. Man muß so leben, als könnte jedermann sehen, was in unserer Seele vorgeht. Seneca G eneca. Vom Regenbogen. Plauderei von Dr. Ed. Platzhoff-Lejeune (Bern) ,,Das ist das Zeichen des Bundes, den ich gemacht habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch hinfort ewiglich: meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bun des zwischen mir und der Erde. Und wenn es kommt, daß ich Wolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mür und euch, und allem lebendigen Getier, in allerlei Fleisch, daß nicht mehr hinfort eine Sündflut komme, die alles Fleisch verderbe." Also sprach Gott nach dem ersten Buche Mosis (Kapitel 9, Vers 12—16) zu Noah, dem Stammesvater des Volkes Israel. .Und ist man auch allgemein geneigt, die Abfassung dieses Dokumentes kaum vor dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert ayzusetzen, so haben wir hier gleich wohl einen sehr frühen, wenn nicht den ältesten Beweis für das Natur gefühl der Alten, das man ihnen heute mit Recht nur in beschränktem Maße zugesteht. Das großartige Naturschauspiel des Regenbogens, das in der Gegenwart Richard Wagner-in seinem Nibelunzenring so wirk sam benutzte, hat di« alten Hebräer mit ehrfurchtsvoller Bewunderung erfüllt. Ihr religiöser Sinn suchte nach einer poetischen Erklärung dieses Naturphänomens und fand sie in der Versöhnung der Gottheit mit den Menschen. Es ist kein Zufall, daß gerade dem Regenbogen diese symbolische Funktion der Vermittlung und des Ausgleichs zugcsprochen wurde. Schon seine Form, der vom Himmel zur Erde herniedersteigende Halbkreis, deutet eine Beziehung zweier Welten an. Noch mehr aber legt der Zeitpunkt seines Erscheinens den G^ianken an Frieden und Harmonie nahe. Der Regenbogen zeigt die Stille nach dem Sturm an. Er erscheint, wenn der Aufruhr der Elemente sich gelegt hat, wenn die Sonne durch die Wolken bricht und alle Angst und Not vorüber ist. Er- leichtert atmet der Landmann auf, ivenn die drohende gelbe Hagelwolke gefahrlos vorüberzog. Mit wonnigem Gefühl öffnet der Städter die Fenster, gegen deren Scheiben noch eben der windgepeitschte Regen prasselt« und atmet freudig die würzige Luft und den eigentümlich wohligen Geruch der feuchten Erde und der nassen Blätter. Die in den Zweigen scheu versteckten Vöglein beginnen wieder lustig zu singen; das hohe, von der Wasserflut gebeugte Gras richtet sich langsam auf. Die vom Sturm geschüttelte Pappel ragt wieder still gen Himmel. Und der Regenbogen leuchtet auch für uns noch wie eine Bürgschaft dafür, daß Ordnung und Friede wieder hcrgestellt sind, daß alles Dunkel weicht und die Sonne wieder lacht, daß das Schlimmste vorüber ist und wir Hellen, glücklichen Tagen entgegen gehen. Wenn in Beethovens Pastoral, sinfonic das berühmte „Gewitter" vorüber ist, der dritte Satz in den vierten unmerklich übergeht und das „Tankgebet der Landleutc" cinsctzt so kann man sich diese Szene reiner Harmonie und frommer Dankbar keit ohne einen die schlichte Hirtengruppe malerisch einrahmenden Regen bogen nicht wohl vorstcllen. Doch wir nüchternen Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts lassen uns an poetischen Erklärungen und frommer Ausdeutung des Natur phänomens nicht genügen. Wir fragen nach dem wissenschaftlichen Warum und möchten sein Auftreten mindestens voraussehen und genau berechnen, wenn nicht gar mit eigenen Mitteln selbst wiedererzeugen können. So ausfällig und wunderbar der Regenbogen z. B. dem Kinde oder auch dem ungebildeten Erwachsenen erscheint, so einfach erklärt sich bei einigem Nachdenken die Erscheinung nach den bekanntesten Gesetzen. Ter Bogen entsteht in der dem Standpunkt der Sonne entgegengesetzten Himmelsrichtung, also am Morgen im Westen, am Abend im Osten. Er setzt voraus, daß die Sonne über dem Horizont sei, sie darf aber nicht zu hoch stehen. Bei mehr als 42 Grad Sonnenhöhe ist der Regenbogen nicht sichtbar, um die Mittagsstunde im Sommer ist er also unmöglich. Je tiefer die Sonne am Horizont steht, desto größer wird der Regen bogen sein, d. h. desto mehr wird er aus einem Halbkreis sich zum Kreise runden. Darum sind die Abendregenbogen bei Sonnenuntergang die schönsten. Dazu kommt noch ein anderes. Jeder erfahrene Beobachter des Wetters weiß, daß es bei eintrctendcn Aenderungcn gewisse Tages zeiten bevorzugt; eben jene, deren Eintreten auch dem Laien in gewissem Grade das Wctterprophczcicn für den gleichen Abend oder den folgen den Morgen ermöglicht. Nicht als ob sich das Wetter nur und stets nach Sonnenaufgang, um elf Uhr, zwei Uhr und vor Sonnenuntergang ändern müßte, aber cs hat dazu doch seine gewisse Tendenz, die unsere Fachmänner erklären mögen. Hat es z. B. die Nacht geregnet, so wird oft gegen Morgen eine vollständige oder doch momentane Aufhellung eintreten: war der Nachmittag oder der ganze Tag reich an Nieder- schlügen, so wird gegen Abend auf Augenblicke die Sonne lächeln. Kein Wunder also, daß der Morgen- und der Abendregenbogen die bekann testen sind, da gerade dann nicht nur die physikalischen Reflexions bedingungen erfüllt werden, sondern auch die zu ihrem Inkrafttreten er forderliche Wetterlage vorhanden ist. Daß der Sommer durch seine häufigeren Regengüsse trotz des höheren Sonnenstandes das Negcnbogen- phänomen häufiger als der Winter erzeugt, ist bekannt. Zum wirklichen Genuß eines Regenbogens sind verschiedene Vor bedingungen erforderlich. Natürlich muß der Beobachter der Sonne den Rücken kehren und in den vor ihm fallenden Regen hineinsehen. Sehr gering ist das Vergnügen des Beobachters, wenn es an seinem Standort zur Zeit des auftrctenden Phänomens noch regnet. Nicht viel größer ist der Genuß, wenn der Bogen im Westen steht, er also das Ge witter oder den Niederschlag als kommend ankündigt, statt ihn als ab ziehend zu verklären. Eben darum bleibt der Abcndregenbogen der schönste, wenn im Westen ein glutvoller, wolkenloser Sonnenhimmel lacht, über uns die letzten gelblich bestrahlten Wolken wegziehcn und im Osten über der schwarz zusammcngcballten Schicht, die für den Be obachter alle Schrecken verloren hat, der scharf vom dunklen Hintergrund sich abhcbcndc Regenbogen rein und bunt erglänzt. Wenden wir uns nun der Entstehung des Regenbogens zu, so ist bekannt, daß er sein Dasein der Brechung der Sonnenstrahlen beim Ein- tritt und Austritt in und aus den Tropfen verdankt. Eine ähnliche Erscheinung kann jedermann bei dem im Physikunterricht stets ver wandten Glasprisma beobachten. Ein- oder zweimal enthält jeder Tropfen kreisförmige Bogen, die in den Farben des Spektrums glänzen. Durch das Zentrum dieser Kreisbogen kann man sich eine gerade Linie gezogen denken, die das Auge des die Lichtbrechung studierenden Beobach, icrs trifft und bei der Sonne ihren Ausgangspunkt nimmt. Allbekannt ist die Tatsache, daß, wenigstens „im Prinzip", jedesmal zwei Bogen zu sehen sind. Der Hauptbogen entsteht durch die im Innern des Tropfens einmal, der Nebenbogen durch die zweimal gebrochenen Strahlen. Da eine dreimalige Brechung sehr wohl möglich ist, wird das Erscheinen eines dritten Rcgcnbogens keine Seltenheit sein. Meist sind aber die Farben schon so geschwächt, daß er nicht sichtbar wird. Ja, wenn der Hauptbogen selbst nicht außerordentlich intensiv leuchtet, ist schon der erste Nebenbogen nicht mehr zu erblicken. Der auch als Jnncnbogen bezeichnete Hauptbogen weist in der Rich tung von außen nach innen folgende Farben auf: Not, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett. Im Ncbcnbogen erscheinen die Farben nmge- kehrt. Die Vorliebe für die heilige Zahl Sieben hat vor der Wissen schaft nicht stand gehalten; mehr als sechs deutlich unterscheidbare Farben lassen sich nicht feststellcn. Dabei sind die einzelnen Farben nicht mit gleicher Schärfe sichtbar. In der Regel ist der Himmel oberhalb des Regenbogens bedeutend dunkler und schwärzer, als das von den Bogen eingeschlossene Himmelsstück. So kommt es, daß die äußeren Farben des Bogens, zumal die rote, bedeutend intensiver sind, als die blauen und violetten. Es ist übrigens ein Irrtum, zu glauben, der Regenbogen könne sich nur am Himmel zeigen. In ebenen Ländern ist das allerdings der Fall. In Gebirgsgegenden aber kommt cs nicht selten vor, daß er sich über grüne Matten, dunkle Tannenwälder, rot-
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