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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.10.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-29
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071029013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907102901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907102901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-29
- Monat1907-10
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Morgen-Ausnave S. Bezug» Prei» Leipzig und »«ort» durch unftie krtger und Spediteure int Haut gebracht: «utgabe a (nur awraen«) »iertelMrltch 8 M. monatlich I M. Ausgabe L (morgens und abend») viertel« jährlich 4.SO M. mouallich I SO Di. Durch di« »oft bezoae» <2 mal lsglich) mnerhalb Deutlchland« und der deutschen Kolonien vierteljährlich S,2S Di-, monatlich l.7S Di. ausschl Post- veftellgeld »ür Oesterreich 8 L Sv d. Ungar« 8 L. vierteljährlich. Abonnement-Annahme. Augustusvlatz 8, bei unseren Lräaern, Filialen, Epediteure» und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne ptummer kostet lO Dfg- stiedaktton und ExpedUton: Johann itgasje 8. r-lenbon Dr. 14SS2 «r. I4SSb «r. I4S84. lkerliuer «edaktton» lvurrau: Berlin dl V. i Prinz Louis Ferdinand- Strass 1. Lelephon I, Rr 927b. NiMgcrTGMM Handelszettimg. Amlcvlatt »es Rates ««- -es Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Nr. 3W. Dienstag 29. Oktober 1907. Nnzekgm-Prett M S^erate ans Leipzig und Umgebung bi, «aefpaltmt, Pattt^Ue» Pf., stnanzielle Ängsten 80 Pf., siellamen 1 Di.; »mi auswärt« S0 bieklamen 1.20 M. Inserat« ». vehärden ft» amtttchen Leil 40 Pf. «etlagegebübr bDi. p. lausend exkl. Post- gebühr, «eschästsanzeigen an bevor,uglcr Stell« im Preile erhäht. SkabaN nach Daris Festerteil»« Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für do« Erscheinen an bestimmteu Lagen und Plägen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme! Lugustusplatz 8 b« sämtlichen Filiale« u. allen Annoncen. Expeditionen de« In- und «Utlandes. «smuft.Filialr «erlftsi Tarl Dunckr , Herzogi. Vahr. Hof buch- Handlung, Lützowstrahe 10. iLelrphon VI. Ar. 4609). 101. Jabrqanq. Da» wichtigste vorn Tage. * In der sächsischen Zweiten Kammer erfolgte gestern eine sehr interessante Besprechung der Interpellation über Schiff fahrtsabgaben. sS. Art. und Ber.) Heute steht die Interpellation über die Zusammensetzung der Ersten Kammer auf der Tagesordnung. * Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg sprach gestern in der Delegiertendersammlung des Zentralverbandes deutscher Industrieller über sozialpolitische Auf. gaben. fS. Dtschs. R.s * Gestern starb in Würzburg der Professor der Gynä- kologie Dr. Wilhelm Nieberding. * Das spanischeKönigspaar ist in Paris eingetroffen und hat dem Präsidenten Fallisres einen Besuch abgestattet. * Der Guerillakrieg in Korea nimmt einen größeren Um- fang an. lS. Ausl.j Ohne Begleitung des Atnnzlsvs. Der Druckfehlerteufel liebt es, besonders mit Hilfe dialektisch be lasteter Bediensteter, die beiden Wörter „Begleitung" und „Bekleidung" zu verwechseln. Wo man auf diese Satansunart stößt, erscheint sie recht oft durchaus nicht als Abgeschmacktheit. Die „Bekleidung eines Monarchen durch seinen leitenden Minister" ist manchmal ein völlig zu treffender Ausdruck, manchmal eine crzsatanische Bosheit. Aber nur ein Analphabet in der Gegenwartsgeschichte könnte unserem Deutschen Kaiser, der dreimal sich sehr gewaltsam von seinen Ratgebern getrennt bat, eine seine eigene Bedeutung herabdrückende Unterordnung unter seine Kanzler nachsagen. Bei uns ist es keineswegs so, daß das ge krönte Oberhaupt die einzige Aufgabe hat, durch ihre Null den Wert der zu ihrer Linken sich aufstellenden Ziffern zu verzehnfachen. Wir fürchten anch nicht, für Byzantiner erklärt zu werden, wenn wir freudig aner kennen, daß Kaiser Wilhelm allezeit der Scylla glücklich ausgcwichen ist, in welche die vor der Charybdis, der Ueberstrahlung durch hellere Nebensonnen, flüchtende Nullenschaft so gern hineinrennt: daß sie sich mit Trabanten ohne Eigenlicht zu umgeben liebt. Die Kanzler Wil helms H. waren alle vier ganze Nummern. Wenn wir das wirkliche Verhältnis durch eine mathematische Formel charakterisieren wollen, so sagen wir vielleicht am besten, daß unser Kaiser eine algebraische Größe ist, welche durch genau berechnete Verbindungen den eigenen Wert und den ihrer Koeffizienten bestimmt. Der Kaiser reist ohne dieBegleitung desFürstcn Bülow nach London. Was bedeutet das? Es ist nicht völlig genau, die Marksteine unserer Tagesgeschichte in Wilhelmshöhe, Car- tagen« und den anderen Orten der Monarchenbcgegnungen aufzustellen. Das Endziel ist bei ihnen meist im Grunde nichts, die Bewegung alles. Ter Fackelschein der höfischen Feste beleuchtet ein Transparent, welches die königliche Unterschrift unter programmatische Vereinbarungen setzt, die in monatelanger Vorarbeit durch königliche Handschreiben und Noten der Auslandsminister und der Botschafter zustande gebracht sind. Und die Begleitung des leitenden Ministers ist der abschließende Punkt hinter der königlichen Unterschrift. Das ist die konventionelle Form der Diplomatie unserer Tage. Wenn also Fürst Bülow nicht mit nach London geht, so wird die Sanktion der jetzigen Phase der englisch-deutschen Annäherung nicht vollständig werden. Aber hat dann die Kaiserrcise überhaupt eine Be deutung? Bleibt sie dann nicht wirklich eine reine Familienangelegen heit beider Monarchen, für die offiziöse Federn so ziemlich jeden Monarchenbesuch in einem gewissen Stadium ausgeben möchten? Wider die Wahrheit, denn — im gemütlichen Sinne der Herrscher darf man sagen: leider! — heutzutage ist es den Monarchen so gut wie unmöglich gemacht, ihre Persönlichen Beziehungen rein durch Bedürfnisse ihrer freundschaftlichen Empfindungen zu regeln, ohne politischen Beigeschmack. Was bedeutet also das Fernbleiben Fürst Bülows? Die Frage kann nicht beantwortet werden ohne vorgängige Erledigung der Hauptfrage: Was bedeutet die Kaiserrcise selbst? Sie bedeutet vor allem, daß Gott sei Dank die Zeit des ,Einkreisungs"-Geredes endlich vorüber ist. Wir wollen heute nicht grübeln, ob das Gerede jemals Berechtigung besessen hat. Aber das ist dock, sonnenklar: den Gebieter eines durch feindselige Tendenzen be drohten Landes darf man anständigerweise nicht mehr zu einem freund schaftlichen Besuche einladen. Mehr als die bloße Konvention verbietet die persönlich« Reinlichkeit, die nackteste Rücksicht auf den guten Ge- scbmack di« Judasküsse. Mag vor 2^ Jahren eine Periode vorüber- gcgangen sein, in der die Politik Englands eine feindliche Richtung gegen Deutschland genommen hatte; mögen selbst persönliche Empfind lichkeiten, ja bestimmbare mit Deutschlands Interessen unverträgliche Strebungen König Eduard damals zum Spielen mit dem Gedanken eines Krieges gegen Deutschland verführt haben: heute ist dieser Zu stand überwunden. Wir müssen die Tatsache anerkennen, daß dem König im Jahre der Friedenskonferenz daran gelegen ist, das Ziel einer vorläufigen Sicherung des Weltfriedens auf dem von ihm'selbst bevorzugten Wege der intermonarchischen Verständigung zu erreichen, nachdem di« Methode des ihm aufgedrängten Ministers Campbell Schiffbruch gelitten hat, durch einen internationalen Areopag den ewigen Frieden mit der allgemeinen Abrüstung zu dekretieren. Nachdem Deutschland-Oesterreich „eingekrcist" war, wurden die beiden Zcntralmächte in Wilhelmshöhe und Ischl selber in den Ring einbezogen und dadurch der, wenigstens für die Gegenwart, solide Bau eines Friedenstempels gekrönt: kein numuraau-turn asrs psrenuiu.-z, von den Völker, die einfach die jahrelange Kri«gsnervosität nicht mehr er tragen konnten. In dieser Weise glauben wir das Rätsel der englischen Politik unseres JahreS — oder sagen wir, der Politik König Eduards — gelöst zu haben. Wir glauben, mit vollem Fug diese Tätigkeit des Königs als eine verdienstvolle bezeichnen zu dürfen. Aber billigt Fürst Bülow denn diese Politik nicht soweit sie Deutsch land angeht? DaS anzunehmen liegt unS fern. Wir haben gar keinen Anhaltspunkt dafür, unser« Reichskanzler eine Abneigung gegen Ver- ständigung«n, welche auf die Sicherung deS Friedens abzwecken, ge- schweige gar kriegerische Gelüste anzudichten. Erst recht ausgeschlossen wären natürlich kleinliche Eifersüchteleien gegen di« erfolgreichere Diplomatie des König- von England. Uns scheint, daß di« Fernhaltung Fürst Bülows von englischer Seite auSgegangen ist. Wir er innern unS deS gegen seine Teilnahme an der Begegnung gerichteten „T'.mes"-Artikels aus allerjüngster Zeit. Mag dieser Artikel in Eng land verleugnet werden: Fürst Bülow hat den Pfeilschuß gefühlt und glaubt die Schützen zu kennen. Es ist ihm unverblümt gesagt, daß er in England nicht persona ^raüssiina sei, und der point ck'donnenr hält ihn ab, sich aufzudrängen. Eigentlich müßte unter diesen Umständen die Kaiserreise unter bleiben. Der Fürst macht sich einer Inkonsequenz schuldig, wenn er fortfährt, sie zu befürworten. Und geht er nicht mit, so ist die Gefahr nicht klein, daß das Ohr des Kaisers in London von Sirenenklängen englischer Politiker erfüllt wird, die noch zu andersartigen Abmachungen locken. Nicht zu solchen im ausschließlichen Interesse der Friedenssache, sondern auch zu Plänen, bei denen das englische Interesse vielleicht über- wiegen würde. Eine bewegte sächsische Rainniersitzung. , Ter Wallotsche Neubau am Terrassenufer zu Dresden hat gestern seinen ersten Tag gehabt. Die Erörterung der freisinnigen Interpellation über die Stellung der sächsischen Regierung zu den Schiffahrtsabgaben gestaltete die Sitzung so dramatisch bewegt, wie cs bis jetzt noch wenige im Parlament zu Elbflorenz gegeben hat. Eines sei übrigens gleich vorweg genommen. Wenn besonders empfindsam veranlagte Gemüter aus dem Verlauf der Sitzung Schlüsse ziehen wollen auf einen tief greifenden Zwiespalt innerhalb der Regierung selbst, so halten wir das kür übertrieben. Daß zwei Strömungen im Ministerium vorhanden sind, deren leitende Geister Rüger und Hohenthal heißen, ist nichts Neues. Aber es ist auch sicher, daß diese beiden Strömungen niemals in einem Wirbel auscinandertresfen werden, dessen Wellen den einen oder anderen der beiden Schiffer mitsamt seinem Kahn zu ver- schlingen drohen. Denn Herr Dr. v. Rüger ist, obwohl einstmals national liberal, heute so stramm konservativ, wie nur einer, und Graf Hohentbal ist weit entfernt davon, liberal zu sein. Das äußere Ansehen des Hauses ließ gestern nicht erwarten, daß es zu einer sehr lebbasten, auch die preußische und die Reichspolitik start berührenden Debatte kommen werde. Zwar war das Haus, wie üblich, stark besetzt, die Tribünen gefüllt und auch die Regierung stark vertreten. Stärker sogar als sonst. Auf dem Platze rechts vom Prä sidium erblickte man den Finanzminister mit zahlreichen Räten seines Ressorts. Auf dem Platze links erschien später der Minister des Innern Graf v. Hohenthal mit mehreren Kommissaren: daß die beiden Minister n-cht, wie sonst, zusammentrafen, wurde von Geheimniskrämern als ein Zeichen dafür angesehen, baß wichtige Dinge in den letzten Tagen hinter den Kulissen vor sich gegangen seien. Es erklärt sich aber viel harmloser dadurch, daß rechts ein.'ch 'ein Platz mehr war, um die übrigen Regieruugsmitglicder unlerzubringen. und man sah auch im Verlaufe der Sitzung beide Minister in eifrigen Konferenzen vor dem Platze des Kammerpräsidenten Dr. Mehnert zusammenstehen. Tie Verhandlungen setzten sehr ruhig ein. In geschickter, sachlicher Weise begründete der freisinnige Abgeordnete Günther- Plauen seine und seiner Parteifreunde Interpellation über die Stellung der säch sischen Regierung zu den Schissahrtsabgaben. Mit Nachdruck hob er hervor, daß die Interpellation keineswegs, wie in der Presse unterstellt, aus parteipolitischen Rücksichten gestellt sei, sondern deshalb, weil man Klarheit haben müsse, wie die Negierung zu dieser für Sachsens Volks- wirtschaft so eminent wichtigen Frage stehe. Seit zwei Jahren habe man amtlich nichts darüber gehört. Auch die Thronrede habe keine Andeutung darüber enthalten. Die Antwort, die der Finanzmirnster am 9. Januar d. I. dem Vorstand des Sächsischen Schiffervereins zu Dresden erteilte, und die in ablehnendem Sinne lautete, ist also nicht als vollamtlich ausgefaßt worden, obwohl sie so hätte aufgefaßt werden können. Es ist das aber nebensächlicher Natur. Denn unmittelbar nach der mit lebhaftem Bravo aufgenommenen, klar disponierten Rede Gün thers erhob sich der Finanzminister und erklärte, jetzt nicht mehr wie vor zwei Jahren durch Rücksicht auf vertrauliche Verhandlungen gebun- den zu sein, sondern nunmehr frei erklären zu können, daß die sächst'che Negierung für die Schiffahrtsabgaben nicht zu haben sei. Diese Er klärung war offenbar wohl erwogen im Ministerium. Denn zum größ ten Teil las sie der Minister vom Manuskript ab. Daß sie überhaupt abgegeben worden ist, können sich die Freisinnigen zu einem entschie denen Erfolge anrechnen, obwohl damit noch nicht gesagt ist, daß wir vor Schiffahrtsabgaben sicher sind. Tenn die Frage ist noch offen, ob cs Preußen nicht noch gelingen wird, so viele Bundesstaaten im Bundes rate auf seine Seite zu bringen, daß die Opposition unter 14 Stim men sinkt. Daß die Einführung von Schiffahrtsabgaben keinen Segen für Sachsen bedeuten würde, gab man auch auf konservativer Seite zu und sc schien es, als würde die vom Abg. Roch beantragte Besprechung der Interpellation recht sanft verlaufen, als plötzlich der Chemnitzer Nationalliberale Langhammer einen lebbhafteren Ton in die Debatte brachte. Er fragte: „Exzellenz von Rüger, warum haben Sie das nicht gleich gesagt. Viel Beunruhigung wäre damit erspart worden." Aber, so meinte Herr Langhammer, das Schweigen habe wohl seinen guten Grund gehabt, Sachsen habe Rücksicht auf Preußen und die Agrarier genommen. Es sei ein Umschwung in der Anschauung der sächsischen Regierung zu verzeichnen. Noch im letzten Winter hätte die „Leipziger Zeitung" einen Artikel des preußischen Geheimrats Peter abgedruckt, der für die Abgaben eingetreten s«i. Im April d. I. aber habe im Konservativen Verein zu Dresden em letzter Zeit vielgenannter hoher Staatsbeamter gegen die Abgaben gesprochen. Damit hatte der Abg. Langhammer in ein Wespennest gestochen. Empfind lich berührt bat der Finanzminister ums Wort. Ein Umschwung in der Ansicht der sächsischen Regierung sei nicht eingetreten. Die „Leip». Ztg." habe jenen Artikel völlig auf eigen«Faust ausgenommen und «r selbst habe niemanden veranlaßt, in seinem Namen im Konservativen Verein zu sprechen. Und nun passierte dem Minister eine Entgleisung, die noch viel von sich reden machen und viel erörtert werden wird. Er sagte weiter: Wenn er jemand einen Auftrag zu dieser Rede im Konservativen Verein gegeben haben würde, so würde er sich wahrscheinlich jemand anderes ausgesucht haben, als den Redner jenes Abends, nämlich den Herrn v. Nostitz. Offenbar hatte der Minister damit sagen wollen, er würde einen Herrn aus seinem eigenen Ressort beauftragt haben. Die Worte konnten aber auch anders gedeutet werden und wurden es auch. Freilich unserer Auffassung nach mit Unrecht, da der Minister des Innern v. Hohenthal etwas später erklärte, die Aeußerungen des Legationsrates v. Nostitz über die ablehnende Haltung der Re- aierung in der Schisfahrtsabgabenfrage seien mit seiner ausdrück lichen Zustimmung abgegeben worden. Großes Aussehen im ganzen Hause. Abg. Günther greift die Rede Hohentbals sofort aus und wollte daraus auf einen scharfen Gegensatz innerhalb der Re gierung schließen. Aber sosort erläuterte Graf Hohentbal seine Worte dahin, der Legationsrat v. Nostitz gehöre zu seinem Ressort, dem Mini- sterium des Innern. Er, der Minister, habe den Legationsrat darum gebeten, da die Frage der Schissahrtsabgaben in der Presse viel be- handelt worden sei und ihm selbst daran gelegen habe, seinen eigenen ablehnenden Standpunkt gegen die Abgaben durch eine Äeußerung im Konservativen Verein der Oeffentlichkeit bekannt zu geben. Dieser Zweck sei auch erreicht worden. Tos schwächte natürlich die früheren Aeußerungeu der beiden Minister stark ab. Immerhin regte der Zwischenfall aber eine so lebhafte Unterhaltung im Hause an, daß die übrigen Debatten wenig Aufmerksamkeit fanden. Dr. v. Nüger, der anfangs so erfolgreich war, sah sich gegen Ende der Sitzung noch zweimal vom Glück nicht gerade begünstigt. Er halte erklärt, die Haltung der süddeutschen Staaten sei nicht zu erfahren ge- wesen. Da stellte der Abg. Günther die Frage, wozu denn die Ge sandtschaften da seien, für die im Etat 113 400 geopfert würden. Die Antwort auf diese Frage blieb der Minister schuldig. Ihm selbst trat freilich auch kein Redner entgegen, als er sagte, gegen die preuß.jchc Auffassung vom Stader Zoll sei nicht anzukämpfen, da sich dieser Zoll nur auf die Strecke unterhalb Hamburg bezogen habe. Das stimmt nicht und das war die dritte Entgleisung Dr. Rügers. Der Zoll bezog sich tatsächlich ans die ganze im Hannoverschen Gebiet liegende Elbstrecke. Daß er gerade in Stade oder Brunshausen erhoben wurde, hat seinen Grund lediglich in praktischen Verhältnissen, nämlich darin, daß manche Schiffe nicht weiter hinaus gingen, also sonst vom Zoll gar nicht erfaßt worden wären. Preußen darf sich also nicht darauf berufen, daß die Unterelbe ja von Schissahrtsabgaben auch jetzt freiblciben soll und daß dies also keinen Ersatz für den aufgehobenen Stader Zoll darstellt. Das gerade Gegenteil ist der Fall und es wäre sehr gut, wenn die sächsische Regierung dies Preußen einmal nachdrücklich zu Gemüte führen wollte. Durch den Abschluß des Stader Vertrages vom 22. Juni 1861 ist das Recht zur Erhebung von Schissahrtsabgaben auf der Elbe ein für alle mal zunichte geworden. Deutsches Reich. Leipzig, 2d. Oktober. * AnSzelchnung des Botschafters t». Radowitz. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Dem kaiserlichen Botschafter in Madrid, v. Navowitz, ist zum Tage seines 25jährigen BotschafterjubiläumS nach stehendes Telegramm deS Kaisers zuge^angen: „Berlin, 25. Oktober 1907. Es ist Ihnen, wie Ich erfahre, vergönnt, heute die 25jährige Wieder- lehr des Tages zu feiern, an welchem Sie durch daS Vertrauen Meines Hot'seligen Herrn Großvaters zum Botschafter ernannt wurden. Es gereicht Mir zur Freuve, Eurer Exzellenz aufrichtigen Glückwunsch hierzu auszusprechen zugleich mit Meiner dankbare» Anerkennung für die langjährigen treuen Dienste, welche Sie Mir und Meinen Vor gängern an Krone und Vaterland geleistet haben. In herzlicher Dank barkeit Wilhelm." * Bethmann-Hollweg im Zentralverband der Industriellen. Nachdem der Nachfolger dcs Grafen Posadowsky Staatssekretär von Betbmann- Hollweg erst vor wenigen Tagen Gelegenheit genommen hatte, aus rem deutschen Arbeiter-Kongreß über sozialpolitische Aufgaben zu reden — bar er gestern ein Gleiches getan gelegentlich der Delegierten- Versammlung deS ZentralvrrbandeS deutscher Industrieller. Ec bar es vabei freilich unterlassen, über einzelne sozialpolitische Maßnahmen zu sprechen — aber er hat in bemerkenswerter Weile erneut gewarnt vor der Entwickelung der Kartellbildung in der Industrie und dann betont, daß die Blüte der deutschen Industrie auch den Arbeitern zu gute kommen müsse. Er führte auS: Für die freundliche Einladung, die Sie mir zum heutigen Tage haben zngehen lassen, bin ich Ihnen zu aufrichtigem Dank verpflichtet. Der Zeniralverband Deutscher Industrieller hat während seines dreißig jährigen Bestehens an der Gestaltung unserer sozialen und w>ri- lchastlichcn Zustände den lebendigsten Anteil genommen. Ich bitte Sie, Ihre Erfahrung auch Weiler in den Dienst der All gemeinheit stellen und auch mir gegenüber damit nicht zurück halten zu wollen. Ich meinerseits werbe bestrebt sein, dem Unter nehmertum und der Arbeiterschaft mit der gleichen Offenheit und Un befangenheit gegenüberzutreten und die Auffassungen beider Seiten gleichmäßig zu würdigen, um in möglichst enger Kühlung mit dem w rl- lichen Leden das richtige Augenmaß für das Mögliche sowohl wie für das Notwendige zu gewinnen ui d zu behalten. Ueber die Notwendigleir einer entschlossenen Fortführung der Sozialpolitik habe ich mich auf dem unlängst hier veranstalteten Arbeiterkongreß ausgesprochen. Bei der Untrennbarkeit jeder fruchtbringenden Sozialpolitik von dem wirtschaft lichen Zustande der Industrie kann ich nur hoffen, daß der Austchwunz ohnegleichen, den die deutsche Industrie in den letz en zwei Jahr zehnten dank der Energie der Unternehmer und der Tüchtigkeir res deutschen Arbeiters genommen bat, vor unvermittelten Schwankungen bewahrt bleiben möge. Einem Verbände, der wie der Ihrige eincu Vereinigurmspunkt lo vieler und für daS wirtschaftliche Wohl des deutschen Volkes bedeutsamer Industriezweige bildet, erwachsen auch in dieser Beziehung die größten Aufgaben, deren Lösung nicht nur auf unsere Verhältnisse, sondern auch auf die Konjunktur ihre Wirkung aus übt. Die Ueberspannungen ver KonzeutrationStendenz, wie wir sic gerade gegenwärtig mit ihren verhängnisvollen wirtschaftlichen und sozialen Folgen in anderen Ländern erleben, enthalten eine ernste Mahnung. Ich hoffe, daß Ihre Tätigkeit dazu beitragen wird, unsere Industrie in ruhigen Bahnen zu erhalten, und ich wünsche insbesondere, daß auch Ihre jetzigen Beratungen einer kräftigen gesunden Weiter entwickelung m Ihrem Besten, zum Besten der Arbeiter und zu in Besten der Gesamtheit dienen mögen. * Zur Besetzung der Münchener Runtiatnr schreibt man uns aus München. Die Hoffnungen, die man in München und Berlin auf den neuen Nuntius setzt, dürften einem großen Optimismus ent'piingen. Der Dominikaner-General mag persönlich ein sehr liebenswürdiger Herr sein, aber er ist ein Dominikaner-General, das sagt alles. In der Ernennung eine- deuischsprechenden Nuntius und noch dazu eines Oesterreichers, wird ein Entgegenkommen erblick». Es ist ganz richtig, daß die bayerische Regierung seit langer Zeit einen solchen Wunsch hegt. Aber nach dem Feldzuge gegen die Modernisten und nach der letzten Enzyklika kann eher angenommen werden, daß die Wahl getroffen wurde, um eine bessere Ueberwachung der deutschen Katholiken zu ermögliche», tzui vivr», verra. * Sin Interview Lccowte». Wir haben bereit» telegraphisch mitgetetl», baß der frühere französische Botschaftsrat Lrcomt« die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen entschieden zurückweist. Wir geben noch folgend« Nachrichten über da» Interview wieder: Lecomte vermutet, daß Harten unter fremdem Einfluß handle. Man habe ja von der Entlassung Holsteins gebärt und von dr» Ereignissen, die diese Entlassung herbeisührle». Da müsse man die Gründe für da» gegenwärtige vorgehen fachen. Jedermann wisse, daß die politische Evolution, welch« seinen Rücktritt herbeigrführt bat, dem Einflüsse des Fürsten Eulenburg znzuschrriben sei, dessen Freund Lecomte gewesen ist. Auf die Frage, ob er sich oft mit dem Fürsten Eulenburg in Gegenwart de» KaiseiS befunden habe, erwiderte Lecomte: „Nein. JedeSmal, wenn er in da» Schloß eingeladen seh habe er sich nicht mit dem Fürsten Ealenburg getroffen." Auch wa- über die Jagd gesagt worden sei, daß ihn Fürst Eulenburg mit seiner Begleitung dem Kaiser beinahe aufgedrSngt hab«, sei vollkommen unrichtig. Der Kaiser hab« allerdings, «l» er nach Liebenberg ging, ibn unter den Personen bezeichnet, welche er zu treffe« wünschte. Ueber seine politisch« Roll« sagte er: „Ohne au» der Reserve herauSzngehea, die mir geboten ist, kann
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