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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 23.06.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-06-23
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193906232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19390623
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19390623
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1939
- Monat1939-06
- Tag1939-06-23
- Monat1939-06
- Jahr1939
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 23.06.1939
- Autor
- Links
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»Sehen Sie, Herr Verwalter, solche Sachen lSnnten nicht passieren, wenn Sie eine Frau hätten. St« brauchen keine Angst zu haben, daß ich dabei an mich denke — bet Gott nicht! Obwohl tch nicht dt« schlechteste für Sie wSr«. Sie könnten von mir aus die ganze Nacht ausbletben. Aber wenn Sie »ach Hans« käme», würde tch Sie be muttern!* EUvrrtu- lag im Bett und gab keine Antwort. Er spürte »nr den Atem der Frau, die unaufhörlich redete. ^fa — ja — ja!' jammert« er leise. Frau Buberski hörte ein Ja. Ihr fettes Gesicht bekam einen freudigen Glanz. Sie klammerte sich an dieses kleine «ort. »Ja, wirklich? Sie wollen mich heiraten?* stammelte sie, zu Tränen gerührt. StkvertnS schüttelte verneinend den stopf. »Nein, Frau Buberski!' Frau Buberski- Wesen war i« Augenblick verändert. Sie gab Schaufel und Besen, die am Boden lagen, mit dem Futz einen Stoß, da- sie mit Gepolter und GeNirr in die Ecke flogen, ritz sich die ArbeitSschürz« vom Leib und knallte sie vor Silverius' Bett auf den Boden. »So! Dann soll auch eine andere Frau Ihre Wohnung putze»! Von mir au- können St« saufen, soviel Sie wollen! Da- Mär' ja «och schöner! Sie werden doch nicht denken, da- ich auf Sie warte! Gott sei Dank — ich bin eine ehrsame Witwe!* Und weg war sie. Im LudgeruS-Sanatorium durchquerte, von seinen Assistenten, Hilfsärzten und Schwester Olga gefolgt, Pro fessor Hartleb d«n groß«« Saal. Nicht- war ihm anzu merken, da- er in der Nacht gezecht und nur wenige Stunden geschlasci nie. Für jede« der Patienten hatte er ein sreundttq.. ^ort, «in schmerzstillendes Mittel, einen tröstenden Zuspruch aus baldig« «enesung. Die strauken lagen halb ausgerichtet im Bett, oder sie standen oder saßen an den langen Tischen im Spetsesaal und unterhielten sich über Professor Hartleb. Ei« liebt«, fhn alle. ^st er verheiratet?* fragte einer. Der Angeredete zuckle mit de« Schultern. .Weiß ich nicht.* Ein alter Magenkranker, hager und gebückl, kam hinzu: »Ich -lanbe nicht, daß er verheiratet ist, sonst wär' er Nicht schon in der Früh« immer so gut aufgelegt!* Sie lachten. »Ra ja! Hast Lu ein« Ahnung, wie mich mein« Frau schon in aller Früh« schikaniert: Wo warft du denn gestern abend? Wer war denn da alles dabet? Das mit dem Kegelabend hört überhaupt aus! Da wird immer nur ge soffen. Na, und wo ihr nachher hingeh«, das kann tch mir ja denken! — Und jetzt hustest du wieder! Und der stasfee schmeckt dir nicht! Wann mußt du heute ins Büro gehen? Und wann kommst du vom Büro zurück? Vergiß nicht, mir ein Paket Haarnadeln miizubringen! Und telephonier' doch die Frieda an; es kostet ja nichts, wenn du im Büro telephonierst! Ra, meine Herren* — mit diesen Worten schloß er sein« ehelichen Reminiszenzen —, »ist das nicht schon genug zum Frühstück?* Professor Hartleb stand mit seinem Stab« im kranken zimmer Nummer 136. Seine Augen suchten den Platz, wo er gestern die Brieftasche hingelegt hatte. Seine Brief tasche lag nicht mehr dort! Er sragte Schwester Olga, ob in diese« Zimmer etwas verändert worden sei. Sie ver neinte. »Zuerst werden die großen Säle gescheuert und später erst die Einzelzimmer.' »Danke! — Bitte lassen St« mich mit der Pattenttn allein.' Die Aerzte verließen das Zimmer, ohne eine Miene zu verziehe«. Schwester Olga glaubte, daß diese Bitte sie Nichts angeh«, und wartete. »Auch Sie, Schwester Olga, muß tch bitten, «ich mit der Patientin allein zu lassen.* Hartleb trat an das Bett der Unbekannte« und schaute aus den Rackttikck. Dort laa tbre Laudtalcbe. Er uabm pe und öffnet« den silbernen Verschluß. Zwischen dem Weißen Setdenfutter steckte seine Briestasche. Hart und schneidend klangen die Wort«: »Ma« lernt nie aus!' Die Unbekannte nahm erschrocken ihre Handtasche und zog di« Brieftasche heraus. »Die gehör« nicht mir?* »Das glaub« tch — weil sie mir gehört!* Professor Hartleb erinnerte sich eine- Falle-, den ihm ein Kölner Kollege einmal erzählt«. Eine Patientin — sie war gut geNeidet — wurde bewußtlos in ein Kranken« Haus gebracht. Dort bestahl sie in der folgenden Nacht Aerzte, Schwestern und Pattenten. Auch diese Unbekannte war eine Schwindlerin, eine Diebin — da- stand für ihn jetzt fest. Er erinnerte sich noch, daß die Schwindlerin in Köln den Arzt, der vor Gericht als Zeuge geladen war» park kompromittiert hatte. Sie behauptete, er hab« ihr unsittliche Anträge gemacht. Ihm konnte da- nicht passiere«. Der Warnung-schuß war srühzeittg gefallen. Hartleb überlegte kurz, wie er sich fetzt verhallen sollte. »Herr Doktor, Herr Doktor', hört« er, »Sie glauben doch nicht, daß ich die Brieftasche genommen habe?' »Zu glauben brauche ich es nicht mehr — tch konnte mich ja davon überzeugen!' Hartlrb ging zur Tür und rief Schwester Olga: »Bitte, bleiben Sie hier!' Schnell ging er zu der Pattenttn zurück, ließ sie auf sitzen und horchte mit bloßen Ohren den Rücken ab. »Bitt« tief atmen! Einatmen — ansatmen — ein atmen — au-atmen?* Er klopfte ihr den nackten Rücken ab, prüfte ihre Augen, leuchtete in di« Pupillen, in den Mund, ließ sich von Schwester Olga et«« Holzspachtel geben, drückte damit dt« Zu«g« der Pattenttn herunter und verlangle, daß sie ein »A* spreche« solle. Nachdem er den Puls gezählt hatte, zog er aus seinem Weiße« Mantel da- Stethoskop und be- gann, da- Herz zu untersuchen. Einen Augenblick stutzte er: Das H«rz schlug sehr unregelmäßig! Nur al- Arzt fühlte er jetzt. Di« Brieftasche hatte er vergeffen. — Das Herz gesiel ihm gar nicht. Hartleb wußte, dt« Patientin simulierte nicht, sie war sehr krank. »Haben Sie in letzter Zeit groß« Ausregung«« erlebt?' »Ich weiß es nicht!* Ungeduldig klangen Hartlebs nächste «orte: .Denken Sie doch mal genau nach!* »Herr Doktor, es Hilst nichts...' »Wissen Sie, was gestern war?* »Ja, ich bin hier ei«geliesert worden.' »Und vorgestern?* »Weiß tch nicht.' »Schwester Olga, di« Frau bekommt sofort ein Et-tuch um dt« Herzgegend. Dann geben Et« ihr bitte* — er schrieb aus einen Zettel einige lateinisch« Namen auf — »von dieser Medizin, die Sie sofort in der Hausapotheke holen lassen, dreimal am Tage je fünfzehn Tropfen. Außerdem muß di« Patientin gut ernährt werde«. Ver suchen Sie, sooft als möglich, der Pattenttn außerhalb der Mahlzeiten Nahrung zu geben.* Mit einer kurzen Verbeugung vor der sich zurück legenden Patientin verließ er mit Schwester Olga das Zimmer. »Herr Doktor!' rief ihm die Unbekannte «ach. Hartleb wandte sich zurück. Er sah di« wie zum Sebet gefalttteni Hände der Patientin auf der Bettdecke. »Ihre Brieftasche haben Sie vergesse«!' kam es von» ihren Lippen. Hartleb sah Schwester Olga an, deren Mienen aber weder Neugierde «och Jnteress, verrieten, ging zu dem Nachttisch der Kranken, nahm die Brieftasche, steckte sie ein, und verließ das Zimmer. » Als die Visite beendet war und Professor Hartleb seine« Aerzte» die Anweisungen für die nächsten Stunden gegeben hatte, ging er in sei« Prtvatzimmer, das er flch gemütlich eingerichtet hatte. Die Wand «ahm eine groß« Bibliothek et«, irr der viele Bücher, gleichmäßig t« grau- blaue- Leinen aebunde«. in Reih und Glied standen. 2« der Nähe des Rauchtisches stand ein großer Radioapparat. Hartleb steckte die Schnur in die Kontaktdose und schaltete am Apparat aufs Geratewohl eine Station ein. Zuerst er tönte ein schrilles Surren, Lgn^ hörte man: »Achtung, Achtung! Sie hören Polizeisunk! Vermißt wird ein zwanzigjähriger Student aus Breslau!* Dann solgten die Personalbeschreibung sowie di« Bitte, zweckdienliche Angaben an eine bezeichnete Polizei stelle zu richten. Hartleb horchte auf. vielleicht würde «in« Nachricht folgen, die mit der unbekannten Patientin in Verbindung zu bringen war! Aber nichts Derartiges kam mehr. Der Sprecher schloß: »Wir senden jetzt: Fünfzehn Minuten für den Land wirt* Professor Hartleb schattete mit einem raschen Hand- griff das Radio wieder aus und zündete sich eine Ziga rette an. Einig« Züge paffte er, dann drückte er sie im Aschenbecher aus, nahm die Wasserflasche, goß sich ein Glas voll und trank es aus. Aus seinem Kalender waren Privatbesuche notiert, die er noch machen mußte. Er wußte nicht genau, was ihn davon zurückhiett, aber er wartete. Drincksen siel ihm ein. Es ärgerte ihn, daß er gestern abend zu seinem Freund so frei und assen von der Un bekannten gesprochen hatte. Der Kriminalrat würde schön lachen, wenn er ihm jetzt erzählte, daß die mysteriös« Frau nichts anderes sei als eine plumpe Diebin, nichts mehr und nichts weniger. Warum mußte diese Frau sein« vriestasch« stehlen? Dummes Kind! Wenn du Geld ge braucht hättest — tch hätte dir soviel gegeben, wie du wolltest! Die Stimme seines Gewissens unterbrach sein« Gedanken und stellte ihn zur Rede: Herr Professor, St« haben dem Dieb die Gelegenheit zum Stehlen gegeben! Warum legt man Speck in die Mausefalle? Damit die Maus in die Falle geht! Warum haben Eie dir Brief tasche aus das Fensterbrett gelegt? Damit sie gestohlen wird! Ganz ohne Schuld sind Ei« nicht, Herr Professor! Hartleb glaubte auch, flch zu erinnern, daß die Assisten ten sich zuzwinkerten, als er sie bat, ihn mit der Patientin allein zu lassen. Das hatte er nötig gehabt. Jetzt würde man über ihn klatschen. Lohnte es sich, daß man einer Diebin wegen Klatsch aus sich nahm? »Ich weiß nichts! Ich weiß nichts! Ich weiß nichts!* Da- hatte sie gut auswendig gelernt! Der schöne schwarze Engel mit dem Ltliengestcht wußte vielleicht mehr dom Leben al- er und Kriminalrat Drincksen. Drincksen, Drincksen! Ja, Drincksen sollte Herkommen! Hartleb nahm den Hörer vom Telephonapparat und gab der Dame in der Zentrale den Anstrag, ihn sofort mit Kriminalrat Doktor Drincksen im Polizeipräsidium am Alezanderplatz zu verbinden. Den Hörer in der Hand, lehnte er sich in seinen Schreibttschstuhl zurück. Warum hast du eigentlich die Diebin nicht zur Red« gestellt?, hörte er wieder die innere Stimme. — Ja, warum habe tch das nicht getan? — Hm, weil sie krank ist, weil ihr Blutdruck schwach ist, weil ihr Herz schwach ist, weil di« Pattenttn schwach ist! Das Telephon läutete, die Verbindung «tt dem Polizeipräsidium war hergestellt. Sein« Miene wurde freter und freundlicher. »Hallo, Harald! Na, wie ist dir die heutig« Nacht be kommen? — Gut? — Mir auch! Hast du Zett? Vitt« komm sofort zu mir, ja? Es handelt sich um dies« un bekannte Patientin. Alle- Wettere später. Ans Wieder sehen!' Fast «ine Minute htett Hartleb den Hörer noch in der Hand, -«vor er ihn auf die Gabel legte. Krank war diese Frau, das stand fest. Da- war nicht gelogen, da- war nicht simuliert. Und daß er selbst an dem Diebstahl mit schuldig war, da- stimmte auch. — Er läutet« nach Schwester Olga, die gleich darauf gesenkten Blicke- in da- Zimmer trat. »Wer war gestern «acht noch bet de» Pattenttn auf Zimmer 136?* - Oh«« nach,«denke«, gab Schwester Olga zur Antwort« »Außer mir niemand.' »Bestimmt nicht. Schwester Olaak* Hartlebs Stimme sragte sehr eindringlich unv ge spannt. Schwester Olga schüttelte verneinend den Kopf. »Nein — niemand!* »Wann waren Sie das letztemal bei der Pattenttn?* Schwester Olga erinnerte sich jetzt der Begegnung mit GilveriuS. Sie hatte sie vorhln wirllich aus dem Gedächt- «iS verloren. Und jetzt konnte st« «S nicht mehr ein gestehen, nachdem sie zweimal entschieden erklärt hatte, da nur st« allein das Zimmer 136 betteten habe. Sie wieder holte Lahe, zum dritten Male, da- nur fie, und -war gegen Mitternacht, bei der unbekannt«, Pattenttn «och einmal Nachschau gehalt«« hab«. ^Jch danke, Schwester Olga!* Professor Hartleb reicht« ihr La» Kalenderblatt, auf dem dt« TageSbesuche vermerkt waren, die ee heute noch zu machen hatte. »Wollen Sie bitt« dies«, Patient«» telephonisch Mit teilen, daß ich mich um ein« Stund« verspäten werde.' Schwester Olga nahm den Auftrag entgegen. Hartleb wollte Schwester Olga noch einen Auftrag mit geben. Er zögerte einen Augenblick, dann sagte er schnell: »Haben Sie Silverius schon verständigt, da- ich selbst verständlich nicht an seine Entlassung denke? Sagen Sie ihm, daß ich im Gegenteil dem Kuratorium melden werde, wie ausgezeichnet er seinen Aufgaben gerecht wird. Ich bin gestern «in wenig nervös gewesen. Danke, Schwester Olga...* Schwester Olga ging übe, die gro-e Freitreppe nach der Kanzlei. Dort wurde emsig g«arb«ttet. Der Platz, auf dem Silverius sonst thronte, war aber leer. Der Stift Emil antwortete auf ihr« Frag«, da- der »Alt«' — so nannten sie Silverius, wenn er nicht anwesend war — sicher krank sei. Eine Dame habe auch schon angerusen und ihn entschuldigt. »Was fehlt ihm?* »Wei- ich nicht! Ich bin doch kein Fernseher!* ent- -egnel« vorwitzig der Stift. Dafür wurde er auch sogleich vom Kassierer an den Ohren gezogen. Emil «ahm das nicht tragisch und lacht« vor sich hin. »Für dein Alte, bist du ja schön frech!* »Vesser frech al- dämlich, hat Vater schon immer zu mir gesag« * »Du sollst den Mund -alten, frecher Lümmel!' ries der Buchhalter dazwischen. »Du mußt erst mal was lernen und was leisten, bevor du «inen großen Mund riskieren kannst! Hier, hol' schnell eiue Schachtel Zigaretten zu drei Pfennig das Stück. Aber ein bitzchen dalliI* Der Buchhalter wollt« dem Stift nur entfernen, um seine eigene Meinung über Silverius' Ausbleiben zum besten zu geben. Mit verschränkten Armen stand er vor Schwester Olga und dem Kassierer. »Der Verwalter war doch noch nie krank! Da stimmt was nicht! Entweder hat er flch heute verheiratet und verheimlicht uns das, weil er uns sonst hätte zur Hochzeit einladen müssen, oder er ist plötzlich gestorben. — Was ist Ihre Meinung?' »Meine Meinung, Herr Kollege?' Der Kassierer liebte eS, den Buchhalter immer mit »Herr Kollege' anzusprechen, wie er es unter den Aerzte» fett Jahren gehört hatte. »Meine Meinung? Ra, ich will ganz ehrlich sein — ich möchte mich nicht äußern. Bielleichi ist der Herr Verwalter wirklich krank.* * Im Garte« läutete die Glocke zum Mittagsmahl. An der Küche kamen Wagen voll Geschirr und Kannen und Kesseln, dt« in die Männer- und Frauenabteilung«» gefahren wurden. Emil, der einig, Aktenbündel ans der Registratur herbetfchleppt«, ließ dies« «tt einem Plump fallen: .Mahlzeit!' Mittagspause und Feierabend waren für ihn di« fchönüeu Auaenbllcke. AlS er auS der Tür wollt«, kttek m
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