Delete Search...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.09.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-08
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190709086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19070908
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19070908
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-08
- Monat1907-09
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Bezugs-Preis Str L«ip»ia und durch mikre Trüg er und Sprdttrur, tu« Hau« -«bracht: ilutgabe t (nur m»r«u«) »teNrisährktch 3 M., monatlich 1 vd., Autgabr I (mor«»I und abrnd«) dtrrtrl» ithrlich 4.50 vt., monatlich 1.50 v!. Durch dte Doch b«d«gr" (2 mal tLgllch) tnnerhalb Drutlchlanb« und der brunchen Koloaion «irrttltährlich 5.25 M., monatlich 1,75 vi. autschl. Post, brstellgeld für O«ftrrreich » K 86 d, Ungarn 8 L viertaljsthrlich. «bonnement-Annabme: A»st«O»*»latz 8» boi unseren Lräaeru, FlUalen. Spediteur«« und AnnadmrfteUen, smote Poftstmtrrn and Brirmistgeru. Die einulne Stummer kostet Ul chfg. Uedaktiou «ed Erpedttto«: JohamUb-astr 8. Ll-pbon Nr. 146S2, Nr. 148W, «r. Berltuer «edattton» «ureuu: Berlin UV. 7 Prtng Louta Ferbtumch. Straße 1. Telephon I, Nr. 8275. Morgen-Ausgabe 8. MpMerTagMÜ Handelszeitnug. Amtsöratt des Rates u«d des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Lu-eigeu-PreiS stach »Ud Umgebung >tst 2b Pf., finanzielle ««Namen 1 M ; vo» auawür» 80 Pf., «eklamcn 1.20 M. »»»«»«and«l^, stna^. ««»eigen 75 Pf. Inserate». Sestbrde» t» a»tklch«n Dell 40 Pf Beila»egchOdr bM. p. Tausend exN. Post- gebübr. «defchüMmtzeigen an bevorzugter Stelle i» Puelfe «HSHt. Rabatt nach Taris. Iestcrtrtktr stustabae können nicht zurück- ae»»»«» «rdeu. Kür da« Lrscheincn an basttüauM» Dogen and Plcksten intrd keine Sanlültte iiberinmtmcn. «u^en-klnaechmer L»gust»«pla, 8» bst sSmtkiche» Ftitale» ». allen Annoncen- Expeditione» «« In- und Auslonde«. P«qch «lsttkr lverNu: Iststl D»»cke , -erzogl. vaqr. Hofbuch- haadtua^ Lützoioftraße 10. cDrtephe« VI, Nr. 4803). Nr. 24S Sonntag 8. September 1907. M. Jahrgang. Das Wichtigste vorn Tage. * Der Bundesrat wird dem Reichstage auch den Geseb ¬ en t Wurf über die Haftung des Tierhalters wieder vor- legen. * Mit dem am 6. September abgegvngenen Reichspostdampfer „Bulow" vom Norddeutschen Lloyd reist eine deutsche Marine-Expedition unter Leitung des Marinestabsarztes Tr. Stephan noch Australien ab, um am BiSmarck- archipel die vom Dr. Stephan im Jahr« 1903 begonnenen Südseeforschungen fortzusetzen. * Der Zusammenstoß zwischen dem Divisionsboot „v. 9" und dem Torpedoboot „8. 74" war nach den au zuständiger Stelle eingezogenen Erkundigungen unbedeutend. Die B e- schädigungen sind nur geringfügig. * Nach Aeußerungen des in Wien weilenden serbischen Premier ministers Pasitsch erscheint der Handelsvertrag zwischen Oesterreich und Serbien gesichert. lS. Letzte Dep.j * Der französische Philosoph und Dichter Sully-Prudhomme ist gestern auf seiner Besitzung bei Paris gestorben. * Mehrere marokkanische Stämme haben, wie aus Casa blanca gemeldet wird, uw Einstellung der Feindselig keiten gebeten, um in Friedensverhandlungen einzutreten. General- Trude hat ihnen bis -nm 8. September Zeit gegeben, sich zu ergeben; allein man glaubt, daß der einzige Zweck der Bitte ist, Zeit zu gewinnen. sS. Ausl.j Die wichtigste Oarteiirrstitlitiorr. Der Essener Parteitag der deutschen Sozialdemokratie wird sich auch mit der Gründung eines sozialdemokratischen Nochrichtenbureaus von Partei wegen zu befassen haben, was schon jetzt lebhafte Auseinander setzungen in der Presse und sogar einen Artikel Bebels im „vorwärts" veranlaßt hat. Also darf man vermuten, daß die Angelegenheit einige Wichtigkeit hat. ünd das ist in der Tat der Fall. Auch der bürgerliche Politiker hat Ursache, der Sache seine Aufmerksamkeit zu schenken, denn es ist richtig, weiur August Bebel von der Parteipresie als von der „wichtigsten Parieiinstitution" spricht. Diese Bewertung allein ist schon Grund genug, sich um den Verlauf der Angelegenheit zu kümmern. Es war schon immer eine schwere Sorge der Sozraldemdkrotie, daß es ihr nicht gelingen wollte, der bürgerlichen Poesie ein einigermaßen gleichartiges Instrument gegenüberzustellen. Um gerecht zu sein, muß anerkannt werden, daß dieses Versagen nur zum Teil aus redaktioneller und organisatorischer Mangelhaftigkeit zu erklären ist. Die letzte Ursache liegt in der stofflichen Selbstbeschränkuug der Parteipresie. Die sozial demokratischen Redaktionen, besonders die antirevisionistischen, halten sich für verpflichtet (sind es Wohl auch), die Betonung der parteilichen Interessen bis zur Ignorierung aller übrigen zu betreiben. Und die Folge ist eine Dürftigkeit uiü> Einseitigkeit des Inhalts, die das Lesen, besonders der kleineren Parteizeftungen, für alle Nichtfanatiker häufig zu einer Qual macht. Überdies führt die systematische Kasteiung sehr oft zu Manieriertheiten und Karikaturen, deren lächerliche Unnatur auch der sozialdemokratische Leser sehr wohl empfindet. Um ein Beispiel zu geben: Ereignisse, bei denen ein Monarch im Spiele ist, werden ignoriert oder mit einer kurzen Glosse abgetan. Man braucht noch lange kein Byzantiner zu sein, um den journalistischen Unsinn des Verfahrens einzusehen. Wenn Ereignisse eine Stadt, ein Volk interessieren und be wegen, so sind das eben Tatsachen, die in keiner Presse ungestraft ver nachlässigt werden können. Denn die Oeffentlichkeit hat ein Recht, zu erfahren, was ist. Und es ist ein Zeichen der von Bernhard Shaw so arg verspotteten sozialdemokratischen Philistrosität, so zu tun, als seien nur die parteilichen Vorgänge erörternswert. Aber dies Verhalten ge hört nun einmal zur sozialdemokratischen Doktrin, und wer dagegen zu verstoßen sich unterfinge, der wäre sofort unmöglich. Aus diesen Um ständen erklärt es sich aber auch, daß die sozialdemokratische Presse den Wunsch hegt, wenigstens auf dem von ihr allein beackerten politischen Parteigebiet konkurrenzfähig zu sein. Doch auch damit haperte es bis jetzt. Mit Schmerzen ist in den Preßerörterungen konstatiert worden, daß sowohl Parlamentsauflösungen wie Persoualnachrichten, zum Bei- spiel der Trü> Liebknechts, von der bürgerlichen Press« schneller gebracht werden konnten als von der sozialdemokratischen. Das soll nun anders werden, und von dem parteilichen Nachrichtenbureau erhofft man den Wandel. DaS heißt nicht alle beteiligten Instanzen. Besonders die größeren Parteiblätter mit eigenem Berliner r^aktionellen Apparat stehen der Sache sehr skeptisch gegenüber. Sie vermuten wohl, und nicht ohne Grund, daß sie in der Hauptsache die Kosten für die Parteikorre- sprndenz aufbringen müssen, während nur die kleineren Organe einen beträchtliche» Vorteil haben würden. Für die Parteileitung, unter deren spezieller Kontrolle daS Bureau arbeiten soll, ergäbe sich aber ein« über aus bequeme Handhab« zur Beeinflussung der Parieipresse. Zwar „soll" nicht eigentlich eine Meinungsfabrik errichtet werden. Aber wer da weiß, wie der Ton die Musik macht, dem braucht nicht erst anS- einandergesetzt zu werden, welchen Wert solche programmatische Ab stinenz in der Praxis hat. DaS Eingreifen Bebels übrigens war da durch veranlaßt, daß der Berliner Verein „Arbeiterpresse" mit dem Anschein größter Harmlosigkeit versucht hatte, daS Nachrichtenbureau unter seine eigen« Kontroll« zu bringen und dem Parteivorftande nur das Recht der Bestätigung der Bureauredakteurc zu lassen. Bebel spottet über dies „auS der monarchischen Rumpelkammer geholte" Bestätigungs recht nicht übel und fragt dann im grimmen Zorn: „Sollte den Ver fassern deS Entwurfs nicht daS bekannt« Augurenlächeln um die Lippen gespielt haben, als sie diesen famosen Vorschlag zu Papier brachten? Wie konnten sie aber glauben, daß der Parteivorstand auf einen solchen Zopf beißen und ihn gar noch verschlucken würde?" In der Tat, wie konnten sie? Ist August Bebel der Mann, seiner spotten zn lassen? Also die Sache ist so gut wie perfekt, und der Parteivorstand wird seinen Nachrichten-, Meinungs- und Dementierapparat bekommen. Die ganze Angelegenheit ist aus den oben skizzierten Gründen weniger wichtig für die bürgerliche Journalistik und Presse als für die Politik schlechthin und für die übrigen politischen Parteien in Sonder heit. Es ist eine alte Klage, daß die bürgerliche Parteipresie, mit Aus nahme der Zentrumspresie, von den Parteien nicht immer hinreichend unterstützt wird. Auch in der nationalliberalen Presse sind solche Be schwerden wiederholt aufgetaucht. Leider ist ein sehr beachtenswerter Vorschlag, dem Parteijournalismus er akkiaio in der Parteileitung eine Vertretung zu schaffen, auf dem Dresdner Parteitage abgelehnt worden. Doch ist dafür anzuerkennen, daß der Parteivorstand sich der Berechtigung der Klagen über die mangelhafte Fühlung nicht verschlossen und Remedur zu schaffen sich bemüht hat. Di« „Nationalliberale Korre spondenz" soll zum 1. Oktober gründlich reorganisiert werden. Das war nötig, doch wollen wir aus genauer Kenntnis der Verhältnisse heraus nicht verhehlen, daß hieran zum größten Teil die bisherige Dürftigkeit des Apparates schuld war. Ein Redakteur allein ist gar nicht imstande, die Arbeit der Wintermonate, wenn drei Parlamente in Berlin gleichzeitig tagen, in Sorgfalt zu leisten. Es ist nunmehr für das nötige Personal gesorgt. Und der zukünftige Leiter der Korre spondenz, Herr Dr. Richard Bahr, bietet alle Gewähr für tüchtige Arbeit. Damit ist von Partei wegen aber durchaus noch nicht alles Wünschens werte getan. Es bleibt immer noch als Wichtigstes überhaupt eine höhere Schätzung der Presse in allen Kreisen der Partei, es bleibt nicht nur Entgegenkommen, sondern auch Initiative von den Parteiinstanzen zu gunsten der Presse zu wünschen. Das Wort Bebels von der wichtigsten Partciinstitution gilt auch für die bürgerlichen Parteien. Und das gibt uns das Recht, mit allem Nachdruck beizeiten, vor der Winter- kampagne, auf die Notwendigkeit der Unterstützung der Presse durch die Partei hinzuweisen. Die Aechtttirg -ev deutschen Interesse^ in, Aihtzland. (Von unserem Petersburgs orrespondenten.j -Petersburg, 4. September. Wir stehen vor der dritten Tagung der Reichsduma. Wieder wird sich in den prächtigen Räumen des Taurischen Palais die bunte Schar zusammenfinden; die Vertreter von mehr als 60 Nationalitäten, die unter dem Szepter des weißen Zaren leben und streben, werden sich einstellen, um für die Interessen ihrer Landsleute zu sprechen. Wie stets — werden sicher auch diesmal die Polen am besten, die Deutschen am schlechtesten vertreten sein. DaS hat nicht zum wenigsten seinen Grund in der Verschiedenheit der politischen Anschauung, die den beiden „Fremd stämmen" eigen ist. Der Pole ist revolutionär bis ins Mark, der Deutsche in Rußland gewöhnlich konservativ. Wer aber in Rußland mit der Regierung ist, der darf nicht auf die Sympathien des großen Hausens zählen. Während also den Polen so und so viele Stimmen russischer Gesinnungsgenossen in rebns politiais Zufällen, sind die Deut schen ganz auf sich selbst angewiesen. Zudem sind die Deutschen den Polen gegenüber schon dadurch stark im Nachteil, daß sie vollständig in der Diaspora leben, indes die Polen auf das „Königreich" und die neun westlichen Provinzen, Litthauen und Südkurland, konzentriert sind. Da ist ein Zusammengehen natürlich von ganz anderen Erfolgen be gleitet. Die Deutschen in Rußland haben aber nicht nur darunter zu leiden, daß ihnen seitens ihrer srcmdstämmigen Heimatsgenossen die politische Bruderhilfe versagt bleibt. Man soll es nur ruhig aussprechen: Sie sind in allen Teilen Rußlands von Haß und Mißgunst ver folgt. In der ausländischen Presse ist so häufig die Rede von den freundschaftlichen Beziehungen, die „traditionell" „wischen Rußland und Deutschland bestehen. Ja, ist denn ganz und gar vergessen worden, daß diese „politische Freundschaft" einzig der diplomatischen Kunst Bismarcks ihre Renaissance verdankt? Weiß man denn nicht, daß solche politische Kordialitäten mit dem Empfinden der beteiligten Nationen nicht das geringste zu tun haben? Wer jemals Gelegenheit gehabt hat, die Sym pathien an leitender Stelle stehender russischer Beamter zu sondieren, der weiß, daß in deren „Gcsühlsressort" freundschaftliche Empfindungen für die Deutschen nicht zu finden sind. Man kann ruhig der Wahrheit zuliebe noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, daß auch von Achtung hier wenig vorhanden ist. Diele Tradition ist gewiß echt, wirklich echter, als jene andere, von der in den politischen Leitartikeln deutscher und russischer offiziöser Blätter jedesmal die Rede ist, wenn eine Kaiserzusammenkunst bevorsteht. Wie oft haben wir Deutschen die Probe aufs Exempel gemacht und werden doch nicht gescheiter! In den baltischen Provinzen haben Letten und Eschen ungestraft das Deutschtum mit Füßen getreten. Erst als die Plünderungen und Schlächtereien alles Maß überstiegen, hielt es die russische Regierung für geboten, Militär ins Land zu schicken. Und das geschah gewiß nicht, um die Deutschen zu schützen, sondern weil man befürchtete, daß die revolutionäre Erhebung aus Esthland nach Inger- Maland übergreifen könne. Unsere Landsleute, die im Süden Ruß lands ansässig sind, waren wehrlos den plündernden und raubenden Bauern preisgegeben. Als sie um militärische Hilfe baten, erhielten sie nicht einmal eine Antwort aus Petersburg. Da suchten sie um die Er laubnis nach, sich bewaffnen zu dürfen; man gab ihnen einen abschlägigen Bescheid. Und doch sind die Deutschen in ganz Rußland zu den kon servativen Elementen zu rechnen. Llorituri t« -militant, Imperator! Sie sind zum Dulden geboren. Das glauben sie selbst, jene dort im Süden des Reiches, die in kulturfeindlichem Kreise den Boden urbar machten und in schwerer Arbeit ihr Brot fanden, und jene am Ufer des Baltischen Meeres, die jahrezehntelang die Misere der Russ'fizierungs- politik ertrugen, um schließlich blöden Fanatikern ihr Gut und Leben zu lassen, ^koritnri to salutant, Imperator! Unser Zeitalter mag nichts wissen von solcher Resignation. Es ist brutal genug, zu ver langen, daß man kämpfe, daß man im Kampfe siege oder — untergehe. Kein loyales Sich-Wehrcn mit Worten und Gesetzen. Sondern ein Sich-Ausbäumen, wie es Polen und Finnländer wagten. Der Russe haßt sie beide, aber er — achtet sic. Dem Deutschen aber, der bei jeder Gelegenheit seine Loyalität hervorbcbt, der sich zum grimmigen Feinde der Revolution bekennt, — dem Deutschen versagt er den Respekt. Zweifelt mau daran in gekränkter Sekbst'chätzung, so nehme man nur die russischen Zeitungen zur Hand. Ganz aufs Gcradewohl, Blätter radikaler Färbung, wie de« sozialdemokratischen „Towarischtlch", ge mäßigt-liberale, wie die „Ruffj", oder konservative, wie die „Nowoje Wremja". Alle, alle wetteifern sie miteinander in dem Bestreben, ihren Haß, ihre Verachtung gegen das Deutschtum zu bezeugen. Sie sind einig in der Anschauung, daß der Deutsche aus Rußland herausmüsse, daß die Stunde seiner Vertreibung nahe sei. Und dieses stillschweigende Bündnis heterogener Elemente, das auf Instinkt und Tradition auf gebaut ist, es ist wahr und wahrhaftig stärker uud dauerhafter, als jene Paradesympathie, auf die mau in der Wilhelmstraße so stolz ist. Noch nicht lange ist es her, da erbot sich ein Purischkewitsch dazu, die deutschen Interessen in der Duma zu vertreten. Kann es einen deutlicheren Beweis geben, als diesen, daß das Deutschland in Rußland den Gladiatoren ausgeliefert ist? Und doch — morituri ts salntant! Deutsches Reich. Leipzig, 8. September. * Im Reiche kolonialamt ist unter Abänderung der bisher gültigen Geschäftsordnung vom 17. Juni dieses Jahres ein neues Referat ge gründet worden. Sein Ge'chäsiskreis umfaßt die Verwaltungsangeleaen- beiten der Schutzgebiete in der Südsee einschließlich der Zoll- und Sieuer- angelegenheften und der Missions- und Schulsachen, sowie der Marine-, Post- und Telegrapbenangelcgenheiten, soweit sie die Süvseeschutzgebi-ie betreffen. Zum Referenten ist Regierungsrat Dr. Kraus ernannt. — Eine weitere, durch die Abtrennung der frühere» Kolonialabteilung vom Auswärtigen Amt erforderlich gewordene Maßnahme tritt am 1. Oktober vieles Jahres in Kraft. Bon diesem Termin ab gebt die Bearbeitung aller Chiffriersachen ver Kolonialzentralverwaltung vom Chiffrierbureau des AuSwariigen Amtes auf das Zentralbureau des Koloniatamies über. * Postkonferen; Im ReichSpcstamt wird Anfang Oktober eine Konferenz unter Hinzuziehung sämtlicher Ober-Postdirektoren nnv einer Anzahl von Post- und Telegraphendirettoren stattfinden, um über wich tige Fragen des technischen BeiriebSdienstes und res BerwaltungswesenS zu beraten. Es ist wchl mst Sicherheit anzunehmen, daß bei die'er Gelegenheit auch rie Wünsche deS Reichstags auf Umgestaltung bezw. Neuorvnung des Perfonalwesens eine ausg'ebige Erörterung erfahren werden. * In der Koblenzer Landesverratsaffäre fand in der Wohnung des wegen Landesverrats verhafteten Schriftstellers Schiwara in Solingen eine neue Hausiuchung statt, die mehrere Stunden dauerte unv viel belastendes Material zutage förderte. Es geht daraus bervor, daß Schiwara schon seit langer Zeit Landesverrat betrieben hat. Es ist sestgcstellt, daß in der Wohnung des Schiwara zahlreiche Mi iiärper onen verkehrten und daß er der französischen Regierung daS Anerbieten machte, militärische Geheimnisse gegen Geld mitzuieilen. * Ter neue Nuntius für München. Die Frage der Neubesetzung der päpstlichen Nuntiatur in München ist noch in der Schwebe. Zueist hatte rie Münchener „Allg. Ztg." als Nachfolger des Nuntius Caputo ren Msgr. Aversa genannt; jetzt schreibt dasselbe Blatt: „Waö reu Msgr. Aver»a betrifft, so ist uns schon vor einigen Tagen aus Rom gemeldet worden, daß er gebeten bat, von seiner Ernennung für München abzusehen, damit er seine Tätigkeit auf Kuba fonsepen könne, und der Vatikan hat seine Bitte genehmigt unter dem Vor behalt, eventuell auf ihn zurückzugreisen. Das eine aber ist sicher, daß Migr. Aversa sowohl dem Vatikan »IS der bayerischen Regierung ge nehm ist." * Jnnglibcralcr Vcrtrctertap. Ein Privattelegramm aus Kaisei S- lautern meldet uns über das Hauptergebnis der gestrigen Verhandlungen folgendes: Auf dem Jungliberalen-Bertretertag wurde, nachdem zunächst die Gründung eines preuß ichen Landesverbandes der Vereine der nationalliberalen Jugend perfekt geworden war, der Zusammenschluß der bayerischen unv badischen Vereine mit dem Reicksverband mit 2l7 Stimmen bei 16 Stimmentbaltun.ien, vorbehaltlich der Zustimmung der jungliberalen Landesverbände, beschlossen. Den durch die lokalen Verhältnisse begrünvetcn Abweichungen der Satzungen wurde dabei Rechnung getragen. Ueber die durchgesübrte Einigung herrscht große Genugtuung. Aus dem Geschäftsbericht des ReichSverbandeS sei solgenveS angeführt: Danach gehören dem Reicksverband jetzt 82 Vereine an, die am 1. April 14 098 ordentliche Mitglieder zählten, während im Vor jahre erst 64 Vereine dem Verbände angehörten. Es sei cine Rech» von Neugrünrungen im Gange. Von den Vereinen befinden sich 43 in Preußen, 11 in Württemberg, 10 in der Pfalz, sechs in Reichsbayern, drei in Baden, drei im Elsaß, zwei in Sachsen uiw. Tie Vercine haben sich immer mehr der Ausbildung von Agitatoren angenommen. Auf dem nationalliberaleu Parteitage in GoSlar im vorigen Jahre waren sie bestrebt, der Anregung des hannoverschen Vertretertages entsprechend, das eine Ziel im Auge zu bebalten, daß unter allen Umständen der Friede in GoSlar be schlossen weroen müsse. Im Zentralvorstand sitzen von Jugend vereinen Regierungsrat PonSgen, Rechtsanwalt Fisch er-Köln, Rechts anwalt Zöphel-Leipzig und LandtagSabg. Goldschmidt-München, sowie Oderamtsrichter Kock-Mannheim. Sie seien bestrebt gewesen, auch einen Sitz im geschäftsführendcn Ausschuß zu erhalten. Trotzdem Bassermanu, Oriola und Semler sehr warm dafür eintraten, sei dieser Antrag wegen organisatorischer Bedenken abgelehnt worden. Sie hätten die Ablehnung nickt mißmutig aufge'aßt, sondern werden im Gegenteil bemüht sein, für die Zukunft diese Bevenken hinwezzuräumen. * Verband Sächsischer Industrieller. In der am 28. Auiust d I. abgehaltenen Sitzung beschloß der Gesamtvorstand des Verbandes Sächsi'cher Industrieller einstimmig, den Beitritt des Verbandes zu dem Kolonialwirtsckaftlichen Komitee zu bewirken, um dadurch die sehr wertvollen Arbeiten des genannten Komitees wirksam zu unterstützen. * Noch ein Wechsel. DaS „Vaterland", daS endlich seine Ansichten über die sächsftcke Wahlrechtsreform so weit geklärt hat, daß es eine Auseinandersetzung mit — der Sozialdemokratie wagt, bringt in der gleichen Nummer, in der es riese Tat vollbrachte, die Meldung, daß auch im Leipziger Konservativen Verein ein Wechsel im Präsidium stattgkfiindkn bat. An die Stelle des Herrn Prof. Dr. Gg. Steffen, der „aus Gciundhcitsrücksichtcn" das Amt deS ersten Vorsitzenden nieder- gelegi hatte, ist ', Herr Kaufmann und Fabrikbesitzer C. Friedr. Kob getreten.
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview
First Page
Back 10 Pages
Previous Page