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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.08.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-08-20
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190908207
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090820
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090820
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-08
- Tag1909-08-20
- Monat1909-08
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Bezugs-Preis kür Leipzig und Vorort« durch unser« Träger und Spcdtieure ins Hau« gebracht: VÜ monatl., 2.7(1 »ieneljübrl. Bet unlern Filialen u. Annahmestellen adgeholi: 7L 4 monatl., 2.25 oierteliahrl. Durch dt« Vok: Innerhalb Deulschland« und der deutschen Kolonien vierteljührl. lt.Id monatl. läi0 ausschl. Postbeslcllqcld. Ferner in Belgien, Dänemark, den Donaustaaten, Italien, Luremdurg, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich-Ungarn, Rußland, Schweden, Schweiz u. Spanien. In alle- übrigen Staaten nur direkt durch die Seschäittltelle de» Blatte« erhältlich. Da» Leipziger Tageblatt erscheint wüchent» lich 7 mal und zwar morgen«. Adonaement-Annahme; Auguftn-Platz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern imd Bri estrig er». Dt» einzelne Nummer kostet Itt 4, kliedaktton und Teschäftssteller Johanniigasse 8. Fernsprecher: 14692, 146!«. I46S4. MpMerTaMM Handelszeitung Amtsblatt des Rates «nd des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis itr Inserate au» Leipzig und Umgebung die saelpaltene Petitzeile 25 H, finanzielle Anzeigen 50^, Reklamen I von au»wätt» 50 Reklamen 1.20 vomAutland LOH, linanz. Anzeigen 75H, Reklamen 1.L0 ^k. Inseratev. Behörden im amtl,chenTeil40H. Beilagegebühr 5 ^kk p. Tausend rxkl. Post gebühr. Seichäftsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhäh». Rabatt nach larl Feltcrteilte Auitrüge kännen nicht zurück gezogen werden. Mr da» Erscheinen an deltimmten Tagen und Plätzen wird keM, Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme; Vugustuäplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- itzpeditionen Le« In- und Antlande«. Haupt-Filiale Berlin: Lützowsiratze 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Haupt-Filiale Dresden: Seestrabe 4,1 (Telephon 4621). Nr. 23V. Freitag 20. August 1909. 103. Jahrgang. Das wichtigste. * Fürst Leopold zur Lippe wurde durch Allerhöchste Kabinettsorder vom 16. August a la suits des 1. Garde-Ulanen-Negi- ments gestellt. * Tie Ankunft des „2. HI" in Berlin ist für Sonn abend, den 28. August, nachmittags gegen 3 Uhr geplant. * In der englischen Kasan st alt zu Schöneberg stürzte ein Turm ein und fiel auf einen vorbeifahrcndcn Pcr- sonenzug. Drei Personen wurden verletzt. HS. Verm.s * In römischen diplomatischen Kreisen verlautet, der Zar werde vor oder nach der Zusammenkunft mit dcni König von Italien den österreichischen Kaiser wahrscheinlich in Po la treffen. * Blättcrmeldungen aus Kanea besagen: Die kretische Bc- volkerung erwiderte die Niederholung der offiziellen griechischen Fahne von der Festung durch Beflaggung sämtlicher Pri- vathäuscr mit griechischen Fahnen sS. d. bes. Art.) Falsche Aengstlichkeit. Manche Leute können es sich nicht abgewöhnen, den Propheten zu spielen. Sie sind in fast allen politischen Parteien vertreten. Sic suhlen sich nicht wohl, wenn sic nicht irgendetwas ahnen, vorausschcn und deshalb bremsen und warnen können. Und zwar ist die Zahl der pessimistischen Propheten größer als die der optimistischen. Auch bei den Nationallibcralcn gibt es solche ängstliche, um das Parteiwohl zu besorgte Gemüter. Gerade jetzt kann man sie wieder tätig sehen. Gin Blatt nach dem andern fühlt sich jetzt bewogen, der Versöhnung mit den Konservativen das Wort zu reden. Charakteristisch für solche Be strebungen ist der jüngst in einem Dortmunder Blatt erschienene Ar tikel „Gin Rechcnexcmpel", in dem versucht wird, auch an der Hand der Mandatszifsern die Notwendigkeit einer Versöhnung der National liberalen mit den Rechtsparteien zu beweisen. Und die „Nat.-Ztg." druckt diesen Artikel kommentarlos ab, beruft sich auf den Abg. Basser- mann, der in Landau dieselbe Notwendigkeit betont haben soll, vergißt aber, baß Auslassungen des demselben Parlamentarier sehr nahestehen den „Mannh. Gen.-Anz." von solcher fricdseligcn Stimmung nichts werken lassen, vielmehr direkt erklären, daß den Nationalliberalen „in der heutigen politischen Wirklichkeit nichts, aber auch gar nichts mehr mit der Rechten gemeinsam ist." Wer die Grcignisse während und nach der Ncichsfinanzrcform ver folgt und sich gefreut hat an der wackeren Haltung der Nationallibcralcn und Freisinnigen, der muß durch die neuen Preßäußerungcn geradezu verletzt und aufs tiefste enttäuscht werden. Es ist im politischen Leben gänzlich verfehlt, bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit von Charakterlosigkeit zu reden; aber für dieses Verhalten liegt der harte Ausdruck doch sehr nahe. Die nationalliberalc Partei hat sich in der Reichsfinanzrcform die Achtung weiter Kreise des deutschen Volkes cr- tämpft. Aber der Fall Landau scheint gegen die Partei zu sprechen. Die Aengstlichcn ringen die Hände, prophezeien, daß auch Koburg und Halle demnächst fallen werden, und daß der Liberalismus sich sein eigenes Grab grabe, wenn er nicht schleunigst die Fehde beende und den Konservativen „zum Wohle des Vaterlandes" die Hand reiche. Diese Angst um die nationalliberale Zukunft, diese Besorgnis um ein paar Mandate und dieses ängstliche Zum-Frieden-Raten hat etwas unsagbar Kleinliches und Schwächliches an sich. Bassermanns Worte in Landau sind ganz anders zu verstehen, als wie sic neuerdings ausgclegt werden. Wie kann Männern wie Bassermann zugemutet oder zugetraut werden, daß sie nach all den Sünden und Herausforderungen auf konservativer Seite so ohne weiteres die Geschichte der letzten Monate aus dem Ge dächtnis streichen? Wir glauben nicht, daß Bassermann sein Wort von dem „Raubzug" der konservativen Partei bereut, hat es doch, aus seinem Munde gesprochen, eine weit tiefere Bedeutung, als wenn cS von Männern hcrrührte, für die solche Worte an der Tagesordnung sind. Basicrmanns Worte in Landau sind nur so zu verstehen, baß eine Mittel- Partei wie die nationalliberale stets in die Lage kommen kann, mit einer andern Partei, also auch mit den Konservativen, gelegentlich zu sammen arbeiten zu müssen. Das liegt vollkommen begründet in dec Mannigfaltigkeit der Politischen Aufgaben. Aber warum in aller Well sollen wir den Konservativen ihre volksfeindliche Steuerpolitik vergeben? Dafür läßt sich unseres Erachtens ein triftiger Grund nicht finden. Was nun die Zukunft des nationalen Liberalismus betrifft, so liegt kein Grund zu ängstlichem Pessimismus vor. Vorausgesetzt aller- dings, daß die zu besorgten Leute durch ihren Kleinmut seine Entwick lung nicht hindern. Gerade jetzt steht die Partei an einem erfreulichen Wendepunkt. Da wird so viel von einem Linksabmarsch geredet. Da von kann gar keine Rede sein. Die nationalliberale Partei ist aus dem großen Kampf der letzten Monate groß, gerechtfertigt und selbständig hervorgegangen. Ihre Haltung hat selbst bei manchen Gegnern Aner kennung gefunden. Den alten bösen Fehler der Schwäche gegenüber dem konservativen Liebeswerben hat sie endgültig abgelegt. Sie Hal die Selbständigkeit gefunden, die ihr in früheren Zeiten mangelte. Tas gute Verhältnis zu den anderen liberalen Parteien schadet dieser Selb- ständigkeit keineswegs, im Gegenteil, es ist die augenblicklich best mögliche Förderung des liberalen Gedankens. Nun hat die unglückliche Wahl in Landau viele stutzig gemacht. Dieken Pessimisten möchten wir entgegnen, daß der Verlust von einigen Mandaten die nationalliberale Partei mit ihren IV, Millionen Wählern nicht an ihrer Haltung irre machen kann. Man denke an die Mißstimmung im nationalliberalen Lager nach der Stengelschen Finanzreform im Jahre 1906, und man vergleiche damit die jetzige Einmütigkeit — ein Zeichen, daß man auf dem rechten Wege ist. Könnte der Nationalliberalismus den zufälligen Verlust einiger Mandate nicht ertragen, hätte der liberale Gedanke nicht soviel Lebensfähigkeit, sich trotz eines gelegentlichen unglücklichen Ge- fechts durchzuringen, so wäre er wert, lieber heute denn morgen sang- und klanglos zu Grabe getragen zu werden. Ist doch auch die Sozial demokratie an ihren Wunden vom Jahre 1907 nicht gestorben. Darum möchten wir allen Zweiflern im eigenen Lager empfehlen, der Entwicklung der Dinge mit etwas weniger Nervosität zu-usehen. Wenn jemand Grund hat, seine Politik zu ändern, so sind es die Konser vativen. Tie uationalliberale Partei aber kann der Zukunft ruhig entgegensehen. Gerade weil man sie in ihrer neuen Position für be sonders gefährlich hält, wird sie so wütend von allen Seiten bekämpft. Trotz einiger Mißerfolge infolge gegnerischer Koalition werden die Er- folge auf die Tauer nicht ausbleiben, wenn der Liberalismus getreu seiner bisherigen Haltung die Interessen des gesamten Volkes vertritt. Lieber eine Schlappe im ehrlichen Kampf, als ein halber Sieg erkauft von Bündlcrn und Konservativen, die dafür sicher ihre Rechnung präsentieren würden. Ter „roten Gefahr" aber wird der nationale Liberalismus am Ende auch noch zu begegnen wissen; und deshalb: keine falsche Aengstlichkeit! Der Karlisinus. Durch die jüngsten Vorgänge auf der Pyrenäenhalbinscl und den kürzlich erfolgten Tod Karls VII. ist der Karlistenbewegung wieder ein mal das Interesse der politischen Welt zugewandt worden. Als „Karl VII. von Spanien" starb, konnte man die Frage aufstellen: Wird die Zukunft die Ziffer respektieren, mit der seine Anhänger und nicht zuletzt er selber dem realen Königtum der Alfonse in der staatsrechtlichen Fiktion getrotzt haben? Auch den dritten Karl, der später als Rechts nachfolger des großen Pippiniden sich den Sechsten nannte, hat die spa nische Hofhistorie einst nicht sanktioniert, ihm vielmehr noch einen an deren „Dritten" vom Stamme der Bourbonen folgen lassen. Wird auch künftig vom Fünften an noch einmal gezählt werden müssen? Immerhin hat der „Siebente", wie sein Großvater, einige Jahre auf spanischem Boden verbracht, was seinem Vater nich.t beschicden ge wesen ist. In einem Winkel Navarras, in Estella, hielt er Hof, nachdem im hoffnungsreichsten Jahre des zweiten großen Karlistcn-Krieges, 1873, die Bergstadt von seinen Anhängern mit Sturm erobert war. Es war jene Situation cingetrcten, die auch Don Jaime zur Vorbedingung eines neuen Griffes nach der Krone machen will: die gegnerische Ma- drider Regierung hatte ausgehört, eine monarchische zn sein. Ter Zweiterkorene Marschall Prims nach dem überstürzten Verzicht des hobenzollcrnschcn Kandidaten, Amadeo von Savopen, hatte bei der ersten Schwierigkeit fahnenflüchtig das Land wieder verlassen, von dem er gerufen war, um es vor Republik und Anarchie zu retten. Nun waren diese beiden schlimmen Schwestern in das unglückliche Reich ein gezogen. Fünf aufeinanderfolgende Tage sahen fünf Ministerien der „föderalistischen" Partei am Ruder, die nach Girondistcnart den Ein heitsstaat in ein Bündel von 49 autonomen Provinzen aufzulösen strebte! Die Flotte aber hatte im Haien von Kariagena die rote Fahne des Sozialismus gehißt! In solchen Zeitläuften pflegen selbst Sonn- tagnachmittags-Republikancr, deren Doktrin nur eben nicht im Feuer vergoldet ist, nach einem König zu schreien. Aber der Sohn Isabellas hatte seinen sechzehnten Geburtstag noch nicht gefeiert. Dagegen stand an den Pyrenäen der Insant, der sich als den einzig legitimen König betrachtete, seit einem Jahre unter den Waffen, und seine Guerillas wuchsen lawinenartig. Don Carlos ließ die Gunst des Augenblicks unbenützt. Spanien schrie nach einem Könige; der Prätendent kämpfte für genau dieselbe Form des Königtums, für die sein Großvater sieben lange Jahre im Felde gestanden halte: für die allerschmalste Basis des extremen kon servativ-klerikalen Prinzips. Tenn eine hundertjährige Geschichte hat gelehrt, daß die Gegenspieler der Karlisten, die man. anfangs Christinos unh später Alfvnzisten nannte, im Grunde nur eine Milderung jenes Prinzips vertreten, durchaus nicht sein Gegenteil. 1842 mußte der Karlistenbesieger Espartero mit bewaffneter Hand der Regentin Christine die Konstitution erst abtrotzcn, um deren Namen der lang jährige Krieg gegen die absolutistische Partei geführt war. Das spanische Vcrfaisungslcben aber ist in Wirklichkeit bis heute so schatten- hast geblieben, wie es am ersten Tage war. In keinem Lande Europas ist der Wahlsieg der jeweilig herrschenden Partei so unbedingt gesichert, wie in Spanien: auch 1873 waren die Cortes des radikalen Figucras genau so radikal zusammengesetzt, wie der Wahlleitcr selber gesinnt war. Hätte Ton Carlos damals gesiegt, so würde dieselbe Wählerschaft Kar listen anstatt der radikaldcmokratischen Föderalisten nach Madrid ent sandt haben. Konnte nicht auch der Prätendent mit dem besten Gewissen aus den Boden dieses Namens-Parlamentarismus treten? Mußte durchaus der unglückliche Rasschengst des absolutistischen Prinzips zu Tode geritten werden? Wenn ober die plumpe Masse des Volkes von 85 Prozent Analpha beten so nnkräftiz, so indolent den volitischen Ideen gegcnübersteht, weshalb ist dann nicht doch der Karlismus im Jahre der Anarchie durchgedrnngen? Wie federleicht die Macht der parlamentarischen Schönredner. Castclars nnd seiner Nebenbuhler, war, zeigte sich, als Marschall Pavia am 3. Januar 1874 mit einem Hauch die radikale Herrlichkeit in die Lüfte blies. Das aber war eben die Ursache, daß Politik in Spanien nur das Heer, genauer gesprochen das Lsfizierkorps machen kann. Tas spanische Heer aber lebte auch damals noch in den Traditionen des Befreiungskrieges von 1808. in dem es gewisse neuzeit liche Ideen, wenn auch nur als Ideen, in sich eingcsogen hatte^ In dem Jahre 1812, als Wellington König Joseph Bonaparte bei Salamanca überwand, verkündigte die Junta von Kadiz eine Versasiuna bei der englische Einflüsse Pate gestanden hatten. Im Zeichen dieser Verfassung wurden schließlich die französischen Heere über die Pyrenäen znrück- gejagt. Seither ist in das Gedächtnis von Spaniens letzten Ruhmes- fahren der liberale Gedanke als Einschlag cingewoben. Tas spanische Volk hat den Kamps der Karlisten und der Eristinos durchaus als einen Streit zwischen dem absolutistischen Prin zip nnd einem, wenn auch verwässerten, Liberalismus betrachtet. „ Denn die historische Rechtsfrage siebt nir Don Carlos keineswegs glänzend. Man mag für das Erbrecht Philipps von Trleans und Tom Miguels von Braganza schwärmen und kann daneben doch in der Frage nach Don Carlos' Thronrecht Gewehr bei Fuß stehen. Die beiden Reiche, aus denen am Eingang der neuen Zeit die spanische Monarchie zu- sammcngeschweißt wurde, besaßen nämlich ein ganz verschiedenes Thron folgegesetz. gemäß ihrem verschiedenen Ursprünge. Die Herrscher Kastiliens betrachteten sich als die Rechtsnachfolger der alten Goten- königc, die die lcx Kalis-« römisch-rechtlichen Ursprungs nicht kannten: auch dem großen Thcodorich folgte ja die Tochter. Das Königreich Arragvnien aber war ans der karolingischen Eroberung hervorgegangen, und mit den Franken war das salischc Gesetz ins Land gezogen. Die Vereinigung beider Staaten aber ist ans Grund des kastilischen Land rechtes geschehen: denn Erzherzog Philipp von Habsburg-Burgund sukzedierte als Gemahl der Erbtochter Donna Juana auch in Arra- gonien. Immerhin erkannte man, als Mei Jahrhunderte später der arragoni'che Rcchtsteil im Erbfolgekrieae an dem Habsburger vom Mannesstammc festhielt, während die Kastilianer den näher verwandten Bourbon begünstigten, wie tief die alten Landrechte beiden Völkern im Blute steckten. Ebenso sogen auch in den Karlistenlriegen die An hänger des Bruderrechtcs ihre beste Kraft aus den arragonsichen Landes, teilen, die Parteigänger des Tochterrcchtes aus den Provinzen der Krone Kastiliens. Aber von einer Wicdertrennung der vereinigten Monarchie ist bislang noch nicht im Ernste die Rede gewesen. Sowohl Donna Isabella II. wie Ton Carlos erstreckten ihre Ansprüche auf die gesamtspanische Monarchie. Nnn hat allerdings das Haus Bourbon während des 18. Jahrdunderts wiederholt das Erbrecht zu ändern, das gotische Landrecht durch sein salisches Hausrecht zn brechen versucht, ver- gessend, daß es sich selbst damit die Wurzeln seines in einem Welt kriege verteidigten Anspruches absägt-. Aber genau ebensooft ist das neue Gesetz von den absoluten Königen wieder aufgehoben worden! Eine wie geringe Rolle die eigentliche Rechtsfrage in dem Kampfe der politischen Prinzipien im Grunde gespielt hat, ist schon daraus ersichtlich, daß Ton Carlos bereits bei Lebzeiten des Bruders und vor der Ge- burt Isabellas im Jahre 1826 einmal einen Griff nach der Krone versucht hat. Heute sind die besten Hoffnungen des Karlismus in der schmalen Fundamentierung der weiblichen Linie beschlossen. König Alfons XIII. ist der nachgeborene Sohn eines Lvfers der Tuberkulose, die das von rauhen Winterwinden geplagte Madrid neben Petersburg zur un gesundesten Großstadt Europas gemacht hat. Vor einer Neuauflage langjähriger Frauen- und Kinderwirtschast graut es den Spaniern. Sehr leicht kann der Fall cintreten, daß Don Jaime ein starker Kandidat wird. Wenn er nur aus seinem mandschurischen Feldzuge ein bißchen Gloriole mitgebracht hätte! Aber auf russischen Kricgs'chau- plätzen wächst der Lorbeerbaum nicht. Politisch ist Ton Jaime ja oor der Hand ein ungeprägtes Metall. Er darf noch das erlösende Wort sprechen, das sein Vater nicht gewagt hat. Eine zweite Hoffnung gründet sich aus den neuerdings verschärften nationalen Gegensatz der Katalanen gegen die Kastilianer. Nicht der sprachliche Unterschied aber ist es allein, der zum Stammesgensisen der Provenzalen an der Seite der Basken mit vorromanischer Zunge in den Kampf treibt. Ein wirtschaftspolitischer Streit ist zwischen dem industrialisierten Ebrolande und den Schafe züchtenden Hochebenen der kastilischen Krone hinzugetreten. Wie sich die Dinge entwickeln werden, läßt sich noch nicht übersehen. Immer lauter erschallt aber der Trcnnunasrus. Vielleicht ziehen die künftigen Esparteros und KabrcraS nicht mit den verwitterten Schlagworten Absolutismus und Konstitution in die Schlacht, sondern mit dem Kampfgeschrei der Neuzeit: ,,Hie Freihandel!" „Hie Schutzzoll!" Vie , türkisch-griechische Atriegsgefahr. Die heutigen Meldungen über die griecksische-türkische Lage sind mit großer Vorsicht aufzunehmen, da die Entscheidung, die durch die griechische Antwort auf die letzte türkische Note herbcigeführt werden wird, kurz vor der Tür steht. So wird zunächst gemeldet, daß die Ver. trcter der Schutzmächte dem Kabinettschef und dem Minister des Aeußern in Sacken der griechischen Antwortnote einen Besuch ab- statteteu. Die Gesandten empfahlen einen mäßigen Ton, um der türkischen Negierung zu gestatten, der öffentlichen Meinung Genug tuung zu geben. Man versichert, daß nunmehr jede Kriegsgefahr ge schwunden f?j sei. Ferner wird depeschiert: Eine neue Kollektivnote der Mächte. Konstantinopel, 19. August. ITelegramm.I Gestern abend wurde dem Minister des Aeußern die Kollcktivnotc der Schntzmächte über reicht. Der Inhalt wird gehc-m gehalten. Der in der Note vertretene Standpunkt soll der sein, daß die Pforte, da die Kretafrage die vier Schntzmächte angche, Griechenland in diese Frage nicht hineinziehen dürfe. Die türkische Mobilisierung. Pest, 19. August. iTelegramm.j Der „Pester Lloyd" meldet aus Konstantinopel: Tie Gouverneure sämtlicher türkischen Pro vinzen, darunter auch der Generalgouverneur von Saloniki, haben vom Ministerium den Auftrag erhalten, jofort die Listen aller militärdienst pflichtigen Nichtmohammedaner einznsenden. Die griechische Antwortnote. Athen, 19. August. sTelegramm.) Ministerpräsident Nhallys übermittelte gestern nachmittag dem türkischen Ge sandten die Antwort Griechenlands ans die letzte Note der Pforte. Den Vcrrretern der vier Schntzmächte ist die Note durch den Minister des Auswärtigen zur Kenntnis gebracht worden. Der Khcdive. Paris, 19. August. sTelegramm.) „Petit Parisien" berichtet, daß der Khedivc, der augenblicklich in Frankreich zur Kur weilt, Plötz- lich nach Konstantinopel abgereist sei, wahrscheinlich wegen der Kreta- frage. Auf Kreta. Kanea, i9. August. (Telegramm.) Tic auf der Insel zurück gebliebene Mannschaft der internationalen Truppen wird voraussichtlich noch drei Tage dort belassen werden, um den Be schlüssen der Mächte Achtung zu verschärfen. Deutsches Reich. Leipzig» 20. August. * Auslösung der Zweiten Kammer oder nicht? Das „Dresdner Journal" schreibt: „Tie in der Tagespreise verbreitete Meinung, Ende dieses Monats stehe die Auslösung der Zweiten Kammer der sächsischen Ständeversammlung zu erwarten, iibcrsietu, daß nach tj 41 des Wahl- aesetzes die jetzige Zweite Kammer in ihren- Bestand verbleibt bis zur Neuwahl der Abgeordneten nach dcni neuen Wahlgesetz, und daß nrch dem durch dieses Wahlgesetz sH 2> abgcändcrten 8 71 der Verfassungs urkunde die Abgeordneten auf sechs Jahre gewählt werden Durch diese Verfassungsänderung ist die sogenannte Trittelerneucrung der Zweiten Kammer ^Wegfällen. Tie Mandate der sämtlichen Abgeordneten der Zweiten Ständckammer erlöschen daher mit der erfolgten Neuwahl der Abgeordneten. Einer formellen Auflösung der Zweiten Ständckammer bedarf cs bei dieser Rechtslage nicht mehr." — Die offiziöse Aus lassung der Regierung kann uns jedoch nicht hindern, unsere bereits kundgegebene gegenteilige Ansicht aufrechtzuerhalten. Die im Herbst 1907 gewählten Abgeordneten bleiben nach den Bestimmungen des siir ihre Wahl gültigen Gesetzes, 8 71 Absatz 2 der Verfassung, Mit- gliedcr der Kammer bis 1913, sofern sie nicht früher ihr Mandat nieder legen. Tie übrigen Fälle, in denen sic aufhören, Mitglieder Kammer zu sein, sind in 8 71 der Verfassung ebenfalls angcgebm. Darunter befindet sich keine Bestimmung, daß das Mandat erlischt durch Erlaß eines neuen Wahlgesetzes. Soll 8 41
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