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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.02.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-02
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120202012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912020201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912020201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1912
- Monat1912-02
- Tag1912-02-02
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Bezug-Vrei» sße und durch uns»« Irin»» und Ep«dil»,i« r»«l ld,ltch tu» yau» «»drachi » «Ü. monatl.. L7U Mt. »t«n»ltüdrU B«i »»>»«« N»lwi»n u. An- uatz«ft»üen adurdott Pt. maaatU, LL »t. o»«,t«liatzrl. »,«» Pd,r trm»rhald Drutlchland, und dar dautlch«, R»loni«n »»»Nrliadki. d.dv MI., monotl. ao»>chr. VattdaftaUaatd Krrnar tu Balgi«^ Danamarl »an Donaustaotan. Italtan, Lurrmduru. «ladarland». «,i» waaan, !ü«»rtt«ich. Unaarn Ruslan», Echwedan, vckwau u Soanla». An allaa üdrigrn kiaaia» nur oi,«N durch di« E«»chätt»st«U< o«» Blatt«» «rdütiuch. La» v«tp,t,«r Ta»«dlatt «iich«tnt rmal tügllät. Bonn» ». ^«i«rlau» nur mnrarn». >donn«m»ni».Snnadm« S,da»»i»»a>i« ch d«« uni»«»» I raarrn. ,iU>o>»n.Vp»dil«»«ei» »ttd dlnnadm««rUr» >»»,« Boiläml«rn uud Brirtl,og«rn. Pt»i«>»«,laut»prai» lO Pt- Morgen-Ausgabe. WpIAtrTllgMaü » . -u l "M2 l«.chta.,«üchr .. . s "M2 lNachtauschl.» Ttl..Allschl ^14MS rel..Anschl.^,4ftS3 Nrntsvlalt -es Nates UN- -cs NosizeiamLes der Ltadt Leipzig. Anheiqn, Prei- flr Snkral« au» u»„„g und Um«»bmr« bi» O»ottta»P«Nl»»U« LP» »t,R«Namr- «all« l ML »on ai>»»ari»Ztt P^!tr«aam«n llv Mk. Jnierai» oon V«do,d«n «» amt- lrch«n T«tl di« P»tii,«u» SU Pt Pa>chäst»ant«i««n mit P>a,o»rlchttst«l >m Prrlt« »idckdt Rabatt nach lartj B«ilau«aedad, ch«la«t» aufla,« L Mt. » rauXnd «rkl. P,lt,«dühr. L«Ild«ilas» dok«r. 8«tt»tt«ilt» «uitraor können ni«t „rück- a,,,««n w«rd«n 8ür da» ckrlch«>n«n an bestimm«»» laa«n und Pld»«n wird k«ia« charaail« üdrrnommra. «»„>«,». »sn-dm«: Soh,,,,»,,«« 8, d«i iamiiich,» 8ttial«n u. all«» Lnnoncrn- lkioeduion«» da» 2n- und Itlu.land«». Lruit und Verl»« »-» 8llck«r Ä Riirttan ^ntzad«r Paul ttdrlte». R«d,ttl„ „» »alchlltt»lt«a«: Zoda»nl»golt« <t> hau^i.^Uial« »««»»«»: S««slrak« < l i1«l«py»a <S2lX Nr. SS. /reilng, -en L Februar ISIS. 10S. öShrgSNg. L8 Seite» UM- Unsere gestrige Abendausgabe umfaßt 8 Seiten, die vorliegend« Morgennummer 18 Seiten, zusammen Dss Wichtigste. * Die ErsteSächsischeKammer beschäftigte sick am Donnerstag mit einigen Etatskapiteln. (S. Landtagsber. Seite 10.) * Die Zweite Sächsische Kammer er^ ledigte am Donnerstag mehrere Kapitel des Rechen schaftsberichts für die Finanzperiode 1908/09. (S. Landtagsber. Seite 10.) * Da- deutsche Kronprinzenpaar ist . in Celerina (Schweiz) eingetroffen. (S. Deutsches Reich Seite 9.) * Da- preußische Abgeordnetenhaus beendete am Donnerstag die erste Beratung des Etats. (S. Bericht Seite 2.) * Nach Privatdepeschen Hamburger Firmen soll der General st reik in Lissabon beigelegt sein. (S. bes. Artikel Seite 2.) * Nach einer zweistündigen Pause wurden am Donnerstagnachmittag um halb b Uhr die Ver handlungen im Spionageprozeß Stewart fortgesetzt. Das Urteil ist heute, vielleicht aber auch erst am Sonnabend, zu erwarten. * Einen räuberischen Neberfall auf eine Verkäuferin verübte gestern in Leipzig im Hause Lukasstraße 6 der Arbeitsbursche Otto Opitz. Der Täter wurde bald von der Polizei gefunden und verhaftet. (S bes. Art 71 Oesterreichs chemische Krisis. Nicht allein in dem Sinne kann man jetzt von der österreich-ungarischen Monarchie chroni scher Krankheit sprechen, in dem dortzulande überhaupt noch keine annehmbare Formel ge sunden ist, um das moderne parlamentarische System über die eigenartigen Schwierigkeiten eines volklich auseinanderklasfenden Staats wesens, seiner eines unmittelbaren Vater landsgefühles entbehrenden Stämme hinwegzu bringen und den Bedürfnissen einer Großmacht anzupassen. Es ist ein hartes, aber im ganzen gerechtfertigtes Wort, das Generalmajor Keim längst gesprochen hat, „daß Oesterreichs Wehr kraft im Verdorren begriffen sei und dadurch ent wertet zu werden Gefahr laufe." Aber eben ein jetzt endlich unternommener Versuch, ein tüchtiges Stück des jahrelang Versäumten nachzuhvlen, hat zu einer neuen chronischen Krisis im engeren Sinne geführt, die die Lebenssäfte der Doppel monarchie vollends ins Stocken zu bringen droht. Die Wurzeln der Widerstände liegen augen blicklich in Ungarn. Erst wenn dre Militär vorlagen in Transleithanien über den toten Punkt hinweggelangt sind, auf dem sie seit dein Juli stehen, wird an die für schwieriger gehal tene Aufgabe herangetreten werden, im Abgeord netenhaus«: des Reichsrates für sie eine Mehrheit zu sammeln. Im ungarischen Unterhanse ist nämlich eine vollgenügendc Majorität seit den überraschend glücklichen Wc..-len von 1910 vor handen. Aber die unglückliche Geschäftsordnung verhindert sie nach wie vor. ihren Willen zur Arbeit durchzusetzen. Um diesen Willen nicht vollends verwelken, sich nicht gänzlich brachlegen zu lassen, hat man „einstweilen" vor der Ob struktion der Opposition die Segel gestrichen und den „Staatsnotwendigkeiten" der unmittelbaren Gegenwart, besonders der Budget-Beratung, durch Zurückstellung der Heeresgesetze Obstruk tionsfreiheit erhandelt. Im Februar soll nun allerdings die erste Lesung der letzteren, in der sie im August stecken geblieben waren, wieder ausgenommen, der Versuch zum Niederzwingcn der Obstruktion erneuert werden. Indessen merkt man den Regierunqsmän- nern das Bangen und Grauen an, mit dem sie einer solchen Willensanspannung entgegensetzen, deren weitere Verschiebung nach Erledigung des Staatshaushaltes mit keinem Vorwande mehr bemäntelt werden kann. Schon sind wieder Verhandlungen im Gange, um dem zähen Gegner vielleicht abzuschmeicheln, was man ihm abzutrotzen sich doch nicht so recht getraut. Man hat bei den Kossuthianern einige Geneigtheit zur Verständigung entdeckt. Aber es muß befürchtet werden, daß wiederum das Heilmittel schlimmer ausfallen wird als das Nebel: daß wiederum eine Verstärkung des Heeres erkauft werden soll auf Kosten seiner Einheitlichkeit, vor allem seiner einheitlichen Sprache. Und daß ausgerechnet über den verschlagenen und gänzlich vertrauens unwürdigen Grafen Apponyi die Fäden der Verhandlungen ausgejpannt zu sein scheinen, läßt erst recht Schlimmes befürchten. Im Cis gilt ein Schacher um Staatsnotwendigkeiten und natio nale Ansprüche seit Herrn v. Bienerths energi schem Durchgreisen als verfemt — ob unter Graf Stürgkh noch, muß abgewartet werden —, und die deutschnationalen Parteien der westlichen Reichshälfte machen dementsprechend auch schon jetzt gleich sehr entschieden Front gegen eine Erhöhung des ungarischen Kaufpreises über die wahrhaftig nicht geringen Opfer hinaus, die in den militärischen Justizvor^agen niedergelegt sind. Und dann blerbt zu bedenken, daß yintcr der Kossuthpartei noch die des Herrn Justh steht, die jeder Nachgiebigkeit so ganz ungeneigt ist. Und schließlich wäre ein neuer Sündenfall der ungarischen Negierung ein starker Anreiz für Tschechen und womöglich Slowenen zu abermali gen nationalen Erpressunqsversuchcn trotz Regel Bienerth und alledem. Cs sieht etwas sonder bar aus, daß Graf Khuen für eine Wiener Reise, um Instruktionen zu holen, genau den letzten Januar-Sonntag ausgewählt hat, an dem der getreue Eckart des österreichischen Staatsgedan- rens in Berlin weilte! Mit Sorge wird man dem Verlaufe der nächsten Monate im Trans entgegensetzen müssen, mit Sorge auch der endlichen' Aufnahme des nämlichen Beratungsstoffes im Cis, wo freilich eine wenigstens provisorisch verbesserte Geschäfts ordnung die lähmende Langweiligkeit eines Ob struktionskrieges jetzt zu überwinden gestattet, die traurige Parteienzerklüftung aber Majori täten, und gar Zweidrittcl-Dcajoratärden, förmlich zusammenzubetteln zwingt. Ein Alb der Müdigkeit, der Krankheit lastet auf der Doppelmonarchie. Die physischen Krank heiten ihrer Leiter sind förmlich symbolisch für ihren Zustand. Graf Khuen war monatelang >urch eine Staroperation von den Geschäften crngehalten. Der auswärtige Minister des Ge- amtreiches soll tatsächlich lebensgefäh>.lich er krankt sein. Und die Gesundheit des Herrschers muß wie eine unersetzliche, kostbare Blume vor jedem Lüftchen der Aufregung und Erschütterung bewahrt werden. Oesterreich-Ungarns Lebens bedürfnisse aber erheischen täglich dringlicher einen kräftigen Luftzug, einen starken Willen, die gordischen Knoten, welche Parteisucht im CiS wie im Trans geknüpft hat, mit festem Ent schlüsse zu durchyauen. L Die Erkenntnis. (Von unserem römischen Mitarbeiter.) Der offiziellen Note über die Beilegung der fran zösisch-italienischen Zwischenfälle hat die Regierung m Rom in ihren drei Hauptorganen, der „Tribuna", „Stampa" und dem „Torriere della Sera", ganz eigen artig anmutende Kommentare nachzusenden sür gut und nützlich befunden. Offiziell war vom „Geist der größten Herzlichkeit", von den „Gefühlen aufrich- tiger (!!) und ständiger Freundschaft", welch« beide Länder verbinden, und auch davon die Rede, daß die Erledigung des Streites „ohne große Schwierigkeiten" vonstatten gegangen wäre. Genau 24 Stunden später beweisen uns die drei genannten Regierungs organ«, wie jämmerlich es mit den „Gefühlen der größten Herzlichkeit" bestellt ist, wie unaufrich tig und wankelmütig die Freundschaft Frankreichs sich gezeigt hat und welcher Riesen berg von Schwierigkeiten bei dem elftägigen „Zwi schenfall" zu überwinden war: ein köstlicher Beleg für die Wertschätzung offizieller Noten mit obligaten Beteuerungen! Doch beginnen wir! Die „Tribuna" hatte durch ihren geistvollen Rastignac vor 8 Tagen die Klage ausstoßen lasten, daß di« bei Schara Schar und Ain Zara empfangenen Wunden lang« nicht w geschmerzt haben, wie heut« die Kränkungen durch die Schwester nation. Jetzt zeht Rastignac ganz andere Register auf. Man solle sich nur ja keinen Illusionen hin geben. Unter den vier Zentralmächten Europas sind nur zwei aufrichtige und loyale Frie densfreund«: Deutschland und Ita lien! Die beiden anderen aber, Frankreich und Oesterreich, lasten sich bald vom Gedanken an den Krieg, bald von kriegerischen Wünschen hin und her werfen. „Zum Glück für -en europäischen Frieden ist Deutschland stark genug, um Angriff« und Hand streiche zu verhindern, und Italien ist ernst und ver- nünftig genug, um zu verhindern, daß die bösen Ab sichten anderer im Aufruhr ihrer Gefühle Hais über Kopf den Oasus bsUi schaffen." Mit Oesterreich stünde es nicht so schlimm, weil dort der Kaiser und Ungarn mit den friedliebenden Elementen der kleri- kalen Kriegspartei Widerstand leisten. Auch die Be strebungen oes Vatikans könnten dort nicht viel Un heil anrichten, solange ein Pius X. an seinen vene zianischen Markusdom denke. Aber in Frank- re i ch könnte der Thauvinismus leicht alle Par teien um sich sammeln und über Nacht unvorher gesehene Ueberrcrschungen schaffen. „Haben wir in diesen Tagen der Tarthage- und Manuba-Zwi'chen- fälle nicht di« Sozialisten der „HumanitS" sich leiden schaftlicher in ihr«r Wut gebärden sehen als di« Legi timisten des „Gaulois"?^ Nach wetteren schweren Angriffen auf Frankreich kommt Rastignac zum Schluß zur Bismarckischen Mahnung: „Das Pulver trocken gehalten!" Noch schärfer geht der „Torriere della Sera" in zwei Artikeln mit den hitzigen Franzosen ins Gericht. „Italien ist ruhig. Aber es fühlt. Fühlt vor allem, daß es lang« nachdenken muß über das, was wider alles berechtigte und vernunftgemäße Erwarten vor- gefallen war, und dann aus der gesammelten Er- fahrung den besten Schluß in seinem Interests ziehen." Zwei Spalten weiter fährt auch der Deputierte Pro- festor Torre in demselben Blatt schweres Geschütz geg«n Frankreich auf. „Vielleicht gefällt es Frank- itzlch, jetzt nach der Besetzung von Tripoli« durch Italien sich so zu betragen, daß Italien in ständiger Sorg« um sranzösrsche Streitereien stehen muß? Frank reich antwortet, daß es von den herzlichsten Gefühlen für Italien beseelt ist. und hofft und wünscht, daß die Freundschaft mit uns stets intim und aufrichtig sei. Schön« Worte, aber die Täte n?" Und nun läßt sich der Deputierte Tirmeni in Giolittis Leiborgan, der Turiner „St.cmpa", d e nicht wenig erstaunt ist, daß man in Deutschland von einem italreniichen Faschoda" iprechen konnte, vernehmen. Nachdem er schon früher nachzewiesen hatte, daß der Botschafter Barrdre sich gewaltig irre, wenn er glaube, nach seiner Ankunft in Rom ein „Vern, vicki, vier!" nach Paris rapportieren zu können (es dauerte 72 Stunden bis zur Abfassung des Rapports'), erklärt Tirmeni unter Hinweis auf di« von der italienischen Regierung bei der Konfliktslösung er reichten Vorteile, „daß die Haltung Frank reichs gegenüber Italien in diesem unseligen Zwischenfall nur noch mit dem Vorgehen eines Ge waltmenschen verglichen werden kann, der bis an die Zähne bewaffnet einen friedliebenden Bürger auf einsamer Erlaße* überfällt und ihm das Entwederoder zuruft! Der friedliche Bürger weicht für gewöhnlich sofort und vollkommen zurück. Unsere Negierung aber ist oegen- über Frankreichs Regierung, di« durch den Mund ihres Ministerpräsidenten di« Frage in die Form eines Ultimatums mit unmittelbarer Ablauf frist gekleidet hat, nur zu einem Teil zu rückgewichen, und dann auch nicht lo'ort! Heute muß ick bekennen, daß die Gefahr wirklich groß ge wesen ist. Denn Frankreick hatte aus einem aering- fügigen Zwischenfall rechtlicher Natur eine Riesen- affäre politischen Tharakters gemacht, indem es sich zum Aeußersten entschlossen zeigte. Zcalien aber zeigte ,n der Bewahrung seiner vollkommenen Ruh« und des Anscheines, als ob es die brutale Gewalttätig keit nicht begriffen habe, eine wirklich staunenswerte Haltung . . ." Dem französischen Ministerpräsiden ten und dem Minister Dupuis macht es Tirmeni dann zum persönlichen Vorwurf, daß sie ihren Organen, dem „Echo de Paris" und dem „Petit Parisien" mitten während der Unterhandlungen mit Rom all« diejenigen Informationen wart- getreu zugehen ließen, die sie ihrem Botschaft ter in Rom übersandten! „Welche Garantien für di« Zukunft gibt uns Frankreich?" fragt Tirmeni und bringt wirkungsvoll Brnedettts dreistes Auf treten vor König Wilhelm I. in Erinnerung. Italien habe sich darauf beschränkt, die Ausübung seines guten Rechtes der Cchifssvisitierungen sich nicht nehmen zu lasten. Pariser Organ« täten, als ob Italien Frankreichs Ba'all wäre. Schon während Italiens Feldzug in Abessinien habe Frankreich den italieni schen Feind mit Munitionen so unterstützt, wie heute die Türken, und nur der Verhetzung der Neutralität durch Frankreich wäre es zuzuschreiben, daß der jetzige Krieg noch nicht zu Ende sei. . . So und ähnlich geht es zwei lange Spalten weiter. Auch das chauvinistische „Giornale d'Italia" teilt jeden Tag den Franzosen Hieb« aus. Wenn auch ab und zu ein republikanisches Wtnkftblättlken sich in Demut vor den Franzosen bis zur Erde neigt, so hat das wenig zu besagen: im Volk selbst sind die Sym pathien für di» Schwcsternation wi« mit einem Schlage erstorben. Gewiß können sie in absetzbarer Zeit Wiederaufleben. Aber in Italien weiß man im Gegensatz zu der landläufigen Aurfassuna in Deutschland sehr wohl, daß der Franzose seinen latei nischen Bruder auf politrsch-m und wir'skbcntl ch»m Gebiet als Rivalen nicht gern sieht! Es besteht in dirser Beziehung genau der gleiche Gegensatz wie zwischen En-jkand und Deutschland. Und dieser Gegensatz wird jetzt mit dem Uebergang von Tripolis in italieni'chen Be sitz noch weit ausgeprägtere Formen annetzn-en. Italien befruchtet mit seinem ungeheuren Bevclke- runasöberlchuß das französi'che Tunis und Alaier — in Tunis kommen auf 100 Italiener nur zwei Tlran- zosen! — und schafft sich so inmitten der fran'önschen Kolonie eine italienische Kolonie basonderer Art. Dis Berührungspunkte zwilchen Tunis und Tripolis wachsen und damit auch die Interessengegensätze. Diese Erkenntnis kommt seift auch den Franzosen. Und die Italiener w'sien beute, was sie von den ver meintlichen Frcundlichkeitsbewnsen ihrer Nachbarn zu halten haben. Der Umlckmuny !n psrls. (Von unserem Pariser Mitarbeiter.) Paris, 81. Januar. Das Ende der italienischen Freund schaft ist das erste greifbar« Resultat der neuen Mittelmeerpolitik Frankreichs. Im Austausch für die Unterstützung in Algeciras hatte Frankreich Tripolis ausgeliefert. Aber kaum haben die Italiener den Fuß auf afrikanischen Boden gesetzt und schon be ginnen die Reibereien und Verdächtigungen. „Tunis i st gefährdet!" ertönt der Warnungsschrei. Im „Matin" las man gestern eine angsterfüllte Epistel von Gaston Therau, der als Kriegskorrespondent in Tripolis weilte, der Losung gemäß nur heldenhafte Siegesberichte sandte und jetzt auf der Heimfahrt in Tunis seine „wahre Seele" .zeigt, allen Aerger und Neid über die Italiener hervorbrechen läßt. „In Tunis gibt es einen Einwohner, der merkwürdig radauliebend geworden ist und oft laut davon träumt, uns das Haus unbewohnbar zu machen. Das ist der Italiener. Er kam nicht mit vollem Koffer und gold gefüllter Börse. Er profitierte von den französischen Kapitalien und nahm den Arabern ihren Platz weg. Heute begegnet man ihm überall, in der Stadt und auf dem Felde. Das Handwerk und der Kleinhandel gehören ihm. Und jetzt richtet sich der Einwanderer, der mit ausgestreckter Hand und gekrümmtem Rücken gelandet war, hoch auf und ärgert den Araber, in der Hoffnung, daß diese Verärgerung sich bald gegen die Franzosen richten wird. So ungeheuerlich das erscheinen mag, die in Tunis an sässigen 80 000 Italiener wollen Tunis für sich haben. Wenn die Franzosen in Tunis vorgestern in Maste nach dem Palast des Residenten zogen, um zu fordern, daß dem Skandal der Schiffs- beschlagnahmunqcn «in Ende bereitet werde, taten sie das, weil sie wissen, daß ter kleinste Funke den Brand entfesseln kann, der das ganze Land bedroht, und daß es leichter ist, wenn auch spät, einer Revolution vorzubeugen, als sie niederzuzwingen." Dieser Aussatz Chcraus übertreibt kaum — vor sechs Wochen hatte man ja bereits den ersten Auf stand der Araber gegen die Italiener in Tunis, wo die letzteren viel zahlreicher anzutrcffen sind wie die Herren des Landes, die Franzosen. General resident Alapetite, der in der Kammer seit drei Sitzungen sehr beifällig aufgenommene Reden hielt, um aus die gegen seine Politik und wegen der Landwucherjkandale geführten Angriffe zu antworten, und -er gestern, von der Uebermlltung bezwungen, auf der Tribüne ohnmächtig wurde, hat nicht ver schwiegen, daß trotz des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwunges der Kolonie grüßte Vorsicht hinsichtlich der Rassengegensütze geübt werden muß. Minister präsident Poincarv antwortet« auf eine Depesche der Franzosen in Tunis: „WeiM die fran zösisch« Kolonie mir bei dem republikanischen und nationalen Werk, dem die Regierung all ihre An strengung widmet, wirksam helfen will, muß ich ebenso auf ihre kluge Vorsicht als auf ihren Patriotismus zählen können." Den Sinn dieser Antwort erläutern Leitartikel des „Temps" und des „Matin". Selbst das Sensationsblatt des Herrn Bunau-Varilla, das gestern noch den Haß schürte, versichert heute, daß die Rastenverwandtschaft keine Feindseligkeit erlaubt und daß die Zusammenarbeit in Nordafrika, die bet Feindschaft eine Gefahr werden könnt«, im freund- schaftlichen Geiste geführt, eine Stärke für beide Nationen werden müsse. „Die Ehre ist gerettet — retten wir die Freundschaft!" betitelt der „Matin" in fetter Schrift diesen inspirierten Aufsatz. „Unsere einzige Sorge ist, daß Italien nach dem Gewitter seine wahren Freunde kennen möge. Es sind das nicht die Leute, die gegen die Offiziere des türkischen Heeres heranziehen, die das Nötige für den Waffen schmuggel fabrizieren, die den Arabern in Tripolis die Mausergervchre senden und die in Konstantinopel nie ihren Einfluß geltend machten, um den F irden zu erzwingen, sondern die im Gegenteil als Erste gegen die Ausdehnung der italienischen Aktion im Aegäiscken Meer auftraten, wo die königlich« Regie rung Siegesaussichten hatte. Die Tatsachen und die Logik beweisen, -aß, wenn Italien wahre und un eigennützige Freunde hat, es sie bei jenen suchen muß, deren Mittelmeerinteresten dieselben sind, die ihm nicht den Weg nach Triest versperren, können, die es beim jetzigen Kriege mit ihren guten Wünschen begleiteten . . Diese „Logik" ist zu perfid, um die Italiener darüber hinwegzutäuschen, daß während der jüngsten Schwierigkeiten von einem großen Teil der französischen Presto eine beleidigende Sprache geführt wurde. Deutschland und Spanien haben dieselbe sprach« gehört und nicht vergossen, daß die Gallier sich zeitweilig ganz allein Ehrlichkeit und vornehme Gesinnung zuerkennen. Die römischen Korrespondenten der Pariser Presse berichten über einstimmend, daß die Resultate einer zehnjährigen Nnnäberungspolitik zwischen den lateinischen Schwestern verloren gegangen sind. Man lese nur, was heute noch in der „Autoritö" steht, um den Aerger der Italiener zu verstehen! „Unserem Wohlwollen verdankt cs Italien, wenn es Tripolis an sich reißen konnte: denn das Veto unserer Verbündeten und von uns selbst würde es daran verhindert haben. Und zum Dank für unsere Freundschaft beleidigt es uns nicht in stupider Weise — es kündigt die Erneuerung des Dreibundes an! Wie es ihm beliebt! Die Lag« wird so wenigstens klar ..." Unit Englsnü? In der sozialdemokratischen Agitation spielt die Schilderung Deutschlands als eines Staates, der wegen seiner „bureaukratisch absolutistischen" Regie rung weit hinter anderen Kulturländern zurückstehc, eine Hauptrolle. Die Unwahrhaftigkeit dieser Schil derung geht aus den Verhandlungen des soeben ab gehaltenen 12. Parteitages der englischen Arbeiterpartei so klar hervor, daß die aus führliche Berichterstattung des ..Vorwärts" über den Parteitag mit Genugtuung oeflrüßt werden darf. Auf Grund des „Vorwärts -Berichtes seien die ein schlägigen Hauptpunkte bier kurz zufammengestellt. Der Parteitag der englischen Arbeiterpartei hat ein stimmig einen Beschlußantrag angenommen, in dem es wörtlich heißt: „Der Parteitag ist der Ansicht, daß die Ver wendung des Militär» in wirtschaft lichen Kämpfen unverantwortlich ist und eine Bedrohung der organisierten Arbeiterschaft be- deutet. Er verurteilt die Regierung, weil sie den Eisenbahngesellschaften Soldaten zur Verfügung gestellt und Trupven nach den Streikaebieten unter Offizieren geschickt hat, denen die Macht gegeben wurde, die lokalen Behörden zu ignorieren. Bekanntlich beschränken sich die deutschen Behörden grundsätzlich darauf, Streikunruhen nur durch die Polizei zu unterdrücken: wird aber das Aufgebot der Polizei in solchen Fällen unerläßlich, dann zetert die sozialdemokratische Presse über angebliche Behördenbrutalität, die Deutschland in den Augen des Auslands verächtlich mache. Und kommt bei uns im Zusammenhangs mit Streikunruhen ein Un schuldiger zu Schaden, dann kennt die agitatorisch« Ausbeutung eines solchen Einzelfalles kein« Grenzen. Es ist deshalb nützlich, darauf hinzuweisen, daß auf dem englischen Parteitage Anderson, der Berichterstatter für den oben erwähnten Beschluß antrag, sagte: „In Clanelly habe man unbeteiligt« Zuschauer erschossen". Eine andere bevorzugte Methode der sozialdemo kratischen Agitation besteht in der Herabsetzung der deutschen Sozialversicherung. Zunwl di« neue Reichsversicherungsordnuna ist al» rückständig heruntergeristen, das englische Versicherungsgesetz da gegen als leuchtendes Muster georiesen worden. Mit diesem Lobe des englischen Versicherungsgesetzes ver-
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