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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.05.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-05-22
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120522026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912052202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912052202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1912
- Monat1912-05
- Tag1912-05-22
- Monat1912-05
- Jahr1912
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Bezug-.PreiS Ar L«k»,ta mU> «srort* durch «rs«, Iria«r »nb Ev«dttrur« Luiul tSalich iu» Hau» gebracht: SV Pf. »onatk, r.« Vit. vieri« ltihrl. L«i unseruLtUalen «. Lu» nahmeßkllen adorhoU: 7» Vf. «ouall^ r^S LN. »trrtrltährl. D«rch »t« V»V: tuuer-alb Deutichlaud» und bar deutsch«« Kolonie« vierteljährl. ».« Mk„ monatl. ILV Ltt. aurlchl. Postbeftellaeld. Ferner in Belgien, Dänemark, den Donauflaaten, Italien, Luxemburg. Niederlande, Nor wegen, Oesterreich. Ungarn, Nustland, Schweden und Schwei». In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« Selchüii». stell« de» Blatt«» «rhSltltch. Da» Leipzig«» Dag«dlatt «rlchiwt Smal täglich. Sonn» n. F«t«r»ag, nnr morgen». Ldonn«m«nt»»Lanahm«. Lotz««ui»»all« 8, b«t nns«r»n Iräg«rn. Filtal««, Sp«dtr»ur«» »ad Lnaa-mesitll«», lowt» Postämt«rn nab Bri«strLg«rn. Vtn,«ln«r»«»f«»r«1» 1» Vf. Abend-Ausgabe. Anzeigen Preis «i, Inserat« an» L«tp,ta «nd Um,«bun, bi« llpaltig« Petit»«U» N Ps- di«N«klan»e. »etl« t ML von «wwirt» SÜ Pf. N«Namen Uv Ml. Inserat« oo» Be-ärben tm amt» licheu L«U di« Petit»,tl« i0 Ps. <b»Ichast»anieige« mit Plo<»orschrift«n tm Preis« «rbübl. Nabatt «ach Laris. Betla,«gebier tbesarm- anflog« L Mk. o. Taus««d «rkl. Poftg«bühr. Teildeilag, höher. Feft«neilt« Lusträg« können n«ch« »»rück» gezogen werde«. Für da» Erscheine« an bestimmte« lagen and Pläne« wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - «nnadme: Johann »gast« st, bei >amtlich«« Filiale« n all«« L««»ncen» Ezoedttion«« d«» In» «nd Lu»land«n . Handelszeitung, l ZL4W4 l Dep.-Kass« Grinnn. Steinw«, ll. MlM Amtsblatt -es Rates »n- -es Nolrzciamtes -er Lta-t Leipzig. WNW' Dr«a NN» Bert», »»» Atsch«* ch NRrsch» 2nhad«r: Pa«> Kttrsten. Nedattton mr» G»Ichölt»st«l«: 2ohannt»galle v. Hamst-Ftltol« Dm,»«»: Seestratze t. l tleleodo« 4v2ir Ar. 25S. MlltMdch, den 22. Mai >Sl2. 106. Zahrgsny. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 10 Seilen. Das Müstiglte. * Die Leiche des Prinzen Georg Wil helm von Cumberland ist von Friesack nach Gmunden übergeführt Morden. (S. bes. Art.) * Anläßlich des 400 j ähr i g en Be st e he n s der Nikolaischule beginnen heute die Fest lichkeiten mit einem Begrüßungsabend im Zentraltheater. * In Bautzen hat das 14 Jahre alte Dienstmädchen Anna Gawantka aus Nesch witz dem 2 jährigen Kinde seiner Herrschaft, um von dieser loszukommen, Gift eingegeben, das den Tod deS Kindes zur Folge hatte. (S. unter Sachsen.) Dss höhere Ansbenlihulmelen. lieber den gegenwärtigen Stand des höheren Knabenschulwesens in den deutschen Bundesstaaten schreibt man uns: Wenn man die durch den preußischen Etat für das laufende Jahr geschaffenen 7 höheren Lehranstalten für Knaben berücksichtigt, so gibt es in den deutschen Bundesstaaten gegenwärtig insgesamt1352höhere Knabenschulen. Von diesen entfallen auf Preußen 745, Bayern 140, Sachsen 95, Württemberg 68, Baden 70, Hessen 40, Elsaß-Lothringen 37, beide Mecklenburg 26, Hamburg 19, Braunschweig 14, Oldenburg 12, Sachsen-Weimar und Anhalt fe 11, Bremen 10, Sachsen-Meiningen 7, Coburg-Gotha 6, Lübeck und Anhalt je 5, Reuß j. L„ Lippe-Detmold und Schwarzburg-Sondershausen je 4, Rudolstadt, Schaumburg-Lippe, Waldeck und Reuß ä. L. je 3. Sehr verschieden ist das Verhältnis der Zahl der humanistischen zu den Realanstalten innerhalb der einzelnen Bundesstaaten. Während in Preußen 341 Gymnasien 432 Realschulen gegen überstehen, und in Bauern beide Schularten nahezu in gleicher Zahl vorhanden find, überwiegen in anderen Bundesstaaten die Realanstalten ganz er heblich. So hat Sachsen 19 Gymnasien und 60 Real anstalten, Baden 17 Gymnasien und 51 Realanstalten. Die Gesamtzahl der Schüler auf den höheren Lehranstalten beläuft sich auf 232 700, davon in Preußen 40000. Vergleicht man die Zahl der höheren Schulen mit der Einwohnerzahl der einzelnen Bundes staaten, so entfallen auf jede Schule in Hamburg 53 640 Einwohner, in Sachsen 50560, Preußen 47600, Württemberg 35830 und in Schaumburg-Lippe nur 15 550 Einwohner. Von Interesse ist auch das Ver hältnis der Einwohnerzahl zu der Zahl der Schü ler an den höheren Knabenschulen. Unter 100 000 Einwohnern sind Schüler der höheren Lehranstalten in Bremen 1350, in Lübeck 1260, in Mecklenburg» Strehiitz 1060, in Preußen 580, Bayern 585 und in Sachsen-Altenburg 453. Die Gesamtzahl der Ober lehrer einschließlich der Direktoren beläuft sich auf 16 330. Die Aufwendungen in den einzelnen Staaten für die höheren Knabenschulen sind naturgemäß sehr verschieden, Preußen steht an der Spitze mit jährlich mehr als 80 Millionen Mark; davon entfallen auf den Staat 19,5 und auf die Gemeinden 30,2 Millionen. Aus dem Vermögen der Anstalten und aus Stif tungen werden rund 4 Millionen gedeckt und auf 34,4 Millionen belaufen sich die Einnahmen aus Schulgeld. Die Belastung der Steuerzahler stellt sich in Preußen für jeden Schüler einer höheren Lehranstalt auf 230 jährlich, gegen 26 ./L für den Volksschüler und 546 für reden Studierenden einer Universität. Erfahrungen aus kansüs. Jin Plenarsitzungssaale des Reichstages sand am Dienstag vor Mitgliedern des Bundes rats und des Reichstages und einer Anzahl ge ladener Gäste ein sehr beijällig aufgenommener Vor trag statt, zu dem der Reichstagspräsident auf An regung einer Anzahl von Abgeordneten den unlängst von einer Studienreise um die Erde zurückgekehrten Wirklichen Admiralitätsrat Professor Dr. Köbner aufgefordert hatte. Das Thema behandelte Ein drücke einer kolonialpolitischen Studien- reise, insbesondere Erfahrungen aus Kanada. In der Einleitung skizzierte der Redner die Ge schichte des Landes, namentlich die langwierigen Kämpfe zwischen Franzosen undEngländern um dieVorherrschast. Die getrennten englischen Kolonien in Nordamerika sind im Jahre 1867 zu dem Dominion of Canada vereinigt worden. Dieser politischen Einigung folgte der wirtschaftliche Zusammenschluß des weiten Landes durch den Bau der kanadischen Pazifikbahn. Der eigentliche Schöpfer dieser Bahn, Sir William van Horne, äußerte einmal zu dem Vortragenden: „Wir haben beinahe 3000 (englische) Meilen Bahn gebaut durch ein Gebiet, in dem früher so gut wie kein Mensch wohnte. Das war aber nicht das Schwerste. Bahnen bauen ist heutzutage eine reine Geldfrage; die größte Schwierigkeit lag darin, einen Handel in diesen Gebieten zu entwickeln und vor allem, zunächst einmal die Bahn zu finanzieren." Erst durch die Bahn wurde es möglich, die weilen Nordwest- aebiete wirtschaftlich nutzbar zu machen. Diese hatten seit zwei Jahrhunderten einer privaten Kolonralgesell- schaft, der Hudsons Bay Company, gehört, die systematisch die Ansicht verbreitete, daß jene Lände reien unwirtlich und unfruchtbar seien. Alsbald nach der Begründung des Dominion im Jahre 1868 kaufte die Regierung jene Territorien an. Es stellte sich heraus, daß die weiten Präriegebiele, in denen durch unabsehbare Zeiten das Land ungenützt geblieben und alljährlich durch die pflanzlichen und tierischen Verwesungsstoffe gedüngt war, einen außerordentlich fruchtbaren Boden, insbesondere auch für die Weizen kultur, abgaben. Die Gefahren des Klimas für den Ackerbau sind früher überschätzt und damit die Aus dehnung der anbaufähigen Flächen unterschätzt wor den, da der Weizen sich als anpassungsfähiger erweist, als man glaubte. Auf der anderen Seite ist es zweifellos, daß viele Schätzungen der künftigen Anbauflächen, denen man in Kanada begegnet, allzu optimistisch und stark übertrieben sind. Der Ueber- gang von der reinen Weizenkultur zum mit Vieh wirtschaft gemischten Farmsystem ist auch für den größten Teil jener Gebiete Kanadas das Gegebene. Das Land bietet den Kolonisten heute sicherlich außerordentliche Aussichten, trotzdem können die Uebertreibungen nicht gebilligt werden, mit denen eine über alles Maß hinausgehende Propaganda zur Gewinnung von Einwanderern aus Europa arbeitet. Professor Köbner schilderte eine Reihe von Be gegnungen mit den führenden Persönlichkeiten des politischen und wirtschaftlichen Lebens Kanadas. Neben der Bedeutung dieses Gebietes für die Ver sorgung Englands mit Brotgetreide wird das Land in zunehmendem Maße auch von Wichtigkeit für die Vereinigten Staaten. Dieses Land, das seit mehreren Menschenaltern und noch heute das Haupteinwande rungsgebiet für Europäer ist, zeigt seit einigen Jahren bereits im Westen eine nicht unbeträchtliche Auswanderung, indem jetzt alljährlich mehr als hunderttausend Personen der amerikanischen Farmerbevölkerung nach Kanada wandern; ander seits stellt es sich heraus, daß die Vereinigten Staaten für eine Rerhe von Rohmaterialien, die sie bis vor kurzem in großen Mengen ausführten, nun mehr ihrerseits bereits der Zufuhr aus Kanada be dürfen. Zur Erklärung dieser Tatsache skizzierte der Vortragende den unwirtschaftlichen Raubbau, der in Amerika vielfach an den natürlichen Boden schätzen begangen ist, so ganz besonders an den Wäldern, die lange Zeit hindurch ohne jede rationelle Forstwirtschaft niedergeschlagen, ja vielfach nieder gebrannt wurden. Der so entstandene Holzmangel macht sich nicht nur bei dem Bedarfs für Bauten und mr die Industrie geltend, sondern auch nament lich in bezug auf die sogenannte Pulp, d. h. die Holzmasse zur Fabrikation des Papiers, insbesondere des Zeitungspapiers, so daß die politisch außer ordentlich einflußreichen amerikanischen Zeitungs verleger an der Verbilligung der früheren hohen Zölle gegenüber dem kanadischen Holze interessiert waren. Auch die mineralischen Bodenschätze sind vielfach unwirtschaftlich genutzt worden. Besonders wichtig erscheint es aber, daß der landwirtschaft liche Boden der Vereinigten Staaten infolge des exten siven Körnerbaus ohne oder mit ganz unzureichender Zufuhr von Dungstoffen an Ertragsfähigkeit zu ver lieren beginnt, eine ernste Erscheinung, auf die unlängst auch Präsident Tast mahnend hingewiesen hat. Professor Köbner berichtete von Unterredungen mit führenden Männern, insbesondere Roosevelt, welche ein Eingreifen des Staates und eine öffent liche Bewegung zur Erhaltung der natürlichen Reich tümer des Landes für dringend erforderlich erachteten. Jedenfalls bewerfen diese ganze Entwickelung und die Ansichten zahlreicher maßgebender Ameri kaner selbst, wie wenig berechtigt es ist, jenes Land als ein solches „unbegrenzter Möglichkeiten" zu be trachten. Der Vortragende sprach insbesondere über die amerikanische Heimstättengesetzgebung, die mehr als irgend etwas anderes dazu beiaetrage« hat, das Land wirtschaftlich rasch zu erschlichen und ihm zugleich eine überaus gesunde soziale Grundlage durch die Schaffung von Millionen selbständiger Farmer zu geben. Aber diese Ge setzgebung weist neuerdings starke Mißstände auf, indem Kapitalisten und Trust« Strohmänner in großer Zahl, besonders in Waldgebieten, haben Heimstätten erwerben lasten, die dann alsbald in die Hände jener Trusts hinübergespielt wurden. Prof. Köbner erwähnte einen Ausspruch Roosevelts, daß die Heim- stättengesetzgebung bewunderungswürdig gearbeitet habe, solange der Staat Ackerland zur Verfügung hatte, daß sie aber einen Fehlschlag bedeutete, soweit Waldland, Oedland und Weidland in Frage kamen. Die kanadische Landesgesetzgebung ist in der Hauptsache eine Nachahmung der amerika nischen, hat aber manche Fehler der letzteren zu ver meiden gesucht. Früher sind allerdings auch in Kanada öffentliche Ländereien unzweckmäßig vergeben worden, insbesondere an große Kolonisattonsgesell- schasten. Neuerdings wird aber öffentliches Land überhaupt grundsätzlich nicht mehr verkauft, sondern in Grundstücken von 160 Acres (etwa 67 lm) an arbeitswillige Einwanderer kostenlos vergeben gegen eine ganz geringe Einschreibegebühr von 10 Dollar, aber gegen die Verpflichtung, das Land wirtlich zu bewohnen und zu bebauen. Jeder solche Heimstätteneigentümer kann noch eine zweite, gleich große Farm im Wege der „Preemption", einer Art Vorkaufsrecht, billig hinzuerwerben. Die großen Landkonzejsionen, die früher gegeben wurden, sind grundsätzlich zu verwerfen und haben in der Kolonialgeschichte aller Nationen eine wenig segens reiche Nolle gespielt, weil die Verlockung allzu nahe liegt, daß die so bedachten Gesellschaften das Land zu Spekulationszwecken verwenden, anstatt es zum allgemeinen Besten möglichst rasch unter den Pflug zu bringen. Eine bemerkenswerte Ausnahme von jenen ungünstigen Erfahrungen stellt die neue B o d e n» politikoerkanadischen Pazifikbahn dar. Hier vereinigen sich die privatwirtschastlichen Interessen der Bahngesellschaft mit den volkswirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten, denn die Bahn selbst hat das größte Interesse daran, das Land an den Bahn strecken möglichst rasch in die Hände von Ansiedlern zu bringen, die es wirklich bearbeiten; sie hat be rechnet, daß jeder arbeitende Farmer durch seine Frachten und Reisen usw. ihr alljährlich eine Rente von mehr als hundert Dollar zuführt. Diese Gesell» schäft hat neuerdings 34 Millionen Mark für Be wässerungsanlagen in der Nähe von Calgary aus gegeben. Ferner bereitet sie an einzelnen Stellen jetzt sogenannte „halbseitige Farmen" zum Ver kaufe vor, das heißt Güter, die bereis ganz durchpflügt und zum Teil bestellt. auch mit einem Wohnhaus versehen und mit Vieh bestockt sind, ehe sie zum Verkaufe gelangen. Die künftige, mit Gewißheit vorauszusehende wirt schaftliche Entwicklung Kanadas kann leicht durch Krisen unterbrochen werden, da sich in vielen Punkten eine Neigung zu übermäßigen Spekulationen zeigt, die durch die Gesetzgebung sehr erleichtert werden. Doch wird nach Ueberwindung solcher Krisen das Land durch seine natürlichen Reichtümer und seine im wesentlichen doch gesunde staatliche Organisation einen weiteren Aufschwung nehmen und ein wichtiger Faktor der Weltwirtschaft und da mit der Weltpolltik werden. — Der Vorsitzende schloß die inhaltreichen Ausführungen mit einem allgemeinen Ausblick auf die grundsätzliche Bedeu tung, welche die Kolonisation nicht nur in wirt schaftlicher und politischer, sondern auch in ethischer, erziehlicher Richtung für jede Kulturnation besitzt. Zum Tvüe ües Prinzen van Lumkerlsnü. Am Dienstagnachmittag 5 Uhr fand aus der schlichten Dorskrrche zu Nackel die feierliche Ueberführung der Leichen des Prinzen Georg Wilhelm von Cumberland und dessen Kammer dieners Grcme statt. Zu den Trauerfeierlichkeiten waren erschienen: Prinz Eitel Friedrich, Prinz August und andere hohe Herrschaften. Vier Unteroffiziere des 24. Infanterie-Regiments in Neu-Ruppin standen in der Kirche Ehrenwache, während vor der Kirch« eine Kompanie desselben Regiments Aufstellung genommen hatte. Die Feier, an der fast sämtliche Einwohner des Dorfes herz lichen Anteil nahmen, wurde eingeleitet mit dem Gesäuge „Wer weiß, wie nahe mir mein Ende". Die Elnsegnung der Leichen nahm Pastor-Wolfram- Nackel vor. Der Gesang des Liedes „Laßt mich gehen" bildete den Schluß der Feier. Der Nackeler Militärverein bildete Spalier, als die mit Flieder geschmückten Särge aus der Kirche getragen wurden. Der Nackeler Militärverein begleitete den Leichen zug bis hinter das Dorf. Ein« Schwadron Rathe- nower Zietenhnsarcn ritt dem Zuge von Friesack entgegen. Auf dem Bahnhof Friesack erfolgte sodann die Uebersührung der Leichen mit dem fahrplan mäßigen Zuge abends 7 Uhr 2 Min. nach Gmunden. Der verhängnisvolle Tsrsmeier. Humoreske aus dem Englischen von Ilse Ludwig. (Nachdruck verboten.) Endcrbh drückte rasch seinen Hut auf den Kopf, sprang die Treppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal, und knöpfte im Lausen seinen Ueberrock zu. Es blieben ihm gerade noch fünf Minuten für den Weg zur Bahn, aber der Taxameter, nach dem er den Laufburschen geschickt hatte, mußte jetzt vor der Türe sein. Ein ledernes Notizbuch in seiner Brusttasüst barg das famose Testament, welches er selbst gefunden hatte, und er malte sich Phil Braytons Aufregung aus, wenn dieser davon Kenntnis erhielt. Das Testament bedeutete für Phil runde 20 000 Pfund und war drei Monate vor dem Tode des alten Mannes ausgefertigt. Mit einem Satz nahm Enderby die drei letzten Treppenstufen, wobei er einen hastigen Blick auf die Uhr in der Halle warf. „Nur ein paar Minuten bis sechs", murmelte er. „Ich habe Phil versprockstn, um sechs am Bücherstand zu sein, gleicb nachher geht der Zug. Ach was, ich tu's, und wenn icb den Hals dabei breche." Es kam oft vor, daß Enderby seine Zeit nach Vtertelminuten berechnete, seine anwaltliche Tätig keit hatte ihn daran gewöhnt. Draußen hing dichter Nebel über der Straße, aber am Rand des Trottoirs vermochte er einen Taxameter zu erkennen und stürzte sich atemlos hinein. „London Bridge", brüllte er dem Kutscher zu, „so rasch, wie's der Schutzmann zuläßt." Erleichtert sank er auf die Kissen nieder und begann sich den Schweiß vom Gesicht zu wischen. Dann fühlte er einmal wieder nach dem Notizbuch, ob es wirklich noch da sei. Er >var gewiß kein rachsüchtiger junger Mensch, doch machte es ihm fast ebenso großes Vergnügen, die Harriotts um die zwanzigtausend Pfnnd Erbschaft zu bringen, als wie Brayton etwas Gutes zu tun. Sie waren unfeine, habsüchtige Mensckstn, die dem alten Herrn schon zu dessen Leibzeiten daS Geld abgenommen hatten, während Phil Edelmetall war durch und durch. Enderbv lehnte sich gemütlich zurück und zog sein Zigarettenetui heraus, als aus der dunNen Ecke ihm gegenüber eine sanfte Stimme erklang: „Glaubst du wirklich, daß wir noch zurecht kommen?* Er fuhr erschreckt zusammen und sagte verwirrt: „Ich bitte um Verzeihung. Ich wußte nickst, daß noch jemand hier ist." „Mach keine Dummheiten", sagte sie, „ich bin's, Dolly!" Sein Kops schwindelte, dann glaubte er, einen schwackstn feinen Wohlgeruch wahrzunehmen. In der Ecke scksten eine mädchenhafte Gestalt zu sitzen. Die Situation war ihm äußerst ungemütlich. „Sie müssen entschuldigen", erwiderte er höflich, „aber ick kenne keine Dolly." Er entzündete ein Streichholz und erblickte bei dem kurzen Aufflammen ein so hübscksts Gesicht, daß es ihm leid tat, als das Flämmckstn erlosch. „Wie kamen Sie hier herein?" fragte sie erregt. „Sie müssen mich gesehen haben", erwiderte er, „ick bin dock geioiß nicht leise eingestiegen." „Das weiß ich, aber ich dachte nicht, daß Sie es seien." „Wer sollte es denn sein?" „Atein Bruder natürlich, auf den ich wartete." „Hm", sagte er, „ick bedauere lebhaft. Ich war so in Eile —" Verlegenes Schweigen. Nun, begann sie etwas unsicher, „und was wollen Sie jetzt tun?" Er zögerte. „Ich habe es verwünscht eilig, aber wenn —" „Ick muß nack dem Bahnhof London Bridge." „Vorzüglich", sagte er enthusiastisch, „wir werden im Augenblick da sein." „Aber — mein Bruder —" „O, der kommt in meinem Taxameter nach", antwortete Enderby rasch. „Walxrfcheinlich fährt er eben sckstm hinter uns. Männer verstehen sich immer zu helfen." „Sie nehmen es sehr kaltblütig." „Dock nicht, aber ich bin daran gewöhnt, daß ich Dummheiten mache. DaS war aber ein gescheiter Streich." „Ick kann nichts Gescheites daran entdecken", bemerkte sie kalt. Der Taxameter hielt vor dem Bahnhof. Enderby sprang heraus und reichte ihr die Hand. Es herrschte ein lebhaftes Gedränge. Von Brayton keine Spur. Tie junge Dame sah erregt um sich. „Er ist nicht gekommen," sagte sie. „Und der Zug geht in vier Minuten. Ich muß fort." „Es ist guch mein Zug", sagte Enderby. -.Wirklich", sagte sie argwöhnisch. Er konnte kaum die Augen von ihrem Gesicht lasser:, so reizend erschien sie ihn:. „Verwünschte Verabredung", dachte er. „Es ist Braytons Schuld. Ick sehe ihn später." „Ich wollte mit diesem Zug fahren, aber ich will doch lieber warnten!" „Vor einer halben Stunde ist aber keiner fällig", bemerkte er ernsten Tones. „Unangenehm, aber nicht zu ändern." „Dann werde ich auch ivartcn", sagte er hart näckig. „Ich trage die Schuld und kann Sic nickst hier allein lassen." „Danke, bemühen Sie sich nicht", erwiderte sie steif, „ick kann für mick selbst sorgen." „Einsteigen", schrie der Schaffner. Enderby blickte ihr gerade in die Augen. „Kommen Sie", sagte er rasch, „ivir haben nock gerade eine halbe Minute." Er riß die Tür zum nächsten Abteil auf. Sie zögerte und war verloren. Der Schaffner hob sie hinein. Ehe sie recht wußte, wie ihr geschah, setzte sich der Zug in Bewegung, und Enderby saß ihr gegen über. „Ick glaube, es war sehr klug von Ihnen, nicht länger zu warten", sagte er liebenswürdig, „das Gedränge war so groß auf dem Bahnhof." „Warten!" cnoidertc sie entrüstet. „Sic zwangen mich ja zum Einsteigen." „Ja, das soll wohl sein. ES ist so unangenehm, die Wahl zu haben. Ich weiß ja, daß ich immer Dummheiten mache." „O, es ist ja kein so beklagenswertes Mißgeschick." „Bon meinem Standpunkt aus gewiß nicht", sagte er warm. „Ich meinte es nicht persönlich." Das Lächeln um ihre Lippen bezauberte ihn völlig. Wer mochte sie sein? Aus ihrer Tasche sah ein abgestempeltes Briefkouvcrt mit dem Namen Harriot darauf, dock das verriet ihm nichts. Es war schwerlich ihr Name. Der Zug pfiff. Zögernd griff er nach seinem Stock. „Ich glaube, es ist besser, wenn ich Sie nach Hause bringe", begann er. Sie lachte. „Glauben Sie, daß ich weggetragen werde?" „Das nicht gerade, aber —" „Nein, ich danke", sagte sic rasch, „ich habe nicht weit nack Hause." Er hielt den Blick fest auf sic gerichtet, und sie errötete. Der Zug fuhr langsamer. Rasch warf er seinen Ueberrock an, den er während der Fahrt aus die Bant geworfen hatte, und öffnete die Türe. „Ick muß Sie Wiedersehen, um — Ihnen zu danken", stammelte er unbeholfen. Dann war der Zua fort, und ihm blieb nichts als die Erinnerung an den letzten Blick, den sie ihm geschenkt. Dann ging er heim und nahm nachdenklich seine einsame Mahlzeit ein. Plötzlich fiel ihm Brayton ein Jetzt mußte er nock nach Netford hinüberfahren und ihm das Testa ment zeigen. Er holte seinen lieber,zieher und fühlte iir der Tasche nach seinem Notizbuch. Totenblässe be deckte sein Gesicht. Wo mochte es sein? Der Ueberrock hatte auf dem Sitz neben ihr gelegen, sein Gesicht war öfter der anderen Seite zugcwandt gewesen. Tie einzigen Personen, die an der Vernichtung des Testaments ein Interesse hatten, waren der alte Intrigant Harriolt mit feiner Fa milie. Enderby hatte aus der Tasche seiner Gefährtin einen Brief mit der Adresse Harriott hcrvorlugen sehen. Tas Blut stieg ihm in die Wangen. Nein, kein Zweifeln an ihr! „Ich muß zu Brayton", sagte er endlich lau^ „Ich kann die Sackst nicht der Polizei übergeben/ Brayton wohnte drei Stationen weiter. Er war noch nie in seinem Haus gewesen. Ein Dienst mädchen führte ihn in daS Zimmer des Hausherrn. „Phil, ich weiß nickst, Ivie mich entschuldigen —" „Ach, das tut ja nichts, alter Junge", unter brach ihn Brayton „Es war ja eigentlich meine Schuld. Ich kam gerade nach deinem Weggang aus dein Bureau. Uebrigcns, kennst du bereits meine Schwester?" Sie schritt aus ihn zu, und ihr Lächeln machte ihn schwindlig. „Gewiß", sagte sie. „Er war cs ja, der unseren Taxameter befehligte, und wir fuhren zusammen im Zuge. Was mir einfällt, Herr Enderby, Sie ließen Ihr Notizbuch aus dem Sitze liegen, ick habe es hier." Was Enderby in den nächsten drei Minuten sprach, war etwas verwirrt und dunkel. Doch Bray- ton, mit dem Testament in der Hand, hatte keine AM darauf, und Tolly kämpfte selbst mit ihrer Ver wirrung Jedenfalls verstand sie um so besser, was cr ihr drei Monate später zu sagen hatte.
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