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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 08.06.1932
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1932-06-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19320608013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1932060801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1932060801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1932
- Monat1932-06
- Tag1932-06-08
- Monat1932-06
- Jahr1932
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 08.06.1932
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Oertliches und Sächsisches Liert»yNe aus »em Meißen Hirsch Man wandert aus den gepflegten Wegen de» Waldparkes dahin und lägt sich in Lonne, Wärme und Luft gut sein, Viel- leichl könnte mau sich vorstelleu, Helle, griine Wiesenflächen, ja sogar eine Nuslockerung des Baum- und LtrauchbcstandeS inS mehr Parkmäßige, mühten dem Nervösen oder seelisch Bedruckten »och willkommener sein. Aber wo bliebe da der laubige Waldbvden als EichhürnchenparadieSl Bor einem Jahre sah man hier eine Tasel mit der Inschrift: „Erschrecken Lie nicht, wenn ein Eichhörnchen an Ihnen herausläust oder sich ein Bögelchen auf Ihre Lchultcr seht. Tie Tierchen möchten mit Ihnen spielen." Die Kurverwaltung des Weihen -Irsch hatte recht, lleberall rascheln die Eichkätzchen im Laub, sagen sich verliebt fauchend baumanf und baninab und nehmen dem Menschen, der sie heranlock», eine Erdnnb oder eine Krume Brot aus der Hand. Bor wenigen Tagen hat eine Dame, die die zu traulichen Kerlchen nicht kannte, laut um Hilfe geschrien, als ihr in früher Morgenstunde zwei solcher hungrigen, busch schwänzigen Frechdachse unversehens bis auf die Schultern geklettert waren. Anscheinend haben aber fetzt in der schweren Zeit die fuchs- und braunschwarzen Gesellen auch an daS Spare» denken gelernt. Bcrspitren sie weniger Appetit, verstecken sie ihre Leckerbissen nnter dürrem Laub, graben sie dann wieder ans und verzehren sie. Noch ein nettes Bild! Meise», die so zutraulich geworden sind, dah sie einem Menschen aus den Arm fliegen und ein paar Brosamen auS dem Handteller picken, Drvsselniütter, die nahe am Wege mit grohcn, besorgten Augen im Nest brüten und ärgerliche Blicke auf allzu vorwitzige Eichkater werfen, von denen sie nicht mit Unrecht besorgen, sie konnten Gelüste nach den Eiern ver spüren. Selbst der Eichelhäher, sonst einer der scheuesten Vögel, zeigt seine bunte, schöne Federpracht ganz nahe und ganz ohne Schimpfen streicht er nur wenige Meter vor den nahenden Schritten auf und blockt auf den niedrigen Zweigen einer Birke . . . Wie friedlich ist daS alles! Muh daS nicht auch auf die Menschen abfärben?! 11.1,. Ein Nahe RS. Hilfe -er Ortsgruppe Dresden Die Nationalsozialistische Hilfe, die als eine Abteilung der Ortsgruppe Dresden gebildet wurde, ist aus kleinsten Anfängen entstanden. Sie wurde am 1. Februar des Jahres 1981 gegründet. Zunächst waren 35 Partei genossen als Mitarbeiter in ihrem Dienste tätig. Heute arbeiten 12 Parteigenossen in ihrer Verwaltung, 10 in der Küche, 05 sind in den Sektionen tätig — anher einer er heblichen Zahl von Helfern und Helferinnen Insgesamt setzen etwa SO Parteigenossen ihre volle Kraft ehren amtlich für die Wirksamkeit der NS.-Hilse ein. Am sicht barsten wirkt sich die Verpflegung der bedürf tigen Parteigenossen anS. In der RSH.-Küche in der Grunaer Strafte wurden am ersten Tage 35 Mittags portionen verabreicht, die sich innerhalb von fünf Tagen aus SO Portionen erhöhten. In letzter Zeit werden regelmäblg täglich gegen 300 Essenportionen ausgegeben. So wurden allein in der Zeit vom 10. März bis 10. April 1932 10 500 MittagSportionen. 13 600 Doppelstullen und 1350 Liter Kakao verausgabt. Im ganzen sind bisher etwa 65 000 MittagSportionen auSgegeben worden. Für die reichliche und nahrhafte Mittagsportion — in der Mehrzahl der Tage mit Fleisch — hat der erwerbslose Parteigenosse als kleinen Beitrag zu den groben Unkosten 10 Pfennig zu zahlen. Aus besonderen Antrag können auch diese erlassen werden. Gelegentlich werden auch Lebensmittel zu wesent lich verbilligten Preisen abgegeben. Nicht ausgesührt in obigen Zahlen find die Leistungen der bei jeder Sektion für die NS.-Hilse arbeitenden F r a u e n s ch a s t e n , die Not leidende in ihrem Bereich mit Mittagsportionen und Frei tischen sowie bei besonderen Gelegenheiten mit Stullen und Kakao, teilweise in erheblichem Umfange, versorgen. Auch die Kinder erhalten bet ihnen manche gemeinsame An regungen, werden in Kindergärten zu Handarbeiten an geleitet und werden gelegentlich beschenkt. Für die Er gänzung der Z i v i l b e k l e i d » n g der bedürftigen Kame raden sorgt die NS.-HiUe ebenfalls seit Beginn ihres Be stehens. lieber den ganzen Betrieb wird nach kaufmännischen Grundsätzen bis ins einzelne Buch geführt, sowohl für Ein gänge wie für Ausgaben. DK Wirtschaftslage der deutschen Müllerei Im „Hamburger Hof" zu Meißen tagte am 8. und 7. Juni der Deutsch« Müllekbund. Nach einem starkbesuchten Begrüß ungabend am Montag be gannen am Dienstag die BundrSsitzunaen, deren Höhepunkt die öffentliche Kundgebung am Nachmittage war, zu der sich zahlreiche Müller au» dem ganzen Reiche eingesunden hatten. Der Vorsitzende des Bundes, K. Lüttgerding, eröffnete die Versamm lung und begrübt« die Ehrengäste, unter denen sich Ver treter der Ministerien, der Gewerbe-, Industrie- und Han delskammern, des Deutschen VandwirtschastSrate» und der Sächsischen Landwirtschaftskammer, verschiedener Landtags fraktionen, der Deutschen Müllerverbände und vieler gleich gerichteter Organisationen befanden. Er charakterisierte dann die Bedeutung der wichtigen Tagung an althistorischer Stätte und schloß mit einem Hoch auf das deutsche Vaterland. Im Anschluß hielt Direktor Albert Wohlfarth, Leipzig, eine Rede über -le Wünsche und Wirtschaftslage ber deutschen Müllerei. Die Allgemeinheit höre wenig von der deutschen Müllerei. DaS sei um so verwunderlicher, als das Müllergcwerbe jähr- lich Erzeugnisse im Werte von mehr al» drei Milliar den Mark hervorbrlnge, also etwa soviel wie die chemische Industrie. Die Müllerei habe die Verantwortung für die Sicherstellung der Versorgung dcS Volkes mit Brot und Mehl. Mehr als 25 000 deutsche Mühlen leisteten diese ver- borgcne Arbeit für die Allgemeinheit. ES sei ein verhängnis voller Irrtum, zu glauben, baß die Kletnmühlen nicht mehr exlstenzsähig seien, sie seien im Gegenteil für die Land wirtschaft im Binnenlande lebensnotwendig. Zwischen Landwirtschaft und Binncnmüllerei herrsche engste Schicksals- Verbundenheit. Unter diesem Gesichtswinkel fordere die BtnnenmUNerei Schutz beS einheimischen Ge treidebaues, vernünftige Zollpolitik, auskömmliche Ber- dienstspanuen, Beseitigung der Bevorzugung einzelner privater und genossenschaftlicher Betriebe, Kamps gegen jeden Kollektivismus. Die Rebe wurde mit lebhaftem Beifall aus genommen. Im Namen des WirtschaftSministeriumS sowie sämtlicher Ehrengäste sprach OberregierungSrat Dr. «.Buch der Tagung beste Wünsche für guten Erfolg aus. Dann hielt Studiendirektor Dr. Eckardt von der Deutschen Müller schule in Dippoldiswalde einen fachtechnischen Vortrag Uber da» Thema -Güte ber Mehle, ihre Be wertung und Beeinflussung". An die Referate schloß sich eine umfassende Aussprache, deren Ergebnis eine einstimmig angenommene Enlschllrtuns war, in der «» u.a. heißt: Di« deutschen Kleinmüller sind gewillt, bei der Besciti- guna der außerordentlichen WtrischastSnot nach ihren Kräften mttzuwirken. sie verlangen jedoch di« Aufhebung aller planwirtschastltcken Maßnahmen, durch die das Arbeitsgebiet ber Klrinmühleu künstlich eingeengt wird. Die Hauptversammlung des Deutschen MüllerbunbeS richtet daher an die gesetzgebenden Körperschaften de» Reichs die dringende Bitte, die längst sällige Vereinfachung der össent- ltchen Verwaltung und «ine wesentliche Vereinfachung des ganzen Steuersystems sowie die Senkung ber Steuer- und Soziallasten aus «in wirtschaftlich erträgliches Mab durch- »»führen. Die deutschen Kleinmüller treten für «inen ge- »lügenden Schutz der landwirtschaftlichen VereblungSwirt- schakt ein, ebenso für Beibehaltung des VermahluugS- zwangeS für Jnlandöweizen. Der Ersatz des fehlenden WeizenanteilS durch AuSlandSwetzen sollt« jeder deutschen Mühl« freiaestellt werden. Einfuhr und Vertrieb des fehlenden AuSlandSwetzenS sind dem freien Handel zu überlassen. Dennoch notwendige planwirtschastliche Mab- nahmen zur Bewirtschaftung des Brotgetreides sind so zu gestalten, baß den kleinen Handelsmühlen die Anschaffung von fehlendem Brotgetreide zu denselben Preisen möglich wird wie de»r Großbetrieben. Die Ausfuhr von deutschem Brotgetreide sollte nicht erlaubt werden, sie steht im Widerspruch rnit ber Forderung der Landwirtschaft aus Etgenbeckung. Dafür ist daS Ein lagern von Brotgetreide in einwandfreien Lagerräumen gegen Erteilung von Orderlagcrscheinen zu erweitern. An die deutschen Landwirte wirb die Bitte gerichtet, ihre Selbst- schroteret einzustellen, weil sie den Landwirten in Wirklich- kett keinen Nutzen bringt. DaS Schroten von Futtergetrcide und das Mahlen von Brotgetreide sollte den ortsansässigen Mühlen überlassen bleiben. An das deutsche Bäckcrgcivcrbe ergeht ebenfalls wiederholt die dringende Mahnung, mehr l als bisher ihren Mehlbedars von den kleinen und mittleren > Mühlen zu beziehen. — Todesfall. Am Montag verstarb im 62. Lebensjahre der Fabrikdirektor Georg H i l d, Vorstandsmitglied der ElcmenS Müller AG., deren technischer Leiter er 27 Jahre lang in vorbildlicher Pflichttreue gewesen ist. — Verordnung über den Ausschank von Spirituose«. Der NeichSkoininissar für Preisüberwachung Dr. Goerde- lcr hat angeordnet, daß in Gaststätten der AuSfchank- preiS von Spirituosen nnter Angabe der Gemäß- gröften durch besonderen Anschlag oder auf der Speisekarte oder auf der Getränkekarte deutlich kenntlich zu machen ist. Als Gemäftgröße soll die aus einem Liter aus geschenkte Gläserzahl angegeben werden. Wenn beispiels weise auS einem Liter 40 Gläser auSgeschenkt werden, so ist die Gemäftgröße als 1/40 zu bezeichnen. BtS zum 1. Oktober ist neben dem jetzigen Ausschankpreis der am 24. April 1932 geforderte Ausschaukpreis auf dem Preisverzeichnis anzu geben. Die Verordnung verfolgt den Zweck, die kürzlich eingctretene, lehr beträchtliche steuerliche Erleichterung dem Verbraucher zugute kommen zu lallen. Der Verbraucher hat künftig die Möglichkeit, die Preiswertigkeit des Angebot- von Spirituellen im Ausschank zu prüfen, was bisher des halb nicht möglich mar, weil im Gegensatz zu Bier und Wein beim Ausschank von Spirituosen die Verwendung ge eichter Gläser nicht vorgelchricben war. — DaS rriSbetae MeschäktSInbllSum begeht beute die Hiruia M e b r. L t n b n r r. Inh. Julius Ruth, EtuiSsabrik. Neumarkt S. tm Taille des Postamtes S. — Plastmusik im Westendpaek am Donnerstag von 17 bis 18 Uhr, ausgesührt vom Musikkoro» de» 8. vatl». Jnk.-Regt». 10, Leitung: Musikmetsternnwärter Förster. Solinger Schützenmarsch: Ouvertüre zur Oper „Nebukadnezar* iverdit; Fackeltanz lMeyer- heer>: Sim schönen Rstetn gedenk ich dein, Walzer IKsla-Bslat; HecreSinarsch Nr. II 20ü lTrenklcr): Parademarsch des ehcm. Jnf.- NegimentS 107. — Luftige Somuaftik «t Haus». Für beut« 10 Uhr ladet die Ausstellung „Familie und Haus" in den großen Saal de» Deutschen Hygiene-Museum» zu einer Kaffe ft und« «In. Hier- bei werben Vorführungen über „Luftige Dymnasttk zu Hause" erfreuen. Wie «S gemacht wird, damit jede» einzeln« Familienmitglied, Mann, Krau und Kinder, die richtigen Hebungen für jede Tageszeit kennen lernt, Hebungen, wie sie gut tun, zum AuSfpannen und Entspannen auch mitten in de» Tage» Arbeitslast — da» wird hier von berufener Seit« gezeigt. Die Nymnaftik, die vorgessihrt wird. Ist harmonisch eingeorbnet in den Rhythmus de» Alltage». — Mutiger LebeuSretter. Am DienStagnachmtttag gegen d llbr stürzt« am Terrallenuser ein Kind beim Spielen In die hochgehende Slb«. Ein in der Nähe befindlicher vleischergelell« sprang nach und holte da» Kind unter eigener LebenSgesahr au» dem Waller. Es wurde tu dt« «üerltch« Wohnung gebracht. Vo-en- und Dachstuhlbrand Die Feuerwehr wurde DlenStag nacht gegen 11 Uhr nach Fröbelstraße 112, in der Räche der Lübecker Strafte, alarmiert. Hier war auf dem Boden befindliches Polster material auf unbekannte Weise in Brand geraten, wodurch der Dachstuhl Feuer gefangen hatte. Die Feuerwehr be kämpfte in mehrstündiger Arbeit mit drei Rohren den Brand. Eine Hochzeitsgesellschaft, die in einem Zimmer unter dem Brandherd versammelt war, mußte flüchten. ß I« LöwenbrS«, Morttzstrake, findet heute Mittwoch ci» große» Reh-Eslen zu kleinen Preisen statt. luck «ta» SparialNau« tttr »««ran-, vanian- uns kultoritofta Loksskolatravs 21 :: Isl. 13725 raktcr des Werkes von David d'Angers in Weimar sogleich empfunden zu haben, denn Meyer erzählt schon, daß die „aus gewöhnliche deutsche Weise Gebildeten" sich schwerlich ganz mit dem Werk befreunden könnten: Leuten mit französischer GeschmackSbildung dagegen scheine eS ein unübertreffliches Meisterstück. — In der Tat darf die Gocthebttste Davids als ein repräsentatives Werk fran zösischer Bildhauerei angesehen werden. Es ist gewiß nicht zufällig, daß Jouin seine Biographie unter dem Gesichts punkt „David als Schöpfer einer nationalen Kunst" ab- gesaßt hat. DaS Französische in Davids Goethe scheint mir in der formalen Typisierung zu liegen. In diesem Punkte reagiert ber deutsche Geschmack unfehlbar, und viel leicht ist hieraus der Mißerfolg dcS Davidschen Werkes in Deutschland zurückzuführen. Lieber noch im Empirischen stcckenblciben, wenn es nur individuell ist, als eine Steigerung ins Typisch-Formale: das scheint ein deutscher Grundsatz. Bei uns wird ein häuslicher Goethe in Schlafrock und Pantosfcln immer noch lieber gesehen, als ein ins Typische erhobener Halbgott: es heißt: wenn nur etwas von dem einmaligen, wirklichen Goethe darin ist. David hat den Faustdtchtcr in den idealen Aethcr der Unbedingtheit gerückt, die Folge ist, daß das erste Urteil lautet: das ist nicht Goethe. ES ist in ber Tat nicht Goethe, es ist die Apotheose des F a u st d i ch t c r S. Diese Stirn ist eine glanzvolle Passage über die Unsterblichkeit des dichterischen Genius. Die Steigerung ist da — aber sie ist erreicht aus Kosten der Individualität. Sie ist hcrvor- gebracbt durch eine Anwendung formaler Mittel, nicht durch eine Versenkung in den Goethischen WescnSkern. Davids Werk fällt innerlich in zwei Hälften ausein ander: der eine Teil ist formal, linear, von grandiosem, leidenschaftlichem Schwung — aber unindividncll, denn dieselben Mittel lLinienstrasfung, Stirn, Haar» könnten auch zur 'Verklärung eines anderen großen Mannes verwendet werden Ter andere Teil ist eine plastische Analyse dcS Goethischen Gesichts, wundervoll in allen Einzelheiten, aber was kehlt, ist die Totalität — er selbst. ES fehlt die Mitte, die Seele, der Mensch. Wir willen, daß dem „Olympier" auch ein behaglicher, hanSväterlicher Zug eigen war. Dieser Zug fehlt dem Halb gott Davids gänzlich. Mit einem Wortspiel könnte man sagen: David hat einen Jupiter ohne Jovialität dargestellt. Er hat bei seinem Besuch in Goethes winzigem Arbeits zimmer die Vorstellung von dem ZeuS des PhidiaS gehabt, der. sich ankricsttend, mit dem Kopie das Tempcldach durch stoßen hätte. Diesen Zeus hat er aus seine Weise geformt, und wir sind ihm dafür dankbar. DaS Bild Goethes hat er unS nicht gegeben. Der von David bargestellte geistige Typus steht etwa in der Mitte zwischen dem Dichter und dem Denker. Wir finden darin eine Verbindung von Leidenschaft und Be sonnenheit, Bewegung und Ruhe: die Locken fliegen wie Flammen sausend empor, in diese Bewegung hinein aber bau» sich der Turin der Nate und das ganze ernste. aestraMe Gesicht Für einen Seher liegt darin zu viel Aktivität, für einen Menschen der Tat zu wenig. Vielleicht ist eS dieses „zu viel" und „zu wenig", das sür uns den Charakter des Rhetorische n" ausmacht. Wir empfinden Davids Werk als ein Dokument meister hafter Rhetorik, ähnlich wie wir die klastische französische Tragödie als meisterhafte Rhetorik empfinden. ES ist nicht die Idealisierung im Sinne der Steigern««, die uns be fremdet, sondern lediglich eine bestimmte Art der Ideali sierung. Ter deutsche Bildhauer Martin Gottlob Klau er hat Goethe als vierzigjährigen Mann idealisierend bar gestellt: man könnte im Sinne der Verschärfung sagen: sogar antiktsch idealisierend. Aber er hat daS Individuum selbst iu der bedeutenden Maske zu wahren gewußt. Kunst und Wissenschaft Berliner Theater Ernö Szep: „Die goldene Uhr" jBolkSbühnej — Franz Eammerlohr: „Der Tiesstapler" (Theater in ber Behrenstraßej Weil Molnär seinen „Liliom" eine Legende nannte, glaubte auch sein Landsmann Ernö Szep, „Die goldene Uhr", die die Berliner Volksbühne in Deutsch land etnführte, so benennen zu sollen. Aber kein Heiligen schein wird hier gewoben, kein frommes Symbol, kein tief- menschlicher Sinn wird hier enthüllt. ES geht ein wenig naiv zu und ein wenig thcatermäßig, die rechte Mischung Marke Volksstück. Und cs fängt sogar recht verheißungs voll an, dieses Volksstlick, es hat ein paar Szenen, die den Anschein der Echtheit haben, und eS enttäuscht zum Schluß, weil das gestalterische Können nicht mehr ausreicht und die Figuren zum Wesenlosen verblassen. Einem arbeitslos geworbenen Handwerksmeister wirb seine goldene Uhr gestohlen, aus dem Stellennachweis, von einem jungen Tuntchlgut, der, gelernter Uhrmacher, hier auch umsonst auf Stellung herumlungert und Ver sie verkauft an einen Fremden aus der Straße, dann hinläuft zum Renn platz, wo er mit dem Erlös weiteres Gelb fick erspielt, und schließlich zum Kleibergeschäst, wo er sich auf sein einkleidet. Anfang einer hoffnungsvollen Karriere also. Man steht den Aufstieg förmlich vor sich. Und nun verliebt sich auch noch ein hübsches junges Mädel in den hübschen jungen Burschen — aber dieses Mädel ist di« Tochter jene» braven Hand werkers, dem die Uhr, die goldene, gestohlen worben ist, die Uhr, an der sein ganzes Her» hing, denn sie stammte ans seines Vaters Hand, und sie war die letzte, unverbrüchliche, schöne Erinnerung an eine bessere Vergangenheit, wo eS noch Arbeit und Lohn nab. Und Klari. die Tochter, errät den Zusammenhang und packt den jungen Burschen, dem sie ihr Herz schenken möchte, beim Gewissen. Der sorgt, auf sein« Weife, für Ersatz: klaut einem reichen Manne die Uhr an der Tasche und bringt die neue goidcne dem Alten — zum Beweis seiner Reue. Der will nichts mit unrechtem Gut zu tun haben, bringt die Uhr zur Polizei und, da die den Handel spitz kriegt, den Galan seiner Tochter ins Gefängnis Klart hält auch hier zu ihm. voller Liebe, voller Vertrauen. NI» ste etnsteht, baß das ein hoffnungsloser Fall ist, baß Ihr Karl, ber im Gefängnis von Kollegen völlig in die hohe Kunst der Langsingeret eingesührt worden ist, hier seinen einzigen, ihm zusagenden Broterwerb gefunden hat. So betritt ste zögernd und sich hundertfach wehrend, die ab- schlissige Bahn, die zum Laster führt, damit ste sür den lungenkranken Vater die Spitalkosten bezahlen kann. Mit dieser moralischen Rechtfertigung im Herzen sehen wir sie im Sspars wieder, zu dem ein windiger Bursche den ent- sprechenden Gast schon zusammengekuppelt hat —, ein ungarischer Pferdehändler, der sich hier zu amüsieren ge denk und dabei seine Uhr zieht: es ist die damals gestohlene goldene Uhr. Sie wird Klaris erster Verdienst und wandert nun wieder zurück, woher sie kam — zum Vater ins Spital. Sie tickt wieder in seinen Händen, aber sein eigenes Herz vergißt darüber, weiter zu schlagen . . . Aber unser eigenes Herz schlägt auch nicht mehr mit. Schon die Rekonstruktion dcS Inhaltes ergibt den Mangel an innerer Dichtigkeit, an gedichteter Innerlichkeit. Auch der Titel Legende kann nichts beschönigen. Eine Reportage, gut erfaßt mit ein paar kräftigen Personenzetchnungcn, stark zu- weilen tm Milieuhasten einiger Szenen, aber doch ganz von äußerlichen Instinkten lebend. Auch die sentimentalen Hintergründe können nichts helfe». Aber Luise Ullrich spielt, in ber etwas gedehnten Inszenierung durch Arthur Maria Mabenalt, das kindliche Mädchen, echt im wienerischen Tonfall, echt aber auch in ihrer ungeschminkten GeftthlSunmittelbarkett. Dieses Naturtalent ist eine der größten Wohltaten dieses Bühnenjahreö. Grausam zu denken, daß auch hier Routine bald allen Schmelz zu nehmen droht. DaS Publikum der Volksbühne nahm das Stück mit Wohlgefallen auf. Nur am Schluß merkte man auch hier den literarischen Farbanstrich beS VolkSstückeS. Zufrieden war auch das Publikum im Theater in der Behrenstraße. Nicht minder zufrieden bars auch sein Direktor Ralph Arthur Roberts sein, der als einsame Säule sich inmitten aller Theaterpleitcn standhost behauptet, in einem Hause obendrein, das zur Konkursmasse des seligen Ivan Kreuger gehört. Roberts versteht sich auf die PubltkumSszene und geht mit ihr und nicht gegen sie, das ist bas einzige Geheimnis seines Erfolges. Diesmal spielt er ein Stück von Franz Cammerlohr, eine KrtmtnalgroteSke „Der Tiesstapler", und wenn er auch nicht selber ber Autor ist, so ist er doch sein eigener Regisseur und sein einziger Hauptdarsteller und somit in seinem besten Element. Mit einer immer noblen, leise ironischen Darstellungskunst, die die Dünnheit des Schwankdialog» immer noch erträglich macht. Er ist der Tiesstapler im Gegensatz zu dem Konsortium von Hochstaplern verschieden artigster Tricks. Kulturen und Nationen, da» sich in seiner Wohnung mit nicht gerade säuberlichen Absichten einnistet und dem der heimkeyrende Herr Gras sein säuberlich da» Handwerk legt, indem er sich den Gaunern als ihresgleichen präsentiert, weil ihm «in weibliches Mitglied der DiebS- besatzung mehr al- gewöhnlich reizt und fesselt. Unnötig zu sagen, baß sich die Handlung schließlich in Liebe auf löst und die ans der Bühne wie die im Parkett gleichermaßen auf ihre Rechnung kommen. Ein kleiner Spaß für diese kühle» Abende! O. 8cß. f Dresdner Thratersvielplan für heute: Opern- hau»: „Madame Butterfly" (7M: Schauspielhaus: „Die Karriere" (8)- Die Komöbjer „Für eine schön»
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