Delete Search...
Dresdner neueste Nachrichten : 18.12.1937
- Erscheinungsdatum
- 1937-12-18
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id490223001-193712180
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id490223001-19371218
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-490223001-19371218
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner neueste Nachrichten
- Jahr1937
- Monat1937-12
- Tag1937-12-18
- Monat1937-12
- Jahr1937
- Titel
- Dresdner neueste Nachrichten : 18.12.1937
- Autor
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
D«ze«Ler 1SZ7 NR «nnnne MM.».« ' a«k, «i,»I>I I» N«n!,,,„t1»« » »I«, >l«»«1I»^ ' >I»I,r«is»>« 1 «Ivk bei Ideen -1 61« >nr«lg»n ön«r Heueiten DresilM Reuestc Nachnchtm «-'"«E-pr-t,-- Lr;sr LS -MW mit Handels- UN- Induftrie-Äettuna HaIbm°natl.1,00RM.Poffberugm«naN.2EM.«jnschI.4ZRpf.p°stg«bc!hs-a d ^,^»tztztztztz)D (hier,u »«Rpf.Zuftellung-geb.) Kreuzbandsrnd.: Jür dl, Woche I^X) AM. Einzelnummer ondau»»ar«< 20Rpf. Schrlftlettuns.VerlagvadSavplgeschWftelle: Nres-en-A^ Zerdinandflraße4 Anzeigenpreise: Grundpreis: bl, IspMge wm-Zelle lm An« ' . » zelgentell 1« Rpf., Stellengesuche und privat, Jomillenön,eigen » Rpf„ dl« 70 mm breite ww-Zell» lm T e g t t e l l 1,10 IM. Nachlaß nach Malstaffel I oder Mengenstaffrl v. Lriefgebühr für Ziffer« anz«lgen so Rpf. au-schl. Porto. Zur Zelt Ist Anzelgenprelsllff« Nr. 7 gültig. poflanschrlst:Dresden-«.),Postfach -Zernrvf:OttSverlehrSammelnommer24S01,Zernverkehr 27SS1-279S3 « relegr.:Aeueste Dresden * Verllner Schriftleitvng: Verlin D. 35, VMorlastr.)»: Fernruf: 2iS36i-2iS36ü Postscheck: vre-den 2000 - Nlchtverlangt, Einsendungen ohne Rückporto werdrn weder »uröckgesandt noch aufbevahrt. - Im -all, hdtzerer Gewalt ob« VelrlebSstSrung haben unsre Lejieher keinen Anspruch aus Nachlieferung oder Erstattung de« entsprechenden Entgell- 7!r. 296 * Sonnabenb/Sonntag, 1S./1S. Dezember 1937 4S. Jahrgang Volksweihnacht am 23. Dezember Frohe Giun-en für Millionen deutscher Kinder — Oie Ansprache des Führers an die Reichsautobahnarbeiier Ansprache von Dr. Goebbels Rundfunkübertragung auf alle deutschen Sender X Berlin, 18. Dezember Eine der schönsten Traditionen im Dritten Reich ist die gemeinsame steter einer BolkSwethnacht aller Deutschen. Seit Jahren bereitet die NSDAP, in eng ster Zusammenarbeit mit dem WinterhilsSwerk allen denen einen Gabentisch, die mit irdischen Güter« nicht gerade reich gesegnet sind, gemäß dem Wunsch des Führers, dass auch die Aermsten unter «nS an einem wahren Weihnachtssest teilhabcn. Im ganze» Reich werden am kommenden Donners tag von den Ortsgruppen GemetnschaftSweihnachts« seicrn durchgesührt, bei denen Millionen Sinder und ihre Eltern Gäste der Partei «nd des WHW. sind. Im Mittelpunkt all dieser Veranstaltungen steht die Volks» Weihnachtsfeier im Saalbau Friedrichshain, bet der Sielchsminister Dr. Goebbels über alle deutschen Sen der an die deutschen Sinder eine kurze Weihnachts ansprache halten wird. Seit Wochen sind umfangreiche Vorbereitungen für die Volksweihnacht im Gange. In der ReichShaupt- stadl werden bis zum Donnerstag nicht weniger al» rsoOOO Weihnachtshäume und 8r7v00 Geschenkpakete - letztere je nach der Kopfzahl der Familie in fünf verschiedenen Gröben — an die vom WHW. Betreuten verteilt werben. Allein in Berlin werden von Len Ortsgruppen 500 GemeinschaftSfetern durch geführt, bet denen 105000 Kinder mit ihren Eltern ein fröhliches Fest feiern sollen. Zu der Volks Weihnachtsfeier im Saalbau Friedrichshain, die um 18 Uhr beginnt, sind 1000 Kinder aus den ärmeren Wohnbezirken Berlins mit ihren Eltern geladen. Während die Gäste mit Schokolade und Kuchen bewirtet werden, spielt der Musikzug der SA.-Wachstandarte Feldherrnhalle volks tümliche Weihnachtslieder. Nach dem Eintreffen Les Ganleilers, Reichsministers Dr. Goebbels, wird als gemeinsames Lied „O Tannenbaum* gesungen. So dann hält Dr. Goebbels die Weihnachtsansprache a« die deutsche« Si«der. Mit der Bescherung, bei der Dr. Goebbels die für jedes Kind bestimmte Gabe persönlich überreichen wird, schriebt diese eindrucksvolle Feier. Ein Ausschnitt aus der BolksweihnachtSfeier im Saalbau Friedrichshain, vor allem die Ansprache des RetchsministerS Dr. Goebbels wird von 10 bis 19.25 Uhr aufalle deut schen Tender und auf alle in der Rrichshauptstabt und im ganzen Reich stattftndenden Parallelfeiern übertragen. Angriff auf Güdchina? England rechnet mit japanischem Vorgehen auf Kanton Telegramm unsre» Korrespondenten 8t. London, 18. Dezember Die Entwicklung in China wird in England mit steigender Aufmerksamkeit verfolgt. Der Sonflikt wird sich, wie hiesige Zeitungen in besonders grober Auf machung Mitteilen, nunmehr auch auf Südchina auS- dchncn. Man rechnet mit einem japanischen Angriff aus die Provinz Swantnng und ihr« Hauptstadt San to«, die größte Stadt Südchinas. Damit käme Japan in die nächste Nähe der britischen Kronkolonie Hong kong. England hat auch bereits umfassende SicherungS« mastuahmen getrosfen, um eine Verletzung seines Be sitzes zu verhindern. Die Garnison von Hongkong, di« erst kürzlich durch Truppen a«S Indien verstärkt wor den ist, besindet sich in Alarmbereitschaft. Aus dem der Insel gegenüberliegenden Süstrnstreise« der Halb insel Kownoon, die mit zur Sronkolonie Hongkong ge hört, sind längs der Grenze befestigte Beobachtungs posten errichtet. An die Zivilbevölkerung wurden Gas masken ausgegeben. Ein Vertreter Les „Evening Standard* berichtet aus Hongkong, eine starke japanische Kreuzer- und Zerstörerslotte habe Hongkong in der Nacht zum Frei tag in der Richtung der Kwantungküste passiert. Es werde berichtet, das, sechs japanische Kriegsschiffe be reits Truppen in der Pinghai-Bucht gelandet hätten. Tie Hauptstrettkraft der japanischen Flotte bewege sich, wie verlautet, zwischen Hainan und Ttnpei, in der Nähe des PerlslußdeltaS. Hier habe man 17 Schisse gezählt. Wie „Evening Standard" weiter berichtet, haben die Japaner die Insel Jchekkai südwestlich von Hongkong beseht. Ter japanische Botschafter in China, Kawagoe, äußerte japanischen Pressevertretern gegenüber, daß ebenso wie in Peking auchinMittel-undSüd- china wahrscheinlich neue Regierungen eingerichtet würden, die tü ihrem Charakter der in Peking proklamierten „Provisorischen Regierung de» republikanischen China" gleichen würden. Saito noch ohne Instruktionen Sonderkabelbtenst der Dresdner Neuesten Nachrichten ^Washington,». Dezember. sUnlted Prrbs Der japanische «otschaster Saito stattet« Staat», srkretär Hüll eine« Besuch ab, erklärt« jedoch, da» e» ihm nicht «»glich grwessp wäre, bi» jetzt genauer« Instruktionen an» Tokio ,n erhalte», nnb da» er euch nicht in der Lag« sei, anzugebe», «an« «in« Ant wort Tokio» ans die Rote der vereinigir« Staate» eintresse« «strd«. Der amerikanische Botschafter Grew überreichte eint »wette Protestnote zu dem „Panäy*.L«tfch«chi fall, in der auf die angebliche Beschießung der „Panay" mit Maschinengewehren nach dem Bombardement Be zug genommen wird. Gudelendeulsches Gespräch mit Delbos X Prag, 18. Dezember. sDurch Funkspruchj Bei einem am 16. Dezember von Außenminister Dr. Srosta veranstaltete« Empfang wurde«, wie bas tschechoslowakische Pressebüro mitteilt, auch die Bertreter der Sndetendentsche« Partei, Abgeordneter S » ndt «nd Senator Psrogn « r, dem sranzöstschen Außenminister Delbos vorgestellt. In einer allgemeinen Unterredung wurden u. a. auch die Härten des StaatSverteibtgungsgesetzcs er wähnt, die vor allem die Interessen der Grenz- bevülkernng berühren. Minister Delboö be merkte, so wird in der Mitteilung u. a. ausgeführt, während der Unterredung, er sei selbstverständlich weis davon entfernt, sich in die inneren Angelegenheiten der Tschechoslowakei einzumengen. Es sei natürlich, sagte er, daß er als Minister etneck verbündeten und be freundeten Staates wünsche, daß sich die Einheit des tschechoslowakischen Staates immer mehr stärk«. Beide Vertreter der Sudetendeutschen Partei erklärten, baß ihre Partei die Einheit des Staates nicht antasten wolle. Delbos hat heute mittag die Rückreise nach Parts angetreten. Bor seiner Abreise wurden die Vertreter der Presse in der französischen Gesandtschaft empfangen. In seinen Erklärungen verwahrte sich Delbos gegen die Auf- fassung von einer Hegemonie Frankreichs über die Tschechoslowakei. Die gemeinsame ideale Grundlage der beiden Staaten bedeute keineswegs, daß sie nicht etnsähen, daß man auch mit Staaten andrer Regime für die Befriedung Europas zusammenarbeiten müsse. Außenminister Krofta verwahrte sich sodann gegen die Behauptung, die tschechoslowakische Politik habe sich grundlegend geändert. Auch wenn di« Tschechoslowakei einem bilateralen Pakt zustimmen würbe, so wäre dies nur di« Fortsetzung ihrer Politik von Locarno. Auch damals habe di« bilaterale Vereinbarung mit dem Deutschen Reich keinen Gegen- sah zur kollektiven Sicherheit gebildet. UebrigrnS beständen keineswegs Paktverhandlungen mit dem Deutschen Reich. Man pflege nur Bor- besprrchungen über gewiffr konkrete Fragen. lSirhe auch dt« Meldungen ans Seit« U Di« lralisch« Oelleitung in Brand geftecki X' Varl», 18. Dezr» (Dnrch Knnksprnch) Rach einer HanaS-Meldnng an« Hals«, ist dl« lruktsch« Oelleitnng in de, Rächt -zn« Sonnabend unterbrachen »nd t» Brand gesttckt Warden. Von Sonntag zu Sonntag Was im Ausland geschah — Ein Querschnitt durch die Wettpolittl der Woche Da« neue Jerusalem - und sein Sturz Als sich im November 1020 die Bertreter von 11 Staaten in Gens zur ersten Sitzung der neu gegrün deten Liga der Nationen zusammenfanden, ahnte wohl kaum einer unter ihnen etwas davon, daß dieses stolze funkelnagelneue politische Gebäude in so kurzer Zeit in sich zusammenbrechen würde. Nur die wenigsten wußten, baß der Schwamm bereits beim Richtfest in den Manern, saß. Ter Schweizer Guy de Pourtalös gibt in seinem soeben erschienenen Roman „Ter wunderbare Fischzug"* ein einpräg sames Bild der alten Patrizier-, Aristokraten- und Frembenverkehrsstadt Gens, die plötzlich nach langem Schlaf der Schauplatz eines großen Welttheaters wurde. Fast gespenstisch wirkt heute rückwärtSschanend seine Schilderung jenes merkwürdigen Tages vor sieb zehn Jahren. Er schreibt: „Sonntag, de» vierzehnten November, läuteten de» Abend» die Glocken von Sankt Peter dröhnend den ErösfnungsgotteSdienst des Völkerbundes ein, an dem die protestantischen Delegationen tetlnehmen sollten, Ehrend am andern Ende der Stadt, in der lichter funkelnden Kirche Notre-Dame, der neue Bischof von Genf und Nachfolger des heiligen Franz von Sales von seinem Bischossthron aus den Gottesdienst für die Katholiken abhiclt. Die schweigende Masse des alten Genfer Volkes füllte schon eine Stunde vorher das Schiff der Kathe drale. Die Plätze rings um die Kanzel Calvins und die Chorstühlc der Rohankapellc waren für die Ber treter der Regierung, zahlreiche Minister und hohe Funktionäre Vorbehalten, deren Namen und Bilder täglich in den Zeitungen zu sehen waren. Ter Fcstzug, mit dem Konsistorium an der Spitze, trat aus der Makkabäerkapclle. In diesem Augen blick stimmien Chor und Orgel das Jubilate von Händel an. Und sobald unter den von Menschen strotzenden Kirchenbogen wieder Ruhe herrschte, be gann die Danksagungs-Zeremonie. Ein heißes Gebet stieg aus allen Herzen zur Vorsehung empor, daß sie das Werk dieser Seelen voll guten Willens segne. Tann begann der Pastor seine Ansprache: Äie lieblich sind aus den Bergen die Füße der Voten, die da Frieden verkündigen ...' Neber der gedrängten Menge von Männern und Frauen aus allen Weltgegendcn schwebte ein gemein sames Ideal, eine gemeinsame Hoffnung." Völker im Dunkel Nichts von allen diesen Hoffnungen ist in Erfüllung gegangen, und die Füße der Boten, die von den Ber gen bet Genf herabgingen, haben der Welt alles andre gebracht als den Frieden. Während die fromme Ge- metnde der „Gerechten" im Ltchterglanz von St. Peter und Notre-Dame ihr Preislied sang, standen draußen in Dunkel und unvorstellbarer Not die „besiegten* Böller, die „Ungerechten", die nicht der „Gnade" für „würdig" Befundenen. Sie haben sich ohne Gens den Weg zur Freiheit erkämpfen müssen. Sie wollen sich ohne Genf den Weg zu einem wahren, dauernden, ge- rechten Frieden erstreiten. Man hatte lange gefeilscht, welche Stabt als Sih des neuen Bundes gewählt werden sollte. Gar manche Gemeinde hatte sich gemeldet, sprachen doch auch starke materiell« Interessen mit. Brüssel zum Beispiel und sogar das unglückselige, von den Habsburger» ver ratene Wien. Schließlich siel die Wahl doch auf die Stabt am Genfer See, die für den von allerlei, aller dings allmählich wirr werdenden religiösen Ideen erfüllten Wilson etn besonderes Recht auf den Sih der neuen WeltsriedenSorganisatton zu haben schien. Im Seifte Calvins und Rousseau» Genf war im 16. Jahrhundert unter dem Refor mator Calvin „die Stabt Gott«»*, das ,§rote- stanttsche Rom". Im 17. Jahrhundert, zur Zett der Hugenottenverfolgungen, bi« .Stadt der Zu- flucht* und tm 18. die „Stadt der großen geistigen Revolution" lBoltatr«, Rousseau). Wilson war der Erbe alten Genfer Ideengut». Cal vin» Lehre hatte da» Angelsachsentum erobert, und bei der Geburt der Bereinigten Staaten standen die Ge danken Rousseau« Pate. Calvin, der grunbsählich hart« Pessimist — Rousseau, der weiche, in Gefühlen schwelgende Optimist — da» sind schrinvyr unttber- * G uoH « VourtalSS: „Der wunderbare tztschtua" «» «eiten. Perlao.H. Huoendndel, München. windliche Gegensätze. Und doch: auch die StaatSidcen Rousscaus entstammen den Gedankengängen und der Welt Calvins. Calvin ist der Mann der Prädesti nation (BorauSbestimmung) des Menschen zum Bösen, Rousseau der einer Prädestination zum Guten. Tas heißt: nach der Lehre Calvins, der fürchterlichsten von allen, die wohl jemals aus Erden gelehrt worden sind, ist der Mensch von Anfang an verdammt. Nichts kann ihn retten. Kein tugendsames Leben, keine gute Tat. Etn grauenvoller Gott hat vor Beginn aller Zeiten über sein Schicksal bestimmt. Nur eine ganz kleine Anzahl von Menschen hat er durch die „Gnadenwahl" zur Erlösung ausersehen. Alle andern sind von Anfang an verloren. Sie sind böse von Geburt an — und besäßen sie auch alle Tugenden der Welt. Mit derselben Schärfe und den selben unerbittlichen Gedankensolgen, mit denen Cal vin sein Dogma vom Bösen im Menschen lehrte, ver kündete der schwärmerische Apostel des 18. Jahr- Hunderts, Jean Jacques Rousseau, seine Lehre vom ur sprünglich Guten in jedem Menschen. Wie Calvin einen GotteSstaat in seinem „Neuen Jerusa lem" am Genfer See errichten wollte, so schwebte Rousseau in seinem GesellschastSvertrag ein irdische» neues Jerusalem aller Menschen im wtedergewonnenen Unschuldszustand der Natur vor. Dir Gedankenströme Rousseaus und Calvins fließen tn der Ideologie zusammen, auf der Wilson und seine Mitarbeiter nach dem Weltkrieg die Liga der Nationen anfznrtchten gedachten. Wilson war politisch Demokrat, sein Lehrmeister Rousseau. Aus der andern Seite rollte in seinen Adern angelsächsisches Purttanerblut, und dieses angelsächsische Puritanerblut war ein Ableger der calvinistischen Lehre. Nach Calvin weiß niemand, wer von Gott auSerwählt ist. Aber gewisse Anzeichen sprechen dafür, so zum Beispiel materieller Wohlstand. Gott belohnt den Auserwählten schon im irdischen Leben. Wohlstand aber wird durch Arbeit erworben. Und das Ziel der Arbeit ist damit nicht nur materieller Genuß im irdischen, sondern auch die Rettung der Seele im himmlischen Leben. Der Arme dagegen ist nicht nur beklagenswürdig, sondern auch verdammenswert, denn er ist ein „Gezeichneter Gottes". TaS war der Boden, auf dem der KapitaliS- muS angelsächsischer Prägung entstand, bas der Geist, der die gesamte englische und amerikanische politische und gesellschaftliche Oessentltchkett im 10. Jahrhundert durchdrang. Der große Hexensabbat Das war aber auch der Boden, auf dem jene Selbst- gefälligkett der „Tugendhaften" und all jenes Pharisäertum erwuchs, das mit der Zeit immer stärker zum charakteristischen Zeichen der englischen Welt wurde. Und jene gleiche Selbstgefälligkeit, jenes gleiche Pharisäertum bestimmte auch das Bild des Genfer Bundes. Die Männer von Genf erklärten: W i r sind dir Guten, die Frommen, die Gerechten. Wir sind die Vertreter der von Gott auSerwählten Völker der Erde. Wir haben das Recht auf die Herrschaft. Wir sind berufen zu richten über Länder und Völker. Wer aber gegen uns ist, der ist böse, ist unsrieblich, ist ein Feind des Menschengeschlechts. Er ist nicht nur anders als wir, sondern er ist böse von Grund auf. Er muh niedergehalten, eingekreist, sorgsam beobachtet werden, wie ein Räuber tm Gefängnis oder ein wilde» Tier im Käfig. So verstärkt« man die demokratischen Ideen RousseauS durch die finsteren Gedankengänge Calvins und suchte zu Nutz und Frommen einer bestimm ten Völkergruppe eine neue sittliche Ordnung aufzu- richten, welche die moralische Rechtfertigung dafür liefern sollt«, daß der tm Versailler Diktatsrteden ge- schassene Zustand auf immer erhalten bleibe, daß die reichen Völker für immer reich und die armen für immer arm blieben. Das heißt: man machte in Genf den Versuch, die harte Diktatur rineS „Neuen Jerusalem" nach Calvtnscher und Rousseau scher Art tm 20. Jahrhundert der ganzen Welt, vor allem aber den besiegten Völkern, aufzuzwtngen. Diese» „Neue Jerusalem" ist jetzt -usammengebrochen. Auch die Blutmtschung mit den letzten entarteten Enkeln Rousseau» und Calvin», den Bolschewisten, hat nicht» genützt. Auch dt« Bolschewisten wollen ja ein „Neue» Jerusalem" errichten- wenn auch mit um gekehrten Vorzeichen. Wollte Calvin einen Staat Gotte» auf Erden — so die Bolschewisten einen Staat Satan». Aber der Gedanke Le» „Neuen Jerusa lem* ist hei Leteln, wenn auch in abgewandelter Yürm, ebenso stark wie bei Rousseau ober vor diesem bei Calvin. Der große Hexensabbat, der tn Genf mit jener srorpmen Kirchenfeier tm Royember 1020 begann, ist
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview
First Page
Back 10 Pages
Previous Page