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Dresdner Journal : 14.11.1862
- Erscheinungsdatum
- 1862-11-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-186211149
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18621114
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18621114
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1862
- Monat1862-11
- Tag1862-11-14
- Monat1862-11
- Jahr1862
- Titel
- Dresdner Journal : 14.11.1862
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Nv»ir»; sltoii»- t Voui.il»; L»rU»; O»oi-ir'»'»«:b<! iiu.bb., 8llr«»u; Lr«m«o L. 8ciiuuri^; kr»Ll-ki»rr ». «.: ^»»<»»»'»ek« 8ncbd»n6Iung; Ldio: XKui.» N»r>»,r»; kort«: v. 1<öv»!i»»i.8 (28, rue dou» «us»n»)i kr»ß;; t». kao^rco » 8uulib»ntil>rux. qrrauagrber: ltöoi^I. Lrpeäitioo äei vresäusr ^ouru»I«, l)r«»ä«o, sl»rieu»tr»»s« dir. 7. Amtlicher Theil. Dresden, 12. November. Ihre Majestät dit Köni gin Elisabeth von Preußen sind heute Nachmittag 3 Uhr von Sanssouci hier eingetragen und im König lichen Refidenjschlosse abgetreten. Bekanntmachung, die Aufbewahrung und den Verkehr mit Steinül betreffend. Das Ministerium des Innern findet Sich veranlaßt, zur Nachachtung für die Obrigkeiten und sonst Jeder mann hiermit bekannt zu machen, daß das in neuerer Zeit auch in den binnenländischen Handel übergegangrne Petroleum (koek Oil, Larlti Oil, Steinöl) sowohl in rohem als raffinirtem Zustande, vermöge der ihm beiwohnenden leichten Brennbarkeit und Erplodir- barkeit denjenigen Stoffen beizuzLhlen ist, auf welche sich die Bestimmungen in K. 22 deS GewerbegrsetzrS vom 15. Oktober 1861 und tz. 19 der Ausführungsverord nung zu demselben beziehen. Dresden, am 30. Oktober 1862. Ministerium de« Innern. Krhr. von Benst. Schmiedel, 8. Nichtamtlicher Theil. Uebersicht. Telrgrupbiscbe Nachrichten Zettnn-tscha» (Bank- u. Handels-Zeitung. — Neue Frankfurter Zeitung. — Wochenschrift des National vereins. — Opinione.) Tagesgeschichte. Dresden: Vom königlichen Hofe. Berichtigung. — Wien: Parlamentarisch« Nachrichten. — Prag: Adresse für Verschiebung des Landtags. Wahlangelegenheiten. Tschechische Opferfreudigkeit. — Triest. Seereise des Erzherzogs Ferdinand Mar. Bon der Marine. Prrßproceß. — Berlin: Generalzoll- conferenz. Prrßproceß. Oppermann. Der polnische Verschwörung-versuch. Von der Marine. — Mün chen: Vom Hofe. — Hannover: Der Streit wegen des Eisenbahnbaue- von Minden nach der Jahde. Kassel: Von der Ständrversammlung. Eisenbahn projekte. — Darmstadt: Die ersten Sitzungen der Kammern. — Altenburg: Wiederbeginn der land schaftlichen Verhandlungen. Hochzeitsgeschenke. — Frankfurt: Bom Nationalverein zu Bradford. — Brüssel: Erste Sitzung der Kammer. — London: Grirchrn-Merting. Von der Ausstellung. Marquis of Breadalbane -f. — Konstantinopel: Der Sultan erkrankt. — Athen: Griva's Proklamation. Durchstechung deS Isthmus von Korinth. — Ost indien und China: Aus der neuesten Post. Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichten. (Chemnitz. Marienberg.) - v«r»tschtrs. Uingesaadtes. Gtattßik und Lolkswirthschaft. Feuilleton. Inserate. Tageskalender. Börsen- Nachricht«». Telegraphische Nachrichten. Aargau, Mittwoch, 12. November, Rachmitt. Heute »urde das Gesetz über die bürgerliche Gleich stellung der Juden mit mehr als 16,00« Glimme» von dem aargauische« Lolk« vermorfen Paris, Donnerstag, IS. November. Der Heu- tigr „Moniteur" schreibt, die Einweihung des Bou levard du-Prince-Eugsue habe nie vor dem De- ceutber stattfindev sollen, der Kaiser werde dersel ben beiwohnen. Kerner wird die Depesche des Herrn Drouyn de Ltzvys veröffentlicht, welche Ru-laud und Eng ¬ land den Vorschlag wacht, sich zu verständigen, um dem Kampfe in Amerika eia Ende zu machen. Krankreich betrachte die Neutralität cl« Pflicht, aber die Neutralität müsse beiden Theilen nützen, sie aus einer Situation hrrausbringrn, die ohne Ausweg zu sein scheine. Die Depesche schlägt daher vor, es möchten die Eabinete von London und St. Petersburg einen Waffenstillstand auf S Monate hrrbeiführen Helsen, der später ver längert werden könne. Die bez. Eröffnung in- volvire kein Urtbeil über die Streitfrage, keinen Druck auf die Verhandlungen. Die Nolle der Mächte würde sein, Schwierigkeiten au« tem Wege zu räumen; wenn ihre Nathschläge kein Gehör süuden, so hätten sie ihre Pflicht erfüllt. Nom, Mittwoch, 12. November. Der Kron prinz und die Kronprinzessin von Preußen find hier angekowmen. London, Mittwoch, 12. Nov. Die „Times" bezweifelt sehr stark die auf eine Intervention in Amerika bezüglichen Angaben der „Patrie". Thal- sächlich, bemerkt sie, sei nur Krankreich dazu be reit. NuHlaud sei eher etwas abgeneigt, wenn gleich nicht absolut dagegen» und England wolle eine passendere Gelegenheit abwarten. Die Ver handlungen seien keineswegs so weit gediehen, wie die „Patrie" angrbe. (Dgl. oben da- Pariser Tele gramm. ) Kopenhagen, Donnerstag, 13. November. Die gestrige „Verlingske Tidn." schreibt: Dem Ver nehmen nach hat der König in der heutigen Staats- rathsfitzung die Errichtung einer holsteinischen Lo- calregierung beschlossen. Die Wirksamkeit derselben soll Anfangs Decembrr beginnen. Ihr Sih soll in Holstein sein; bis Maßnahmen getroffen find, ver bleibt derselbe jedoch in Kopenhagen. Regierung«- Präsident ist Graf A. Moltke, dem vier Regierung«- räth« brtgegeben werden. Da« Ministerium für Holstein nebst dem Sekretariat bleiben in Kopen- Hagen; die übrigen Büreaur aber gehen zur Local- regieruug über. Von der polnischen Grenze, Mittwoch, 12. November. Infolge deS letzten Vorfall« in Warschau hat die Negierung strenge Maßregeln ergriffen. Starke Patrouillen durchziehen die Stadt. I« verflossener Nacht wurde dir Mar- schallk»nökastra-e und deren Umgegend abgesperrt. Ts find mehr als 60 Personen verhaftet worden. General Namsav soll durch Baron Korff ver treten werden. Rew-Aork, 3. November. Die Potomacarmee ist fortwährend im Borrücken. General Pleasan- to» hat Union Mills (im Teile stehl „umon") genom men, woraus die Sonderbündler verjagt wurden. Sonderbüudlerische Gefangene, die bei Corinth gefangen genommen wurden, versichern, die Unio nisten hätten Mobile genommen. Die Nachricht ist jedoch bis jetzt nicht bestätigt worden. Aus Vera-Cruz find in New-Dork Berichte eingrtroffen, wonach die Franzosen alle Zugänge zu Orizaba befestigt haben, da sie diesen Punkt als Basis einer gesicherten und erfolgreichen Ope ration betrachten. Dresden, 13. November. Die „Bank- und Handels-Zeitung" schreibt unterm 11. November aus Berlin: „Wie wir vernehmen, hat die Schwenkung der sächsischen Regierung in der Zollangelegenheit zu einem sehr lebhaften Notenwechsel geführt, in welchem Hr. v. Beust daraus beharrt, zu de- duciren, daß er seinen zollpolitischen Standpunkt seit der Annahme des französischen Handelsvertrags nicht gewech selt habe. Derselbe läßt es überdies nicht an Betheuerun- gen fehlen, daß Sachsen der Erhaltung des Zollvereins und der Durchführung des Handelsvertrags jedes Opfer zu bringen bereit sei." — Daß eine „Schwenkung" der sächsischen Regierung in der Handelsvertragsangelegenheit nicht stattgrsunden, haben wir bereits neulicb dargelhan. Ebenso unwahr ist aber auch der ganze übrige Inhalt des vorstehenden Artikels. Im literarischen Lager des „Nationalvereins" ist der eigentlich stets darin gewesene, aber häufig ver deckte Zwiespalt zwischen der Demokratie und den Go thaern aufs Neue ausgebrochen und zwar aus Anlaß des Beschlusses der letzten Generalversammlung bezüglich der „deutschen Reichsverfassung" von 1849. Die Demo kratie glaubte, mit diesem Beschlüsse sei der gothaischen Partei ein Ende gemacht, zumal darin die Oberhaupts frage offen behalten wurde, und es sei nun vom „Na- tionalverein" eine vereinigte Agitation für ein „Volks parlament" zu verlangen, welches die „Reichsverfassung" in demokratischem Sinne zur Ausführung bringen müsse. Die gothaische Partei aber theilt diese Meinung nicht. Nach Lage der Dinge, welche ihre Agitation ganz erfolg los erscheinen ließ, wollte sie sich wohl mit Zurückgrei fen auf die Reichsverfassung auf eine Rückzugslinie be geben haben, wo sie im Verein mit der Demokratie „bessere Zeiten" abwartcn könnte, den Gedanken an ein von Preußen -beherrschtes Klcindeutschland aber wollte sie nicht an diese Allianz mit der Demokratie daran ge ben, und ihre Wortführer versuchten deshalb nachträglich, dem Beschlüsse der Generalversammlung eine ihnen ge nehme Deutung zu geben. Darüber entstand wieder in den demokratischen Organen großer Lärm, die Gothaer antworteten — und jetzt liegt die Sache so, daß die Gothaer den Demokraten ihr „Parlament" lächerlich machen, während letztere dies den crstern mit Ausfällen gegen die „preußische Spitze" entgelten. Die deutsche Einigkeit feiert also im „Nationalverein" keine Siege. Zur nähern Illustration des Gesagten geben wir hier zwei Preßstimmen, einer aus dem demokratischen und einer aus dem gothaischen Parteilager Platz. Die „Neue Frankfurter Zeitung", ein entschieden demokratisches Blatt, sagt: „Es läßt sich nicht verkennen, daß die Er klärung der letzten Generalversammlung des National Vereins für die deutsche Reichsverfassung im Ganzen den Eindruck beim deutschen Volke nicht hcrvorbrachte, den man erwarten mochte, und der unter andern Verhält nissen wohl auch nicht gefehlt haben würde. In einer Anzahl Einzelversammlungen von Vereinsmitgliedern wurl* zwar die Zustimmung erlangt, — bei der Masse des deutschen Volkes aber gicbt sich nach der erfolgten Erklärung nirgendwo ein Enthusiasmus, eine wirkliche Begeisterung für den Beschluß kund. Gerade darauf aber kam es an. Forschen wir nach, warum ein seiner inner» Bedeutung nach so wichtiges Mittel, wie die Er klärung für die Reichsverfassung, vorerst wenigstens keine stärkere Wirkung hervorbrachte. Der Hauptgrund liegt in der Nichtabänderung des Programms des National vereins, das die „preußische Spitze" fordert, für welche „Spitze" die deutsche Nation, welche die Gleichberechtigung aller ihrer Stämme erstrebt, sich nie begeistern wird, am allerwenigsten unter Verhältnissen, wie die jetzigen in Preußen sind. Wir haben zwar Grund zn glauben, daß manche Hervoragende Mitglieder des Nationalvereins durch jenen Beschluß eine stillschweigende Beseitigung des Hindernisses bezweckten, das jenes Programm bildet; Andere sahen die Sache aber entgegengesetzt an; und als gar öffentliche Blätter, die sich für Organe des Vereins ausgcbcn, ohne Scheu, ja sogar mit Ostentation, und ohne Widerspruch zu erfahren, verkündeten: der Verein habe mit jenem Beschlüsse die preußische Hegemonie nicht nur nicht beseitigen wollen, sondern er habe dieselbe da durch vielmehr erst recht begründet, — da setzte sich in weitern Kreisen die Ansicht fest, ein Theil der Leiter des Vereins — erkennend, daß Etwas geschehen müsse und daß man auf dem bisherigen Wege nicht vorankomme — hätten die Reichsverfassung nur als Mittel zum Wieder auffrischen jener nicht gewünschten „preußischen Spitze" Feuilleton. Gin Ei« sinniger. cechlul au« Rr. 2«s.) Dagegen machte ich — fährt Herr Director vr. Georgi fort — die interessante und wichtige Bemerkung, daß der Unglücklich« da- Lesen plastischer Schrift, der soge nannten Punktirschrift der Stuttgarter Bibelanstalt, noch nicht verlernt habe, obschon er diese in der Schulzeit erworbene Geschicklichkeit seit seiner Versetzung inS LandeSkrankenhaus, mithin seit 2^ Jahren nicht mehr geübt hatte. Ich legte ihm einen in dieser Schrift ge druckten Band der Psalmen vor und leitete seine Hände auf das aufgeschlagene Buch. Er begriff sofort, was er solle, und da- Fortrücken seiner Finger bewies, daß er la». Ich hatte zufällig den 27. Psalm aufgeschlagen und» er las vom achten Verse an die Worte: „Mein Herz hält dir vor dein Wort rc." Aber er laS lautlos und bewie» nur durch daS Kortrücken der Finger, daß er lese. Bei den Worten deS neunten VerseS: „Laß mich nicht und thue nicht von mir die Hand ab, Gott mein Heil" — tropften stille Thränen auS seinen Augen. Er hatte also wirklich gelesen. Er hatte da» Gelesene begriffen und auf sich angewrndet. Nach einiger Zeit gelang eS mir auch, ihm durch wiederholte» Betasten seiner Lippen verständlich zu machen, daß rr da» Gelesrnr sprechen solle. In der That sprach er die Worte, di« rr betastete, leise- li»pelnd und ost sehr unverständlich, doch aber vernehmbar au», vernehmbar wenigsten», wenn man da» Ohr seinen Lippen näherte. Di« Sprach« war also noch nicht gänzlich verlorrn, und da» Erkennen der Schrift durch den Tastsinn konnte die Prücke wrrden zu dieser verschleierten Welt. Der Grdänke lag mithin sehr nah«, hieran anzuknüpfen. Zu nächst mußt« durch Benutzung der, dem Einsinnigen leg ¬ baren Punktir- oder Stachelschrift ihm die nöthige Kunde auS der Außenwelt zugeführt und sein Wille geleitet, jedenfalls aber alle Anstrengungen gemacht werden, ihm die Sprache zu retten, als das wichtigste Moment, durch welches er selbst seine Gedanken darlegen und mit seiner Umgebung verkehren konnte. Mit Hilfe einer einfachen Druckvorrichtung, wie sie mit ganz gutem Erfolge in der Blindenanstalt in Wien gehandhabt wird, mußte es also gelingen, diese Verbindung herzustellen, und es galt zunächst den Versuch, ihm mit Hilfe eines in der Blinden anstalt vorhandenen Alphabetes von Stacheltypen einige Druckproben herzustellen und vorzulegen, um auf diesem Wege ihm einige Kunde von außen zuzuführen. Auf mein Ersuchen übernahm der Lehrer Herr Reinhard das bei der Einfachheit und abgenutzten Beschaffenheit unsers dirSfallsigen Apparates nicht mühelose Geschäft, eine An zahl Zettel mit den für den ersten Augenblick wichtigsten Notizen zu bedrucken, und begleitete mich selbst in einigen Tagen nach Stösitz. Der erste Zettel hatte lediglich den Zweck, die Aufmerksamkeit des Blinden zu erregen und ihn zum Sprechen aufzufordern, und lautete: „LieS recht laut, lieber N... Mit Gott! Die folgenden Zettel enthielten in der Hauptsache Folgendes: „Du bist in Stösitz bei Riesa bei dem blinden Korbmacher Herrn Brandt und seiner Frau. Sein kleiner Knabe, der Dich führt, heißt Anton. Deine übrigen Hausgenossen sind Deine Freunde, die Blinden rc." „Heute ist Donnerstag, der 10. Juli 1862. Der Herr, der Dir am Sonntage einen Thaler geschenkt hat, war der Herr Director. Du erkennst ihn an seiner Uhrkette. Deinen Lehrer Herrn Reinhard er kennst Du an seinem Ringe. Du sollst in der Blinden anstatt drucken lernen, damit wir mit Dir reden kön nen. Willst Du?" Wie unbedeutend die hier mitgetheilten Momente dem Leser erscheinen mögen, so erwäge man, daß es die erste Kunde war, die der Abgeschiedene, der mitten im Wechselvcrkehre des Lebens Jsolirte wieder von der Außenwelt und insbesondere von seiner allernächsten Umgebung empfing, deren Verständniß ihm jetzt erst auf geriegelt wurde, und sodann, daß ihm hierdurch die tröstliche Ueberzeugung eingeflößt und klar gemacht wurde, welche Anstrengungen seine sachkundigen Lehrer machten, die Kluft zu überbrücken, die ihn von der Außenwelt schied. Mußte ihm nicht zu Muthe sein, wie dem Ver schütteten, der aus dumpfer Ferne die Hammerschläge seiner nahenden Retter vernimmt? Das Ende des Telegraphendrathrs war in seine Hand gedrückt, der ihm aus der Außenwelt neue vermehrte Kunde zuführen konnte. Wie ihm diese beruhigende Ueberzeugung — gleich sam wie rin fernher dämmerndes Licht in unterirdischer Finsterniß — in der Seele allmählich aufging, gerade dies machte den Vorgang zu einem psychologisch höchst merkwürdigen und außerordentlich rührenden, und möge dies hier noch eine kurze Erwähnung finden. Zuvörderst mußte ich von Neuem die Ueberzeugung gewinnen, daß der Blinde mich so wenig als irgend Jemand aus sei ner Umgebung erkannt hatte. Denn nun erst gab er mir, dem Lehrer Reinhard und seinen frühern Schul freunden auf die rührendste Weise seine innige Freude über da» Wiederrrkennen kund. Anfänglich veranlaßte ich ihn, einen Abschnitt aus dem in seinen Händen ge bliebenen Buch« zu lesen. Wie am Sonntage zuvor laS er auch heute zurrst nur, leise mit den Fingern über die Schrift gleitend, lautlos. Erst nachdem ich ihn durch wiederholtes Hinwrgzirhen der Finger und Berühren der Lippen aus nicht mißzuverstrhende Weise zu erkennen ge geben hatte, was ich wünsche, entschloß er sich, das Gelesene in obenbezrichneter Art fast nur murmelnd und hervorgesucht; es sei ihnen die Verwirklichung gerade des fehlerhaftesten Theiles jener Reichsverfassung die Haupt sache, desjenigen Theiles, den man im Jahre 1849 mit in den Kauf genommen hätte, dessen Beseitigung aber aus Gründen innerer Nothwendigkeit eine der ersten Aufgaben des nächste» Parlaments sein müßte. Der 'Nationalverein hat sich unter andern als den jetzigen Verhältnissen und unter sehr entschiedenen Bedingungen in seinem Programme nicht in seinem Statute — für eine preußische Spitze erklärt. Die Bedingungen find nicht erfüllt worden, vielmehr das Gegentheil Dessen geschehen, was die Anhänger der Hohenzollcrnschen Füh rerschaft vorausgesetzt hatten. Damit beginnt nun eine Krise für den Verein. Derselbe wird diese Krise nicht gut bestehen, wenn er sich nicht entschieden lossagt von allem specifischen Preußenthum, wenn er sich also nicht auf den rein deutschen Standpunkt stellt, wenn er nicht damit beginnt, unter Festhalten seines Statuts, das ohnehin unausführbar gewordene „Programm" bestimmt aufzugeben, durch dessen Festhalten überdies die Jnteres sen der unter der .Hohenzollcrnschen Krone vereinigten Stämme in Wahrheit eben so wenig gefördert würden, wie jene der übrigen deutschen Stämme. Gewiß hat das deutsche Volk die Rechte für sich anzusprechen, welche die Reichsverfassung ihm zusichert; in welcher Form aber der deutsche Bundesstaat herzustellen sei, nachdem das ur sprünglich beabsichtigte Erbkaiserthum sich gleich anfangs und seitdem nach allen Verhältnissen als thalsächlich un ausführbar bewiesen, — darüber kann nur die deutsch« Nation in freigewählter Vertretung bestimmen, — ein nach dem Reichswahlgesetz zu bildendes neues Parlament. Sollte die Majorität des Nationalvcreins gleichwohl an dem seitherigen Programme festhaltcn, so ist unschwer vorherzusehen, daß der Verein, so lange der jetzige Zwit- tcrzustand in den politischen Verhältnissen andauert, im günstigsten Falle unter Versammlungen und Reden sort- vegetiren, daß er aber, sobald irgend ein größeres neuge- ftaltendes Ereigniß eintritt, überholt und bei Seite ge schoben werden wird." Die „Wochenschrift des Nationalvereins" dagegen sucht das „Parlament" zu discreditiren und stellt die Oberhauptsfrage in den Vordergrund. Das be merkte Blatt enthält nämlich ein Schreiben an den Her ausgeber, in welchem der Verfasser sich einfach dahin aus spricht, daß er ein Parlament zur Zeit und in der ge genwärtigen Lage der Dinge für nichts weniger als wün- schenswerth halte, und diesen Ausspruch durch folgende Bemerkungen begründet: „Angenommen, die neue Na tionalversammlung würde morgen in der Paulskircd« eröffnet — was könnten wir möglicherweise von ihr er warten? Sie würde vor allen Dingen und in ihrer ersten Sitzung ohne Zweifel die förmliche Bestätigung der Reichs verfassung aussprechen, und demnächst ohne Verzug zur Bestellung des Reichsoberhauptcs schreiten wollen. Da mit wäre sie denn sofort wieder auf dem nämlichen Punkte angelangt, auf welchem sich die verfassunggebende Reichs versammlung am 28. März 1859 befand, nur daß sich heute schwerlich, wie damals, 29 Regierungen zur un bedingten Annahme der gefaßten Beschlüsse bereit erklären würden, und daß die Ablehnung der Kaiserwürde dies mal nicht im Mindesten zweifelhaft, sondern von vorn herein vollkommen gewiß wäre. Alsdann bliebe den Ver tretern der Nation lediglich die Wahl, entweder freiwillig auseinander zu gehen, oder das klägliche Schauspiel zum zweiten Male aufzuführcn, welches während der Monate April und Mai 1849 in Frankfurt spielte, und unter Kolbrnstößcn in Stuttgart endigte. Wozu in aller Welt könnte uns zur Zeit eine Nationalversammlung nützen? Sie ist vollkommen unbrauchbar für uns, so lange ihr nicht eine wohlausgerüstete Macht zur Seile steht, die ihr den Arm leiht. Diese Macht aus sich selbst heraus zu erzeugen, wird ein deutsches Parlament, wie man sich dasselbe bis jetzt denkt, auch unter den günstigsten Um ständen nicht im Stande sein. Der Gedanke, in der Pauls- kirche zu Frankfurt Convent oder langes Parlament zu spielen, ist heute ebenso widersinnig, wie er es vor vierzehn Jahren war. Für das Berliner Abgeordnetenhaus oder lispelnd, jedoch immerhin einigermaßen verständlich aus zusprechen. Nachdem er etwa eine halbe Seite gelesen, schlug ich das Buch zu und legte ihm schnell den ersten Zettel unter mit der Aufforderung, laut zu lesen. Lang sam und leise las er diese Worte bis zu seinem Namen, den er nicht aussprach. Hier hielt er inne mit lächeln der Miene und wurde vor freudiger Ueberraschung roth im Gesichte, — ein Zeichen, daß er das Gclesene be griffen und auf sich angewendet habe. Ich ließ ihn die Worte wiederholen, und jetzt las er mit freudestrahlen dem Antlitze und mit lauter, allen Umstehenden vernehm barer Stimme die Worte: „Lies — recht — laut — lieber — —". Seinen Namen ließ er wieder unaus gesprochen. Mit sichtbarer Begierde las er den folgenden Zettel. Die Erkennung seiner Umgebung bewegte ihn auf das Allerfreudigste. Die Hast, womit er nach jedem neuen Zettel griff, zeigte, welches Interesse diese Mit theilungen ihm einflößten. Leider mußten sich dieselben auf das Wenige beschränken, was mit unscrm mangel haften Apparate nicht ohne Mühe hatte vorbereitet werden können. Immerhin aber war e» doch ein geistiger Lebenston, der in seine öde Einsamkeit hineingcklungen war. Vor Allem war der Lichtschimmer der Hoffnung in seine Seele gedrungen, daß die Bemühungen, ihn wieder ans Leben zu knüpfen, nicht erfolglos sein werden, sobald nur erst der hierzu erforderliche Apparat herbeigrschafft sein werde. Hierzu aber wurde sofort Einleitung ge troffen. Sobald die erforderliche Druckvorrichtung vor- Händen sein wird, soll er für einige Tage in die Blinden anstalt zurückkrhren, um die zum Gebrauch derselben er forderliche Anweisung zu empfangen. Auf jeden Fall hatte man jetzt schon die beruhigende Gewißheit em pfangen, daß dem Unglücklichen die TonspraLe noch nicht gänzlich abhanden gekommen sei und daß er mit Hilfe des Lesens und Sprechens noch mit seiner Um-
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