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Dresdner Journal : 07.07.1870
- Erscheinungsdatum
- 1870-07-07
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187007078
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18700707
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18700707
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1870
- Monat1870-07
- Tag1870-07-07
- Monat1870-07
- Jahr1870
- Titel
- Dresdner Journal : 07.07.1870
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Donnerstag, den 7. Juli. 1870. 1SS Iw Horää. Lsoä.: ILbrUok: . . . . S Udr '<jLkrtiek: 1 Iklr. IS Koa»tli«:k: / . . IS Ajsr. k!io»elr>v Huwwsru: 1 In kr«»»—» tritt ^ltkidick 2 1^>Ir. Sterupelsokakr, »uiO.rtc.tk de« dkordd. Lundes kost- und 81ernpeüu»okIitK Kiuru. l»»»r»teapr«l8vr Ilir den Huucn «cner nesp.ttensn 2sc!s: 1 . Unter „Lic»Fes»ndt" die 2eile: 3 ^r. DrkSlinkrIomiial. Lrsckelnea: Iltxllok, mit ^usvLkwe der 8onn- und keiertLKS, Abends kür den kotzenden laz. Verantwortlicher Rcdacteur: I. G. Hartmann. Inser«ten»nnnl>me »u^Nel«: Leipri^l I^r. ^ra^ds/eteer, Oommissionür des Dresdner donrnuls; ekend»«.: // , Z.u^rn /'«rt u. /^re«/er, 8-m- burx x.rU»-VI«»-l.»jpriir-2-»«I-Lre,I»u-k'rsllIcNrrt ». tt.: //»««es/,/» <1 >'«A/,r/ re>Iiu-Vi«»-8»cnkurz-rr»otl- kcrt » A.-Ltürrdsn: //>>/ /l/es^e." Lerlin: vt //r/e»»eper, // krrwcn t /.' »I,?u0e, krestuu: /. />/<i»>oe»i'« Lilresu n. /,'. krurkkurt » » t /. daeeer'seke u. d k //err»»«»»«'scl e Lut kk.. /-««/Ke <k k'u., kru« ^r. » I!u< KI>.! Viwmvitr: /> He/t r»r>« //«rar, /.aMe, //«//<>, <t Visu: ^/. Dxxe/iL, Lcuttz.rt: /tuuke <k t/o. Ileranuzeker: Löniel. Lxpeditinn des Dresdner dournats, Dresden, Llitrz^etkenzusse Ho. 1. ----- Ämtlicher Theil. Bekanntmachung, die Ausgabe neuer ZinSbogen zu den 4A> königlich sächsischen Staatsschuldenkaffenscheinen der vereinig, ten Anleihen von 1852, 1855, 1858, 1859, 1862, 1866 und 1868 betreffend. Die Inhaber 4H> königlich sächsischer Siaatsschul- denkassinlchcine der vereinigten Anleihen der Zadre 1852, 1855, 1858, 1859, 1862, 1866 und 1868 werden hier durch in Kenntniß aesetzt, daß an Stelle der mit dem 1. Jnlt 1870 ablaufrnden Zin. scheine die Aushändigung neuer ZinSdocumcnte, bestehend in TalonS und Zins- cvupons für die Termine 2. Januar 1871 bis mit 1. Juli 1879 zu eriolgen hat und damit den 1. Juli diese» Jahre» begonnen werden soll. Die Ausgabe dieser Zinsdocumente geschieht bei der Staatsschulden-Buchhallerei in Dresden — Land haus 1 Etage — gegen Zurückgabe der abgelauferun TalonS wochentägig in den Vormittagsstunden von 9 bis 1 Uhr. Zur Förderung des sehr umfänglichen Umtausch geschäftes ist es unbedingt erforderlich, die alten Talons, wenn deren mehrere in einer Hand sich be finden, nach den Serien gesondert und nach der Nummerfolge geordnet zur Abgabe zu bringen; auch liegt es im Interesse des umtauschenden Publi kums, ein genaues Nummerverzeichniß anzufertigen, um danach an Ort und Stelle die ausgehänd gt erhaltenen Ztnsbogen nach Stückzahl und Nummer vergleichen zu können. Da weder die Staatsschulden-Buchhalterei noch Casse mit Correspondenzrn nnd Zusendungen sich befassen können, müssen auswärtige Interessenten, welche die Ab holung der neuen Zinsbogen nicht persönlich bewirken wollen, dies durch hievortige Beauftragte besorgen lassen. Obwohl in der Regel bei Expedirung des Umtausch- geschäftes auf möglichste Innehaltung der Reihenfolge der abgegebenen Lalonposten Rücksicht genommen wird, so haben doch die kleineren Posten den größeren vor- anzugehen um einer störenden Personenanhäusung mög lichst vvrzubeugen. Dresden, am 2. Juni 1870. -er LuMagttuschtlß z« Verwaltiig Ser 3taMch»ibeu. Pfotenhauer. Nichtamtlicher Theil. Ueberficht. Telegraphische Nachrichten. ZeituugSschan. (Fremdenblatt. — Neues Frcmden- blatt. — Presse. — Neue freie Presse. — Norddeutsche Allgemeine Zeitung.) LageSgeschichte. (Berlin. Stettin. Breslau. Frankfurt. München. Wien. Prag. Madrid. Kopenhagen. War schau. Belgrad. China. Buenos.Aires) Dresdner Nachrichten. Proviuzialnachrichten. (Leipzig. Chemmy. Meißen. Kamenz.) Statistik und »olttwirthschaft. Keuilletou. Inserate. TageSkalender. Börsen- Nachrichten. Telegraphische Nachrichten. Pesth, Dienstag, 5. Juli. (Tel.d.Pr.) Der CentralauSschuß de» Abgeordnetenhauses bewil- ligte in der heutigen Gitzuug einen NachtraaScre- dit von 162,VW Al., welche der Minister deS In- ueru zur Beendigung der zur Herstellung der öffent- licheu Sicherheit getroffenen Vorkehrungen forderte. Pari», Dienstag, 5.Juli, Abend». (W.T.B.) In der heutigen Sitzung de» gesetzgebenden Kör pers brachten Cochery und Genossen eine Inter- pella'ion ein, betreffend die Möglichkeit der Be steigung des spanischen Throne» durch einen Prinzen von Hohenzollern. Florenz, DienStag, 5. Juli, Abend». (W T. B.) Die „Jadependenzia italiana" meldet au» Athen, daß infolge von Meinungsverschiedenheiten zwischen Zaimis und Balaoriti» über die Krage, ob der Enquetrcommisfion über die Katastrophe von OropoS eine Grenze ihrer Thätigkeit vorzuzeichnen sei oder nicht, eine MinisterkrifiS auSgrbrochen sei. London, Mittwoch, 6. Juli. (W.T.B.) Die „Morning Post" veröffentlicht ein Telegramm au» Tientsin, wonach am 21. Juni in Peking rin BolkSaufruhr gegen die Franzosen stattgefunden hat. Alle französischen Priester, die barmherzigen Schwestern, der französische Charge - d'Affairet, Graf de Rochechouart, und der französische Con- sul Coste, sowie drei Russen wurden ermordet. Die Kathedrale wurde niedergebrannt. Janina, Montag, 4. Juli. (Tel. d. Pr.) Die berüchtigte Bande ChiotakiS ist nach zweistündigem Kampfe theil» gefangen, theil» getödtet worden; Chiotaki» selbst ist gefallen. DaS Land wurde durch diese Vernichtung der Räuber von einer gro- ßen Calamität befreit. Washington, DienStag, 5. Juli. (W. T. B., Kabeltclegramm.) Der Finanzausschuß des Senats hat seinen Bericht erstattet; derselbe spricht sich gegen die StaatSschuldtilgungöbill au». Eine Conferenz beider Häuser de» CongresseS bat augeordnet, den Comite» beider Häuser für die auswärtigen Angelegenheiten zu empfehlen, daß Schritte gethan werden, um Venezuela zur Re gelung der schwebenden Ansprüche der UnionSstaaten zu zwingen. Dresden, 6. Juli. Ueber die jüngsten Veränderungen im öster reichischen Ministerium und spectell über den Wie dereintritt v. Stremayr's in dasselbe spricht sich das Wiener „ F r e m d e n b l a t t" in einem anscheinend offictösen Artikel folgendermaßen aus: „Während der Aufregui gen der Wahlkämpfe hat sich manche Veränderung im Schooße unser» Ministeriums ganz im Stillen vollzogen. Lange Erwartetes ist plötzlich zur That geworden. So wenig die „in Gnaden" erfolgte Enthebung des vielbespro chenen Landesverthcidigungsministers überraschen konnte, so wenig war schon jetzt auf den Eintritt dcs Herrn v. Stremayr in das Cabinct Potozkt mit Zuversicht zu zählen. Daß ferner verschiedene „Leiter" zu wirklichen Ministern rmporgehoben wurden, scheint unS nichts weniger als völlig bedeutungslos zu sein. Diese Er nennungen können uns vielte cht beweisen, daß das Ministerium die Zeit für gekommen hält, um dem schwan kenden Zustande des Provisoriums und des Nothbehel fes ein Ende zu machen, daß es wieder auf festem Bo den steht und daher gesonnen ist, sich wohnlich und häuslich cinzurichten. Jedenfalls hat sich die Lage im Laufe der jüngsten Wochen wesentlich geändert, und zwar wesentlich gebessert. Die Sturmfluth, welche auf Cvmmando der alten Reichsrathsmajorttät gegen das Cabinet Potozki losgelasscn wurde, hat sich verlaufen, ohne Schaden gethan zu haben. Es ist eine Art Waf fenstillstand eingctretcn und damit auch größere Ruhe und Besonnenheit. Die schweren Geschosse der Verdäch tigung und Verleumdung werden nur noch ausnahms weise gegen das Ministerium geschleudert. Das cor- recte Vorgehen der Regierung mußte endlich auch den leidenschaftlichsten Gegner entwaffnen. Auch die enra- girtesten Verfassungstreuen müffln sich heute eivgcsteheu, daß Graf Alfred Potozkt nicht der Manu ist, der sich zu einer Politik der Staatsstreiche mißbrauchen läßt. Und mit dieser Erkentttniß kehrt auch das geschwun dene Vertrauen wieder zurück. Vor wenigen Wochen noch vcrvehmt und in den Bann gethan, ergänzt sich beute daS Cabinet Potozki aus den Reihen der deutschen VrrsassungSpartci. Derselbe Dr. v. Stremayr, welcher beim Scheiden des Ministeriums Hasncr durchaus nicht zu bewegen war, im Amte zu bleiben, übernimmt jetzt wieder das Portefeuille des CultuS und Unterrichts, ohne befüichtcn zu müssen, wegen dieses Schrittes po litisch discreditirt zu werden. So wechseln im Kreis lauf der Zeiten die Stimmungen der Menschen. Der Bann, mit welchem das Ministerium Potozki belegt war, ist gebrochen. Nun es unter seinen Mitgliedern neben dem verfassungstreuen Ritter v. Tschabuschnigg den ebenso verfassungstreuen vr. v. Stremayr zählt, wird kein politisch Heller Kopf eine antiliberalc, oder gar deutschfeindliche Action von diesem Ministerium erwarten können. Namentlich müßte Herr v. Stremayr seine ganze ehrenvolle Vergangenheit verläugnen, wenn er jetzt die Hoffnungen und Erwartungen seiner deutschen Landsleute täuschen würde. Stremayr bat als blut junger Mann im Jahre 1848 die politische Arena be treten und war immer und zu jeder Zeit im Lager der Freiheitskämpfer zu finden. Angefeindet und zurückge- setzt in der eisernen Reactionsperiodc der fünfziger Jahre hat ihm erst die Februarverfassung die Bahn zur Entfaltung seiner Fähigkeiten frei gemacht. Was er als Landcsausschuß in Steiermark geleistet, wird dort unver- glssen sortleben, und wir zweifeln nicht im Geringsten, daß die vielseitigen Fachkenntnisfe, die unermüdliche Arbeits kraft und die dialektische Gewandtheit auch dem Mi nister Stremayr zu Gute kommen und ihn über das Niveau deS Gewöhnlichen und Mittelmäßigen erheben werden. Zwar ist, wie wir wissen, die drückende Bürde eines Ministerportefeuilles diesem Manne nichts Neues. Als der Stern der „Bürgerminister" im Erbleichen war, trat Stremayr als Cultusministcr in das Cabinet Haf ner, um die Niederlagen und Mißerfolge desselben zu theiler. Es wäre auch ungerecht, den Werth und die Bedeutung des heutigen Cultus- und Unterrichtsmini- sters nach jenem Stremayr beurtheilen zu wollen, der un« er Hasner gar nicht dazu kam, etwas zu thun, und wenn er etwas that, entiprechend der Signatur der Periode, doch nichts Ganzes thun konnte. Heute sind dte Verhältnisse zwar auch nicht danach angethan, um rasch von einer That zur andern zu eilen; unsre in- nrrn Wirren und die ungelösten staatsrechtlichen Fra gen verwehren dics geradezu: allein in anderer Rich tung dürften jetzt die Talente Streu ayr's zur vollen Geltung kommen. Der neue Cultusministcr ist näm lich ein versöhnlicher Charakter, der es vorzicht, mit freundlichen Worten Erfolge zu erringen, und nicht durch brüskes Auftreten. Gewandt und geschmeidig im persönlichen Verkehre, sucht er seine Gegner durch die seinen Künste der Uebcrredung zu gewinnen. Stößt er auf rin Hinderniß, so wird er nicht Fanfare blasen lassen, um es mit stürmender Hand zu nehmen, sondern bemüht sein, auf dcm etwas langwierigern Wege der Güte und des herzgewinnenden Entgegenkommens sein Ziel zu erreichen. Angesichts der neuen Partcigrup- pirung, die als das Ergcbniß der Neuwahlen zu Tage treten wird, insbesondere angesichts des Anwachsens der Clericalen oder der Katholischconservatioen ist diese Charaktereigenschaft des Cultusmimsters von hoher Be deutung. Freilich werden die Heißsporne, welche die clericale Bewegung mit Feuer und Schwert niederhal ten wollen, nur wenig erbaut sein von einem milden und versöhnlich denkenden und hantelnden Culiusmini- ster, von einem Minister,,der wie Herr v. Stremayr gute Worte höher schätzt, als grobe Fäuste; gleichwohl erlauben wir uns, anderer Ansicht zu sein. Wer sich mit uns auf den Boden der Verfassung stellt, der ver dient auch gehört zu werden, und je geduldiger er ge hört wird, desto eher wird er Raison annchmen und nach eb n, wo er nachgcben muß. Wer anders handelt, der erhöht nur den Troy, steige,t den Widerstand und geräih tn die Gefahr — das Kind mit dem Bade zu verschütten!" — Die „Neue freie Presse" bezeich net dagegen die Aussichten, welche der vorstehende Ar tikel eröffnet, noch immer als „trostlos", doch sage der Artikel wohl nicht, was Dr. v. Stremayr will, sondern was die maßgebenden Männer von Dr. v. Stremayr wol» len. „Wir wissen nicht", sagt sie, „ob der neue Cul- tusmintstcr bei der Annahme deS Portefeuilles eine Nu- derkämpfung seiner Ueberzeugung nöthig gehabt hat. Räthselhast bleibt der Eintritt Stremayr's immer, und klarer ist dadurch die ministerielle Politik nicht gewor den." — Das „Neue Fremdenblatt" meint, eS liege auf der Hand, daß mit diesen Veränderungen daS Mi nisterium aus seinem Provisorium noch nicht hrrau»ge» treten sei; Elemcnte wie Pctrino und Stremayr könn ten wohl auf die Dauer nicht miteinander gehen. Und diese Ansicht theilt auch die (alte) „Presse", welche schreibt: „ Durch den Eintritt des Herrn v. Stremayr hat das Cabinct durchaus keinen andern Charakter er halten, umsomehr, als der neue Cultusministcr schon früher zur Genüge gezeigt hat, daß er neben einer ge wissen Dosts von Liberalismus auch ein große- Maß von Fügsamkeit besitzt. Von einer Modifikation de» Geistes, der in der Regierung herrscht, könnte nur dann dte Rede sein, wenn Hr. v. Stremayr in Gemeinschaft mit Parteigenossen eingetrelen wäre, so daß deren Rich tung die Majorität gewonnen hätte. Natürlich kann davon bet dem Verbleiben des Barons Pctrino nicht die Rede sein." Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" tritt zur Vertheidtgung der „Provinzial-Korrespondenz" wiederholt gegen die Nationalliberalen auf und weist besonders den Vorwurf der ,National-Zeitung", daß die „Prov.-Corresp." in ihrem vielgenannten Ar tikel zu Gunsten des preußischen Herrenhauses sich „Un gerechtigkeiten gegen dte nationalliberale Partei" habe zu Schulden kommen lasten, zurück, indem sic schreibt: „Die „Provinzial-Korrespondenz" hat sich nicht ge scheut, den Satz auszusprechen: „„Die großen Reform» aufgaden werden ungelöst bleiben, so lange nicht eine Mehrheit im Abgcordnetenhause vorhanden ist, welch« von dem ernsten Willen erfüllt ist, bei allen Resorm- arbeitrn nur das wirkliche Bedürfniß und die Wünsche der betheiligtcn Bevölkerung streng im Auge zu behal ten."" Die- ist allerdings eine harte Ungerechtigkeit für die Nationalliberalen als Regierungspartei. Denn die Nationalliberalen der „ National-Zeitung " wollen eine solche Partei ja gar nicht bilden. Sie wollen zwar in ihren Wählern, damit sie gewählt werden, im Allge meinen den Glauben erwecken, sie würden die Regie rung unterstützen, aber was sie unter dieser Unterstütz ung verstehen, haben ihre Anträge im Abgeordneten haus! und im Reichstage, durch welche sie dem Mini sterpräsidenten und dem Bundeskanzler stets neue Ver legenheiten zu bereiten suchten, satlsam gezeigt. Wor auf es ihnen ankommt, ist, sich „„den Anschluß an die übrigen liberalen Parteien"" offen zu erhalten." Tagesgeschichte. " Berlin, 5. Juli. Die heutige „N.A.Z." schreibt: Ueber die Justizreformen, wclche auf dem Gebiete des Nored.utjchen Bundes in Aussicht genommen wor den sind, hört man, daß cs noch nicht festgesetzt ist, ob die Reform des Civilprvcestes schon in der nächsten Ses sion vorgelegt werden wird. Es scheint nämlich die Ansicht mehr und mehr Geltung zu gewinnen, daß die weitern Reformen des Civilprvcestes, des Strafproces- scs und der Justizorgaifation erst in ihrem vollen Zu sammenhänge zur parlamentarischen Berathung zu brin gen seien. Die Reise nach Sachsen, von welcher der Präsident Dr. Friedberg zurückgekehrt ist, hing mit den Vorarbeiten für die Reform des Strafprocesse» zu sammen. Derselbe hat in verschiedenen Theilen Sachsens nähere Kenntniß von den dort in erfreulichster Wirk samkeit stehenden Schöffengerichten genommen. Die eh renvolle Aufnahme, welche dem Herrn Präsidenten Vr. Friedberg von Seiten des Königs Johann sowohl als Feuilleton. 8. Weimar, 30. Juni. Die interessanteste der soeben zu Ende gehenden außerordentlichen Vorstellungen war im Schauspiel jedenfalls dte der Goethe'schen „Stella", welcher die von Schiller übersetzten Sce- nen aus den „Phönizierinnen" des Euripides vorangtngen. Da dte Anwesenheit deS Kaisers von Ruß and mehrere Vorstellungen im Schloß Belvedere veranlaßte, so kamen einige der beabsichtigt gewesenen literarhistorisch bedeutsamen Aufführungen zum Wegfall und diej nige der „Sülla" (welche zum Vortheil der Goethestistung statifand) bildete den Schluß der Schau- spicloorstcllungen der diesmaligen Thcatersaison über haupt. ES war eine außerordentlich dankenSwerthe und nach der Sette der Darstellung, namcntlich des Ensembles und der Jnsccntrung höchst vortreffliche Aufführung. Seit der Zett Goethe's, welcher durch Hinzufügung des tragischen Schlusses den Versuch ge macht, sein Jugrndwrrk für die Bühne zu gewinnen und zu erhalten, ist die „Stella" wohl so ziemlich von allen Repertoire« verschwunden, au» den letzten Jahr- zehnden wenigsten- ist mir, dir Wiederaufnahme tn Weimar abgerechnet, von keiner Darstellung deS Stück» etwa» bekannt geworden. Die „Stella" gehört ohne Zweifel nicht zu den großen, gewaltigen, auch nicht zu den schönsten und harmonisch geschlossensten Dichtungen Goethe'-. Aber unter den Werken des Dichter sürsten, dte tu zweiter Linie genannt wcrdrn, nimmt sie nach meiner Empfindung ein besondere» Interesse in An spruch, weil sie unter den revolutionären Werken der Sturm- und Drangperiode da- leben-frischeste, da- pvni'ch wärmste und unmittelbar ergreifendste ist. Der Hauplzaubcr dcs ganzen Drama- liegt im lebendigen, reizvollen Detail, tn der Feinheit, mit welcher durch Einzelzüge die gespannten und stellenweise unmöglichen Situationen und Empfindungen dieses „Schauspiels für Liebende" scheinbar in, den Kreis der alltäglichen Rea lität gerückt werden. Goethe schrick das Stück in sei ner letzten Frankfurter Zeit, tn einer Periode, in der er durch eigne, vielfach verworrne, auf und abwogcnde Herzensempfindungen und Lebcnsverhältnissc in unruhi ger leid- und freudvoller Bewegung gehalten wurde und doch am harmlosen TageSgenuß seiner reichtstäd- tischen Umgebungen Antheil nahm, so gut cs eben gehen wollte. Da- Problem, welches durch beinahe alle Dichtungen der Sturm- und Drangperiode hin- durch geht, das Problem, wie die stürmischen Leivenschasten, die drängenden Herzensbedürfnisse der jüngern Genera tion mit der starren Ueberlieserunq in Einklang zu setzen seien, erfüllte auch Goethe. Seine Empfindung war stärker, heißer al- dicirgenveinkss.inerdichtertschenJugendgrnos- sen, sein Verständniß für jede Qual der glückbcbürftigcn Menschcnseelefeiner, innerlicher, als dase nesLenz,Klin ger oder gar Leopold Wagner uno Wczel. Aber sein un trüglich scharfer Blick für die sittlichen Bcdingungen eine» ganzen und vollen Daseins, sc in unbesiegbares Bedürfniß nach Wahrheit und Klarh'it j.der Mcntch^n- rxistenz unterschied ihn selbst in dieser P riode (ganz abgesehen von der G>öße dcs GestaltungStolentS und dem Rcichthume lyrischer Empfindung) von allen Denen, dte m«t ihm gemeinsam genannt wurden und dte er selbst ehrlich als „gute G srllen" seines Strebens an- sah. Lediglich mit der „St lla" schien er in ihre Bahnen etnzulenkcn. Denn der Grundmangel dieses Schau spiel- für Liebende ist eben der, daß der Held Fer nando in all' seiner leidenschaftlichen Empfindung der Welt gegenüber schwächlich erscheint. Nccht darin liegt daS Verletzende de» dramatischen Ausbaues, daß Fer nando'» Liebe zu Cäcilie erlischt, daß er für Stella glüht und sie zu gewinnen sucht, sondern daß er dem dabei nothwcndigen Conflict entrinnen will, Weib und Kind heimlich verläßt, Slella über seine Vergangenheit täuscht, dann im erwachenden Gefühl dieser Schuld sic mit einer neuen zu sühnen denkt und sich nach Jahren wiederum heimlich von Stella entfernt und die ver- rathene Gattin aufsucht. Das ist kein Held, der die Rechte deS Herzens der knöchernen Tradition gegenüber verträte, sondern bestenfalls ein Unglücklicher, der seiucr eigenen Empfindung nicht gewiß ist. Das ganze In teresse, das wir an der Dichtung nehmen, cvncentrirt sich sonach auf die beiten Fraucngestalten, die Leide von Fernando betrogen, vcrrathen sind und auf dem Zauber dcs Details. Dieser ist allerdings unsäglich grcß; wie krankhaft die Grundrmpfindung des Stückes sei, die Empfindung der einzelnen Gestalten ist ergrei fend ausgcdiückt, durch das ganze Diama, durch alle kleinen Einzelheiten weht der warme Hauch wirklich ge schauten und genossenln Lebens, ein Ltimmungsreich- tdum, cine übe, quellende Fülle, nicht gewaltig und fort- reißend wie im Werther, aber doch an Werther ge mahnend! Der Bruch, der zwischen der bedeutenden poetischen Intention und der verfehlt n dramatischen Anlage liegt, wird freilich dadurch n cht aufgehoben. In seiner ursprünglichen Bearbeitung endet das Drama mit einer Doppelehe, »incm Lieblingstroum der Stür mer und Dränger. Cäcilie ist es, die den Ungetreuen sür Beide, für sich wie für Stella zu retten sucht und mit der Auesicht auf taS gemeinsame Leben soll der Coi flict gelöst und abg schlossen sein. Sehr wodl dat Goeche in späterer Zeit gcfühlt, wie äußerlich dieser AuSgang, wie verletzend er für die sittliche Empfin dung crscheinen mußte. DaS bestimmte ihn, einen tra gischen Schluß hinzu zu dichten: Fernando erschießt sich. Schlimm nur, daß dieser tragische Schluß noch viel äußerlicher und kläglicher ist, daß der Hörer und Zu schauer ihm gegenüber kein tieferes Mitleid für den Helden zu fassen veimag und daß Fernando's Unter gang, wie das Stück angelegt ist, den Untergang der beiden Frauen bedingt und nach sich ziehen muß. So hat man ein Recht, die tragische Schluß- wendung als noch viel verletzender für dir Empfindung zu betrachten, wie die Rückdeutung auf die Sagenpoeste in der Geschichte dcs Grafen v. Gleichen, die im 18. Jahrhundert Leben und Wirklichkeit w.rden sollte! Und ich stehe nicht an zu sagcn, daß, wenn man „Stella" überhaupt ausführen will, wenn man uns die Empfin- dungswcise der Sturm- und Drangperiode tn leben diger Gestaltung cntgegcnbringt, daß man das Drama gcb.n muß, wie es eben ursprünglich gedacht, empfun den, ausg.führc wurde. Mit dem tragischen Schluffe steht die ganze Anlage, die ganze Fortführung der Dichtung in unlösbarem Widerspruche, der Darstellung wird das absolut Unmögliche aufirlegt. Der hiesige Darsteller d s Fernando (Hr. Barnay) versuchte mit großer psychvlogffcher Feinheit und Darstellungskunst den t agtschen Schluß rorzubereiten, aber die büftrre Fä bang, die cr zu diesem Zweck- seiner Rolle geben mc ßle, widersprach d m Colont des ganzen Drama». Es kann ja kaum vie R>de davon sein, „Stclla" völlig und stetig wü verkehrend unserm Repertoire einzuver- leiden, als dankenswerthe seltene Darbietung aber hätte man den Werch dieser Darbietung durch die Aufnahme des ursprünglichen Schlusses vervollständigen können. Denn die Bedenken, welche einer Aufführung de-Werk.» übcrhaupt entgegenstchen, werden durch den sogenannt tragischen Schluß nicht aufg<hoben, sondern höchsten» bei Seite geschoben, der Gehalt aber, den die Dichtung thatsächltch hat, wird durch die Annahme de» später« Schlusses entschieden beeinträchtigt.
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