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Dresdner Journal : 19.07.1872
- Erscheinungsdatum
- 1872-07-19
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187207191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18720719
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18720719
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1872
- Monat1872-07
- Tag1872-07-19
- Monat1872-07
- Jahr1872
- Titel
- Dresdner Journal : 19.07.1872
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I«s - I HUr 1K l Leicbs« kott- uo<t Klusslvs Uumworv: 1I8t«mp«l»rlivd1s^ lüimu. ^doRssmsmIsprsts« r ^Lbrliet»: . . . « HürF^^^^äsutsed« l»«r»to»pr«!8vr F»r äs» L»um «m« «e^rsltsu«» 2«il«: tH A«r- Vvtsr „Linzsiwät" äio 2«Us- » H^r. LrsedelLsor mit äor Kovv- aoä k'sisrt»^», ^dsväi kür äsu folxsaäsa 1'»^. Freitag, de« 19. Juli ! 1872. Dresdner Journal. Verantwortlicher Redacteur: I. G. Hartmann. lnsorstsa»»»»-»» «WWLrt»: Lstpsl»! Dn»Mi«t«tt«^, 6»mmi«ioQLr ä« l)r«äo«r ^omusls; «dsvä». r L ^'ott u. A Li» dmU->.rll»-Vi«-I,«1x^-8«»«I-Lr«»1»o-rr»L^kurt «. U.> Lka<u«n«t«i« L«rU»-VI,,»-L»wd<u^-rr»»N- tmt *. ».-«LLeLs». Luä. Lfo««, UorU»: F. D«te»»e^er, D.Fkd«ec/it, LrEso: L§Ä/ott«, Lr«^»,: T. Lta«v««'» Ltlrvau o K rrmärfurt ». U.! L ?>, ue a. «e O. ^s«»nnann'»cUs Lucläi, Daud« F 60., ?-»»: F-»-k»cV» LucUN ; 0L««mttr: H. l oi at, k^i,: DaraZ» L«ti»er <S 60., Vl.a: Fj. Oxprtit, kwtt»»rtr Da«-« F Oo. II «rsussssdsrr Xüoisl ür^eältion äs» Dresäasr /oanuN», vrasäe», Uargarstkev^s»»« 80. 1. Amtlicher Theil. Dretden, 17. Juli. Seine Majestät der «önia haben allrrgnädigst geruht, den Regierung-assessor bei der hiesigen KreiSdirection, von Harttmann, zum Regierungsrath zu ernennen. Nichtamtlicher TheU. Ueversi^t. Lelegraphische Nachrichten. ZeitusgSsckau. (Provinzial-Correspondeuz. — Times.) Lagesgeschichte. (Dresden. Berlin. BreSlau. Esten. K Hannover. München. Kaiserslautern. Prag. Pesth. L Versailles. Lyon. Bern. London. Stockholm. Kon stantinopel. Bukarest. Aden.) Ernennungen, Lersetznngev rc. im öffeutl. Dienste. Dresdner Nachrichtev. VrovinzialvachrichLev. (Freiberg. Meißen.) Statistik und Lülktwirrdschnft. Vermischtet. Feuilleton. Inserate. LageSkaleuder. vörseuuack- richte«. Teltyrnpijische Nachrichten. Lersuillet, Mittwoch, 17. Juli, Abend«. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Rational- Versammlung kam die Rachtragsforderung der Re gierung von 2M Millionen zur Balanciruug de« Budget« zur Berathuug. Der Berichterstatter der Budgetcommisston führte aus, daß 135 Millionen genügen würden, um das Gleichgewicht des Budgets herzustellen; Ersparnisse seien nothwendig. Thiers hält die Forderung von 200 Millionen als nothwendig aufrecht und beweist, daß der Credit der Franzosen zu erhöhen sei. 65 Millionen seien für das Budget des Kriegsministerium» ausgesetzt; er würde die Erhöhung selbst dieser Summe Vorschlägen, wenn die Finanzlage besser wäre. 87 Millionen votirte die Versammlung bereits auS neuen Steuern und die feh lenden 113 Millionen bringe nur die Rohstoffsteuer. Vicomte de Meaux will Ersparnisse, verlangt Vertagung der neuen Steuerberathung und tadelt ThierS, weil dieser Allianzen erschwere. Thiers macht dem Vorredner aus seinem Verlan gen wegen der Ersparnisse einen Vorwurf, da dieselben die Desorganisation des Heeres zur Folge hätten; die Regierung erhöhe die Ausgaben für die Armee, um Frankreich stark zu machen. Thiers wünscht, nur ernst hafte Männer möchten die Tribüne besteigen.... Lebhafte Protestrufe. Eine Stimme von der Rech ten fordert den Präsidenten Grövy auf, er solle Thiers zur Ordnung rufen. Thiers widerspricht und fordert die Rechte auf, einen Antrag auf motivirte Tagesordnung zu stellen, indem er hinzufügt, er (Thiers) werde nie mals eine leicht zu erreichende Popularität suchen, welche darin bestehe, das Land zu hintergehen und für seine Bedürfnisse blind zu sein. Niemals werde er vor der Vertrauensfrage »urückschrecken. Er sei bereit, die ungerechten Angriffe der Opposition zu beantworten, welche sich übrigens mehr auf die Po litik als auf die Finanzfrage bezögen. Schließlich macht Thiers die Kammer aufmerksam, wie gefährlich für da- Land die Möglichkeit eines Regierungswechsels sei. Er könne sich nicht ohne das Vertrauen der Versamm lung an den Credit Europas wenden, und so lange dieselbe nicht das Gegentheil ausgesprochen, werde er annrhmen, daß er ihr Vertrauen besitze. Lebhafter Beifall der Linken folgte diesen Worten und die Fortsetzung der Discusston wurde auf morgen vertagt. Brüssel, Mittwoch, 17. Juli. (W. T. B.) Der Strike in Borinage hat nunmehr bedeutende Di mensionen angenommen. Mehr als WMV Ar beiter find bei demselben betheiligt. Lon hier sind Gendarmen und von Mons Truppen dorthin ab gesandt, weil Rvhestörungen befürchtet werden. Dresden, 18. Juli. Die halbamtliche preußische „ Provinzial- Correspon- denz" bringt in ihrer neuesten Nummer einen sehr br- achtenswerthen Artikel unter der Aufschrift: „Eine warnende Stimme aus der katholischen Kirche." Die „Schlesische Volkszeitung", das Organ der schlesischen Katholiken, hat sich nämlich jüngst ehrlich und rückhaltlos dahin ausgesprochen, daß die bekannte Rede deS Papstes nur gegen daS deutsche Reich gedeutet wer den könne, und daß eben deshalb alle deutschen Katho liken, welche Freunde deS deutschen Reiches seien, sich über die Aeußerung des Papstes betrüben müßten. Eine Erklärung über ihr deshalb gemachte Vorwürfe schloß sie damit: man solle bedenken, daß der jetzige schwere Kampf mit Wahrheit und nur mit Wahrheit geführt werden könne, es sei nicht die Aufgabe eine- katholischen Blattes, die bestehenden Vorurtheile zu wiederholen und die bestehenden Leidenschaften noch mehr anzufachen, sondern erwägend, aufklärend, beruhigend und dadurch kräftigend zu wirken. In einem weitern Aufsätze am folgenden Tage ließ sich das katholische Blatt mahnend und warnend über „die Sprache des Urbermuths und der unbedingten Siegesgewißheit" ver nehmen, welche sich unter den Katholiken hören lasse. Hochmuth komme bekanntlich kurz vor dem Falle. „Manche, so schrieb das katholische Blatt weiter, glau ben noch gar nicht ernstlich an einen bevorstehenden Kampf, an einen ernsten Kampf. Bisher ist ja auch so gut wie nichts geschehen. Gedroht ist worden, aber geschehen nichts; wie wird es bei und unter uns aus sehen, wenn nun ernstlich etwas geschieht? Denke Jeder ernstlich an sich selber und an seinen Nackbar; wie werden wir uns halten, wenn bitterer Ernst gemacht werden wird? Und er wird gemacht werden." Auf die Schwächen der Position der Ultramontanen hinweisend, heißt es dann weiter: „Wie viele Katholiken giebt es, die keine Katholiken mehr sind? Wie viele, die es bi» jetzt sind, weil sie ohne schweren Nachtheil es sein durf ten, die aber anders reden werden in anderer Zeit? Auch wolle man sich erinnern, daß die Art und Weise, wie daS Dogma der päpstlichen Lehramtsunfehlbarkeit zu Stande gekommen, auch bei Vielen, die sich gläubig und ordnungsmäßig dem Ausspruche der Kirche unter worfen haben, einen Stachel zurückgelassen hat, und aus der Geschichte sollte man wissen, daß ein Stachel in deutschem Gcmüthe sich anders äußert, als in andern Gemüthern." Diese Aeußerungen in einem streng ka tholischen Blatte sind von so großer Bedeutung, daß die Aufregung, welche darüber in andern katholischen Organen hervvrtritt, leicht zu begreifen ist. Die „Ger mania" tröstete sich mit der Zuversicht, daß daS schle sische Schwesterblatt „bald wieder in sein richtiges Fahr wasser einlenken werde", und bezeugt damit auch ihrer seits, daß die „Schlesische Volkszeitung" bisher eine entschieden katholische und ultramontane Haltung br obachtet hatte. — Hierzu schreibt nun heute die „Pro vinzial- Correspondenz": „Je sicherer und un vermeidlicher die Unterwerfung des bischöflichen Blattes ist, um so bedeutsamer erscheint das augenblickliche Aufbäumen einer ernsten katholischen Urberzeugung. Keine nachträgliche Unterwerfung kann das Geständniß eine- in den katholischen Zuständen unzweifelhaft hei mischen Schriftstellers ungeschehen machen, daß daS Zu standekommen der päpstlichen Unfehlbarkeit einen Stachel felbst in den Herzen deutscher Katholiken, auch nachdem sie sich gläubig unterworfen haben, zurückgrlassen habe, — kein Widerruf wird die Wirkung des Zeugnisses abschwächen, daß nur täuschende Berichte nach Rom aehen und die Wiederherstellung guter Verhältnisse zwi schen Rom und Deutschland verhindern. Nicht minder bedeutsam ist das Anerkenntniß, daß bisher noch so gut wie Nichts gegen die Kirche geschehen sei, und daß der Staat noch nicht zum eigentlichen Angriffe übergegangen sei. Jrrthümlich freilich wird als Grund dafür ange geben, daß der Staat mit seinem Kriegsplane noch nicht fertig sei. Der wirkliche Grund ist vielmehr, daß die Regierung einen Kampf gegen die Kirche nicht gewollt und nicht gesucht und deshalb auch einen Kriegsplan von vornherein nicht entworfen hat. Die Regierung hat sich, wie aus allen ibren Aeußerungen und Schrit ten hervorgeht, in den ersten Stadien des Kampfes le diglich auf die Abwehr kirchlicher Uebergriffe beschränkt, ohne zum eigentlichen Angriffe gegen die Stellung der Kirche vorzugehen. Erst die neuesten Kundgebungen einer offenbaren Feindschaft der päpstlichen Curie gegen daS deutsche Reich haben die unbedingte Nothwendigkeit nahe gelegt, bei den weitern Schritten der Staatsge walt den liefern Zusammenhang der kirchlichen Angriffe inS Auge zu fassen und hiernach die Mittel des Kampfes zu bemessen. Mit Recht erinnert das katholische Blatt seine Glaubensgenossen daran, daß seilen der Regie rung nock bei Weitem nicht bitterer Ernst gemacht sei. Was geschehen kann und muß, wenn eS „bitterer Ernst" wird, darüber wird die Staatsregierung im Großen und Ganzen schon jetzt nicht mehr im Ungewissen sein, und die nächsten Sessionen des Landtag- und Reichstags werden darüber voraussichtlich schon einige Klarheit bringen. Die Regierung unsers Kaisers und Königs wünscht gewiß, treu den preußischen Ueberliefrrungen und in vollster Aufrichtigkeit, noch heute, daß es zum „bittern Ernst" nicht kommen möge; aber immer ge ringer wird leider die Hoffnung, daß die Stimmen, welche zur Mäßigung mahnen, selbst die Stimmen ernster und erprobter deutscher Katholiken, bis nach Rom dringen oder dort Gehör finden." Nicht uninteressant ist ein Artikel der „Times", in welchem das Londoner Cityblatt auf Grund der Verhandlungen der französischen Nationalversammlung die Finanzpolitik des Präsidenten Thiers geißelt, wobei e- auch über die Nationalversammlung seüst ei» für diese keineswegs schmeichelhaftes Uriheil abgiebt. „Herr Thiers — schreibt die „Times" — ist nie für die Gründe Anderer besonders empfänglich gewesen, und das Alter hat ihn jedenfalls noch ungeneigter gemacht, auf Das zu hören, was seine Opponenten sagen. Könnten die Jntereffen Frankreichs uns gleickgiltig sein, so könnte sein Entschluß, in der französischen Finanzpolitik seinen Kopf durchzusetzen, etwas Belusti gendes für uns haben. Soweit die Versailler Kammer überhaupt in Finanzsachen eine Meinung hat, ist sie Hrn. Thiers entgegengesetzt, aber das kümmert ihn wenig. Auch die Reclamationen der Handelskammern der großen Seestädte rühren ihn nicht. Alle Commis sionen sprachen sich dahin aus, daß seine Voranschläge illusorisch, seine Taxen verderblich sind, aber er besteht auf seinem Kopf, als ob in diesem alle Weisheit con- centrirt sei. Freilich ist es r och fraglich, ob er blos durch die Kraft seiner Hartnäckigkeit zum Ziel kommen wird. Die Vertagung der Kammer steht nahe bevor, die Bedingungen der neuen Anleihe müssen vorher fest- gestellt werden, denkbar daher, daß die Kammer, durch monatelangen Zank mürbe gemacht, in einer Anwand lung von Ungeduld sich Hrn. Thiers fügt. Geschieht das wirklich, so sinkt unsre Meinung von der National versammlung, die niemals groß war, in die tiefste Tiefe. Thiers wird dann nicht durch seine eigne Stärke, son dern durch die Schwäche der Menschen, mit denen er zu thun hat, gesiegt haben. Die Elemente des langen Streites sind heute noch dieselben wie vor sechs Mo naten. Thiers verlangt 200 Millionen Franc- Mehr- einkünfte und will die eine Hälfte davon durch Roh- stoffsteurrn aufgebracht wissen. Und warum braucht er diese 200 Millionen? Um den TilgungSfond zu er halten! Frankreich macht eine neue Anleihe von 3K Milliarden, und Thiers verlangt ihr gegenüber, um den Credit Frankreichs aufrecht zu erhalten, einen jähr lichen TilgungSfond von 200 Millionen. Giebt es dmn gar kein Bankiersyndikat in Frankreich oder an derswo, das ihm klar macht, wie durch solche Mittel der Credit einer Nation nicht aufrecht erhalten wird? Die unvermeidlichen Ausgaben Frankreichs werden sich von jetzt ab jährlich auf 22 Milliarden belaufen, und es ist maßlos unpolitisch, dieser Ziffer 200 Millionen hinzuzufügen, gleichviel wie sie aufgebracht werden, nur um einen Tilgungsfond zu etabliren. Die Steuerzahler haben schon Lasten genug, es ist nicht nöthig, ihnen neue aufzuerlegen. Der Credit Frankreichs wird durch keine Zweifel über die Fähigkeit deS französischen Volkes asficirt, jeder Anforderung an seine Hilfsmittel zu entsprecken. Die wirkliche Schwierigkeit ist politischer Natur. Nie mand kann sagen, wie die Lage der Nation in 6 oder 12 Monaten beschaffen sein wird. Thier'-Lebenskraft ist nicht unerschöpflich und die bestehende Kammer bat bekanntlich durchaus keinen Ueberfluß an Weisheit. Die auswärtigen Capitalistrn wollen Vertrauen haben und dies wird nur erlangt und erhalten, wenn man ihnen den Anblick eines thätigen, industriellen Volkes ge währt, das sich darein findet, das Unvermeidliche zu tragen. Je weniger Taxen, desto besser. Stoßt der Bourgoiste nicht vor den Kopf dadurch, daß ihr der selben neue Steuerschrauben in Aussicht stellt; regt das Proletariat nicht auf dadurch, daß ihr der In dustrie noch schwerere Ketten auferlegt. Die Republik braucht Frieden, Ordnung und ein gegenseitiges Wohl wollen ihrer Bürger. Die Schwierigkeiten, die dem entgegen stehen, sind schon hinlänglich furchtbar. DaS Feuer des Bürgerkrieges erlischt nicht in einem Tage. Noch ist der innere Friede durchaus nicht gesichert. Wenn die Regierung überall die Feier der Einnahme der Bastille verbietet, so beweist sie damit, daß sie sich noch auf einem Vulcan glaubt. Herr Thiers manövrirt mit großem Geschick zwischen feindlichen Streitkräften, aber er ist für Argumente unzugänglich und er spricht nicht rin Wort, das nicht die klemlickstrn Ansichten über alle innere und äußere Politik verriethe. Wenden wir uns zur Nationalversammlung, so finden wir eine Masse von Volksvertretern, die »hre Zeit mit nicht» Anderm hinbringen, als Phrasen zu machen und sich Schmähungen an den Kopf zu werfen. Politische In teressen werden Zänkereien über Namen geopfert. Die Linke, welche die klügste Fraktion sein will, votirte im Frühjahr regelmäßig gegen Thiers' Finanzprojecte, weil er damals ein Reactionär genannt wurde; jetzt stimmt sie ebenso tapfer für ihn, weil er den gereckten Re publikaner spielt. Thiers ist durchaus kein Anderer, als er im Frühjahre war, aber das eine Wort „Re publik" reicht hin, aus Gegnern Freunde zu machen. Die beste Hoffnung ist noch, daß zwischen Thiers, der Rechten und der Linken der Status qno erhalten bleibt, da Keiner seine eigene Politik durckführen kann. So mag denn das Volk selbst endlich sein Gleichgewicht finden und, wenn die Komödianten auf dem Versailler Theater nichts Schlimmeres thun können, als reden und gesticuliren, nach und nach in Frieden gedeihen." Dresden, 18. Juli. Heute Mittag ist die zur Be gutachtung des Schulgesrtzentwurfs von der l.Kam mer gewählte außerordentliche Deputation, von ihrem Präsidenten, Herrn Kammerherrn v. Erdmanns- dvrff, einberufen, zu einer Sitzung zusammengetreten, um die Hauptgrunbsätze des Entwurfs zu erörtern uud ihren Referenten zu bestellen. Voraussichtlich wird die Deputation jetzt nur wenige Sitzungen halten. Ihre Mitglieder sind bekanntlich außer Herrn Kammerherrn v. Erdmannsdorff dir Herren: Superintendent vr. Feuilleton. (Redigirt von Otto Vanck.) K. Hoftheater. 17. Juli: „Ein Jagdaben teuer". Poffe in 2 Acten von Friedrich Kaiser (zum ersten Male). „Das Gespenst ln der Küche" von Günther. (Hr. Knaack als Gast.) Das neue Stück geht mit bitterm Ernst an- dem heitern Gebiete der Posse bis zur Grenze des Gewalt samen, auS welchem sich das Criminelle entwickelt und uns der Anlauf zum kläglichen Misere drohend rnt- aeyenschaut. Der verläugnete Sohn eines Grafen wurde bei armen Bauersleuten erzogen und hat den Förster durch einen Schuß tödtlich getroffen. Der Delinquent ist der Justiz verfallen, man fahndet auf ihn, sein un natürlicher oder vielmehr sogenannter „natürlicher" Vater will ihn retten, seine Liebste, ein Landmädchen, bei der er einsprtcht, auch; in ihrem Hause veranstaltet es der Witz der Fabel, daß ein Unschuldiger statt seiner verhaftet wird. Und nun folgt die beruhigende Limo nade der Aufklärungen: Franz hat gar nicht dm Förster treffen wollen, sondern dessen Hund; er hat auch den Förster gar nicht tödtlich getroffen, sondern nur ge streift, „angesengt", wie sich jener General auSdrückte, wenn ein Dorf bloS so weit niedergebrannt wird, daß Kirche und Wirth-hau- stehen bleibm; Franz ist auch gar nicht deS Grafen Sohn, sondern ein Bauerbursche, und hat al- solcher jetzt den Vottheil, seine Lori hrt- rathen zu dürfen, während der echte Knabe von der Frau Gräfin heimlich in der Stadt erzogen ist und be reit- al- eleganter Jurist und Geschäftsführer beim Grafen weilt. Und dieser hat nun auch dm Vortheil, dm Sohn rührend wiedrrrrkrnnrn und ohne Hvrreur legitimiren zu dürfen. Zwischen diesem Gerüst der Handlung, da- wir rin schlecht präparirteS Skelett in allen Gelenken klappert, spielen sich burleske Poffenscenen ab, und die komische Figur, der Gerichtsschreiber Pommer, hat sowohl seine Gerichtspflege als den wohlfeilen Humor seiner Be trunkenheit und Quaselei aus Kleist's „Zerbrochenem Krug" geerbt und auch mit dem Ortsrichter in „Viel Lärm um nichts" Brüderschaft getrunken. Mit allen möglichen Fetzen behangen, die man als ganzen Rock schon irgendwo gekannt hat, bewegt er sich im Bettler- costüm der Nachahmung. Dem Gaste fiel die Aufgabe dieser Rolle zu und er lüste sie mit der so oft gerühmten Bravour seiner derbgezeichneten Komik. Der Apparat von Hm. Knaack's MaSke und von seinm gesammten theatralischen Hilfs mitteln ist ein sehr ausgedehnter, aber doch nicht größer, als seine überraschende natürliche Mimik und die scharf ausgeprägte Geberdensprache all' seiner Gliederbewegun- grn. Dazu gesellt sich der Effect höchst drolliger Ton- Modulationen und Ueberschläge der Stimme imSprechen, im Lacken, überhaupt bei den plötzlichen Contrasten der Stimmung. Es kann für das possenhafte Genre die Technik nicht rapider ausgebildet werden. Beweis dessen war wieder die Rolle des Lehrjungen in dem repetirten „Gespenst in der Küche" und zwar wesent lich auch für den Coupletgesang mit der Filigranarbeit launiger Schnörkel und krauser Arabesken. „Das Jagdabrnteuer" wurde sorgsam dargrstellt und waren dabei besonder- Frau Wolff und die Herren Koberstein, Hagen, Marchion und Kramer (al- Lori, Franz, Han-, Pillnrr und Ruprecht) be- schäme Bet den genannten Stücken, denen sich in lthtt: Zeit etue beträchtliche Zahl von gleichartig tiefem ästhe tischen und ethischen Niveau anreihtr, kann von einer Wahrung d«S edlem Geschmackes nicht wohl die Rede sein. Es ist aber nicht minder eine sittliche als künst lerische Aufgabe, Sorge zu tragen, daß in Bezug auf da- Repertoire die Regie des Hoftheaters nicht mit den zweiten Theatem zu grmüthlich in demselben trivialen Stoffe arbeite. Es könnte solche Concurrenz nur für einen beider Theile etwas Schmeichelhaftes haben, wäh rend sie an unsrer Hauptbühne den schönen, ideal clas- sischen Nimbus des „saus comparaisou" zerstören würde. Diese gerechte Fordemng wolle man keines wegs mit dem utopischen Wunsche nach lauter hochge stimmten Dichterwerken verwechseln. Otto Banck. Ausstellung zum Besten des Llbertvereius. An den Samariterdienst unsrer Zeit nimmt auch die Kunstwrlt einen regen Antheil, wie verschiedene, im Laufe d«S letzten Jahres zum Besten milder Zwecke hier veranstaltete Ausstellungen bekundeten. Gegenwärtig wieder hat ein in Dresden lebender Künstler, Frhr. Karl Hundt v. Hassten, eine öffentliche Ausstel lung von einigcn seiner Werke zum Besten deS Albert vereins im Meinhold'schen Saale (Moritzstraße 15) ver anstaltet; auf welch« Ausstellung hinzuweisen wir, schon de- schönen Zweckes wegen, nicht Unterlasten wol len. Der Aussteller ist al» talentvoller, fleißiger Künst ler in hiesigen Blättern schon öfters anerkennend er wähnt worden und auch die gegenwärtig ausgestellten Arbeiten geben von diesen Eigenschaften erfreuliche- Zeugntß. Ein besonderes Interesse erhält die Aus stellung durch die SpecialitLt deS Künstler-, durch dir Marinemalerei, welcher die Darstellungen angehörrn, ein Fach, da- bei unS, wie überhaupt in Binnenländern, fast gar nicht cultivirt zu werden pflegt und daher höchst selten nur auf unsem Ausstellungen sich vertreten findet. Die exponirten Arbeiten bestehen in zwei gro ßen Orlgemäldrn und in drei ebenso großen, in Kohle vorgetragenen Cartons. Mit lebendiger Farbenwirkung ist ein treibendes Wrau gemalt. Unheimlich beleuchtet der aufgebende Mond die von den Wellen im wilden Spiele herumgeworfene Schiffsleiche. Das andere Ge mälde giebt eine südliche Felsenküste wieder, deren ro mantischer Charakter an das Gestade von Genua mahnt. Von den Cattons sodann schildert der eine die nor dische Frlsenküste; während die beiden andem pittoreske Landschaftsbilder aus Istrien und Dalmatien bieten. Auf den schmalen, von der Adria und steil empor steigenden Bergzügen umsäumten Gestaden ragen, zwischen Oleander- und Piniengebüschcn, überall alters graue Trümmer hervor, welche von der einstigen Cultur dieser Küstenstriche zeugen. Die effektvoll vorgetragenen Bilder werden durch ihre interessanten Motiv« nicht verfehlen, das Empfinden der Beschauer anzuregen. Möge der Ausstellungszweck durch eine warme Thril- nahme des Publicums die wünschenSwerthe Förderung finden. C. Malerei. Im Anschluß an unsere Kunstausstel- lung sei darauf hingewiesen, daß gleichzeitig auch im Berliner Kunstvereinslocal vom Grafen Harr ach eia Bild ausgestellt ist, wie man schreibt, ein wunderbare», hochpoetische» Gemälde, ein neues Zeugniß der seltenen Begabung diese» Meister»: In stürmender See nach furchtbarer Nacht, da „zum Wahnsinn gepeitscht, die heulende Fluth sich cmporbäumt in die schwingend« Bahn d«r G«stirne", ein erster Sonnenblick durch zerrissene Wolken und, ob blend«nd beleuchtet und dennoch geister haft, am Felsen gestrandet ein mythisches Schiff, Mast und S«gel über Bord, Flagge im Wind und darauf hingestreckt, unter seinem Schilde, leble», ein königlicher Grrt». Ueb«r dem Gallion flattert dir Mtve, die Woge donnert gegen das Wrack, noch eine kurze Frist, die
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