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Dresdner Journal : 11.06.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-06-11
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188006115
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18800611
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18800611
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1880
- Monat1880-06
- Tag1880-06-11
- Monat1880-06
- Jahr1880
- Titel
- Dresdner Journal : 11.06.1880
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l- äe. 6-o^d« ^b k»i«l>« tritt?o«t- ua» jsjLbrliod: 4N»rIl bv?k. gtsmpotrnvctULg biium. L»L»e1oe l^ULUu«ro: l0kt I»^r»te»pi-el»«r <1»o k»cuo «ia»r x«p»tt»i>«» kstit»silv LV ?k. vntsr „Lu»8«»»iu1t" clis 2«11s bv kt. kr»ek«l»«»r l^liod mit Ximmdkm« äer 8oon- uvä keiertL^e XtEocl-- für äro sol^enä«» ^»8 DreMerÄonriml. Verantwortliche Redactton: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. loskrLtenLnaLkmc- »»«i^Srlx l,«tx»t8 iV»nnii>^o»üi ctv» l>re«iut-i ^uucu-.i»; S»wdur8-N«rliL Vi«o l-iipiix V»,«I - L5«»I»u^»LQilkust ». H : Aua«en«tei» L LoriinVl-ll-SLmkLi-x ?r»8 ^priss ». It »üncti«»! /t«ct .Uv»Le, SsrU»: §H»»ct. /»»i aiccte-i-iant, Lremsr»: L Schotte, Sr«,I»u i F-L'tunAen'« Lüreccu; 0d«mLtt,: ^MAt; krlmkkurt » n.: F </a«Aer'«etle u. t7. ^/eT^mann- «odv Itnctiii:m<1Inii8; vörMi: t». Siumov«r: /. k»rti S«rlio-kr»Lllkurt ». >l Start^^rt: Da«be oc SLmdar^: F ^teuctA^», ulci UvrLUsxvber: icSoiel Lxpeciitloo 6e« itresäoer ^oarvLt«, Drt-->6«o, Xviv8er»tru8!<« tlo. ro. Amtlicher Theil. Se. Majestät der König hat zu genehmigen aller- gnädigst geruht, daß der Inhaber der Firma: „Zeller u. Otto Nachfolger" Hugo Eonrad Reinhold zu Dresden das von Sr. Hoheit dem Herzoge zu Sachsen- Coburg und Gotha ihm verliehene Prädicat als Her zoglicher Hofschneider annehme und führe. Nichtamtlicher Theil. Uebersicht. Telegraphisch« Nachrichten. Zeituvgsschau. (Presse. Neue freie Presse. Wiener Allgemeine Zeitung Extrablatt Bohemia.) Tagetgeschichte. (Berlin. Prag. Rom. St. Petersburg. Skutari. Athen. New-Jork. Washington.) Ernennungen, Lersetzungen rc. im öffrntl. Dienste. Dresdner Nachrichten. Proviuzialuachrichten. (Leipzig. Neusalza. Pulsnitz.) LermischteS. Statistik und LolkSwirthschast. Feuilleton. Börseunachrichtrn. LageSkalender. Telegraphische Witterungsberichte. Inserate. Feuilleton. Rrdiqirt von Ott» Bauet. Telegraphische Uachrichten. Buda-Ptst, Mittwoch, 9. Juni, Nachmittags. (Corr.-Bur^ Die Deputirteutafel hat heute die Vor lage betreffs der Buda-Pest-Semliner Bahn mit überwiegender Majorität angenommen. Paris, Mittwoch, S.Juui, AbendS. (W. T.B^ Heute hat an der belgischen Grenze ein Duell zwische« de« Nedacteur deS „Mot d'Ordre", Le- pelletier, uud dem früher« Redacteur deS „Gau- lotS", Lejeune - Bilar, stattgefuvden, in welchem Letzterer zwei Mal, am Lorderar» und in der Nähe der Schulter, verwundet wurde. Loudo«, Donnerstag, 1V. Juni. (Tel. d. DreSdn. Journ.) DaS Colonialamt publicirt ein Blaubuch über Südafrika Dasselbe enthält ein« Depesche deS Staatssekretärs für die Colonien, deS Earl Kimberley, vermittelst welcher die Cap regierung instruirt wird, jedwede «eitere Aus dehnung der britischen Herrschaft unter dem Bor wand« von L«rwickklung«n zwischen den Colonisten und den eingeborenen Stämmen zu vermeiden, freundliche Beziehungen zu den unabhängigen Stämmen aufrecht zu erhalten und dir Einmischung in deren Angrlegenhtitrn zu vermeiden, ausgenom men wenn «S sich nm die Erhaltung deS Frieden» an den Grenzen handle. Die „LimeS" erblicken in dem Ministerwechsel in Konstantinopel den Beweis dafür, daß der Sultan den Druck der Mission deS interimistischen englischen Botschafters bei der Pforte, Göschen, empfinde und bestrebt sei, der europäischen Meinung wenigstens augenscheinlich Rechnung zu tragen. Christiani», Mittwoch, v. Juni, AbendS. (W. T. B.) DaS Storthing beendigte heute Abend 11 Uhr die Verhandlungen, betreffend die StaatS- rathSfrage, und nahm mit 74 gegen 4V Stimmen den Antrag deS Präsidenten Sverdrup an, dahin grhevd, der Regierung mitzutheileu, daß der Be schluß deS StorthiagS vom 13. März e„ betreffend die Lheilvahme der StaatSräthe an den Lerhand- luoge» deS StorthingS, eine grundgesetzliche Br- Literatur. Eine Mormonin, eine MrS. Sten house, hat jetzt bei Sampson Low L Comp. in London ein Buch über ihre Erfahrungen in der Salzseestadt herauSgegeben. („An LoglisttvomLn in lltub; an Tntobiogr»pd^". ö/ dir». T. ö. 8. Ltsnttous«. Ix>n6on, 1880, Lampaon Loci 6o.) Die Urtheile darin sind für die Cultur- und Sittengeschichte der Zeit von vielem Werth; denn ein freies unbefangene» Wort au» dem eigenen Lager unterscheidet sich wesent lich von den Ansichten, welche von draußenstehenden Uneingeweihten ausgesprochen wurden, die diese- Lager nur flüchtig besuchten. Die Verfasserin war mit einem Mormonen vermählt und hat alle Annehmlichkeiten und Bitternisse de» Mormonenthums kennen gelernt. Daß sie darüber weder pro noch contra ihre gesunde Unbefangenheit verlor, wird aus den wenigen Mitthei- lungen hervorgehev, die wir hier nach einer Ueber- tragung der „W. Abdp." folgen lasten wollen. Während ibreS Aufenthaltes zu Southampton war MrS. Stenhouse bei einem Meeting anwesend, bei dem »td« gitt ok tb« tongus," zur Erscheinung kam Diese Gabe offenbarte sich gan» ander», al» sie er wartet hatte, und e» bewies sich ihr, daß «in Mor mone ganz wohl mit „der feurigen Zunge" begabt fein könne, ohne darum der Mühe überhoben zu sein, fremde Sprachen wie jeder andere Sterbliche erlernen zu wüsten. Sie schildert die Scene, wie folgt: „Rach de« Gebete und den GesangSnummerv, und stimmung für daS Königreich Norwegen sei, ob wohl der König die Sanctionirung dieses Be schlusses verweigert habe. St. Petersburg, Donnerstag, 10. Juni. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Durch Befehl deS Kaisers wird im Amurgebiet ein neuer Militärgouverneur, posten errichtet. Der Sitz deS neuen Gouverneurs wird Chakarowka, wohin der Stab der dortigen Truppen, die Administration und daS KreiSgerlcht auS Nikolajewsk verlegt werden. Konstantinopel, Mittwoch, 9. Juni, AbendS. (W.T. B.) Der Handelsminister Kadri Pascha ist zum Premierminister unter Beibehaltung deS Porte feuilles deS Handelsministeriums und Abeddin Pascha zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernannt worden. Die übrigen Minister verbleiben auf ihren Posten. Ein kaiserl. Hat an den Premierminister und an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten be fiehlt, mit Ausführung der Reformen in kurzer Krist zu beginnen und die guten Beziehungen zu den Großmächten unter Wahrung der SouveränetätS- rechte der Pforte aufrecht zu erhalten. Athen, Mittwoch, 9. Juni. Mittags. (Corr.- Bur.) Wie verlautet, hat sich die griechische Re gierung an daS französische Cabinct mit dem Er suchen gewendet, derselben eine Anzahl höherer französischer Offiziere behufs Reorganisirung der Armee zur Verfügung zu stellen. Athen, Mittwoch, 9.Juni, Nachmittags. (W. T. B.) Der am 16. d. M. in Berlin beginnenden Conferenz in der griechischen Krage werden für die Ausführung der griechischen Grenzfeststellung 6 Vorschläge vorliegen. Außer der von dem Congresse seiner Zeit proto kollarisch aufgestellten allgemeinen Grenzberichtigung sind im Laufe der bisherigen Verhandlungen türkischer- seits zwei Vorschläge für die Grenzregulirung gemacht worden, ebenfalls zwei von Griechenland und endlich ist einer französischerseits von dem früheren Minister Waddington aufgestellt worden. Die Conferenz wird auf Grund dieser Vorschläge zu berathen und sich in einer Feststellung zu vereinigen haben, während die locale Fixirung der Grenzen der Wirksamkeit einer den Beschluß der Conferenz ausführenden Commission, die sich an Ort und Stelle bezieht, aufgetragen wird. New-York, Mittwoch, 9. Juni, AbendS. (W. T. B.) JameS A. Garfield hat die Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten angenommen. Dem Vernehmen nach ist die Ernennung Garfield'S da durch ermöglicht worden, daß Blaine und Sher man, nachdem sie von ihren Freunden in Chicago davon verständigt waren, daß weder der Eine, noch der Andere Aussicht auf Ernennung hätte, be schlossen, alle bisher auf sie entfallenen Stimmen bei der neuen Abstimmung zu Gunsten Garfield'S abgeben zu lassen. Chicago, Mittwoch, 9. Juni, Morgens. (Tel. d. Wien. Allg. Ztg.) Nachdem 35 Ballotagen er folglos geblieben waren, entschieden Blaine» Delegirte sich für Garfield, welcher alS Präsident nominirt wurde. Chester Arthur, ehemals Collector- of-CustomS (Zolleinnehmer) in New-Dort, wurde alS Bicepräfident nach dem ersten Ballot nominirt. BuenoS-AireS, Mittwoch, 9. Juni. (Corr.- Bur.) Zwischen der Nationalregierung und der Proviuzialregierung besteht ein ernster Conflict, weil letztere den von der erstern unterstützten Präsidentschaftskandidaten bekämpft; doch ist noch Hoffnung auf eine friedliche Lösung. Der Präsi dent der argentinischen Republik decretirte die Schließung deS HafenS von Buenos-Aires. Dresden, 10. Juni. Die Wiener Blätter sind überfüllt mit erschöpfen den telegraphischen Berichten aus den Landtagen der österreichischen Monarchie. Die erste Sitzung der Landtage hat einen zumeist geschäftsmäßigen Ver laus genommen. Die Eröffnungsreden der Landes hauptleute verrathen, so weit sie vorliegen, das Be streben, der großen politischen Tagesfrage so lange al- möglich aus dem Wege zu gehen und die in den Ge- müthern schlummernden Stürme nicht vorzeitig zu wecken. Alle betonen die Dringlichkeit und Wichtigkeit der den Landtagen unterbreiteten sachlichen Vorlagen; selbst in Prag, wo die Frage der Wahlordnung den Landtag jeden Augenblick aus dem Gleise der ge schäftlichen Wirksamkeit schleudern kann, scheint der Oberstlandmarschall Fürst Carlos Auersperg mit Bedacht diese dornige Parteifrage übergangen zu haben. Nur be züglich der Landtage in Salzburg und in Laibach wäre hervorzuheben, daß die slowenische Minorität in Krain unter „Rechtsverwahrung" an den Sitzungen Theil zu nehmen beschlossen hat, wogegen die deutsch liberale Minorität der erstgenannten Vertretung sich absentirt, so lange nicht der LandeShauptmannstcll- vertreter ernannt sein wird. Dieser letztere Vor behalt hat nur geringe Tragweite. Es handelt sich blos um ein formelles Gebrechen, das jeden Augen blick fanirt werden kann. Im Prager Landtage con- centiirt sich die ganze Aufmerksamkeit auf die bereits bekannt gewordene Regierungsvorlage, betreffend die Reform der böhmischen Landtagswahlordnung (deren wesentlichen Inhalt wir unter „Tagesgeschichte" in einem Schreiben unserS Prager Correspondenten mit- theilen). Diesbezüglich ist feiten der tschechischen Presse der Wunsch laut geworden, es möchten zwischen der Majorität und der Minorität neue Ausgleichsverhand lungen angebahnt werden. Die Majorität, sofern aus der Haltung der deutsch-liberalen Journale gefolgert werden kann, scheint jedoch keineswegs geneigt, den Tschechen entgegen zu kommen. In verfassungstreuen Kreisen wird behauptet, die Regierung selbst verhehle sich nicht, daß die Ablehnung der Vorlage zweifellos sei. Die (alte) „Presse" schreibt: „In Prag herrscht Ruhe! So lautet das Landtagsbulletin aus der böhmischen Landeshauptstadt, auf die sich Aller Augen erwartungsvoll richten. Die Ereignisse in Prag werden der diesjährigen Landtagssession die Signatur geben, und darum sah man mit Spannung den Nachrichten entgegen, die der elektrische Drath über die Eröffnungssitzung aus Prag brachte. Dort ging es aber ganz still und geschäftsmäßig zu — keine Demonstration im Landhause und nicht ein Mal vor demselben, während es an einer solchen die Heranwach senden Glieder der tschechischen Nation ehedem nicht fehlen ließen. Es wäre aber Täuschung, wollte man annehmen, daß Alles so ruhig und sriedlich bleiben werde, wie heute. Die Deutschen sind entschlossen, die Sprachenverordnung zum Gegenstände einer Kund gebung zu machen. In welcher Form dieselbe erfolgen wird, darüber soll erst Beschluß gefaßt werden. Die Erlassung einer Adresse an den Kaiser wurde angeregt, der Vorschlag findet jedoch nur geringen Anklang; wahrscheinlich wird eine Resolution beantragt und an genommen werden. Selbstverständlich werden die Tschechen der Demonstration entgegentrelen, womit der Kamps der Parteien von Neuem beginnen wird. Das Schicksal der Regierungsvorlage wegen Abänderung der böhmischen Landtagswahlordnung scheint im Vor hinein besiegelt zu sein; sie dürfte im Plenum gar nicht zur Verhandlung zugelassen werden. Eia her vorragendes Mitglied der Versassungspartei hat die charakteristische Aeußerung fallen lassen, daß er die Vorlage ungesehen ablehne. Damit ist Alles gesagt. Die Deutschen, noch immer in tiefer Verbitterung über die letzten Vorgänge im Reichsrathe, wollen jetzt von einer Landtagswahlreform in Böhmen nichts wissen. Ueber diese Klippe läßt sich nicht hinwegkommen und an ihr wird im gegenwärtigen Augenblicke jeder Verstän digungsversuch scheitern. So lange sich die Erregung der Gemüther nicht gelegt hat, ist jede Bemühung zur Herstellung des nationalen Friedens fruchtlos . . . . Soweit schon jetzt ein Urtheil über die praktischen Con sequenzen, zu welchen der Wahlresormentwurf der Re gierung führen soll, möglich ist, kann dasselbe nur dahin lauten, daß seine Annahme eine Verschiebung deS Stimmenverhältnisses in der Weise zur Folge hätte, daß die beiden Parteien sich künftighin die Wage halten würden, fo daß die jeweilige Majorität nur wenige Stimmen betragen würde." — Dagegen faßt die „Neue freie Presse" ihr Urthcil in folgende Sätze zusammen: „Würde dieser Entwurf Gesetz, so wäre den Tschechen, wie auf den ersten Blick klar ist, für alle Zeiten die Majorität im Großgrundbesitze und damit im böhmischen Landtage gesichert. Dies ist auch der unverkennbare Zweck der Vorlage. Der Einwand, der bisher gegen den Wahlmodus im Großgrundbesitze von den Tschechen gemacht wurde, daß nämlich die Majorität Einer Stimme über eine große Anzahl von Candidaten entscheiden könne, ist durch den Entwurf nicht entkräftet; denn in der ersten Curie, welche nahezu die Hälfte aller Mandate vergiebt, entscheidet die Eine Stimme nach wie vor: freilich ist dort der „historische Adel" in so sicherer Majorität, daß die „Eine Stimme" immer den Tschechen zu Gute kommen muß. Aber auch die 5 Wahlkreise sind so abgegrenzt, daß in 3 derselben den Tschechen die Majorität nahezu sicher ist. Von der Gerechtigkeit und Billigkeit, über die seit Jahren so viel declamirt wird, ist in der Vorlage keine Spur zu entdecken. Sie gleicht dem Messer, das m Japan den in Unenade gefallenen Mandarinen ge schickt wird, daß sie damit sich selbst den Bauch auf schlitzen." — In maßvollerem Tone, wenn auch in Bezug auf die Consequenzen der Vorlage mit der An sicht der „N. fr. Pr." übereinstimmend, äußert sich die „Wiener Allgemeine Zeitung", indem sie sagt: „ Die „ „ vernewerte" " Landtagswahlordnung istjjedenfallS ein sehr complicirtes legislatorisches Operat. Es ist nicht leicht, auf den ersten Blick das ganze Räderwerk zu überblicken und zu zeigen, wie Eines in das Andere einareift, um den Zweck der ganzen Maschine zu er füllen, nämlich durch Vermehrung der feudalen Ver treter den Tschechen die Majorität im böhmischen Landtage zu sichern. Bisher hat nämlich der Groß grundbesitz über die Physiognomie der böhmischen Landesstube entschieden. Der Entwurf der Regierung verfolgt nun den Zweck, der feudalen Partei deS böh mischen Großgrundbesitzes eine bestimmte, ein für alle Mal fixe Zahl von Abgeordneten zu sichern. Dies soll dadurch erreicht werden, daß alle Großgrundbe sitzer, welche über 10000 Fl. Steuer zahlen, zu einem Wahlkörper vereinigt werden. In diesem Wahlkörper ist dann der seudale Hochadel Böhmens ganz unter sich, uno der Regierungsentwurf gewährt ihm sofort 32 Stimmen. Das ist noch nicht die Majorität, denn der ganze Großgrundbesitz zählt 70 Stimmen. Aber die kunstvolle Zusammensetzung der Wahlkreise der zweiten Curie des Großgrundbesitzes sorgt dafür, daß den Feudalen auch in dieser Curie eine genügende Stimmenanzahl zufalle, um den Tschechen die Majo rität im Landtag zu garantiren." — Auch die „Deut sche Zeitung" erklärt, es gebe über den Punkt, ob im böhmischen Landtage die Majorität eine deutsche oder tschechische sein solle, keine Möglichkeit einer Ver ständigung, und da die deutsche Majorität zerstört würde, wenn auch nur in einem der vorgeschlagenen 5 Wahlbezirke für den kleineren Großgrundbesitz die Tschechen siegten, so erübrige Nichts, als Verwerfung der Vorlage. — Dem „Extrablatt" dagegen scheint eS unter den gegebenen Verhältnissen geratheu, auch nachdem wir einigen inbrünstigen Ansprachen einiger Vorsteher gelauscht hatten, hielt Bruder Seele eine leidenschaftlich sromme Rede. Kaum hatte er geendet, als Schwester Ellis, die mir zur Seite saß, Zeichen eines abnormen Zustandes von sich gab, die mir zu beobachten sehr peinlich waren. Ihre Hände waren geballt und ihre Augen stierten so gläsern vor sich hin, wie ich es nur bei Geisteskranken oder in heftigen Fieberfällen gesehen. Alles lauschte athemlos, um ja keinen Laut, den sie äußern mochte, zu versäumen; man hätte eine Stecknadel sollen hören. Da hob sie in orakelhafter Weise wie eine vom Himmel Erleuchtete zu sprechen an. Das heißt, ich sage zu „sprechen", weil man gewohnt ist, die Kundgebungen der mensch lichen Stimme al» „Sprechen" zu bezeichnen, allein sie sprach nicht in dem Sinne, den wir mit dem Sprechen zu verbinden gewohnt sind, sie brachte nur eine Reihenfolge von Lauten zu Gehör. Wie es mir schien, zumeist die Wiederholung derselben Sylben — gleich einem Kinde; oft nur in einer Aufeinanderfolge, wie „la, la, la, le, lo, wa, ma, ma, mi, ma, dele, dela, hela" bestehend, oft auch in an einander gefügten Lauten, welche die Feder nicht wiederzugeben vermag. — Ueberwältigt durch ihre Erregung, hielt Schwester Elli» plötzlich inne, nicht absichtlich, sondern weil sie, um sortzufahren, allzusehr erschöpft war. Die ober sten Vorsteher blickten von Einem zum Andern, um zu sehen, ob Niemand anwesend sei, der fähig wäre, ihre Aeußerungen zu interpretiren. Die Gabe der Interpretation findet sich nämlich äußerst selten nur mit der Gabe der „feurigen Zunge" in derselben Per son vereinigt; und ost erhebt sich Eine» um da» Andere, um zu „sprechen", e» findet sich aber Nie ¬ mand, der das Gesprochene zu interpretiren vermag, und die „Heiligen" sehen sich genöchigt, enttäuscht aus einander zu gehen." Bald nach ihrer Ankunft in Utah bekam Mr. Sten house Brigham - Uoung zu Gesicht. Sie schildert ihn folgendermaßen: „Als ich ihn kennen lernte, war er noch wenig über 50 Jahre alt Er war mittelgroß, wohl gebaut, von aufrechter Haltung und trug das Gepräge eines Mannes an sich, der gewohnt ist, zu befehlen. Sein Haar war hell, sandblond, wie wir es nennen, und oie beinahe farblosen Augen paßten dazu. Im Ganzen machte seine Erscheinung einen gefälligen Eindruck der Männlichkeit. Ich betrachtete ihn vom Standpunkte einer einfachen Frau aus, allein es waren Andere da, die behaupteten, m feinem kalten Blicke und den harten Zügen um den Mund Grausamkeit, Selbstsucht und Trotz ausgeprägt zu finden, ich selbst aber habe das niemals herausgesunden. Ich habe oft aus dem Munde von „Heiden" die Bemerkung gehört: „Nun, Brigham- Doung mag ein schlechter Mensch und ein Betrüger sein, allein er muß eine bedeutende Begabung besitzen, um so viele Menschen so viele Jahre hindurch leiten und be herrschen zu können." Ich konnte dieser Annahme nicht zustimmen und Viele, die Brigham-Aoung genau kannten, waren darin meiner Ansicht, wenn sie es viel leicht auch nicht öffentlich zu sagen wagten. Ich halte ihn weder für einen schlechten Menschen, noch für einen Betrüger im gewöhnlichen Wortsinne, allein genaue Beobachtung seine» Thuns und Lassens hat mw auch die Ueberzeugung beigebracht, daß er weder ein großer Mann, noch ein Genie in irgend welchem Sinne des Worte- ist. E» ist zwciscllo-, daß er große Ver brechen begangen, doch glaube ich, daß er im Beginne seiner Laufbahn derart von Fanatismus verblendet ge wesen, daß selbst seine Missethaten ihm als Pflicht übung erschienen, und später hat ihm die Gewohnheit falscher Anschauung alle Unterscheidung für Recht und Unrecht benommen. Auch hat ihm die fanatische An- hängerschast der Mormonen den Glauben, daß er irren und fehlen könne, ganz benommen, so daß seine Be griffe von Gerechtigkeit, Ehre, Wahrhaftigkeit und Ehr lichkeit im Verkehr um nichts besser sind, alS jene eine» Wilden in den Rocky-Mountains." Mrs. Stenhouse hätte übrigens persönlich Ursache gehabt, Brigham Aoung abgeneigt zu sein. Ihren Mann im Unterhalte ihrer zahlreichen Familie zu unterstützen, hatte sie sich bei ihrer Ankunft in der Salzseestadt als Putzmacherin etablirt. Brigham Joung beauftragte sie, seinen Frauen Hüte und Hauben zu verfertigen, als ihm aber die aus 275 Dollars aufge laufene Rechnung für dieselben präsentirt wurde, er klärte er diese Summe als Zehent, der ihm zukomme. Vergeblich protestirte die bedrängte Frau. Ihr Gatte stimmte ihr vom Standpunkte deS Rechtes vollkommen zu, rieth ihr aber, zu verzichten und zu vergessen. Sie meint diesbezüglich in ihrem Buche: „Allein so viel Mühe ich mir auch gegeben, ich konnte eS nicht und kann eS selbst jetzt nicht ver gessen Wenn auch der Verlust schon lange vrr- lchmerzt ist, kann ich eS nicht vergessen, in welcher Weise Brigham Uoung die Hüte und Hauben seiner Frauen bezahlt hat." Der weitere LcbenSbericht der Autobiographin ist zumeist eine bittere Klage über die Folgen der Po lygamie.
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