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Dresdner Journal : 15.08.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-08-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188008157
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18800815
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18800815
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1880
- Monat1880-08
- Tag1880-08-15
- Monat1880-08
- Jahr1880
- Titel
- Dresdner Journal : 15.08.1880
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O18S Sonntag, den 15. August. 1880. l» <l»ut»cd«i» Litel»«: ^UKrlieU: . . 18 bturlc jübrlicd: S blurlc 50 ?k. Linielov Hummern: 10 ?k Lu»»«rluUd cles Ueiit^ckeo keivde« tritt kost- uuck Ltewpolrusekl^; diuru. Inseratenpreise r ttr Uen kLum eiaer isespalteooa ketitreiis LV kt. Vater „Lio^e«ruät" äis Leit« 50 kk. krseketnenr TitßUvd mit Auonukme der 8ouu- av<i keierta^e Xveuä- Mr äea solxenäea Tag. DrcMerIonrim!. lnserutenannukme an-rrrlirts t >>. conuiiix^ivnär ctos tlresäaer ^oniual^; Samdur^ 8«rlm Vien l.«tprix L»»el-Lr«»l»u UllMtmt N ; //aa«e»l.«trin L koy/rr, vorliu Viell-Samdur^- -I-oixriß; krsnltfurt !tl Hüuo!l«n: Lerlio:H./t'or»«ic^. , Srem«»: L.Lc/>/otte/ Sreelair: tiüroau; vdommtr: H. kH/t; Lrauiclurl » >1.: ^'«rAer'seüv u. v. I/err»ia»«n- »ei>e Uuelist mcUuoA; vörltti: tr AkEer,' Nauuovor: V Lc/cox/ kart» Lorlio-rrauilturr L »Stuttgart: Daube oc oo.,' ÜLmdarx: D äteiner. Verantwortliche Redacüon: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Herausgeber: KSoigl. Lxpeckitiou äes DresUoer Journal», VresUe», Xvingoretroosv dlo. LO. Amtlicher Theil. Dresden, 1. August. Se. Majestät der König hat dem Finanzrath bei der Generaldirection der StaatSeisenbahnen, Anton Hallbauer, vom heutigen Tage an die erbetene Besetzung in den Ruhestand unter Gewährung der gesetzlichen Pension allergnädigst zu bewilligen geruht. Dresden, 1. August. Se. Majestät der König hat den seitherigen Finanz-Assessor bei der General direction der StaatSeisenbahnen HanS Friedrich Karl von Kirchbach zum Finanzrath und den seitherigen Directionssecretär vr. jur. Walter Friedrich Ernst Schelcher zum Finanzassessor bei der gedachten Be hörde zu ernennen geruht. nichtamtlicher Theil. U e b e r s i ch t. Telegraphische Nachrichten. ZeitungSschau. (Hannoversche Post.) TageSgeschichte. (Berlin. Karlsruhe. Buda-Pest. Paris. Bern. London.) Zur orientalischen Frage. Ernennungen, Versetzungen re. im öffentl. Dienste. Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichten. (Zwickau. Hohenstein. Bautzen.) Vermischtes. Statistik und BolkSwirthsckaft. Sächsische Bäder. EingesandteS. TageSgeschichte. Inserate. Beilage. Telegraphische WitterungSberichte. Börsennachrichten. Inserate. Telegraphische Nachrichten. Ratibor, Freitag, 13. August, AbendS. (W.T. B) Im Oppa- und im Zinnathale niedergegangene Wolkenbrüche haben abermals großes Hochwasser herbeigeführt. Der Wasserstand hier beträgt 5 Meter. Die Niederungen find weithin über schwemmt; viele der kaum trocken gewordenen Wohnungen find abermals unter Wasser gesetzt; der in den Niederungen angerichtete Schaden ist ein sehr großer. DaS Hochwasser läuft indrß rasch ab, daS Wasser ist im Fallen. Nähere Nach richten auS den Gegenden, wo die Wolkenbrüche niedergingen, auS Leobschütz, Jägerndorf und Hult- schin fehlen noch. (Vgl. die Rubrik „Vermischtes") Wien, Sonnabend, 14. August. (Tel. d.Dresdn. Journ.) Die Donau steigt seit gestern rapid und ist bei Nußdorf ausgetreten. AuS Mähren und Schlesien werden große Verheerungen durch Hoch wasser gemeldet. Ischl, Freitag, 13. August, NachtS. (W. T. B.) Der Kürst und die Fürstin von Rumänien find infolge der eingetrrtenen Verkehrsstörungen verspätet über Amstetten hier eingetroffen. Der Kaiser empfing dieselben am Bahnhofe und ge leitete sie inS Hotel. Der preußische Generalfeldmarschall Graf v. Moltke ist hier angekommen. Infolge erneuten Regens ist das Wasser noch immer im Steigen begriffen. Einzelne Theile FeuiUrto». Redigirt von Otto Banck. ES fällt der Thau. Die Physiker und Meteorologen belehren uns, daß der Thau die Folge einer unmittelbaren Condensation des in der Atmosphäre enthaltenen Wasserdampfes an den durch freie Strahlung erkälteten Theilchen der Körper an der Erdoberfläche sei. Der fromme Glaube deS Volke», welche» gewohnt ist, wissenschaftliche De finition vorher mit Hilfe von Empfindungen und Ge fühlen auszuarbeiten und trotz aller Gelehrfamkeit der Gelehrten in der Regel an seiner Definition festhält, erklärt den Thau für ein Geschenk deS Himmels, für eine köstliche Gabe der Götter, auSgestattet mit der Zauberkraft, Gebrechen und Krankheiten der Menschen zu heilen. Man wird kaum fehlgehen, wenn man hierin den Einfluß deS Christenthum» erblickt, denn weder der römische, noch der griechische Sprachgebrauch konnte Vorbild für daS christliche Zeitalter gewesen sein, da er griechisch und römisch ganz nüchtern den Gegenstand bezeichnet. Es hat auch den Anschein, al» ob der Thau — gewiß eine der interessantesten Naturerschei nungen — dem poetischen Sinne der Griechen ent gangen sei. Mir wenigsten» ist nicht bekannt, daß unsere Archäologen au» den Elassikern der Hellenen bereit» eine Göttin oder wenigsten» eine Nymphe de» Thaue» nachgewiesen hätten, und gerade auf diesem Gebiete ist doch, wie man zugestehen muß, viel Zeit und Mühe aufgewendet worden. Die ganze Ausbeute Dresden, 14. August. Es ist höchst erfreulich, daß in der Gegenwart viel mehr, als früher zu Gunsten der Kinder geschieht. Man möge sich aber auch wohl hüten, in das Extrem zu verfallen und die Kindheit auf Kosten der späteren Altersklassen allzureichlich zu bedenken. Daß jetzt häufig statt der Erwachsenen die Kinder den Ton an geben, gewahren wir nicht nur in vielen wohlhabenden Familien, wo die Kinder ost die Haustyrannen spielen, sich Alles gegen die älteren Geschwister, selbst gegen die eigenen Aeltern und fremde Erwachsene heraus nehmen, in ihrer Gegenwart ungenirt toben, in ihre Gespräche dazwischen fahren und für so manche Unge zogenheit und Keckheit noch belächelt, statt bestraft werden, sondern auch schon im öffentlichen Leben. Die Schuljugend schreitet aus ihrem Schulpalast, der für sie „gerade gut genug" ist, als gehörte ihr eben Alles, Niemanden grüßend, Niemandem aus dem Wege gehend, und wer eine Flegelei verweisen will, erhält häufig genug nur freche Antworten. Die christliche Auffassung der Familie bedingt, daß die Kinder nicht nur so lange sie der Aeltern bedürfen, sondern so lange diese überhaupt leben, ihnen mehr oder weniger unter worfen sind und ihren Willen unter den Willen des Vaters und der Mutier zu beugen haben; denn erst durch die Abhängigkeit der Kinder erhält die Familie nach außen das Gepräge der Zusammengehörigkeit. Eigen- thümlichcrweise sehen wir diese Abhängigkeit der Kinder von den Aeltern zumeist nur noch in den höchsten Kreisen vollständig gewahrt. Je weiter wir im Volke nach unten steigen, desto mehr lockern sich auch im Großen und Ganzen die Bande des Familienlebens. Es ist eine Hauptaufgabe unserer Zeit, das letztere wieder nach allen Richtungen zu stärken und zu heben, und die Gefahr, daß ein Mal ein Kind unter der Willkür eines launischen Vaters zu leiden habe, darf uns da bei nicht beirren; denn diese Gefahr ist für das ge- sammte Volksleben geringer, als der Verfall der Fa milie. Wo kein Familiengeist gepflegt wird, da ge deiht auch kein Pflichtgefühl gegen das Vaterland, da wuchert nur der Eigennutz des Einzelnen, der Krieg Aller gegen Alle. Im Hinblick auf die stets wachsende Verwilderung der Jugend hat kürzlich das württember- gische Ministerium für Kirchen- und Schulwesen die An wendung strengerer Zuchtmittel durch die Lehrer gegenüber den Schulkindern als zulässig erklärt. Auch die neulich abgehaltene protestantische Synode der Diöcese Eppin- gen im Großherzogthum Baden kam auf die Ver wahrlosung der Schuljugend zu sprechen, und find gänzlich überschwemmt, jedoch ist keine Ge fahr vorhanden. Der Kaiser besichtigte daS Jnun- dationSgebiet. Kremsier (Mähren), Freitag, 13. August, Abends. (Tel. der Neuen freien Presse.) Gestern Abend ging ein furchtbarer Wolkenbruch über Kreistadtl, Bystritz am Hostryn und Meseritsch nieder. Die neuerbaute steinerne Brücke über die Russowa auf der Straße von Holleschau nach Prerau ist eingestürzt. 18 Personen sind ertrun ken und die Leichen unter den Trümmern begra ben. Ein Gendarm hat sich auS dem Wasser ge rettet. An 10tt Personen standen auf der Brücke, alS ein Pfeiler derselben brach und die Wölbung einstürzte. Auf einer Strecke von mehr, als 5 Stunden WegeS ist Alles unter Wasser; die Früchte find vernichtet und der Schaden enorm. Bukarest, Sonnabend, 14. August. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Das Amtsblatt veröffentlicht die Ernennung Demeter Giani'S zum Justizminister an Stelle Stolojiano'S, dessen Demission vom Kürsten angenommen worden ist. aus den griechischen Elassikern besteht in einer kurzen wissenschaftlichen Ansicht des Aristoteles über die Thau bildung. Es mag also wohl sein, daß den Griechen, welche ja übrigens aus dem Elemente deS Wassers eine große, zahlreiche Götterwelt männlichen und weib lichen Geschlechtes entstehen ließen und welche ja das Wasser überhaupt für das Beste (Lckcop rv zik'^ov) erklärten, der kleine Thautropfen, welcher nur für den Landmann von Wichtigkeit wird, entging. So findet er sich auch nicht in der römischen Götterlehre, welche ja doch nur ein großes Plagiat der griechischen ist, und erst dem Christenthum, welches ja gleichzeitig mit seiner Lehre die Segnungen des Ackerbaues verbreitete, blieb es Vorbehalten, den Thau als ein Geschenk des Himmel« zu verkündigen, daS im Laufe der Jahrhun derte treu bewahrt und hochgehalten wurde. Die Wissenschaft entriß nun dem frommen Glau ben deS Volkes das Göttergeschenk und formte es wie mancher andere Geschenk der überirdischen Mächte zur systemmäßigen Theorie; aber war dem Volksglauben gehört, ist auch Eiqenthum der Poeten und die Poeten, welche mit den Wissenschaften ebenso gut in ewigem Hader leben wie der kindlich fromme Sinn des Volkes, wehrten sich, so gut sie konnten, gegen die gewaltthätige Wissenschaft und ließen nur die äußere Hülle rauben, indem sie den bessern Theil: Inhalt und Wesen des Glaubens, treu bewahrten. So mag man seit Wolfram v. Eschenbach'- Tagen kaum einen deutschen Lyriker nachfchlagen, ohne einer sinnigen Zeile vom Thaue, dem Geschenke de» Himmel», zu begegnen. Schon der Sprachgebrauch schließt diese fromme Bolk-meinung in sich. „E» fällt der Thau", sagt der Deutsche, und man darf wohl ergänzen: vom Himmel Pfarrer Köhnlein von Sulzfeld tadelte im Besondern die geringe Handhabung einer christlichen Zucht im älterlichen Hause, die Willfährigkeit der Aeltern in Gewährung der Wünsche der Kinder, wodurch diese zuletzt die Herren im Hause würden und sich nirgends und in keiner Hinsicht mehr an das Gebot der Aeltern halten. Energischere Einführung christlichen Sinnes in die Ehen und Familien an der Hand des göttlichen Wortes fei das einzige Mittel zur Ab hilfe. Das ist allerdings sehr gut gemeint; un gleich schwieriger aber ist die Verwirklichung eines solchen Vorschlages. Es fehlt ja nicht an der Predigt für das reifere Alter, nicht an der Christenlehre für die Heranwachsende Jugend, auch nicht an der Kate chese für die Kinderwelt, und trotzdem fo vielfache Verödung des christlichen Familienlebens! Pfarrer Spies von Berwangen glaubte aber auch die strengere Handhabung der staatlichen Gesetzgebung in Anspruch nehmen zu sollen, und die Synode stimmte ihm unter Annahme eines weitern Antrages rn der Weise ein stimmig zu: es solle durch das Decanat an daS groß- herzogl. Bezirksamt das Ansuchen gestellt werden, die bestehenden Gesetze hinsichtlich des Schwärmens der Kinder bei Nacht, des Besuchs von Wirthshäusern und Tanzlocalen und von nächtlichen theatralischen re Vor stellungen durch die Bürgermeisterämter strenger hand haben zu lassen, insbesondere auch solchen Besuch in Begleitung von Aeltern und Verwandten zu unter sagen, da gerade diese Ausnahme das ganze Gesetz illusorisch mache. Ein Artikel der „Hannoverschen Post", der sich mit der Verwahrlosung der Schul jugend befaßt, hebt aus den Erscheinungen, welche uns dabei vor die Augen treten, zwei Punkte besonders hervor: das unhöfliche, ost an Rohheit grenzende Be nehmen der Schuljugend gegen Erwachsene, das uns zuweilen die Schamröthe ins Antlitz treibt; ferner das umbarmherzige Quälen der Thiere, welche sich gegen die Knaben nicht vertheidigen können, als Käfer, Schmetterlinge, Vögel u. s. w. Was das Erstere, das unhöfliche Benehmen der Kinder gegen Erwachsene, anlangt, so denkt der Autor dieser Betrachtungen dabei zunächst an das Nichtgrüßen feiten der Jugend den letzteren gegenüber und fagt: „Wir können selbstver ständlich dies nur auf die Jugend auf dem Lande be ziehen, da in der Stadt sich nur Bekannte grüßen, dies auf dem Lande dagegen allgemein geschieht und gewiß eine gute, nicht zu vernachlässigende Sitte ist. Wir dürfen bei der Beurtheilung dieser Frage uns aber nicht von vornherein durch ein Vorurtheil gegen die Schüler und damit dann zugleich auch gegen deren Erziehung, sowohl gegen die häusliche als auch die der Schule, beeinflussen lassen. Allerdings weckt das Kind, welches nicht grüßt, ein Vorurtheil; es fehlt ihm die Pietät gegen das Alter, welche man von ihm erwarten muß. Grüßt es, so documentirt es die Pietät, und wir können überzeugt fein, daß es dann auch auf andere Weise sich stets anständig gegen die Erwachsenen benehmen wird. Aber forschen wir nach den Ursachen, aus welchen die Pietätlosigkeit hervorgeht, so werden wir finden, daß meistens die Erwachsenen selbst die Schuld tragen. Wir haben verschiedentlich die Kinder wegen ihres Nichtgrüßens zur Rede gestellt, und da bekamen wir dann die Antwort, daß die Erwachsenen ja nicht wieder grüßten, da brauchten sie es auch nicht zu thun. Wir mußten den Kindern in Gedanken Recht geben. Wenn das Kind grüßt, so darf es auch einen Gegengruß erwarten. Unterbleibt er, geht der Er wachsene kalt, daS Kind kaum eines Blickes würdigend, vorüber, so muß es sich in seinem Innersten verletzt fühlen, und da grüßt es schließlich gar nicht mehr. WaS nun die Unbarmherzigkeit der Kinder betrifft, so ist das Quälen der kleineren Thiere von Seiten der Jugend die allgemeine Klage der Erzieher und des größern Publikums. Wenn irgendwo, so zeigt sich herab. „Dov m tälling", lautet der englische Sprach gebrauch. Der Franzose fagt ebenfalls: „d,a rosee tolirbe", und gleich klingt des Italieners „d-aru^iacla cacte". Auch der Spanier bezeichnet das Wort thauen mit „euer romo", und die slawischen Sprachen schließen sich den germanischen und romanischen mit der gleichen Redensart an. „Losa packä" und „rosa, paäa" fagt der Tschechoslawe und der Pole. Ganz deutlich aber spricht sich der Glaube des Volkes in den sehr ge bräuchlichen Worten „HimmelSthau" und „rosse cku viel" aus. Wo sie die Schönheit des Morgens, die Schönheit der Blumen besingen, fehlt ihnen nimmer der Thau als reizendes Attribut. Es sei mir gestattet, auf daS Geradewohl eine und die andere finnige Stelle an zuführen. Zeigtest mir aus schönem Thale Eine Blume licht und blau; Wunderhell im Morgenstrahle Sah aus ihrem Kelch der Thau singt z B. Justinus Kerner in der „Rückkehr". Und an einer andern Stelle: Vom Schlaf thät ich mich heben, Ging aus die Helle Bu, Sah licht den HimmelSthau Bus dunkeln Blumen beben In der neunzehnten Makame erzählt un» Rückert von Jünglingen, „deren Anmuth süßer, als der Morgen thaute", und Emanuel Geibel schreibt die reizende Strophe. Ich bin die Rose aus der Bu, Dir still in Düften leuchtet; Doch du, o Liebe, bist der Thau, Der nährend sie befeuchtet! hier so recht das Thierifche — man erlaubt uns wohl mit Schiller diesen Ausdruck einmal —, welches von Natur in jedem Mensche», aber besonders im Kinde zu finden ist. Alle Erziehungsmaßregeln können dieses Uebel nicht in den nothwendigen Schranken halten. Die Ursache dieser traurigen Erscheinung haben wir zunächst in der Natur des Kindes selbst zu suchen, das nur gern in jeder Weise den Herrn über die wehr losen Geschöpfe spielen will. Dazu kommt dann die Unbekanntschaft mit der Lebensweise und dem Werthe der Thiere. Dem Naturfreunde, der mit offenem Auge das Leben und Treiben der Thiere beobachtet, oder dem Gebildeten, dem es ein Lieblingsstudium ist, ist es unbegreiflich, wie Kinder oder Erwachsene muth- willig die Thiere quälen können. Aber das ist leicht erklärlich. Jenen sind auch die winzigsten Geschöpfe nichts Zufälliges, Verächtliches; sie entdecken vielmehr in den kleinsten Einzelheiten eben solche Wunder, wie in den größten Veranstaltungen der Natur. Ist nicht ein Finkennest ebenso staunenswerth, wie daS Schreck lich-Majestätische eines Gewitters? Die Veranstal tungen des Ameisenlöwen zum Fangen seines Raubes ebenso merkwürdig, wie die der Riesenschlange? Es ist sonder Zweifel, daß mit dem Verständlich für die Thierwelt auch das Interesse daran wächst und die Scheu, mit frivoler Hand zerstörend hineinzugreifen, zunimmt. Damit ist denn auch der Erziehung der Weg angegeben, auf dem sie am sichersten jenem ge nannten Uebel steuern kann, wenngleich es ihr nicht gelingen wird, es gänzlich auszurotten. Die Kinder müssen, und zwar so bald wie möglich, mit der Lebensweise und dem Werthe der Thiere bekannt ge macht werden. Es ist zu hoffen, daß dies durch die fortschreitende Verbesserung des naturwissenschaftlichen Unterrichts, dessen Ziel nicht in der Aneignung einer Menge positiven Wissens oder gelehrter Classi ficationen, auch nicht in der Mittheilung unbewiesener Hypothesen besteht, erreicht wird. Ist da» Kind an der Hand lebendiger Schilderungen in den Haushalt der Natur eingeführt, hat es gelernt, auch die schäd lichen Thiere als dazu gehörig zu betrachten, so wird es sich scheuen, die summende Biene, die aus der Blume am Wege ihren Honig schlürft, oder den Wurm, der sich zu seinen Füßen krümmt, zu zertreten. Wir gedenken noch der besonderen Bestrebungen aus diesem Gebiete, welche die Anerkennung und Förderung aller betheiligten Kreise verdienen. In neuerer Zeit ist mehrfach von den Schülern einer Klasse unter Leitung des Lehrers ein Verein zum Schutze der Vögel, be sonders der Singvögel, gebildet worden, dessen Wirk samkeit gewiß recht segensreich sein kann, wenn die Schüler zuvor durch den Unterricht die Vogelwelt lie ben gelernt haben. Der Gründer dieser Vereine ist der Cantor Garbs in der hannoverschen Stadt Dan nenberg." In jüngster Zeit hat der Verein zum Schutze der Thiere in Frankfurt a. M. eine illustrirte Jugendschrift herauszugeben beschlossen, deren Tendenz „Liebe zu den Thieren, sowie die Neigung zum Be obachten der Lebensweise und Eigenthümlichkeiten der selben bei der Jugend zu erwecken" ist. Wenn sich so von allen Seiten das Bestreben bekundet, dem Quälen der Thiere Einhalt zu thun, und wenn dieses Bestreben namentlich auch von den Behörden unterstützt wird, dann dürfen wir uns mit Recht der Hoffnung hin geben, daß sich der Schutz der Thiere, besonders der jenigen, die uns in irgend einer Weise nützlich sind, noch einer größern Verbreitung und Förderung zu er freuen haben wird. — Wir schließen diese Betrach tungen, indem wir auszugsweise einen Erlaß von Seiten des Schulvereins oer Stadt St Gallen mit- theilen, der nach unserer Ansicht große Beachtung ver dient. Derselbe ist überschrieben: „Ein Wort an die Aeltern". Das Uebel, gegen welches da angekämpft wird, macht sich leider auch anderwärts fühlbar. Der Wie zart sinnig sind auch folgende Zeilen desselben Poeten: Sie reden ihr zu: Er liebt dich nicht, Er spielt mit dir — da neigte sie daS Haupt, Und Thräncn perlten ihr vom Angesicht Wie Thau von Rosen . . . Originell sinnvoll ist ein Bild der Dichterin Annette Droste Hülshofs. Sie schreibt: Der Tag ist eingenickt Beim Wiegenlied der Glocken; Zum Blumenkuß sich bückt Der Thau auf leisen Socken. Wäre die Freiin v. Droste-HülShoff eine griechische Schriftstellerin gewesen, wer weiß, ob wir heute nicht eine gelehrte Abhandlung darüber, wie die Alten den Gott deS ThaueS gebildet, besäßen. Nicht minder originell ist eine andere Stelle der genannten Dichterin, in welcher sie das folgende Bild gebraucht: Da des Himmels Vorhang sinkt, Oesfnet sich der Erde Brust, Leise, leise Kräutlein trinkt Und entschlummert unbewußt Wie zart und dabei wie wahr! Der Glaube des Volkes schreibt dem Thau, welcher in der Nacht Johannes de« Täufers fällt, die be sondere Kraft zu, Blinde sehend zu machen. Diese Volksmeinung hat Droste-HülShoff zum Thema eine» Gedichtes genommen (Johannesthau), welches sich übrigens nicht durch besondere Schönheit der Form au»zeichnet. In ganz unübertrefflicher Weise hat dagegen Meister Uhland in einem Gedichte den Volksglauben über den Thau zusammengefaßt. Möge dieser Edelstein der
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