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Dresdner Journal : 23.09.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-09-23
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188409235
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18840923
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18840923
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1884
- Monat1884-09
- Tag1884-09-23
- Monat1884-09
- Jahr1884
- Titel
- Dresdner Journal : 23.09.1884
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I» :» ^»drlivtir . ... 18 U»rk. I L Hark 80 ?k. I Lü»»lL«Uium»«rLi 10 ?k.) H»»»«rL»N» äs» äsot»ot»ev ksiol»«» tritt ko»t- u»ä 8t«wp«I,u,oll»^ tÜLia. ^ür Uso k»uio om«r ^«spoltooeo ?«tit»«ils >0 kL votsr „Lio^ssaoctt" äi« 2«ilv SV kf. 6«i ^absUso- rmä 2iF«r»»»t» ÜO db AutictU»^. Lr,ed«l»e» i Vl^Uol» mit Avioatuo« äsr 8om»- rmä ksierta^a Xksnä» kkir Uso fol^eoäeo 1»^-. Dienstag, dm N. September. »884 Dres-nerLmMal. Lstpit»: ^>. Lra^ä-tettsr, Oommi»»>ooLr äs« Vrvsäosr UourmU»; LlltkuiA - I»rN» - Vt«o LstpitG >»»«I >r«»I»v kr«o81vrt ». N.: ^aa»«m«te»n <4 ^o-isr, >«rU»-Vi«L L»»d«rx riA,-1.«lp»ix kr»oktorl ». ».-Nvo«d«o: L»o««e, L-rltu: /nvaiiäenäan»:, »r«w«L: L Le^kotte, Lr»»l»u: F LtanASn', Li^eau </^mli A^abat^, rrswlctdirt » N : L ^««Ae^ioks ljuokkaoUluv«; SdrUt»: O. L/Mer; L»»»»v»r: 6. k»rt» S»rUL rr»»kti»rt ». N- >t»tt^«rt: Da^be <4 Oo.Luodor^: äteiner. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Ner»n»x»der: 8Sviel. LrpsUitioo äs« OresUoer Uooro»!», Drssäso, /villbsrstr»»»« Uo. 80. Abonnements - Kinladung. Auf das mit dem 1. October beginnende neue vierteljährliche Abonnement des „Dresdner Jour nals " werden Bestellungen zum Preise von 4 M. 50 Pf. angenommen für Dresden be» der unter zeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), siir R»-»ärtS bei den betreffenden Postanstalten. In DreSde» - Neustadt können Bestellungen abgegeben werden in der Kunst- und Musikalien handlung des Herrn Adolf Brauer (Haupt straße 2), sowie bei Herrn Kaufmann T. R. Albani (Albertplatz gegenüber dem Albert theater), woselbst auch Ankündigungen zur Be förderung an unser Blatt angenommen werden, und ebenso, wie bei dem Bahnhofsbuchhändler Herrn Weigand (Böhm. Bahnhof), einzelne Nummern des „Dresdner Journals" zu haben sind. tiömgl. Expedition des Dresdner Journals. (Zwingerstraße Nr. 20, in der Nähe des neuen Postgebäudes.) Amtlicher Theil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Bürgermeister und Rechtsanwalt Meyer in Wolkenstein das Ritterkreuz I. Llasse des Albrechts- ordens zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß das Ehrenmitglied des Stadt theaters zu Leipzig, Heinrich Stürmer, das ihm von Sr. Hoheit dem Herzoge Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha verliehene Ritterkreuz des Sachsen-Ernesti- nischen HausordenS annehme und trage. Nichtamtlicher Lheil. Telegraphische Nachrichte». Buda-Pest, Montag, 22. September. (Tel. d. DreSdn. Journ.) In Agram ist der kleine Be lagerungszustand erklärt worden, weil die Bürger, welche für die Candidaten der Regierungspartei gestimmt haben, insultirt worden find. Das Or gan des Äbg. StareevicS, „Sloboda", wurde unter drückt und der Redacteur desselben verhaftet. Nach Leugg wurden wegen Ruhestörung ein Regierung»- commiffar und M'litärabtheilungen rntseubet. (Vgl. die „Tagesgeschichte" unter Agram.) Brüssel, Montag, 22. September. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der „Moniteur belge" veröffent- licht daS vom Könige genehmigte, von den Mi nistern deS Innern und der Justiz contrafignirte Schulgesetz. Dem Gesetze ist ein Reglement über seine Ausführung beigrgeben. Ein Straßenauschlag deS Bürgermeisters hat folgenden Inhalt: Es sei Pflicht eines jeden guten Bürgers, dem Schulgesetze Folge zu leisten; Kundgebungen in den Straßen würden den öffentlichen Frieden gefährden und seien deshalb bis auf Weiteres untersagt. Die bevorstehenden Communalwahlen böten legale Waffen zur Bekämpfung des Schulgesetzes. Die Bürger wer den ferner aufgefordert, die Ordnung aufrechtzuhal ¬ ten; alle größeren Menschenansammlungen, welche die Ruhe stören könnten, würden zerstreut. Rom, Montag, 22. September. (Tel. d. Dresdn. Journ.) „Aanfulla" zufolge wäre zur Errichtung des vom Papste projectirten Cholera- Hospitals die Caserue der päpstlichen Gendarmen bestimmt, welche noch im Weichbilde des LaticanS gelegen ist. (Bergl. die „Tagesgeschichte".) Kairo, Montag, 22. September. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Seite» der Staatsschuldrucasse wurde gestern Protest wegen der Snspendirung des Tilgungsfonds erhoben. Dresden, 22. September. Vorgestern (Sonnabend) erfolgte durch Se. Maje stät den Kaiser von Oesterreich die feierliche Eröff nung der Arlbergbahn, welche in gleichem Maße wie die Semmering- und die Brennerbahn der öster reichischen Arbeit und dem österreichischen Unter- nehmungSgeiste zu hoher Ehre gereicht. Der Grund stein zu dem Tunnelbau der Eisenbahn durch den Arlberg, dem Schienenstrange, welcher, durch den Tunnel, den österreichischen Verkehr bis an die Gestade des Bodensees ausdehnt, wurde am 22. November 1880 gelegt und am 19. November 1883 der Durch schlag glücklich vollzogen. Nicht mehr scheidet daS Felsgestein des Arlgebirges Vorarlberg von Tirol, und der steinerne Damm, welcher Oesterreich bisher vom Bodensee abgeschlossen, diesen selbst zu einem für den Kaiserstaat an der Donau fremde« Wasser ge macht, ist überwunden. Ungehindert wird die Fluth des Verkehrs nach Westen strömen, nicht allein Vor arlberg mit Oesterreich inniger verbindend, sondern den Südwesten Europas Oesterreich nähernd, nach dessen großen Handelsplätzen die Bahn für den Kaiser staat frei gemacht und wesentlich abgekürzt wurde. Ein völkerverbindendes, dem friedlichen Austausche der Natur- und Culturproducte gewidmetes, die Be rührungspunkte der Nationen vermehrendes Werk ist geschaffen worden, und der Monarch, dessen stete Sorge dem Frieden seiner Völker unter einander und dem Frieden nach außen geweiht ist, vollzog selbst den Act der Einweihung des großen, mit solchen Opfern, solcher Ausdauer und solchem Kunstsinn geschaffenen Verkehrsweges, dadurch vor aller Welt seine innige Theilnahme an Allem offenbarend, was die Nationen verbinden und friedliches Schaffen befördern kann. Der Train des Kaisers Franz Josef war der erste, welcher dahinfuhr über mannichfache interessante Ob jecte der Bahn, über imposante Brücken und Galerien, durch den großen Tunnel hindurch; denn es war ein persönlicher Wunsch des Monarchen, im ersten Train zu sein. Um 8 Uhr verließ der Kaisertrain, in wel chem sich der Ministerpräsident Graf Taaffe, Acker baummister Graf Falkenhayn, Handelsminister Frhr. v. Pino, die geladenen Würdenträger und Honoratioren befanden, Innsbruck. Um 9 Uhr folgte der zweite Zug, 10 Minuten später der dritte, zusammen 300 Gäste führend. Auf allen festlich geschmückten Stationen empfing die Festtheilnehmer die Bevölkerung mit Musik, Fahnen- fchwenken und Böllerschüßen; überall herrschte lauter Jubel, und wurde die Locomotive, die Trägerin der Livilisation, mit lauten Hurrahs empfangen Auch an charakteristischen Momenten fehlte es nicht. Auf allen Stationen sah man mitten im Festjubel trauernd den Postillon des Ortes, für welchen dieser Tag das Ende aller Herrlichkeit bedeutete; und auf der Straße von Oberpians konnte man sogar die Postkutsche erblicken, welche eine schwarze Flagge aufgehißt hatte. Durch herrliche Gegenden eilte der Zug, während man drüben auf der Landstraße italienische Arbeiter mit ihren Mu lis erblickte, in ihre Heimath ziehend nach 4 jähriger ununterbrochener schwerer Arbeit. Die Bahn führt vorüber an quellreichem Terrain, brüchigen Felswän den, stürmischen Bergwässern, gewaltigen Tobeln, La winengängen und Steinstürzen, die großartigen Aquä- ducte, Tunnels, Durchlässe, Trocken- und Stützmauern, die aufgeführt werden mußten. Wer jetzt im bequemen Coupä ruhig und sicher an der Berglehne hinabgleitet, ahnt freilich nicht, durch welche Riesenarbeit diese Sicher heit erkauft werden mußte. Den Theilnehmern der Fahrt aber war durch den Aufenthalt bei den be deutendsten Objecten ermöglicht, einen Einblick zu thun in den imposanten Apparat moderner Kunstbauten. Der erste Theil der Arlberglinie JnnSbruck-Landeck ist bekanntlich schon seit vorigem Jahre im Betriebe, die eigentliche Gebirgsstrecke der Bahn beginnt unmittel bar bei Innsbruck und endet erst kurz vor Bludenz. Die Wunder der Arlbergbahn treten Einem sofort, nachdem man die Station Landeck verlassen, entgegen; man hat es hier mit einer zweifachen Reihe von Wundern zu thun, solchen, die die Natur geschaffen, und denen, die von Menschenhand herrühren; man gelangt aus dem Jnnthale in das Sannthal. In einem Schlößchen, welche- das Oetzthal abschließt, hat Friedrich mit der leeren Tasche als Bettler umher geirrt, und hier wurde er erkannt; heute ist das Schlöß chen ein armes Haus. Die enorme Steigung der Bahn beginnt gleich hinter Landeck; ein untrügliches Kenn zeichen, daß man in immer höhere und höhere Re gionen geräth, liegt darin, daß die Sau, ein Flüßchen mit durchsichtig klarem Wasser, immer tiefer ver schwindet, bis es endlich nur noch als eine im Sonnen lichte funkelnde gekrümmte Linie erscheint. Plötzlich bewegt sich in schwindelnder Höhe der Zug, die gerade Linie verlassend, ein wenig nach rechts, und in der Tiefe erblickt man eines der reizendsten landschaftlichen Bilder, eine paradiesische Idylle, das Dorf Pians liegt zu den Füßen, in diesem Augenblick die Personifikation der lieblichsten Ruhe. Verstreut sind die Häuschen an beiden Ufern der Sann aufgebaut zwischen Matten undZWiesen, über denselben erhebt die Passeierspitze ihr stolzes Haupt, gekrönt von ewigem Schnee. Pians besitzt eine merkwürdige Aehnlichkeit mit dem seit der Eröffnung der Gotthardbahn bekannt gewordenen Dorfe Göschenen, ist aber reizvoller gelegen, al» dieses und wird ohne Zweifel unter den durch die Arlbergbahn er schlossenen Naturschönheiten eine besondere Anziehungs kraft auf Jeden auSüben, der sich einen Sinn für land schaftliche Schönheit bewahrt hat. Noch hat da» Auge sich an dem so ungemein pittoresk gelegenen PianS nicht satt gesehen, und schon taucht ein neues Wunder der Arlbergbahn auf, ihr größtes, wirksamstes, effect vollstes Wunder; der Trisannaviaduct flößt zwei ein ander sehr entgegengesetzte Empfindungen ein, Grauen und Bewunderung. In der Schlucht, die unter dem Viaducte gähnt, hat nicht nur die Votivkirche in Wien mit ihren Thürmen Platz; man könnte auch auf die Thürme noch ein vierstöckiges Haus setzen, und sie wäre noch immer nicht ausgesüllt. Der Bahnkörper ist hier genau so groß, daß eben der Zug auf dem Gleise Platze findet, rechts und links unergründliche Tiefe. Unten vermählt sich die Sanna mit der Trisanna und Rosanna, ihren Gebirgsschwestern. Sämmtliche Festgäste verließen den stillstehenden Zug, um den 86 m hohen Viaduct besser be sichtigen zu können. Die Großartigkeit dieses Riesen- bauwerkes ist im Bahnzuge nicht so sehr erkennbar, als von dem gegenüberliegenden Straßenbuge der Poststraße. Das Gerüst allein erforderte 1800 ebw Holz. Die Bogen der Lifenconstruction haben über der Fahrbahn eine Höhe von 16 w, gleich einem 4stöcklgen Hause. Gebaut ist der Viaduct aus Bruch steinmaterial, welches jedoch mit Lement verarbeitet ist. Die Gesammtkosten des Objectes belaufen sich auf 340000 Gulden. Man hat kaum den großartigen Trisannaviaduct hinter sich, als ein kleiner, etwa 200 m langer Tunnel den Zug aufnimmt; die durch das Felsgestein gebrochene Trace ist steigend, und rapid tief unten bricht sich zischend und brausend die hell grüne Rosanna über wilde- Gerölle Bahn. Auf der Poststraße, die hellleuchtend fast in gleicher Höhe mit dem Bahnkörper auf dem linken Rosannaufer sich hin zieht, wandern truppenweise italienische Arbeiter dem Heimathlande zu und grüßen mit frohem Jauchzen und Hüteschwenken den ersten Zug. So erreicht man Strengen in einer Höhe von 1027 w, ein Gebirgs dorf, m einem lieblichen Kessel gelegen, dann schon 1122 m hoch daS kleine Fliersch, zu dessen Seiten der Stierkopf und die Riflerfpitze mit ihrem weiten Gletscherfelde sich erheben. In Pettneu befindet man sich schon 1195 m über dem Meeresspiegel. DaS Dörfchen St. Jakob, das abgeschieden auf dem Wege liegt und vor dem der Zug vorbeibraust, war ur sprünglich nach dem Projecte einiger Staatstechniker als Einbruchspunkt in den Arlberg vorgeschlagen, noch eine kurze Fahrt, und man hat St. Anton erreicht. Der ganze Bahnkörper ist auf Tunnelschutt gebaut, und hinter dem Bahnhofe zieht, sich wie ein großes Grab der graue Schutt, der aus dem Berge gefördert wurde, dahm, es ist zumeist Glimmerschiefer und Gneis. Die Holzbaraken der Arbeiter schauten hinter den Berg rücken hervor. An den Wänden liest man noch die italie nischen Worte: „Ostsria, Trattoria, ill^resso ete." Die Baraken sind leer, die Osterie verödet, von den 17 000 Ar beitern italienischer Zunge, die beim Ba ick beschäftigt waren, sind kaum 1500 noch auf der Strecke; ein grauer Marmorobelisk, der sich inmitten einer kleinen Parkanlage erhebt, erinnert an die Verdienste des im März vorigen Jahres verstorbenen geistigen Vaters des genialen Werkes, des Oberbauraths Julius Lott. Im nächsten Augenblicke hat das mächtige Portal des Riefentunnels den Zug ausgenommen. Die Fenster sind vorher geschlossen, die Lampen in den Coupes entzündet worden, der letzte von außen kommende Lichtstrahl ist erstorben; man fährt in finsterer Stacht. Die Temperatur steiat, eine dunstige Atmosphäre legt sich schwer auf die Brust und treibt den Schweiß aus den Poren. Von Kilometer zu Kilometer leuchtet mit flüchtigem Strahl eine Distanzlampe entgegen und läßt den feuchten Schiefer oder den mächtigen Quader ring sehen, mit denen der Tunnel auSgemauert ist. DaS Niveau steigt auch in dem Tunnel fortwährend bis 1311 m und beginnt in der Mitte des Tunnels zu fallen. Endlich dämmert eS, die einMen Bruch steine sind zu unterscheiden, frische Luft dringt in die Coupes, es wird kühler, die Schatten weichen immer mehr, bis endlich das Licht mächtig leuchtet; nach einer Fahrt von 23 Minuten hat man den Tunnel ver lassen und hält in Langen, wo die Trace bereits aus 1217 m gefallen ist; es geht dem Thale zu. Die GeisgartSspitze mit ihrem ewigen Eis schaut finster und zerklüftet in das sonnige Klosterthal, durch das sich die Aflenz schlängelt; durch mehrere kleinere Tun nels ziehend, fällt nun die Bahn durch sehr beachtens- werthe Wasser-, Schutt- und Schneeriesen gegen die Wildbäche, die Erdabrutschungen und Lawinenstürze ge schützt. Bei Denöfnen aus 1073 m rückwärts blickend, sieht man noch immer das dunkle Tunnelportal und das festlich geschmückte Beamtenhaus, von Langen scheint ein Wehen der Fahnen zu grüßen. Ueber 100 m über der Thalsohle nimmt die Bahn auf schwindelnder Höhe ihren weiten Weg; tief unten sieht man die Poststraße, auf der staubbedeckt der letzte Postomnibu« gegen Landeck humpelt. So gelangt man bis zur schauerlichen Engelswand, einem steilen Felsblocke, in welchen ein Tunnel gebrochen werden mußte. Man kommt nach Dalaas, die Berge treten zurück; bei Bratz ist man schon mit 701 m gesunken, und alsbald durchläuft die Bahn ein liebliches Thal, auf dessen Grün freundlich die Thürme von Bludenz Feuilleton. Redigirt von Otto Bauet. Eiu Problem der Gesellschaft. Novelle von A. Marby. (Fortsetzung.) „Ach, lieber Onkel, wer weiß, ob der Unglückliche je wieder von seinem Krankenlager ersteht I" unter- brach Käthchen den erregten Mann mit schmerzver haltener Stimme. „Sind über ihn schlimme Gerüchte im Umlauf, so kannst Du sie nicht wieder ersticken, aber ihnen die giftige Spitze abbrechen durch eine offene, wahrheitsgetreue Darstellung und das erscheint mir al- Deine heilige Pflicht! Ich bin überzeugt, da durch bringst Du die hämischen Zungen am ehesten zum Schweigen." „Hm — ja, ja! — könntest recht haben, kleine kluge Käthe! Hoffentlich beschränkt die Zahl der Wissenden sich nur auf Nachbar Krause-, tue werden sich ja belehren lassen und vor der Hand Alle- für sich behalten." „Wenn Du sie bittest, gewiß! Wir wollen unser Möglichste- thun, de- Armen Geheimniß zu wahren und deshalb darf seine wilden Phantasien kein un berufenes Ohr vernehmen." „Ader, Käthchen, auf die Dauer hältst Du'» allein nicht au-l" „Nun, ich bin stärker, al-Du glaubst,lieber Onkel l Du wirst wich nicht wieder so schwach sehen, wie diese Nacht." „Bestes Kind, — wenn Du selbst krank würdest? Ich könnt's nicht verantworten!" „Sei unbesorgt, Onkel! Ich verspreche Dir, sowie ich sühle, daß meine Kraft erlahmt, Dir daraus kein Hehl zu machen und auch noch die», Onkelchen —" der Klang ihrer Stimme vibrirte in eigenthümlicher Bewegung — „sollte, wie wir zu dem Allmächtigen flehen, der Todesengel an Fritz vorübergehen, so will ich von Stund' an, wo ihm das Bewußtsein wieder kehrt, mich auf Deinen Wunsch zurückziehen I Bis da hin aber — oder wenigstens so lange der Herr Sani- tätsrath mit meiner Hilfeleistung zufrieden ist, laß mich meinen Platz bei dem Kranken behaupten. Ich bitte Dich, sei mir deshalb nicht böse, lieber Onkel!" „Wie könnt' ich?" flüsterte der Letztere weich — „bist ein gute», tapfere» Mädchen, dem Gott sein Liebeswerk lohnen möge. — Schon wieder eine Stunde um?" fuhr er nach kurzem Schweigen fort, die Hellen Schläge der Kirchenuhr zahlend — »Drei Uhr! ja, ja! man merkt's an unserm Kranken, daß es gegen Morgen geht, wird stets um dieselbe Zeit unruhiger, wir wollen ihm Tropfen geben, Kind." „Ich bin schon dabetI Bleibe nur sitzen, lieber Onkel." Der Kranke nahm ohne Widerstreben die ihm von Käthchen vorsichtig gereichte Medicin, allein die ge hoffte Wirkung blieb aus. Er wurde von Secunde zu Secunde unruhiger, bewegte unaufhörlich die Lippen, ohne einen hörbaren Laut; endlich formten sie sich zu einzelnen Wörtern, bis zu zusammenhängenden Sätzen. Traurig blickte Käthe in die tiefliegenden, sie ver- ständnißlo» anglühenden Augen. Welche wunderliche Gedankenwelt durchkreiste wohl sein kranke» Hirn- Horch, da murmelte er wieder: „Anne!" Anne und immer Anne! Wie theuer mußte sie ihm gewesen jein? Verkörperte sich ihm auch ihr Bild in der Person seine» Schutzgeistes, den er unter den zärtlich sten Liebesnamen beschwor, ihn nicht zu verlassen? „Onkel —" flüsterte Käthchen halb unbewußt, in unsicherm Tone — „Onkel, glaubst Du, daß — Er seine Pflegeschwester wirklich geliebt hat?" Herr Klein fuhr aus leichtem Schlummer auf und richtete die schlaftrunkenen Augen verwundert auf Käth chen, doch, da sie wohlweislich im Schatten saß, ver mochte er ihre Gesichtszüge nicht zu erkennen. „Spricht er wieder von ihr?" fragte er mit ge dämpfter Stimme zurück. „Je nun — 'S kann wohl sein, daß sein Herz mit warmer Neigung an dem treu- iosen Mädel hing! Der Herr Commiffar weiß darüber nichts Gewisses." Da Käthchen keine weitere Frage stellte, versank auch Onkel Klein wieder in Schweigen. Nicht lange, so überwältigte ihn auf's Neue die Müdigkeit, seine Augenlider sanken schwer herab und bald verriethen seine lauten Athemzüge, daß ihn der Traumgott un vermerkt in sein buntes Reich entführt. — Käthchen erhob sich geräuschlos, breitete eine warme Decke leicht über den Schlummernden und nahm dann ihren Platz am Krankenbette wieder ein, um mit voller Hingebung ihres Samariteramte» zu warten. XIV. So lange Fritz Schäfer'» Zustand ein besorgniß- erregender blieb, unausgesetzte wachsame Pflege hei schend, wich Käthe nicht von seiner Seite, ungeachtet die Taute in den ersten Tagen wiederholt äußerte: „wie höchst unpassend sie des jungen Mädchens be ständigen Aufenthalt im Krankenzimmer finde." Später — nach einer langen ernsten Zwiesprache mit ihrem Manne — wagte sie keine weitere tadelnde Bemerkung laut werden zu lassen, änderte überhaupt, wie bereits früher gesagt, ihr ganzes Verhalten gegen den Kranken. Wahrlich schlug ihr jetzt da» Gewissen. Als dann die kaum mehr gehoffte Besserung eintrat und allmäh lich von Tag zu Tage erfreuliche Fortschritte machte, fand Frau Klein auch keinen Grund mehr, mit Käth chen unzufrieden zu sein; denn ihrem dem Onkel und sich selbst geleisteten Versprechen getreu, überließ sie nun ihren Platz der alten, zuverlässigen Hausmagd, sting wohl noch ab und zu, doch wurden diese Besuche immer seltener und kürzer und dabei waltete der son derbare Zufall, daß sie den langsam Genesenden stet- schlafend fand — Grausame, kleine Käthe! Ahnt Dein mitleidiges Herz denn nicht, mit welcher verzehrenden Sehnsucht Fritz Schäfer nach dem Anblick seines Schutzengels verlangt? — In seinen wildesten Fieberträumen empfand er ahnend Käthchen'» Nähe, in dem Zustande tödlicher Ermattung fühlte er den süßen Zauber ihres sorglichen Waltens, er wußte bestimmt, es war der Klang ihrer Stimme, der sanft beschwichtigend das brandende Chaos in seinem Hirn glättete, bis er mit der wonni gen Empfindung eines wunschlos Glücklichen, der auf leise schaukelnder Fluth hinüberschifft zur Insel der Seligen, entschlummerte. Daß die geliebte Gestalt kein Trugbild seiner ver wirrten Sinne gewesen, sondern daß sie leibhaftig um
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