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Dresdner Journal : 19.01.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-01-19
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188701198
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870119
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870119
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1887
- Monat1887-01
- Tag1887-01-19
- Monat1887-01
- Jahr1887
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- Dresdner Journal : 19.01.1887
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Üo^ü»«t«e, L»U» ». I : Darct ct 60. Nereaexeder r Kvaigl. krpe6itioa 6— Ure,<loer ^onrvel», Oreillsa, 2vio8«r»lra—« tio >0. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Kaufmann Amy Wilhelm Felix in Leipzig da- Comthurkreuz 2. Klasse vom Albrechtsorden zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Stadtrath Heßler in Leipzig daS Ritter kreuz l. Klasse vom AlbrechtSorden zu verleihen. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische WachrichLen. Berlin, IS. Januar. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Da- Herrenhaus nahm debatteloS und ein stimmig nachstehende Adresse an den Kaiser an: Eure Majestät find der Schöpfer drS preußischen Heere- in seiner gegenwärtigen Gestalt, durch dessen und unserer Bundesgenossen Heldenmut Eure Ma jestät da- Reich in seiner Macht und Herrlichkeit wiederhergestrllt und den Frieden Europa- wäh rend langer Jahre erhalten haben. Gegenwärtig find die staatlichen Beziehungen der Völker Euro pa- mannigfach gespannt; die Gefahr ist nicht au-qeschlosten, auch da- deutsche Reich uner wartet in einen Krieg verwickelt zu sehen Da- Hrrrenkau- ist tief bewegt, daß Eurer Majestät der Schmerz nicht erspart worden ist, daß die Be willigung der Mittel zur vollen Wehrhaftigkeit der deutschen Armee an eine unannehmbare Ein schränkung geknüpft worden ist, welche da sie dem auf wiederholten Kompromissen beruhenden Her- kommen entgegenstand, zur Auflösung de- Reichs tage- führte. DaS Herrenhaus spricht die ehr furchtsvolle Versicherung auS, ganz und freudig zu Eurer Majestät zu stehen, dankbar für dir treue Sorge Eurer Majestät um daS Heer, und drückt die Zuversicht auS, daß dem preußischen Volke kein Opfer »u schwer sein wird, um durch eine dauernde Wehrhaftigkeit jede Gefahr vom Vaterland« abzuwendev. Ro», 18. Jaunar, abend-. (Agenzia Stefani.) Bei dem heutigen Empfange der bulgarischen Ab geordneten durch den Grafen Robilant legten die selben die Lage der Dinge dar und gaben dem festen Entschlusse Ausdruck, in ihrer bisherigen Haltung, welche Bulgarien allgemeine Sympathien erworben habe, zu verharren. Graf Robilant sprach offen die Ansicht aus, daß sofort nach der Rückkehr der Abordnung nach Sophia die bulaa- rüche Regierung einen endgiltigen Entschluß fassen müsse; man habe zwischen zwei Dingen zu wählen: entweder müsse man den gegenwärtigen proviso rischen Zustand aufrecht erhalten, welcher, wenn er fortgesetzt werde, Europa mit Besorgnissen erfülle and demnach den guten Gesinnungen der Mächte gegen Bulgarien Eintrag thun und daS Land im entscheidenden Momente isolieren könnte, oder man müsse mit Rußland einen Ausgleich suchen, welcher durch aufmerksame Inbetrachtziehung der Bestim mungen deS Berliner Vertrags und drS Konstan tinopler Protokolls nicht unmöglich sei Graf Robilant bemerkte schließlich, Italien wolle keinen Rat erteilen, da rS jeden Schein einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Bulgariens ver meiden wolle, Bulgarien bade allein über die ge- eignetrn Mittel zur Erreichung eines Resultats zu beschließen. London, 18. Januar. (W. T. B.) DaS eng lische Kanonenboot „Firm" ist heute früh bei Bradnell, an der Küste von Northumberland, ge- scheitert. Die Mannschaft ist gerettet. London, IS. Januar. <Tel d. TreSdn Journ.) In einer Ansprache deS Schatzkanzlers Goschen an die Wähler in Liverpool heißt eS: Wie der deutsche Reichskanzler für den Frieden arbeitet, so auch England. England hat niemals daran gedacht» Europa in Verwirrungen zu bringen wegen einer Dynastie oder einer Persönlichkeit. Die Regierung trat niemals für Wiedereinsetzung des Fürsten Alexander von Bulgarien rin. Für eine neue Kürstenwahl bildet der Berliner Ver trag die Grundlage der Regierun-Spolitik. Die Regierung wird nichts thun, waS sie von den übrigen Mächten trennen könnte, welche thatsäcd- lich an der Krirdrnssachr arbeiten. England ver halte sich gegenüber der bulgarischen Krage keines wegs gleichgiltig, obgleich eS nicht seine Sache sei, den ersten Schritt zu thun. London, 'S. Januar. (Tel. d DreSd> Journ.) Während einer Theatervorstellung, die gestern abend im Lokale des dramatischen Vereins „Zrelie" statt fand, ertönte plötzlich Feuerruf. ES entstand da durch eine solche Panik, daß bei dem Drängen nach dem Au-gange 17 Personen, meist Frauen, getötet wurden. Stockholm, 18. Januar. (W. T. B.) Der Reichstag wurde heute vom Könige mit einer Thronrede eröffnet, in welcher der Stand der Finanzen alS befriedigend bezeichnet wird; eS hätten sich bedeutende Überschüsse ergeben. Die Ernte im vorigen Jahre sei eine ziemlich gute gewesen. Handel und Industrie litten aber unter dem auch in anderen Ländern herrschenden Drucke; eS sei jedoch eine Besserung zu erwarten. An Vorlagen würden dem Reichstage zugehen: eia revidiertes Verkehrsgesetz zwischen Schweden und Norwegen, ein Gesetzentwurf, betreffend die Um änderung von Privat und Zettelbankrn, ein neues Preßgesetz, ferner Entwürfe betreffend die Ein tragung von Firmen und Prokuren ivS Handelt- rrgister und über dir Branntweinproduktion. Ja Aussicht genommen seien auch Reformen i« Schul- wesen. Dresden, 19. Januar. Ein Jahr britischer Politik Die Beendigung der britischen KabinettSkrisiS for dert zu einem Rückblicke auf. Es ist noch jedermann erinnerlich, daß sich Anfang des Jahres 18 >6 der Marquis v. Salisbury an der Spitze eines konserva tiven Kabinetts befand; heute sehen wir ihn wieder an derselben Stelle; aber welche lange Folge von Er eignissen liegt zwischen diesen beiden Zeitpunkten Im Herbst 1885 hatte Gladstone übereilt sein Amt nieder- gelrgt und das konservative Ministerium war ihm nachgefolgt, ohne über den erforderlichen Anhang zu verfügen. Bei dem ersten Angriff beging der Mar quis ebenfalls denselben Fehler, wie sein Vorgänger, und trat ohne Not zurück. Nun nutzte Gladstone die Lage für sich auS. Begierig nach dem Ministersessel schloß er ein Bündnis mit den Besitzern der 86 iri schen Stimmen. Er ward Home-Ruler. Er hatte keine Empfindung für das Unwürdige dieser selbst mörderischen Politik. ES zeigte sich bald, welchen Ein druck dieselbe machte; denn die hervorragendsten Mit glieder der früheren Regierung weigerten sich, in das Kabinett einzutreten. Gladstone wurde daher gezwun gen, nach Männern zu greifen, welche im Lande nicht das erforderliche politische Ansehen besaßen. Lord Rosebery, drei oder vier junge schottische Grasen, so wie Lord Spencer, Lord Kimberley und Lord Gran ville traten in das Kabinett ein , auch begingen Sir William Harcourt und Mr. Childers den Mißgriff, in demselben Portefeuille- zu übernehmen. Der durch seine revolutionären Gesinnungen bekannte Journalist Morley wurde zum Staatssekretär für Irland ernannt. Nun begann durch die Vorlage der unter dem Ein fluß Gladstones von Sir Henry Jhring ausgearbeite ten irischen Vorlagen die Verwirrung. Es waren zwei BillS; die erste schaffte thatsächlich die UnionS- akte ab, indem sie ein irisches Parlament in Dublin errichtete und die irischen Vertreter vom Unterhause ausschloß, und die andere schlug vor, die Landeigen tümer Irland- durch Ankauf ihrer Güter zu enteignen, und zwar auf Kosten der britischen Steuerzahler für etwa 50 bis 113 Millionen Pfd. Sterl. Die nächste Wirkung dieser beiden Bills war ein allgemeiner Ausbruch deS Unwillens. Altliberale und Radikale bekundeten gemeinsam ihre Entrüstung; all gemein drang die Überzeugung durch, daß die Unteil barkeit des Reichs erhalten bleiben müsse. Damals bildete sich die große unionist,sche Partei. Gladstone erlebte nicht einmal, daß seine Vorlagen ein anstän diges Begräbnis erfuhren, denn die zweite Lesung der Bll! wurde nach langen und heftigen Debatten abge lehnt. Darauf löste Mr. Gladstone das Parlament auf und ordnete Neuwahlen an. Das Votum erfolgte ausschließlich über die Frage der Union mit Irland. Durch ganz Großbritannien machte sich eine streng konservative Reaktion bemerkbar. Die ganze haupt städtische Mitgliederschast, etwa 60 an Zahl, trat sür die Union ein, ebenso alle südlichen Grafschaften von England. In den großen Städten und Wahlflecken, wie in Liverpool, Manchester, Birmingham, wurden die Gladstonianer besiegt. Selbst in Schottland, wo die Gladstonomanie am stäcksten ist, gingen viele Sitze verloren. Am Ende des Wahlkampfes war es klar, daß Mr. Gladstone das Spiel verloren hatte — er trat in der That im Monat Juni zurück, und Mar quis Salisbury gelangte wieder an die Spitze der Geschäfte. Seine zweite Regierung glich der ersten, mit zwei wesentlichen Unterschieden. Lord Jddesleigh (der ehe- «alige Sir Stafford Northcote) bekam das Depar tement des Auswärtigen, und Lord Randolph Chur chill, der bei den Wahlen eine namhafte Rolle gespielt Atte, wurde plötzlich zu dem hohen Posten eines Lchaykanzlers und zu dem noch höheren eines Führers im Hause der Gemeinen erhoben. Diese Ernennung war unvermeidlich,, aber sie wurde mit Verwunderung und Mißtrauen bettachtet, denn Lord Randolph galt für einen Unterhändler der Parnelliten. Er war hierdurch in seinen Grundsätzen zweifelhaft, als Mi nister aber unerprobt. Da- Geschick der neuen Regierung schien günstiger zu sein. Die Session des Parlament- wurde auf August und September verschoben. Während dieser Zett bewährte sich Sir R. Churchill erfolgreich als Schatzkanzler. Es gelang der Regierung das Ansehen deS Gesetzes in Irland unter dem Vizekömg Marquis v. Londonderry und seinem Minister Sir Heaks-Beach zu bessern und die Pachtrentcn wurden freiwillig be zahlt. Durch den in Belfast aufs Neue auSgebroche- nen alten Hader zwifchen Katholiken und Protestanten, sowie durch die durchaus unfähige Verwaltung Mr. Morlays verschlimmerte sich aufs Neue die Lage in Irland. Dennoch hatten sich die Zustände im allge meinen gebessert. Obwohl der katholische Erzbischof Walsh noch in seinem Widerstand gegen die Regie rung beharrte, war doch Parnell vom Schauplatz ver schwunden „Die Dinge änderten sich wieder in etwas* Feuilleton. Dienstag den 18. Januar fand im Gewerbejaale Pablo de Sarasates Konzert statt, welches Se. Majestät der König und Ihre König!. Hoheiten Prinz Georg und Prinzessin Mathilde durch ihren Besuch auSzeichneten. Der uns seit zehn Jahren bekannte und stet- willkommene Künstler entzückt immer wieder von Neuem durch den süßen sinnlichen Zauber seines Tons, durch seine in ihrer Eigenart vollendete untrüg liche Technik, durch die poetische Beseelung, den Esprit und die Grazie seines Vortrags. DaS Konzert wurde von Frau Berthe Marx aus Paris unterstützt, einer Pianistin, dte mit höchst korrekter, fertiger, sicher und außerordentlich leicht behandelter Technik, musikalisch geschmackvolle Durchbildung, Eleganz und Delikatesse deS Bortrag- verbindet und zudem durch ihr schlich te-, anspruchslose-, persönliches Auftreten den gewin nendsten Eindruck machte Der Konzertgeber trug mit ihr inganz vorzüglichem Zusammenspiel zwei vortreff liche Musikstücke vor, Sonate on 78 von I Raff und Phantasie op. 159 von Fr. Schubert, die indessen — mit Au-nahme de- in die Phantasie verwebten Liedes „Sei mir gegrüßt" mit Variationen — die individuelle Entfaltung seiner Virtuosität weniger gestatteten. Der zarte geistige Ton seiner Geige ist nicht zum Wettstreit mit dem lauten materielleren deS Piano sötte, auch bei maßvoll behaadeltem Fotte des selben geeignet. Erst in dem interessanten Konzert stück von Saint Säen», in der eigenen Komposition „Muinsira", einer einfachen nationalen Dudelsackweife mit musikalisch fast zu anspruchslosen, aber pikanten, virtuoseffektvollen Variationen, in dem ost gehörten und immer wieder unwiderstehlich bestrickenden, unnach ahmlichen Vortrag des Chopinschen ks-6ur Notturno und in zwei anderen Zugaben — höchst diskret von Lrn. Goldschmidt begleitet — kamen alle diesem Künstler einzig eigenen Reize seines Spiels zu voller Wirkung. Die beseelte liebliche Sprache seiner Can- tilene, die gewagtesten Künste und Spielereien vir tuoser Technik, mühelos mit Anmut und künstlerischer Noblesse und Vollendung auSgeführt, enthusiasmierten die Hörer, welche immer neue Zugaben begehrten. Frau Marx trug auch Solostücke von Lißt nebst einer Zugabe mit Beifall vor; ihr gutes Spiel hätte inde» eine bessere Wahl der Kompositionen verdient. C. B. Zu der Fremde. Novelle vo» H. Keller-Jorda». (Fortsetzung.) „Ich weiß eS, Mädchen", setzte er nach einer Weile traurig hinzu. „Ein rasches Gefühlsleben reißt leicht zu Handlungen hin, deren Folgen ost ein ganze- Menschenleben zerdrücken können. Ich habe auch da runter leiden müssen, Kind — ich auch. Es ist trau rig, wenn wir da- beste gewollt, das selbstloseste er strebt, und die Konsequenzen so ganz anders wurden, als wir gedacht." Leonttne sprach nichts, ihre Züge waren starr, al» hätte sie der Schmerz versteinett. Da» Gcsprächwurde durch John Peter» unterbrochen, der wie all« Morgen kam, um sich nach dem Befinden de» Onkels zu er ¬ kundigen. Leontine fuhr zusammen, als sie ihn sah. ES kam ihr vor, al» ob auch er bleich und verstört auSsähe. Aber daS konnte ja nicht sein, es waren wohl nur die Schatten ihrer eigenen Seele, welche seinen Zügen einen so düsteren Ausdruck verliehen. ES kam dem jungen Mädchen vor, als ob er noch herzlicher wie sonst ihre Hand in der seinen hielt, noch zärtlicher, noch weicher über ihren Scheitel strich. „Du mußt mir heute einen großen Gefallen thuu, liebe Leontine, Du mußt mir Deine Stunden abtreten. Ich habe mit meinen Schülerinnen ein Motiv zu be arbeiten, welche» in einer Stunde nicht beendet wer den kann und durch Unterbrechungen sehr erschwert würde." .. . „Gewiß, gewiß," unterbrach der Onkel hastig den Einwand, den Leontine John» wegen erheben wollte, „gewiß, John übernimmt sie heute den ganzen Tag, ich fühle mich ohnedies nicht besonder» aufgelegt und möchte, daß sie bei mir bliebe." „Du guter John," sagte Leontine gedankenlos, in einem unbewußten Gefühl von Mitleid. Sie ahnte ia nicht da» hochherzige Motiv, welches John» Hand lungsweise leitete, sie fühlte nur, daß sie ihm dankbar sein müsse; denn ihr Kopf fchmerzte sie zum Zer springen. Und so vergingen Wochen um Wochen. Onkel RosenS Gesundheit nahm immer mehr ab, langsam uud kaum bemerklich, aber eS trat doch auch an ihn endlich die Gewißheit heran, daß bald alles zu Ende sein müsse Leontine litt namenlos. Wenn etwas in vieler für sie so schweren Zeit im Stande war, sie aufrecht zu halten, so war e» die ruhige, teilnehmende Lieb« John-, die sie wie ein guter Geniu» umschwebte schreibt man dem „Hamburgischen Korrespondenten" aus London, „als während der letzten Wochen plötzlich Lord Randolph Church ll sein Amt in unveraitwott- licher Weise niederlegte, weil seine Kollegen den Ab strichen, die er an den Ausgaben für Militär und Flotte machen wollte, nicht zustimmten. Indessen endigte diese Krisis in günstigster Art, sowohl sür da- Ministerium, wie für die liberalen Unionisten nnd die Nation. Es war der größte Dienst, den Lord Chur chill der Regierung leisten konnte, daß er auStrat. Der dadurch ermöglichte Eintritt Mr. Goschens in daS Kabinet ist ein Ereignis von höchster Bedeutung. Als Schatzkanzler wird er den Platz besser als irgend ein anderer aussüllen. Zugleich gesellt er, da er mit Bewilligung und auf Zureden Lord HartingtonS ein- trat, der Regierung ein liberales Element zu. Er ist ein Redner ersten Ranges, aber vor allem wird er wegen der Festigkeit geschätzt, mit der er an seinen Grundsätzen hängt. So weigerte er sich 1880, in Gladstones Regierung einzutreten, weil er keinen An teil nehmen wollte an der Ausdehnung des Wahl rechts — der Wurzel alles Übels in Irland und anderswo." „Die auswärtigen Beziehungen des Landes wurden zunächst von Lord Rosebery in fähiger Weise und im Geiste seines Vorgängers geführt, auch erhob sich kerne Frage ersten Ranges. Der unruhige Ehrgeiz der Griechen wurde in die ihm gebührenden Schranken verwiesen und zwar durch das Einschreiten eines Blo- kadegeschwaders An dieser Demonstration nahm Eng land in erster Linie teil. Auch verfolgte die britifche Regiernng den Verlauf der Ereignisse in Bulgarien mit dem ernsten Wunsch, die Unabhängigkeit diese- Fürstentums auf Grund der Bedingungen des Ber liner Vertrages aufrecht zu erhalten. Tie Beziehungen Großbritanniens zu Frankreich waren das ganze Jahr hindurch weit entfernt, freundlich zu sein. Die Fran zosen können oder wollen den Verlust deS ägyptischen Kondominates nicht überwinden. Aber Großbritannien hat heute so wenig die Absicht, in Ägvpten zu bleiben, als es sie jemals gehabt hat, da dessen Okkupation nur Lasten und Kosten verursacht. Die britischen Streitkräfte in Ägypten sind jetzt auf ungefähr 5000 Mann vermindert. Die Haltung der französischen republikanischen Regierung wird in London mit großem Mißtrauen angesehen. Man hält es nicht für un möglich, daß dieselbe im neuen Jahre weitere Unzu- träglichketten veranlaßt. * „Eins der bedeutendsten Ergebnisse de- verflossenen Jahres ist die Festigung deS Bandes gewesen, welche- Großbritannien mit seinen Kolonien verknüpft. Dazu diente insbesondere die Kolonialausstellung, welche eine erstaunliche Mannichfaltigkeit von Erzeugnissen aller Himmelsstriche dem erstaunten Auge durbot und eine große Menge von Kolonisten nach England führte, wo sie mit großer Herzlichkeit ausgenommen wurden. Uebrigens geht Großbritannien in seiner Politik nicht mehr unbedingt darauf aus, die kolonialen Besitzungen auszudehnen. Es hat Pott Hamilton den Chinesen überliefett, und wenn sich nicht die australischen Kolo nien verpflichten, für die gesamten Kosten der Nieder lassung m Neu-Guinea zu sorgen, so wird es sich weigern, bei der läst gen und nutzlosen Okkupation dieser großen Insel zu beharren. Die neue Nieder lassung in Nord-Borneo gedeiht, ist aber gänzlich in den Händen einer Privatgesellschaft." „Das vergangene Jahr ist sür den britischen Han del em sehr gedrücktes gewesen, und der Ackerbau leidet unter dem äußerst niedrigen Stand der Preise, mag auch der Konsument daraus einigen Vorteil »sehen. Geld ist reichlich gewesen, und der Preis für Fonds hoch, weil keine Veranlassung vorlag, daS Geld in Handels- oder Fabrikunternehmungen, oder in Land käufen anzulegen. Doch sind jetzt Anzeichen einer Wenn feine Liebe zu ihr seit dem ersten Tage, an welchem sie sich ihm angelobt, auch nie mehr Aus brüche von Leidenschaft und Glut zeigte, sondern mehr einen Ausdruck anbetender Verehrung angenommen hatte, so war er jetzt für sie wie ein Bruder. Nicht einmal mehr in seine Arme wagte er sie zu schließen und nur zuweilen, wenn sie am allertraurigsten war, nahm er ihren Kopf, wie er es gern that, legte ibn an seme Schulter und strich zärtlich über ihr Haar. Leontine war tief gerührt durch seine Liebe und wenn sie sich nicht zu traurig in ihrem Herzen gefühlt hätte, so wäre wohl der Entschluß schon zur Reife gebracht, der sich bei der zunehmenden Schwäche des idnkels so natürlich ergab — die kirchliche Einsegnung vorzuschlagen: ein Wunsch, dar wußte sie gewiß, den John aus übergroßem Zartgefühl nicht auszusprechen wagte. Hatte er ihr doch gleich am ersten Tag ihrer Verlobung gesagt: „Du sollst nicht gedrängt werden, Herz, ich harre geduldig auS und erst, wenn Du mir sagen wirst: John, eS ist Zeit, dann wird eS recht sein." Auch der Onkel, wenn er von seinem nahen Ende sprach, sah, so kam eS ihr vor, bittend in ihr Gesicht, als drücke ihn die Sorge um sie und ihre Zukunft — aber auch er sagte kein Wort. War sie so viele Liebe, so viele Rücksicht wett? War es dankbar von ihr, daß sie trotzdem ein Bild in ihrem Her»en trug, das nicht weichen wollte, sie sich um das Schicksal eine» Mannes grämte, welcher doch nur so flüchtig ihren Lebensweg gekreuzt hatte? Und doch sah sie wachend und träumend die tiefen Augen Walters, die sich einst so voll unsäglicher Liebe
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