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Dresdner Journal : 02.06.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-06-02
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188706028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1887
- Monat1887-06
- Tag1887-06-02
- Monat1887-06
- Jahr1887
- Titel
- Dresdner Journal : 02.06.1887
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Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Johann Georg, Max und Albert sind gestern Abend von Sibyllenort wieder hier ein- getroffen. Nichtamtlicher Leit. Hetegraphische WachricHlerr. Lzegedin, 2. Juni. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Theiß steigt beunruhigend schnell. Eine Schleuse ist durchbrochen, so daß eine ausgedehnte Überschwemmung der Fluren befürchtet wird. Zahlreiche Arbeiter wurden aufgebolea, um das »eitere Lordringen des Wassers za verhüten. Brüssel, 2. Jani. (Tel d. Dresdn Jouru.) Zn Molevbeeck (Ott in der Nähe Brüssels) ist der Streik beendet. Auch auS den übrigen Landes- teilen, wo die Arbeit eingestellt war, liegen be ruhigende Nachrichten vor. Mons, 2. Juni. (Tel. d. Dresdv. JournZ Der Untersuchnngsrichter verhaftete gestern Hektor Conreur, der nach seinem eigenen Geständnis das Ultimatum der Streikende» »erfaßt hat, welches unter dem falschen Ramen StanislaS Londeur veröffentlicht wurde und Beeruaert zugesaudt wer- den sollte. Dresden, 2. Juni. Zu den Enthüllungen des Generals Leflü. Die sogenannten „Enthüllungen" des Generals Leflü, welcher der Welt das Märchen auszubindell versuchte, Deutschland habe im Jahre 1875 einen Krieg gegen Frankreich geplant, haben bisher in der deutschen Presse wenig Beachtung gefunden, da man auch in den maßgebenden Berliner Blättern von denselben keine Notiz nahm, sei eS nun, daß dieses geschah um dem Ministerium Goblet keine Verlegenheiten zu bereiten, oder aus einem andern Grunde. Erst in der Morgenausgabe der gestrigen „Nordd. Allg. Ztg" werden diese auf Veranlassung des Hrn. v. Keratry veröffentlichten Enthüllungen einer Antwort gewürdigt Obgleich man müde an diesen tendenziösen Enthüllungen und an deu leider notwendigen Zurückweisungen solcher »nsaubern Angriffe gegen die deutsche Regierung ge worden ist, so erfordert dieser Gegenstand doch das zwin gende Jnterefle der TageSgefchichte, und wir wollen ihm noch ein kurzes Verweilen widmen. Die deutsche Politik hat seit mehr als zwei Jahrzehnten den Fehler, so ehrlich und offen zu sein, daß man im Auslande gar häufig glaubt, ihre geraden Wege für ein trüge rische- Spiel halten oder wenigstens für ein solches ausgeben zu müssen. Bei ihrer Brandmarkung der Leflüjchen Verdäch tigungen schreibt die „Nordd AUg. Ztg." folgendes: „Der ehemalige französisch« Botschafter am russi schen Hofe, General Leflü, hat in der Nummer des „Figaro" vom 21. Mai unter dem Titel „Kaiser Alexander II. und Frankreich im Jahre l875" diplo matische Schriftstücke veröffentlicht, welche in der sran- zösiichen, russischen und englischen Presse unbegründe te- Aufsehen erregt haben. Man hat dort auf diese sogenannten „Enthüllungen" von neuem da- oft wider legte Märchen begründen wollen, al- ob Deutschland im Jahre 1875 einen Angriff auf Frankelch geplant hätte, während doch gerade das Gegenteil aus jenen Schriftstücken hervorgeht Der General Leflü mag aus eigenem Antriebe oder auf höheren Befehl an die kriegerischen Absichten Deutschlands geglaubt und seinen Befürchtungen in St. Petersburg Ausdruck gegeben haben; aber nach seinem eigenen Zugeständnis erwies sich diese Furcht al- unbegründet. Als er dem Kaiser Alexander II. von „den schwar zen Punkten" sprach, welche Fürst v Bismarck herauf beschwöre und die geeignet wären, die Ruhe Frank reich- aufs tiefste zu erschüttern, antwortete ihm der Zar, der in Bezug auf die deutsch« Politik besser in formiert war, al- alle französischen Staatsmänner, Deutschland sei „sehr entfernt", einen Krieg zu wollen; er, der Zar, wisse bestimmt (p«rttll«wweut), daß Kaiser Wilhelm „ganz entschieden gegen jeden neuen Krieg sei" (resolumbvt ops-ose L toate n-nreUa guerre). — ES beweist die- mehr als alles Andere, daß von einem deutscherseits gegen Frankeich geplan ten Angriffe im Jahre 1r>75 nicht die Rede war, denn der Kaiser Wilhelm allein, ohne dessen Willen Kin deutscher Soldat in- Feld geschickt werden kann, hat über Krieg und Frieden zu bestimmen, und dieser war, nach dem kompetenten Zeugnis des Kaiser- Alexander, „entschieden gegen jeden neuen Krieg. Die Grundlosigkeit der Leflüschen Befürchtungen oder Behauptungen tritt noch greller hervor, wenn man die au- der Sendung de- Hrn. v. Radowitz nach St. Petersburg entnommenen Argumente prüft. — Der General Leflü behauptet, Hr. v Radowitz sei nach St. Petersburg entsandt worden, um dem Zaren Kom pensationen im Orient zu versprechen, wenn er Deutsch land ungehindert über Frankeich herfallen lassen wolle. — Diese Vorschläge seien abgewiesen worden. Der General Leflü macht keinen Versuch, diese Er findung durch Beweismittel oder Indizien zu begrün den. — Sie ist einfach au- der Luft gegriffen und hat keine andere Unterlage al- die Dreistigkeit, mit der sie erfunden ist. — Tie Rückkehr des Hrn. v. Radowitz von seiner Sendung nach St. Petersburg fand früher statt, al- der hohle KriegSlärm überhaupt von französischen Agenten, im Einverständnis mit dem Fürsten Gortfchakoff, in Scene gesetzt wurde. Sie hatte keinen weiteren Zweck als den der geschäftlichen Vertretung des abwesenden Botschafter- durch einen Diplomaten, der den Rang eines Gesandten besaß, dabei die Intentionen der Regierung genau kannte, weil er bis dahin im Auswärtigen Amte in Berlin gearbeitet hatte, und der der Dialektik des Fürsten Gortfchakoff gewachsen war." Zur Erläuterung der Leflüschen Enthüllungen stellt die „Nordd. Allg. Ztg." einige Schriftstücke zusammen, deren erstes eia Schreiben de- Botschafter« Prinzen Reuß an den Reichskanzler auS St. Petersburg vom 22. April 1875 bildet und welches über eine am vorausgegangenen Tag stattgehabte Audienz deS deut schen Militärattaches Generals v. Werder berichtet. General Leflü, damals Botschafter der französischen Republik in St. Petersburg, habe bei Kaffer Alexan der sehr erregt über die deutschen Rüstungen ge sprochen, ein Verhalten, welches aber nicht die Billi gung des Kaisers fand. „Ter Kaiser hat dem Botschafter hieraus geantwortet, Er Seinerseits könne ihm Sein Ehrenwort geben, daß die Regie rung Seiner Majestät unseres allergnädigsten Herrn durchaus friedlich gesinnt sei und keineswegs mit Lngriffspläneu um ginge. Wenn man in Preußen neue Munition ansertige, jo käme dies daher, daß man ein neues Bewehr und ein neues Geschütz eingeführt hab«, gerade wie in Frankreich; eS sei dres daher eine ganz natürliche Erscheinung. — Der General Leflo hat sich auch durch diese Versicherung beruhigt gezeigt. — Der General v. Werder hat bei dieser Gei genheil die Bedeutung des neuen französischen Ladregesepes hervorgehoberf und die riesenhaften Ziffern angegeben, welch« die französische Armee aus FriedenSfuß in etwa L Jahren erreichen werde." Eine zweite Depesche des Prinzen Reuß aus St. Petersburg vom 2. Mai 1875 berichtet über eine Audienz des österreichisch-ungarischen Botschafters bei Kaiser Alexander, bei welcher Gelegenheit der Kaiser seine Befriedigung über das Verhältnis zu Osterreich- Ungarn aussprach. „Außerdem hat der Kaiser auch von der allgemeinen poli tischen Lage Europas gesprochen und in gewohnter Weise das Thema behandelt, daß, so lang« das gute Einverständnis zwilchen deu drei Kaiserhüsen bestehe, eine Störung des Friedens un möglich sei; Frankreich könne ohne Allianzen mchlS unterneh men, wolle auch nicht de» Frieden stören, und halte Er des halb die Besorgnis, welch« man in Berlin zu haben scheine, vielleicht für einigermaßen übertrieben. Er zweifle übrigens Nicht, daß sich die Kolken zerteilen würden, und was Er zur Beruhigung beitragen könnte, das solle gewiß geschehen. Diese Äußerungen, die mir mein österreichischer Kollege im «vasten Vertrauen mitgeteilt hat, scheinen mir ein neuer Beweis dafür z» sein, daß der Kaiser künstlich in dem Glauben er halten »ird, daß die Unruh«, die zuweilen in die Gemüter mmmt, van Berlin auSgeh« Daß diese Ansicht hier im aus wärtigen Ministerium besteht, vom Fürsten Gortschakosf nicht bekämpft „d von außen her genährt wird, scheint mir keinem Zweifel z» unterliegen. Ich such«, wo mir dies nur irgend «ogiich »st, solchen Ideen entgegenzutreten und bediene mich dabei all« der kräftige:. Argumente, mit welchen mich Ew Durchlaucht ausgerüstet haben." Die dritte Depesche de» Prinzen Reuß berichtet über «in längeres sehr intimes Gespräch, welches der Botschafter bei seiner am 22. Januar 1876 stattge- habieu Abschied-audienz mit Kaiser Alexander II. hatte, worin der Prinz Reuß unter anderem darauf hinwieS, wie man von übelwollender Seite immer bestrebt sei, Sr. Majestät dem Kaiser Alexander Mißtrauen gegen Se Durchlaucht den Fürsten Reichskanzler einzufiößen. Die Drpesche enthält über das Verhalten Alexanders II. angesichts dieses Hinweises folgend« bezeichnende Stelle: „Der Kaiser nahm diese Auseinandersetzung gut auf under- »derU: „Sagen Sie dem Fürsten, daß auch ich unbedingtes Vertrauen m ih» setze." Sr erzählte mir hierauf von den sehr befriedigenden G«'vrächen, welch« Er in Berlin mit Ew. Durch- lavcht gehabt; wie Er Sie gebeten habe, im Amte zu bleiben, wir Er noch heute denselben Wunsch hege; daß es ein Unglück für die leider »och schlecht gekittete deutsch« Einheit wäre, wenn Sir sich von den Schäften zurückziehen wollten. Und wenn, was Gatt verhüte» wolle, ein Regierungswechsel bei uns ein- treteu sollte, dann würden Sie dem Reiche noch viel nötiger sei» als jetzt. Wie gesagt. Er habe Vertrauen in Ew Durchlaucht, Er sei im »origen Jahre sehr isoliert mit der Ansicht da- gestaade», daß Sie gar nicht daran gedacht hätten, de» Krieg mit Frankreich zu wollen, und allen denen, die ihm nachträglich für das gedankt hätten, was Er für die Erhaltung des Friedens gethan, habe Er sehr entschieden geantwortet, Er habe gar nichts thun könne», »eil Sie ebenso friedenSlrebend gewesen wäre», al« er selbst." Man sieht aus sämtlichen drei Akenstücken, wie General Leflü in St. Petersburg einen vollständigen Mißerfolg hatte. Kaiser Alexander II. hielt in uner schütterlicher Treue zu Deutschland über die Ver anlassung zu den sogenannten im „Figaro* veröffent lichten „Enthüllungen* deS Generals Leflü bringt ein Pariser Mitarbeiter der „Post* eine merkwürdige Auf- stärung. Der Verfasser spricht von der Käuflichkeit der französischen Presse unter dem Kaiserreich und sagt dann: „Aber die Empfänglichkeit gewisser französischer Journalisten für eine thatkräftige Beeinflussung, wie sie unter dem Kaiserreiche existierte, ist dieselbe ge blieben Eine kleine Anzahl französischer Zeitungen existiert noch heute unter glänzenden Bedingungen, so z. B. der „Figarv*, der jeder Zeit in der Lage ist, für eine große Reklame eine entsprechend bedeutende Summe zu zahlen. In wiefern orleanistifches Geld dazu beiträgt, dem „Figaro* dies zu ermöglichen — bekanntlich ist der Herzog v. Aumale Besitzer eines großen Teils der Aktien des „Figaro* — das will ich dahin gestellt sein lassen; jedenfalls hat dar ge nannte Blatt, nach dem Urteile von Sachverständigen, keine Extravaganz begangen, indem eS 12000 FrcS. zahlte, um den altersschwachen General Leflü, der bis dahin für einen Ehrenmann gegolten hatte, durch Hrn de Seratry zu veranlassen, Staatspapiere, deren Ge heimhaltung seiner Beamtenehre anvertraut worden waren, unter dem verlockenden Titel: „Ove , »ge ck'kistoire" im „Figaro* zu veröffentlichen * FkMctüil. Ohne Arbeit. Novelle von Berth»ld Paul Förster (Fortjetzung.) „Anna —* aber immer wieder schwieg er und wagte nicht den Blick zu ihr zu erheben, denn er fühlte, daß er seine mühsam errungene Fassung nur schweigend bewahren konnte und daß er ihr nur das Eine zu sagen wußte, was er doch nicht auSsprechen durfte: „Bleib', o bleibe bei mir'/ Sie aber stand dann vor ihm, da« gramvolle Antlitz in banger Er wartung zu ihm erhoben, und wenn er ihre Blicke nicht gemieden hätte, so würde er in ihren Zügen die angstvolle Bitte gelesen haben: ,Laß mich nicht von Dir gehen — sprich eS aus, das Uebe kleine Wort: bleib', o bleibe I" ThörichteS Menschenhen! So nah« Deinem Glücke, welche» dich über alles Weh der Erde emporheben könnte, und du bist blind. Lauter denn je ruft die selbe Stimme, welcher du so oft mit heiterem Sinne folgtest, und jetzt bist du taub. Mit einem Worte könntest du deinen stillen Frieden zurückrufen und du bleibst stumm. O, du armes, thörichtes Menschen- herzl Da» erlösende Wort blieb ungesprochen — keiner von iknen sprach e» au», und so schritten sie stumm nach dem Bahnhofe und standen schweigend an der geöffneten Wagenthür. Bi» zum letzten Augenblicke zögerte Anna einzusteigen; immer angstvoller hingen ihre Augen an seinem Munde. Nun gewahrte sie, wie seine Lippen leise zitterten — „Einsteigen, einsteigen! Es ist die höchste Zeit!" ruft der Schaffner. Noch eine Umarmung, heiß und innig — noch ein Händedruck, ein Blick — „Einstei gen, schnell, schnell!" Laut klappend schlägt die Wagen- thür hinter der bleichen Frau in» Schloß. „Fertig!* Ein Pfiff des Zugführers von der Lokomotive her schrillend wiederholt, und der Zug setzt sich in Be wegung. Erft langsam, dann schneller, immer schneller — weiter, immer weiter. Anna neigt sich zum Fen ster hinaus, gewaltsam drängt sie ihre Thräneu zurück — ihre Augen sind weit geöffnet. Kleiner, immer keiner erscheinen die Zurückbleibenden, mehr und mehr leert sich der Perron. Jetzt ist nur noch eine dunkle Gestalt zu sehen, welche unb«weglich dem enteilenden Zuge nachblick Nur wie ein schwarzer Punk er scheint diese Gestalt noch — aber er ist e- ja; noch kann Anna ihn sehen, noch klammern sich ihre sehn süchtigen Blicke fest an diesem Schemen — dann eme leichte Biegung de» Zuge»: fort, entschwunden — ver laffen und einsam. Einsam! Seltsames Wort, wie bangt dem Herzen vor dir. Einsam ist der Wanderer auf öder Heide, und doch: Wind und Wolken begleiten ihn Einsam seufzt der Gefangene im Kerker, aber vielleicht blickt ein Stückchen blauen Himmels durch da- Gitterfenster und die trübrn Gedanken werden nach ob«n geleitet. Einsam fühlt sich gar mancher in seinem stillen Käm merlein; doch im Geiste sieht er freundliche Gestalten auS- und eingehen. Aber wehe demjenigen, der sich einsam fühlt in der Mitte lachender, schwatzender und rechnender Menschen, denen er nicht entfliehen kann Wie das fröhliche Lachen so weh thut; wie das heitere Geplauder die Leere de- eigenen Herzen- nur noch fühlbarer macht; wie die alltäglichen Redensarten an- widern! Aber wer könnte e» den Mitreisenden ver- denkeu, daß sie einen traurigen Fahrgast unbeachtet lassen — eS ist noch da- Gescheiteste, waS sie thun können. Wenigstens giebt eS eine Art von rücksichts voller Rücksichtslosigkeit, welche fürchterlich ist: ein Meer von Neugierde und Unterhaltungssucht, in das sich ein Mitgefühl verlor. „Arme- Frauchen", begann eine robuste, gutmütig auSsehendr Frau, welche Anna gegenüber saß, „Sie müssen den Herzliebsten wohl für lange Zeit verlassen? WaS treibt sie denn fort?" Wie Anna aber eine abwehrende Handbewegung machte und schwieg, wandte sich ihr Gegenüber achsel zuckend und einige unverständliche Worte murmelnd, an eine mitteilsamere Nachbarin. Anna lehnte sich in die Ecke der Wagen- zurück, nachdem sie lange hinausgestarrt hatte, um wenigsten» da- Häuflein Dächer noch zu sehen, unter deren ein» der verlassene Manu einsam zurückkehren mußte. Nun schloß sie die Augen und ihre Gedanken begleiteten den Einsamen auf Schritt und Tritt. Sie sah ihn, wie er gebeugten Haupte- den Bahnhof verlieh und langsam dahinschlich. Müde und traurig betrat er die verödete Wohnung — doch nein, wa» sollte er dort! E» war niemand da, welcher seiner Harrie; kein Gruß, keiu freundliche- Wort schallte ihm entgegen — alle- öde, leer. Aber war e» nicht sein eigener Wille ge- we en, daß sie zu ihrer Mutter gehen sollte — war sie ihm nicht eine Last gewordene Doch vielleicht bereute er e» jetzt, sie fortgeschickt zu haben, viel- - Bei dem ganzen Handel spielt offenbar Leflü die traurigste Rolle. Wie dieses bi-weilen vorkommt, hat er in seinen alten Tagen um Geld zu erwerben und um zugleich genannt zu werden, seinen guten Namen auf- Spiel gesetzt und seine Ehre befleckt. Layestztschlchte. Dresden, 2. Juni. Da- heute hier eingetroffene 15. Stück vom Reichs-Gesetzblatt de-Jahres 1887 enthält lediglich: Nr. 1715) Gesetz vom 28 Mai d. I., den ServiStarif und die Klasseneinteilung der Otte betreffend. * Berlin, 1. Juni Se. Majestät der Kaiser arbeitete heute mittag längere Zeit unt de^ Chef de» Zivilkabinetts, wirk. Geh. Rat v. WilmowSki, hatte darauf eine Unterredung mit dem geb. Hoftat Bork und unternahm später eine Spazierfahrt. Vorher hatte Se. Majestät der Kaiser noch den bisherigen Kaiser!, deutschen Gesandten in Kopenhagen, LegationS- rat Stumm, welcher behufs anderweitiger dienstlicher Verwendung von seinem bisherigen Posten abberusen worden ist, empfangen und später auch noch Kon ferenzen mit dem Vizepräsidenten des Staat-mini- steriumS, Minister des Innern v. Puttkamer, und dem StaatSseketär des Auswärtigen Amt- Grafen Herbert BiSmarck gehabt. Für die Kaiserrevue am 3. d. MtS. werden die im Kieler Hafen anwesenden Kriegsschiffe folgend« Aufstellung nehmen: In der Nähe der Mündung deS EiderkanalS bei Holtenau die I. und II. Torpedo bootsdivision mit dem Flotillenfahrzeug Aviso „Blitz", sodann in 300 m Abstand das Manövergeschwader, bestehend auS ,Fällig Wilhelm" (Flaggschiff), ,Faiser", „Oldenburg", „Pfeil", und an diese- sich anschließend „Friedrich Karl" und „Hansa", sodann folgt da» Schulgeschwader mit den Schiffen „Stein" (Flagg schiff), „Moltke", „Gneisenau" und „Prinz Adalbert", ferner die Schulschiffe „Ariadntt, „Luise", „Niobe" und zum Schluß die Reservedivision mit den Schiffen „Sachsen" (Stammschifs), „Baden", „Bayern" und „Württemberg" S. M. Torpedoschulichlff „Blücher" behält seinen ständigen Ankerplatz bei der Marine- akadcmie bei. Hinzugefügt wird noch, daß neben der Fregatte „Niobe" die anläßlich der Festlichkeiten am 3. Juni anwesende schwedische Korvette „Edda" ihren Ankerplatz nehmen wird. Der Generallieutenant und Direktor de- Departe ments für das Jnvalidenwesen im Krieg-ministerium Generallieutenant v. Grolmann ist an Stelle des Generals v. Hartmann, welchem der nachgesuchte Abschied bewilligt worden ist, zum Gouverneur der Festung Ulm ernannt worden. Wie, der „Post" zufolge, in katholischen Kreisen PosenS versichert wird, ist zum Weihbischof von Gnesen der dortige Generalvikar und Domherr korytowski dem Papste vorgeschlagen worden. Von unterrichteter Seite wird dem . Hann. Cour." r.itgeteilt, daß dem Reichstage eine dritte Vorlage für Elsaß-Lothringen zugehen werde. Es handle sich um einen Gesetzentwurf, welcher den Kaiser ermächtigt, Abänderungen solcher Reichsgesetze, die in Elsaß-Loth ringen als Landesgesetze eingeführt sind, einfach mit telst kaiserlicher Verordnung im Reichslande einzufüh ren, so daß die erneute Beratung, sei es im LandeS- ausschuß, sei es im Reichstage, erspart bleibt. E» werde dadurch vermieden, daß der Landesausschuß Abänderungen ablehnt, die für das gesamte übrige Reich reichsgesetzlich beschlossen sind. Ferner ver laute aus Straßburg, es werde in den dor tigen Regierungskrisen erwogen, nach dem Vor gänge der von der preußischen Regierung für Posen und Westpreußen getroffenen Maßnahmen zu einer Versteinerung und Vermehrung der Kreise zu schreiten. leicht schrieb er ihr bereits in diesem Augen blick „ach komme doch zurück zu mir — ich dachte es mir nicht so schwer, ohne Dich zu leben." O Gott, wie wollte sie eilen, wie wollte sie sich hasten — nein, Mutter, nein! Ich gehöre ihm, bei ihm ist mein Platz — — aber ach, er hatte ihr noch nicht ge schrieben, that eS vielleicht nie — Plötzlich durch zuckte eS die gequälte Frau: Wie? Wenn er nur ihretwegen ihren Entschluß gebilligt hätte! Warum kam ihr erst jetzt dieser Gedanke; warum hatte sie nicht gesprochen, wie ihr Mann sie noch hätte hören können?! Sie richtete sich hastig empor und beugte sich zum Fenster hinaus, als könne sie ihm noch jetzt zurufen. Tie Stadt war längst entschwunden; fremde Ort schaften und Gegenden schienen im tollen Kreisen vor- brizufliegen. Erschöpft sank die Frau auf den Sitz zurück und schloß von neuem die Augen. Wieder trat ihr da- Bild ihre- Mannes vor die Seele. Er ging hinab an den Hafen und schritt an dem belebten Strome entlang; aber er fragte nieman den nach Beschäftigung, wie er früher wohl gethan batte. Weiter ging er, immer weiter; das laute ge- jchäftige Treiben des Hasenlebens lag hinter ihm und immer einsamer wurde der Weg Da» leise Mur meln de» Stromes und das heimliche Flüstern d«» hohen Schilfes waren die einzigen Laute, welche durch die Sülle drangen. Run bleibt Han- stehn» und starrt in da- Wasser — lange, lange. Frau Anna sieht in sein verstörtes Gesicht, in seine glühen den, umherirrenden Augen; mit zitternder Hand fährt er durch da- schwarze Haar — ein baugeS Stöhnen entringt sich seiner keuchenden Brust — jetzt - barm-
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