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Dresdner Journal : 27.03.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-27
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189303276
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18930327
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18930327
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1893
- Monat1893-03
- Tag1893-03-27
- Monat1893-03
- Jahr1893
- Titel
- Dresdner Journal : 27.03.1893
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S18 nale. In Anwesenheit des Direktors, Oberst Zeiener, wurden hier die für die Unterbringung der Geschütze und Handwaffen bestimmten Räume beiucht, in denen nebeneinerourerlesenen Waffensammlungzahlreiche KriegStrcp'äcn Zeugnis oblegen von der meh> hundert jährigen ruhmreichen Gesch chte der säcksiicken Armee. Hieran anschließend wurden unter Führung deS Majors v. Schwe nitz verschiedene Räumlichkeit n des Kadcttencorp» besucht und schließlich begaben sich die Herren nach der Besichtigung des großen Exerzier- Hauses der Grenadierregimenter in das Lsfizierrkasino des 2. Grenadierregiments Nr. 101 „Kaiser Wilhelm, König von Preußen", um ein Frühstück einzunehmen. Hatten die vorausgegangenen Führungen mehr den rein rniliiärischen Erklärungen gegolten, wobei die unter der segensreichen Regierung unseres jetzt regieren den Königs Majestät, nach den Entwürfen des hoch verdienten Krieg-Ministers Grafen Fabrice, entstandenen Etabliss.meuts eine ungeteilte Anerkennung gesunden, so trug die Vereinigung in den mit vornehmer Ein fachheit ausgestatteten Räumen dieses Osfizierrkasinos den Charakter eines geselligen Beisammenseins. Selten wird es einem Offizierecorps vergönnt sein, eine Versammlung so hervorragender Diplomaten und namhafter Gelehrten in seinen Räumen zu empfangen. Jni Verlause des Frühstücks nahmen der linkische Hr. Vertreter, Sc. Excellenz v. BonikowSky - Pascha Gelegenheit, «inen Tnnkjpruch aus das Offizierskorps des Regiments, Se Excellenz der schwedisch norwegische Hr Gesandte v. Lagerheim auf den Hrn Kriegs- Minister auszubrnige», worauf Se. Excellenz der Hr. Minister sowohl, wie der Regimentskommandeur Oberst v Hingst, dankend antworteten * Beilin, 26. März. Se Majestät der Kaiser empsingen heute nachmittag den Kardinal Fürstbischof b). Crementz in feierlicher Audienz Später wurde der Kardinal auch von Ihrer Majestät der Kaiserin empfangen — Der Bundesrat erteilte in der am Donners- tag unter dem Vorsitz des Staatssikretärs des Innern lr. v. Boett'cher abgchaltenen Plenarsitzung dem Ge setzentwurf, boreffend die Bekämpfung gemeingefähr licher Krankheiten, dem Entwurf eines Nachtrags zu der Vereinbarung erleichternder Vorschriften mit Österreich-Ungarn für den wechselseitigen Eiienbahn- verkegr rücksichilich der bedingungsweise zur Beförder ung zugelassenen Gegenstände, dem Entwurf eines Gesetzes wegen Abänderung des 8 60 des Straf- gehtzbvckn und dem Entwurf eines Gesetzes für Elsaß- Lothringen wegen Abänderung und Ergänzung des Gesetzes über die Depvsiicnverwaltu' g vom 24. März 18-^6, letzterem Entwurf mit den vom La desausschuß beschlossenen Abänderungen, die Zustimmung. Tie Vorlage betreffend den Handels- und Schiffahrts vertrag zwischen dem Reich und der orientalischen Republik Uiuguay, und der Entwurf eines Gesetzes we en A änderung des 8 4l der Konkursordnung wurden den zuständigen Ausschüssen zur Vorberatung überwiesen. Endlich wurde über mehrere Eingaben in Zoll- und Steucrangelegenheite» Beschluß gefaßt. — Gestern sand wieder erne Plenarsitzung statt. Vorauf ging eine Sitzung der vereinigten Ausschüsse für Re > nungiwesen und für Elsaß-Lothringen. — DaS preußische StaatSministcrium trat gestern unter dem Vorsitz des Graf n zu Eulenburg zu einer Sitzung zusammen, an welcher der R.'ichskanzler Graf v Caprioi und oer Kriegsminifter v. Kaltenborn- Stachau teilnahmen Wie eine parlamemarische Korre spondenz vernimmt, würde, außer Disziplinarsachen, auch die weitere Behandlung der Militärvvrlage erörtert worden sein. — Das zuletzt bis Ende dieses Monats verlängerte provisorische Handelsabkommen zwischen Deutsch- land und Rumänien vom 1 Juli v. I ist noch mals, und zwar bis zum 30. Juni d. I., verlängert worden. Die bei der Einfuhr in daS deutsche Zoll gebiet vertragsmäßig für bestimmte Nummern (Mais, gemalzte Gerste rc. > des deutschen Zolltarifs bestehenden Zollsätze sind den betreffenden rumänischen Erzeugnissen auch für die gedachte Zeit zugeslanden worden. — Wie aus Madrid berichtet wird, ist das be stehende deutsch-spanische Handelsprovisorium durch eine vorgestern von dum spanischen Minister des Auswärtigen und dcm deutschen Botschafter in Madrid unterzeichnete Deklaration bis zum 3l. Mai d. I. ver längert worden. — (Kons. Korr.) Der gesamte jüdische Libcraliimu« besiedel fick auf der Suäe nach einem Sündenbock, dem tav unerhörte Treibe» des Rerchstagsabgeordnelen Ähl- wardt aufgebunven werden könnte. „Die Konser vativen", so schallt cs in al'rn Blättern und Blättchen Der böle Grift Roman von A. G. v. Suttner. tl> (Fortsetzung.) „Ich hätte nie eine so herzlose Kokette in ihr vermutet. Doch lassen wir das, ich habe eine Bitte an Dich: Übernimm Du Steinbrunn oder, wenn Du nicht Lust hast, suche den B-sitz zu verkaufen; ich will in der Fremde meinen Wohnsitz ausschlagen Vor der Hand gehe ich auf Reisen — in drei bis vier Wochen aber werde ich in Palermo eintrcffen, wo ich einen Brief von Dir zu finden hoffe. Ist es faßlich, wie ein Mensch so unversehens vom Gipf l seines Glückes in den tiessten Abgrund deS Unglücks gestürzt werden kann? Ich war ein Spiel ball in den Händen anderer — nicht mehr und nicht weniger ... Und trotz alledem war eS vielleicht besser so; nur auf diese Weise konnte ich jene kennen lernen, an die ich mich fürs Leben zu binden gedacht! Ader daS Schlimmste: rch kann sie noch immer nicht ver gessen. Lebe wohl! Marcel." Jetzt war HanS ganz und gar verwirrt. Wie sollte er auch aus diesem Briese klug werden? Marcel sprach von dem „was vorgefallen" wie von einem Ereignisse, daS ihm allerdings nahe gegangen, für daS er aber keine Verantwortung trug. Und Zoe — eine herzlose Kokette? Das hatte er gar nicht gewußt, daß sie ihre Verbindung mit dem Verlobten gelöst. Wie und wann? Da hätte sie ja doch dessen Aufent halt wissen müssen — wo u also eine Anfrage von ihr an ihn, an Han»? War Marcel ihr Eprelball gewesen oder wen meinte er unter den „anderen" ? . . Er la» den Brief wieder — Satz für Satz — Wort der Linken, „die Konservativen sind es, di« Ahlwardt grcßgezogen, die ihn gewählt haben" Wie thöricht unv wie kurzsichtig ist da»! . . . Wir beobl cht gen nicht, an dieser Suche unü zu beteiliaen; mir wollen nur im An schluß an diese auf einige Thalsachen Hinweisen und daraus die richtigen Konsequenzen zieh'n Ahlwardt ist — ohne Einwirkung der konservativen Paiteileitung — nach der freisinnigen Lehre vom .kleineren Übel" gewählt; genau so wie eine nicht geringe Zahl von Sozialdemokraten — aber infolge der Wahlparole der freisinnigen Parteileitung — freisinniger- Wählern ihr Reichitagsmandat verdankt. Wir haben seinerzeit, als die Herren Richter und Bachem im Reich?tage durch ihre gewaltigen Neben den sozial- dcmokratischcn Zukur.strstaat „vernichtet" hatten, vor jedem Optimismus gewarnt; wir thun dies auch heute aus das nachdrücklichste bezüglich Ahlwardt« Die Sozia'demotraten haben di- betreffenden RechrtagSoerhandlungen zur Pro paganda benutzt, und auch Hr Ahlwardt wirs demgemäß har dein Ist ihm doch ain Abende nach seiner Brand markung im Reichstage — ein unalaublicher Vorgang! — in Spandau vor einer jubelncen Versammlung ein frischer Lorbeerkranz gespendet worben! So wie in Spandau wird es auch anderwärts geschehen; die r evölkerunz hat eben leider infolge der immer schlimmer auftretenden Verhetzung zu Wahlzwecken vielfach die Fähigkeit verloren, zwischen Recht und Unrecht, Moral und Unmoral zu unter scheiden. Wer trägt die Schuld on düser betrübenden Erscheinung? Einmal freilich uns-r Neichstagswahlrecht selbst; dann aber — und vor allem — diejenigen agitatorischen Elemente, die es aus das rücksiätsloseste ausruycn, trnrn jedes Mittel recht ist, wenn es nur zur Gewinnung von Abgeortnetenmanduten führt. Der Vorsitzende der lonser- va'.ivrn Nelchstoassrcktion, Frhr. v. Manteuffel, charakterisierte die Taktil AhlwardtS unter allseitiger Zu stimmung des ganzen Hauses auf das treffendste also: „Ahlwardt stellt eine Behauptung aus urd hält sie für eiwiesen, wenn er sie wi derholt hat." Tiefe Taktik hat aber Ahlwarlt nicht erfunden; das ist die Taktik, die wir bei freisinnigen Agitatoren in P>esse und Versammlungen täglich wahrnehmen tönnen. Heute noch heixt es dort (dersprrüwcrse in der „Fcanl'ruter Ze tung"), der konfer- ratioe Paiteitag habe Hrn. Ahlwardt hcchleben lassen, obwohl nachaewiesen ist, daß nur zwei oder drer Anwesende diesen taktlosen Ruf hören ließen; noch heute agitrert der Deulschsreisiiin mit der „Liebesgabe für die Brenner" u. s w Das und doch die ganz gleichen Manöver, wegen deren die Freisinnigen hinsichtlich AhlwardtS ganz außer sich ge raten. Wer trägt nun die Schult» an der antisemitischen Bewegung, die einzig durch das agitatorische Beispiel der Freisinnigen verschalst ist, überhaupt? Nach landläufiger Annahme die Konservativen Das ist nicht richtig. Tie anti emilische Bewegung ist durch das taktlose, gehässige und jedes christliche Gefühl verletzende Benehmen der Juden- schast selbst ganz spontan ausgetreten. Vor fast zwanzig Jahren war es beispüleweisr die der Zentrum Partei an- gehörive „Schlesische Volkszeitung", die sich gegenüber rohen Angriffen auf eie katholische Kirche von seilen des Bret- lauer demokratischen Judenorgans — r ach vorhergegangencr Verwahrung — dadurch verteidigte, daß sie mit der Ver öffentlichung dcs kin ungeheueres Aufsehen verursachenden Artikels vom „jüdischen Neserendarius " zum Ai griffe vo.ging. Schon damals machte sich die antisemitische Be wegung bemerkbar und sie wurde durch das, statt be scheidener, immcr dreister werdende jüdische Preßgebaren nur noch mehr verschärft Auch jetzt noch sind di: Juden und sind namentlich deren polilüche Freunde nicht klüger geworden, auch jetzt noch thun sie alüs, um dem „reinen" Antisemitismus neue Nahrung zu geben. Nimmt sich die konservative Partei dieser Bewegung, soweit sie korrekt ist, an, leitet sie sie in ruhigere Bahnen, so müssen ihr die vernünftigen Juden dankbar sein, statt sie zu verlästern und zu ver leumden Nun wird ja auch — und zwar mit Recht — über d'e Abnahme eines sachlichen und ruhigen Tone» in der Presse urd im Parlamente geklagt Die „National- liberale Korrespondenz" vergießt über die „zunehmende Ver rohung" förmlich Thränen. Wer trägt denn nun daran die Schuld ? Zunächst wiederum das Reichstagswahlrecht, bei dcm eben die roheren Elemente schließlich ausschlaggebend sind, dann aber auch die Presse der Linken s.lbst. So lasen wir — wir wollen uns auf Beispiele aus , gemäßigt"-liberalen Organen beschränken — beispielsweise jüngst in der „National- liberalen Korrespondenz" den folgenden Say: „Tie korservativc Partei hat wieder einmal in ihrer Unkenntnis und Geringschätzung aller Verhältnisse, die außerhalb ihres ostelbischen ScheuledcrS liegen, einen unverantwortlichen Mißgriff begangen" Daß dieser Ton ein besonders vor nehmer sei, wird doch lein Mensch behaupten, viel „roher" könnte selbst der „Vorwärts" sich nicht ausdrücken. So schrieb kürzlich die „National Zeitung" : „Graf v. Mirbach strahlte in „reinem" Vergnügen, und als sich Hr. v. Man teuffel zu ihm gesellte und schließlich Hr Ahlwardt vor sie hintrat, anscheinend um den Gönnern von gestern und von mo-gen, wenn nicht von heute, die Exposition zu drr vorletzten seicer zwölf Reden darzulegen, da war das Idyll fertig." Und dabci ist in dem Pailamentsbericht desselben „vornehmen" nationalllberolen Organs zu lesen, Laß Frhr. v Manteuffel gegenüber Hrn. Ählwarot u. a. folgende Worte äußerte: „eine derartige Aeujerung unbewiesener Virdächtigungen ist der faulste Punkt, den da» deutsch« Reich hat" Ist das etwas anderes als eine — wie die „Nationalliberale Korrespondrnz" eS nennt — „bösst widerliche", „haßerfüllte" und noch dazu verleumderisch« „Schmähung"? So schrieb die natiocalliberale „Kölnische Zeitung": „Was man kaum zu hoffen gewagt hatie, ge- schab: namens der konservativen Partei ergriff Hr. v. Manteuffel das Wort und zog über den bis herigen Freund und Bundesbruder gar grausam her, zerpflückte ih» in ter rücksichtslosesten Weise" Ist das ein geschmackvoller, würdiger Ton, und steht die in jenem Satze enthaltene beleivigcnde Unwahrheit etwa auf einer höheren Stufe als di: Taktik des Hrn. Ahlwardt, der etraS s-ir erwiesen hält wenn er eS nur recht oft wiederholt? Klagen über Verrohung des Tones helfen gar nichts, wenn man nicht gerade dort, wo man diesen Übelstand erkennt, dazu beiträgt, daß er verschwinde. Ebenso wenig aber werden Klagen und Verurteilungen, die nur Ahlwardt persönlich berühren können, die aber die ganze — auch die von Ahlwardifcher Richtung himmelweit verschiedene, korrekte — antisemitische Bewegung tr>ffen sollen, irgendwie eine Besserung herbeiführen, wenn man nicht die Ursache der Bewegung faßt und das empörte christliche Gefühl durch Maßnahmen gegen den „vielfach zerseienden Gerst de« Judentum«" beruhigt. Wien, 25. März. Gestern haben beide Häuser des ReichSrats ihre Abeitn geschlossen und sich büv zum Hk» bst vertagt. Re ch an vielen stürmisch n Episoden und au heftigen Zwischenfällen war die fünf- monatliche CessionSdauer. Die Hoffnung auf eine schnelle und geschäftsmäßige Behandlung de« Budgets ist allerdings nicht in Erfüllung gegangen, und es wird wohl roch lange dauern, bis wr dahin gelangt sein werde». Das Budge wird noch Jahre hindurch einen ganzen Sessionsabschi itt für sich eifordern, andere Fragen und Vorlagen verdrängend. Man darf froh sein, wenigstens mit der Bergung der die Bauverhält nisse Wiens berührenden Gesetzentwürfe se tig zu fein Desgleichen wird die Votierung einiger, für große Gebiete bedeutsamer Lokalbahnen von der B völlerung mit Ta>k aufgenommeu werden. Auch sind handels politische Vorlagen in den Zwischenpausen, die daS Budget belassen hatte, votiert worden. Den Rest der Zeit nahmen politische Aktionen in Anspruch und je» e Versuche, die Mitwirkung der gemäßigten Parteien an den gemeinsamen Ausgaben zu sichern, die mit dem Kampfe um den Disposition?sonds eingeleitet wurden und zu dem bekannten Programme ter Regierung ge führt haben, um daS sich sämtliche Erörterungen während der letzten Wochen bewegt haben. Co wenig dieses Programm auch irgend einer der Parteien be hagen konnte, seine Einwirkung aus den weiteren Verlauf der parlamentarischen Verhandlungen brachte es doch zur Geltung. Nach den stoßweisen Erup tionen, in denen die Spannung der Lare am Beginne der Tagung zum Ausbruche kam, nach der bekannten erbitterten Verhandlung über das tschechische StaatSrecht, in welcher die Anschuldigung des Hoch verrates gefallen war, nach der Erreg heit, die am 23. November die Erkläru gen des Grasen Taaffe auf der Linken hervorgebraä t haben und in deren Wirbel der deul chliberale Minister ohne Portefeuille verschwunden war, nach all den weiteren Zwischen fällen schließlich, die das Hans in lebhafte Bewegung gesetzt haben, brachte doch das Regierungsprogramm eine gewisse Beruhigung, eine gewisse Sicherheit wenigstens für den Fortbestand der gegenwärtigen Haltung der parlamentarischen Parteien Man wird es auch dieser Wirkung zuzuschreiben haben, wenn die Konstituierung des neuen Präsidiums des Hauses ohne Kampf und unter sichtbarer Verständigung all jener Parteien crfolgt ist, auf deren Schultern die Verant wortung für die Thätigkeit deS Hau'es ruht. Hatte man von der eben abgelaufenen Session das Aufgehen der neuen festen Mehrheit erwartet, den Anbruch einer neuen parlamentarischen Ära, so ist dieser Erwartung nur gar zu bald die Enttäuschung gefolgt. Die De batten über die UnterrichrSsragen und all jene Er örterungen, die der Publikation des Programmes ge folgt sind enthüllten nur zu bald die Hindernisse, die einem solchen Umschwünge im Wege standen. Die Umrisse der neuen Mehrheit sind gezogen. Ihr Bild schwebt allen vor. Doch zur Verwirklichung des Ge dankens ist noch ein weiter Weg zurückzulcgen und noch manches aus dem Wege zu räumen, an dem im Schoße der neuen Mehrheit der Unfriede und der Kampf sich entzünden könnten. Diese Erkenntnis sprach auch aus den beiden Reden des Führers der Linken, des Hrn. v Plenen, und namenrlich aus flirren am 20. März gehaltenen Ausführungen. „Wir müssen die Dinge nehmen, wie sie nun einmal in dem öster reichischen parlameniarrschen System bestehen", meinte Hr. v. Plener, womit aber keineswegs deren Fort entwickelung ausgeschlossen erscheint Sie werd«", sagt da» „Fremdenbl." in einer ruhigen, von edlem Optimismus durchschossenenAuSlassung — wenn ein mächtiger Jmpul» kommen, wenn die Lage de» Parlament» e» erheischen sollte, schon wieder in Fluß geraten r nd nach jener Form streben, deren Richtigkeit auch vom Negierung- Programme anerkannt wurde Vielleicht wird dann die neue Gestaltung der Majorität um so dauerhafter sein je mehr sie durch die freie Überzeugung von ihrer Unerläßlichkeit geschaffen sein wird, als durch einen Eingriff seitens ter Regierung, je mehr sie aus den Verhältnissen als aus dem Willen oder vieueicht auch dem Bedürfnisse der Regierung hervorgehen wird. Toch gcw ß darf auch diese Einsicht als ein wichtige- und in hohem Grade erfreuliches Symptom begrüßt werden, und eS wird auch die befonnene Haltung der Linken nicht verkannt werden, die, aus die Zusicherung des Regierungsprogrammes gestützt, jene Politik des ruhigen ZuwanenS eingenommen hat, die ihr gestattet, bei ihren Grundsätzen auszu- har'en, die Interessen der Deutschen wirksam zu vertieren und ihr voll s Ansehen für den Augenblick zu bewahren, wo die Ausreifung der Verhältnisse zu der von ihr angestrebten M joritärbildung führen sollie. Tie durch das Programm verbürgte Erhaltung dcS geltenden Besitzstandes — deren auch Hr. v Ptener in seiner letzten Rede gedachte — verlieh dem Schluß der Tagung den ruhigen Clarakter. Es sind alle Paileien gegen Überraschungen und gegen unvermmcte Strömungen gesichert. Sie werden die selbe Ciluatmn wieder finden, wenn die Pforten deS Hauses w eder geöffnet werden, eine jede im gleichen Genüsse ihrer Stellung und mit dem gleichen Anrechte auf ihre Beachtung Ein ehrlicher Waffenstillstand unter Festhaltung der gegenwärtigen Demarkations linie auf allen Gebieten der Gesetzgebung und der Verwaltung darf von allen Trilcn vorausgesetzt werden Paris, 2.'». März. Im hrutigen Minister rat legte der Minister des Auswärtigen ein Dekret zur Unterzeichnung vor, welches die sranzöfische Ge sondtschaft in Washington zum Range einer Bot fchast erhebt. Dieselbe wird von dem bisherigen Ge- fandten Patevülre geleitet w.rden. Die Negierung der Verewigten Staaten hat ihrerseits erklärt, daß sie ihrem neuen Vertreter in Paris, wahrscheinlich Hrn. Eustis, den Rang eines Botschafters geben werde. — Im Senat eröffnete vorgestern der Berichterstatter Boulanger die Haushaltsberatung mit einer ein gehenden Darlegung der finanziellen Lage. Er er klärte zum Schlüsse, daß der Senat sich nicht durch die Furcht ver einem Streik mit der Kammer ab halten lassen dürfe, die Reform der Getränk« steuer als eine noch unreife Neuerung aus der Haushaltr vorlage zu entfernen. „Vor allem" sagte er, „haben wir unsere finanziellen Rechte aufrecht zu hallen, einem Konflikt, wie man ihn besorgt, wird durch poli- trsche Verständigung abgchofen werden." — Dem Se nator Challemel-Lacour hat die heule ablaufende Woche zwei hohe Auszeichnungen gekrackt. Vor gestern wurde er in die Akademie ausgenommen, heute bezeichnete ihn die Generalversammlung der republi kanischen Senatsgruppen als ihren Kandidaten für die übermorgige Wahl des SenatSobmannes. Er waren drei Abstimmungen erforderlich; bei der erst-n erhielten Challemel-Lacour, Constans und Magnin fast die gleiche Stimruenzahl (51 bis 54), bei der entscheidenden siegte Challemel Lacour mit 100 Stim men. — Der „Figaro" vernchert mit großer Bestimmt- heit, die Auslieferung Corn. Herz' werde nicht mehr lange auf sich warten lassen, die sranzösische Regier ung sei entschlossen, alles zu thun, um dieselbe zu er wirken. „Ungeachlct seines Erfolges in der letzten Kammersitzung weiß das Kabinett sehr wohl, daß der Aufenthalt des schicklichen Freundes des Barons de Rei nach in Bournemouth eine beständige Gefahr ist, rin Damoklesschwert über den Häuptern der Parlaments mitglied, r, welche bebauplen, die Panamaangelegenheil sei en'gütig abgeschlossen. Es ist sehr möglich, daß Corn. Herz Aktenstücke bewahrt hat, mit welchen er erst in der letzten Stunde hcrausrücken will; aber nichts, so versichert man uns, wird seine Auslieferung verhindern. Taillefer, der Rechtsbcrstand der fran zösischen Botschaft in London, verweilt seit einigen Tagen in Paris. Er hatte wiederholte Besprechungen mit den Ministern Develle und Bourgeois, sowle dem Staatsanwalt Rouvier. Heute erscheint er vor dcm Untersuchungsausschüsse im Palais Bourbon. Wn erfahren, da» er hinreichende Mütel besitzt, um die so- forrrge Auslieseruna des Gefangenen in Bvnrnpml'uti sür Wort — aber noch immer konnte cr keinen Zu- fammenhang finden, der ihm gestaltete, wenigstens die paar ersten Glieder einer Kelte zusammenzusctzen Jemand hätte ihm allerdings, wie es schien, be hilflich sein können, Zoe nämlich, allein diese mochte wohl Grund haben, eine Ausklärung zu verweigern, denn er mußre ja aus Marcels Zeilen vermuten, daß sie die Urleberin des ganzen Unglücks war. Zudem hatte er unlängst in Steinbrunn ersahren, daß Vater und Tochter ebenfalls unter geh, imniLvvllem Sä weigen obgereist waren — niemand wußte recht, wohin sie ihren Weg genommen. Aber wenigstens hatte er jetzt einen Anhaltspunkt: Zoe war in die Angelegenheit verwickelt. Er beschloß somit, wieder nach Steinbrunn zu fahren und von dort aus seine Untersuchung'n nach Buchenfeld aus,udehnen. Gleichzeitig teilte er auch eincm Freunde in Paris mit, daß Maicel dort ge wesen, und bat denselben, sich ohne-Zeitverlust zu er kundigen ; vielleicht war er noch nicht abgereist In Steinbrunn avgekommen, begann er sogleich seine Nachforschungen anzustellen; er führ am nächsten Tage nach Buchenfeld, um sich dort über da» Be finden des Besitzers zu erkundigen und zu fragen, ob man nichts näheres über dessen Rückkehr wisse Niemand konnte aber Auskunft geben; am ehesten war noch der Fabrildirektor in Mühldorf in der Lage, wie man ihm bedeutete, da dieser gleichsam mit der Oberaufsicht über Buchenfeld betraut war und auch die einlaufende Post zur Weiterbeförderung in Empfang nahm. „Also weiter nach Mühldorf!" sagte er entschlossen. Der Direktor wollte anfang» mit der Sprache nicht heraus, als aber Hans sich als Freund der Familie und Bruder des Verlobten zu erkennen gab, teilte ihm jener im Vertrauen mit, daß Baron Regvtz samt Tochter ihren Aufenthalt in Venedig genommen hätten, um hier den üblen Nachreden der bösen Zungen von Pottenbrunn auf einige Zeit zu entgehen. Üble Nachreden? Was gab es den beiden nur nachzusagen? Darüber konnte oder wollte der Direktor keine weitere Auskunft geben. Zum Schluffe erkundigte sich HanS noch nach dem Besitzer von Mühldorf und erfuhr zu seiner Überraschung, daß dieser sich auch seit einiger Zeit in Venedig befinde. Er dankte dem Direktor und ging wieder seiner Wege. Also war Eytzing aller Wahrscheinlichkeit nach auch mit in die ganze Geschichte verwickelt. Gegen diesen hatte er schon bei Gelegenheit seines letzten Besuches in Steinbrunn Verdacht geschöpft — dessen Besuch bei Marcel am Tage der Flucht war ihm nicht aus dem Kopfe gegangen — und jetzt verstärkte sich der Verdacht, nachdem er erfahren, daß sich Eytzing an ein und demselben Orte mit dem Baron und dessen Tochter befand. Dort, bei diesen Dreien, Uesen also ohne Zweifel die Fäden zusammen, dort mußte man sehr gut wissen, was vorgefallen war, und um allen unbequemen Fragen hier zu entgehen, hatte man sich einfach entschlossen, sein Zelt auf einige Zeit ander .wo aufzuschlagcn. So kombinierte Han», und dir Überzeugung, daß Zoe die Urheberin de» ganzen Übels war, setzte sich immer mehr und mehr m ihm fest. Er kannte sie nur wenig; als Kinder hallen sie wohl mit einander Umgang gepflegt, aber dann war sie ihm aus den Augen gekommen, da auch er lange Jahre in der Fremde zugebracht — nicht wie der Bruder mit frei willigen Reisen, sondern im Dienste bei den vcrschic denen Botschaften ! Fortsetzung folgt.) Oprruvi.islk. Am Donnerstag hat das Ham burger Stadtheater eine neue Oper, „Hochzeils- morgen" m.t sehr freundlichem Erfolge zur erst maligen Aufführung gebracht Der Text rührt vo» Franz Koppel-Ellfeld her, welcher dem Kom ponisten mit dem ein Stück italienischen Volkslebens wiederipiegelnden Drama ein klar aufgebautes Meck- mäßiges Opernbuch geliefert hat, daS reich an Kon trasten dramatisch wirkungsvoll und auch durch fließende Diktion ausgezeichnet ist. Die Musik hat Karl v. KaSkel geschrieben, ein von Franz Wüllner gebildeter junger Dresdner Tonsetzer; sie be zeugt eine entschiedene und gesunde Begabung und ist für ein Erstlingswerk überraschend abgeklärt. Vor- zugsweise in den älteren Formen mit Sicherheit und ohne jede scholastische Einengung sich bewegend, hat der Komponist die Situationen der Handlung lebendig ersaßt und bei überall feinsinnigerjund geistvoller Detail- Malerei mit charakteristischen Strichen umgrenzt. Gleich da» gewalrige Motiv der Tuta (k moll), mit dem da» kurze Vorspiel beginn^ ist von tiesgehendem dramatischem Eindruck. Diese Introduktion -- sagt Pfohl in den „Hamb. Rachr" — hebt mächtig an und man muß bedauern, daß Ka»Iel die» hier nieder-
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