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Dresdner Journal : 21.11.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-21
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190511213
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19051121
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19051121
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1905
- Monat1905-11
- Tag1905-11-21
- Monat1905-11
- Jahr1905
- Titel
- Dresdner Journal : 21.11.1905
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Kunst und Msttttschast, Akte hinterließ nur unvollkommen das Grauen und Vas schaudernde Mitleid, das sie wecken soll Ich vermag nicht zu glauben, daß das Engagement der Künstlerin ein sicherer Gewinn für unsere Bühne wäre. Höchst interessant, aber auch höchst ungleich, spielte Hr. Froböse den Macbeth. Neben einzelnen Meister zügen, eine ganze Folge von übersteigerten Augenblicken. Ein richtiges, ursprüngliches, energisch durchgehaltencs Gefühl, daß der gekrönte Verbrecher in sich selbst zusammenbricht, trotzdem er sich nach außen gefeit glaubt, aber daneben ein heiserer, verbitterter, ja trivialer Bösewichtsausdruck, der zu dem stolzen Krieger, dem entschlossenen heldischen Tyrannen nicht stimmen will. — Alles in allem eine der Leistungen, die zurzeit mehr verheißen, als gewähren, doch immerhin verheißen Das Publikum zeichnete die beiden Hauptdarsteller und Hrn. Decarli (Macduff) durch reichen Beifall und Hervor ruf au« A. St. Edward Gordon Craig und die Neform des Theaters. Die in Arnolds Kunstsalon ausgestellten Skizzen und Entwürfe sind durchweg die Arbeiten eine« be deutenden Künstlers Jede einzelne der Studien verrät nicht nur ein beträchtliches künstlerische« Können, sondern auch einen feinen und sicheren Sinn für Bühnenwirkung. Au« seinen freien Holzschnittschöpfungen, ebenso wie au« seinen Federzeichnungen, die den Zwecken de« Theater« dienen sollen, aber nicht weniger freie Erfindungen sind, spricht «in starker, phantasievoller Geist und ein vor nehmer, sicherer Zeichner Die« muß unbedingt voran- acstellt werden, wenn im Nachfolgenden untersucht werden soll, wa« Edward Gordon Craig neue« gebracht hat, wie weit seine Ideen und Pläne auf der Bühne prak tisch verwendbar sind und wa« da« Wünschen unserer diese Stimmung, die er feivp empfangen hat, möglichst eindrucksvoll zu reproduzieren. Aber diese Kunstübung ist viel zu subjektiv für die Bühne. Die Arbeit des Theaterkünstlers sollte vielmehr so objektiv wie möglich sein Keine große Dichtung, weder der „Faust" noch der „Tristan", noch die Verse Hofmannsthals sind so sehr eindeutig, daß es genügte, die ganze Menge der Zuschauer dem Eindrücke gegenüberzustellen, den ein Einzelner aus der Dichtung empfangen hat Der Theaterkünstler soll vielmehr dem Werke einzig den idealen Nahmen geben, die unzähligen Wirkungen, die tausend StimmungSfäden, die in einer Dichtung liegen, sammeln, zusammenfassen, durch die Bühne, wie durch einen Brennpunkt hindurch gehen und nach allen Seiten strahlen lasten, so daß jeder Einzelne aus der Menge der Zuschauer denjenigen Ein druck, die Stimmung und Wirkung findet, die seinem Temperament und seiner Natur entspricht. In seiner Reformschrift „Die Kunst des Theaters" verkündet Craig mit großer Überzeugung, daß er der Bringer einer neuen Herlswahrheit sei, Maurice Magnus, der Übersetzer, nennt in der Einleitung die Lehre Craigs eine „Überidee", und auch im Vorwort zum Katalog der Arnoldschen Ausstellung ist zu lesen, daß es Craig gewesen sei, der die Not de« gegenwärtigen Zustands der Bühne gefühlt habe und die neue Schönheit ans Licht gebracht habe „Ich haste das moderne Theater, weil ich scharfe Augen habe und über Pappendeckel und Schminke nicht hinauskomme. Ich haste den Dekorations unfug mit allem, was dazu gehört, von Grund meiner Seele. Er verdirbt da« Publikum, verscheucht den letzten Rest von Kunstgefühl und erzeugt den Barbarismus des Geschmack«, von dem die Kunst sich abwendet und den Staub von ihren Füßen schüttelt." Diese Sätze, die klingen, al« ob sie von Craig oder Graf Keßler abge- schrieben wären, schrieb schon Anselm Feuerbach. Und in dieser Negierung de« modernen Theaters liegen im Konigl. Schauspielhaus. Am 20. d M.: „Mac beth", Trauerspiel in fünf Akten von Shakespeare. Nach den Übersetzungen von Schiller, Tieck und Kauf mann für die Bühne bearbeitet und eingerichtet von Franz Dingelstedt. Eine gute, völlig in sich geschlossene, geistig wie szenisch der tragischen Gewalt, der Konzentration, der Stimmungs fülle des Werkes entsprechende theatralische Wiedergabe des mächtigen Shakespcareschcn Trauerspiels, das in seinen Dimensionen, wie in seiner Herbheit über die Nerven kraft eines heutigen Publikums hinauswächst, gehört zu den größren Aufgaben der Bühne und setzt eine Hingebung und Anspannung wie eine glücklicheDisposition aller Darstellenden voraus, die gestern nur teilweise vorhanden war. Die Ver körperung der Lady Macbeth durch Frl Storm (als zweite und letzte Gastrolle der Künstlerin) überraschte nach der temperamentlosen, verständigen, aber nüchternen Auffassung ihrer Königin Elisabeth in „Maria Stuart", durch stärkere Leidenschaft, größere Schärfe wenigstens einzelner charakteristischer Züge, einen volleren Ton Der rednerischen Seite ihrer Rolle wurde Frl. Storm im ganzen gerecht; aber ein eigentlich schöpferisches Vermögen und die Fähigkeit, den dämonischen Ehrgeiz, die bestrickende Gewalt dc« Weibe«, das sich jenseit« von Gut und Böse wähnt, wie den Zusammenbruch in der Gewissensangst, in Erscheinung, Gebärdenspiel und Haltung glaubhaft und zwingend wiederzugeben, offenbarte sich nicht. Was vorzüglich gelang, z B die seelische Bewegung beim Lesen von Macbeths Brief im Beginn des zweiten, die geheuchelte Heiterkeit bei der Taselszene des dritten Aktes, liegt diesseits der Linie, über die jede tragische Heroine hinauswachsen muß. Die Nachtwandeltem im fünften Zeit nach einer Reform des Theaters von ihm er warten kann Wenn Craig mit dem Radikalismus des Theoretikers die Herrschaft des Dichters auf der Bühne abschaffen will und dafür die Diktatur des Malers proklamiert, so würde das weniger zu einer Umgestaltung des Bühnenwcsens, vielmehr zu einer Reform der drama tischen Literatur führen. Eine Bühne, wie sie Craig eiträumt, Rezitation klangvoller Verse hinter der Szene, auf der Szene begleitet von gebundenen, pantomimisch ausdrucksvollen Bewegungen in einem schönen Lichte und einem idealen Raume, würde zweifellos dem kultivierten Geschmack einen hohen ästhetischen Genuß bereiten Aber eine Literatur, die diesem Zwecke diente, haben wir nicht. Wir müssen mit dem Bestehenden rechnen; und was wir habcn, ist wertvoll genug, daß die Gedankenreichsten darüber nachdenken, wie man es zu möglichst voll kommener Wirkung brächte. Die Bühne gehört, so lange es eine Kultur des Theaters gibt, dem Dichter. Der Dichter kann auf der Bühne ohne den Maler bestehen, der Maler ist ohne den Dichter auf der Bühne hilflos und wirkungslos Darin liegt die Herrschaft des Dichters auf der Bühne für alle Zeiten begründet Derjenige Dichter aber wird auf der Bühne die reinsten und schönsten Wirkungen erzielen, der den Maler möglichst nahe zu sich heranzieht, ihn aus einem Dienenden zu einem Mitarbeitenden und Helfenden macht; und derjenige Maler, der zwischen dem Bilde in der Seele de» Dichter«, der Stimmung in der Dichtung einesteils und den Forderungen und Beschränkungen der Bühne anderseits die möglichst enge Verbindung findet, wird der ideale Theaterkünstler sein Craig versteht e« tzanz meisterhaft, in einem Deko- rationsentwurfe die Stimmung und den Eindruck wieder zugeben, den er von einer Dichtung empfangen hat. Er versucht deshalb auch niemals etwa« anderes, al« ebcn W271 ' Dienstag, den 21. November nachmittags. 1905. Amtlicher Leit. die 1005 die 1005 die 1005 954S Behörll Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Tei! III. Abteilung auf den 1V. Dezember II. Abteilung auf den 18. Dezember I. Abteilung auf den 18. Dezember ist darum die höchste patriotische Pflicht aller, die ihr Volk lieb haben, sich um den lebendigen Gott und die Macht seiner Stärke zu scharen, dann werden wir am bösen Tage bestehen und den Sieg behalten Zurück zu Gott heißt vorwärts in die Welt Wer in Buße den Sieg über sich selbst gewinnt, wird gewürdigt, andere zum Siege zu führen. So wird der Volksbußtag zum Anbruch segensvoller zukünftiger Zeiten. /. Dresden, 21. November Ihre Majestät die Königin-Witwe sind gestern abend 7 Uhr 7 Min. nach Brüssel gereist Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, den in den Ruhestand getretenen nachgenannten Beamten der StaatSeifenbahnverwaltung und zwar dem Oberschaffner Han tu sch in Dresden sowie den Schirrmeistern Hartmann in Königstein und Wilhelm Schmidt in Dresden das Albrechtskreuz, dem Feuermann I. Klasse Neunes in Meuselwitz, dem Materialausgeber Kluge in Dresden, den Schaffner» Meinhardt in Leipzig, Schiller in Werdau und Schneider in Leipzig, dem Weichen Wärter I. Klasse Hofmann in Freiberg sowie den Bahnwärtern Edelmann in Tautewalde, Gey in Calbitz, Meier in Eiseroda und Müller in Neu salza Sprcmberg das Allgemeine Ehrenzeichen zu ver leihen. des Lasters — und daneben alle Nerven angespannt, alle Sinne darauf gerichtet, alles Nachdenken ein gesetzt, um die Lebenshaltung aller zu heben, die Wohlfahrt der Völker zu fördern und die Segnungen der Kultur überall auszutauschen. Diese Vorgänge jenseits der Grenzen, gehen sie uns nichts an? Was wir hören, sind wohl nur die Wutausbrüche einer uns fremden, dumpfen, rohen Volksmasse aus halb asiatischer Barbarei heraus? O nein, öS ist das Sturmgeheul, in das — Gott sei's geklagt — die Stimmen von Tausenden und aber Tausenden unseres eigenen Volkes, des Volkes des Evangeliums, sich brausend und drohend zujauchzend mischen. Fiele die Schranke, wie bald würde man mit jenen frater nisieren! Versucht man Gleiches im anderen Grcnz- lande nicht schon mit zügelloser Offenheit? Wird da nicht eine unendliche Schuld aufgehäuft? Wer will auf die Dauer die durch die Verhetzung und Verbitterung der Massen aufgehäuste Verantwortung tragen? Wie soll geholfen werden, daß man die Stimme der Vernunft wieder hört und was das Gewissen gebaut, wieder achtet? Hier ist mehr denn Jonas. Wo noch das Evangelium da ist, gilt kein Verzagen noch Verzweifeln. Den Bösen steht noch eine herrliche Schar treuer Menschen gegen über, die in der Kraft ihres guten Gewissens jetzt erst recht ihre Pflicht zu tun sich unablässig mühen. Wir haben noch nicht genug um die Seele unseres Voltes gerungen, ihm noch nicht genug gezeigt, daß wir es lieben und ihm dienen wollen. Wir haben uns viel von der Furcht abpressen lassen, wo die freie Liebe hätte geben sollen, wir haben im Zwang, Streit und Zorn uns gefügt, wo wir der Stimme der Gerechtigkeit hätten von vornherein gehorchen sollen, wir haben dem Mammonsgeist der Herrsch sucht und Genußsucht zu sehr gefrönt, wo Mitleid zur Hilfe hätte Opfer bringen sollen. Wenn unser Volk in seinen tüchtigsten, einsichtigsten und red lichsten Männern dafür jetzt eine Enttäuschung über die andere erlebt, so kann es nur heißen, sich nicht erbittern lassen. Jesus verzweifelte nie. Auch nicht am Kreuze. Aber er betete für die verblendeten Feinde, und dies ward den noch Fernstehenden zur geheimnisvollen Kraft künftiger Erneuerung. Wenn die Masse noch nicht will Buße tun, so sollen es die Gutgesinnten an ihrer Stelle tun und nicht müde werden in bußfertiger Gesinnung ihnen auf Hoffnung weiter zu dienen. Durch unser Volk geht oft die Frage, ob wir auf dem richtigen Wege und unsere Maßnahmen vernünftige sind. Wenn wir einen Weisen hätten, der alles überblickte und Rat gäbe! Aber wo wäre heute der Übermensch, der das vermöchte? Kein Salomo leistete es. Die mittlere Linie im Wirr warr der Geister zu erkennen, mag als das Klügste gelten, aber wer sieht sie immer und wer hat sie zu beschreiben immer die Macht? Tie Verhältnisse wachsen ins Riesengroße, wir tappen im Dunkeln. Aber ein lichter Punkt ist da, und in ihm liegt die Gewähr der Zukunft. Wir haben Fürsten, die mit sittlichem Ernst, Gewissenhaftigkeit und Treue ihr hohes Herrscheramt führen und vor Gott sich ver antwortlich fühlen. Wir können nichts Besseres tnn, als ihnen in jedem Amt, Stand und Beruf nach ahmen. Finden wir uns mit ihnen immer wieder zu dem Gott unserer Stärke und Hilse zurück, so werden wir allen kommenden Stürmen gewachsen sein. Noch immer wird die Welt- und Mensch heitsgeschichte von einzelnen gemacht Wohl liegt die Verantwortung auf dem ganzen Volke, das seine Geschicke selbst mit bestimmt, aber es vermag doch nichts, wenn es nicht recht geführt wird Tas Sußtag. Bußprediger von heute möchten sich die Kraft eines Propheten, wie Jonas es war, wünschen. Er fühlte nicht Kraft genug mehr in sich, der Großstadt Ninive noch Buße zu predigen, schien sie doch reif zum Verderben, mußte solch Beginnen doch zwecklos erscheinen. Aber ob er in die Ferne floh, das Meer spie ihn wieder aus, er mußte den göttlichen Auf trag erfüllen. Und siehe da, als nun ein Höherer und Mächtigerer, als er selbst war, aus ihm sprach, war die Wirkung seiner Bußpredigt gewaltig: die Weltstadt Ninive in Sack und Asche. Mag sein, die Wahl des Abgeordneten aber aus den 8V. Dezember 1008 anberaumt. Zum Wahlkommissar ist der Bürgermeister Wilisch in Annaberg bestellt worden. Dresden, am 18. November 1905. Ministerium des Innern. Vie Vornahme einer Ersatzwahl M II. Kammer der Äändeversammlung im 19. städtischen Wahl kreise betreffend. Infolge Ablebens des bisherigen Abgeordneten zur II. Kammer der Ständeversammlung für den 19. städtischen Wahlkreis hat in diesem Wahlkreise eine Ersatzwahl nach der Bestimmung in 8 23 des Gesetzes, die Wahlen für die II. Kammer der Stände Versammlung betreffend, vom 28. März 1896 statt zufinden. Die Vornahme der hierzu in den Städten Aunabcrg, Buchholz und Jöhstadt sich nötig machen den Wahlmänner-Ersatzwahlen wird hiermit für daß die orientalische Erregbarkeit mit dem Grauen vor dein Übermenschlichen und dem Schrecken vor dem bis auf den Tag angesagten Gericht diese Wand lung beförderte, immerhin: die Riesenstadt mit ihren Massen beugte sich in Buße vor dem lebendigen Gott. Welcher Erweckungsprediger unserer Tage sehnt sich nicht nach gleichem Erfolge, welcher Zeuge der Wahrheit möchte nicht aus dem Taumel des Treibens und des Genusses die Menschen von heute auch so zur Besinnung und Einkehr bringen? Unserem Volke sind Bußzeiten nicht fremd. Bor dem Ausbruch des großen Krieges drängten sich un gezählte Scharen um die Bußprediger, die unüber sehbaren schweren Kämpfe und Opfer machten die Menschen im Gefühl ihrer Ohnmacht vor der un geheuren Zukunft demütig und lehrten sie, sich auf Gott zu besinnen, der allein helfen kann. Wer aber könnte sich der Erkenntnis entziehen, daß wir wiederum schweren, ernsten Zeiten entgegengehen und daß uns Buße mehr denn je nottut? Aber fehlts nicht gerade an der Einkehr? Wohl die theoretische Er kenntnis, daß vieles nicht so ist, wie es sein sollte, ist allgemein, aber der praktischen Forderung, Buße zu tun, entziehen sich die meisten. Über den unser Volk vergiftenden sittlichen Schmutz in Wort und Bild und Darstellung seufzen viele, die Gefühlsroheit und Härte, Begehrlichkeit und Haß schrecken alle, die krasse Gotteslcugnung macht erstarren, aber der Wille, den auch bei uns drohenden Zusammenbrüchen durch Buße vor Gott rechtzeitig zu begegnen, lahmt. Ein Bußprediger, wie Jonas, für unsere Zeit — was könnte der ausrichten! Jesus hat sich mit Jouas gemessen und er sagt: hier ist mehr denn Jonas. Er schätzt sich und seine Sendung an die Menschheit höher als die JonaS- botschast ein. Der Moralist muß dem Evangelisten weichen. Ehristus predigt das Heil. Nicht daS Verderben der Völker in der Selbstzerfleischung der Gerichtsschrccken droht er an, sondern Ströme an dauernder Kräfte will er dem kranken Volkskörper, der schlaffen Volksseele zuführen. Wenn aus liebe- warmem Herzen Vergebung der Sünden zu erlangen und Erbarmung bei einem gnädigen Gott zu finden verkündet wird, so muß das ein viel stärkerer Antrieb zur Buße sein, als angedrohtes Verderben. Das Stück Selbsthilfe, das in der Besinnung auf sich selbst und seine heiligen Pflichten dabei mit liegt, wiegt mehr, als alle fatalistische Verzweiflung. Aber wie? Bestärkt die Botschaft von der erbarmenden Liebe nicht viele geradezu nun erst recht in ihrer Bosheit? Ist es so bequem, Vergebung zu erlangen, warum dann nicht weiter sündigen? Der trotzige Knabe, der den Vater erschüttert sieht, wird frech. Ja, steht's so, dann würde das Geschlecht der heid nischen Niniviten einst trotz seiner minderwertigen Buße auftreten gegen unser Christengeschlecht, das auf Mutwillen sündigt. Bei viel größerer Verschul dung würde dann aber auch das Gericht viel furcht barer empfunden werden und durchzukosten sein. Oder stehen wir nicht an einer ernsten Wende? Ein Riesenvolk neben uns steht in fortgesetzter Selbst zerfleischung, nnd das in einer Zeit, wo der Wert des einzelnen, die Fürsorge für die Geringen, die Mühe um die Lebenserhaltüug auch des Elendesten, die Abwehr von Gefahren vom Ganzen, die Sorge um die Volkswohlfahrt bis zum Übermaß gesteigert ist! Tort ein grausiger Aderlaß nach dem anderen, der von den wü stesten Zeiten früherer Jahrhunderte kaum über troffen wird, eine Vernichtung von Besitz und Habe, Schätzen und Gütern in wenigen Stunden, ja Minuten, mit den furchtbar wirkenden Mitteln moderner Zerstörungskräfte, ein Triumph der Schande, Tie „Nordd. Allg. Ztg" schreibt hierüber in ihrer heutigen Nummer folgendes: Die unerfreuliche Gestaltung der Reichsfinanzen nimmt seit einer Reihe von Jahren die Aufmerksamkeit nicht nur der Bundesregierungen und des Reichstags, sondern auch in wachsendem Maße der weiteren Öffentlichkeit in An spruch Gehört schon in einem Einheitsstaat ein gesundes Finanzwesen zu den wichtigsten Pfeilern des Staatslebens, so tritt die Bedeutung der Finanzwirtschaft in einem Bundesstaate noch deutlicher zutage durch die nachteilige Rückwirkung, die seine finanzielle Entwickelung in un günstigen Jahren auf sämtliche Glieder ausübt. Das Reich ist — ganz im Gegensätze zu den ursprünglichen Absichten seiner Gründer — zu einem Kostgänger der Einzclstaatcn geworden, dessen Ansprüche von diesen nachgerade nicht nur als lästig empfunden werden, sondern auf die Dauer, namentlich bei den wirtschaftlich weniger glücklich ausgestatteten Bundesmi^siLdern, dem Gebiet der Finanzen zerrüttend wirken müssen Wohl sind in den letzten Jahren Versuche unternommen worden, diesem Übelstande abzuhelfen; je länger je mehr hat sich indessen die Überzeugung durchgesetzt, daß alle Mittel Notbehelfe bleiben werden, die nicht dazu führen, das Reich finanziell wieder auf eigene Füße zu stellen. Nun ist vielfach die Meinung vertreten worden, daß das Reich sich am besten durch Sparsamkeit helfen könne. Die Erfahrung lehrt jedoch, daß auf solchem Wege das Gleichgewicht zwischen den bisherigen Ein nahmen und den Ausgaben nur dann zu erreichen wäre, wenn man die notwendige Entwickelung des Reiches unterbinden und letzteres somit der Verkümme rung preisgeben wollte. Es wäre das ein Vorgehen, wie man es im privatwirtschaftlichen Leben nicht selten zu beobachten Gelegenheit hat, wo ursprünglich gut fundierte und blühende Unternehmungen nicht bloß in Stillstand, sondern sehr bald auch in Verfall geraten, weil sie aus Übel angebrachter Sparsamkeit Ausgaben scheuen, durch die sie sich allein wettbewerbsfähig zu erhalten in der Lage wären Die Sparsamkeit im Reiche ist seit einer Reibe von Jahren bis zur äußersten Grenze getrieben worben, gleichwohl ist cs nicht gelungen, Ausgaben und Einnahmen in Übereinstimmung zu bringen. Diese Tat sache ist in finanzieller Beziehung um so bedeutungs voller, als aus den von Jahr zu Jahr beträchtlich wachsenden Anmeldungen der Ressorts zu den Vor anschlägen hervorgeht, daß die bewirkten Ersparungen tatsächlich großenteils nichts sind als Vertagungen, und das; die Befriedigung der zurückgestcllten Anforderungen immer dringender wird Zur Erläuterung wollen wir nur erwähnen, daß die Steigerungen der Anmeldungen zu den Voranschlägen sich für 1904 auf -st 79,7 Mill, für 1905 auf -s- 127 Mill, und für 1906 auf 4- 169,4 Mill, M belaufen haben: das sind Beträge, die für sich selbst sprechen. Bei einem normalen Stande der Reichsfinanzcn wäre ein großer Teil der Abstriche sicherlich überhaupt nicht erfolgt. Wie schon hervorgehoben wurde, hat überdies die vom Reichstage geübte Sparsamkeit das angestrebte Ziel nicht erreicht Weder sie noch die vom Reichstage an gebrachten budgetmäßigen Einnahmeerhöhungen haben die zu einer chronischen Erscheinung gewordenen Fehlbeträge aus der Welt geschafft. Tatsächlich ergeben sich für die Jahre 1901 bis 1905 nachstehende Zahlen: 80900000 M, 53300000 M , 63 800000 M., 56100000 M und 78 Mill. M, wobei letzterer Betrag naturgemäß nur schätzungsweise berechnet werden konnte. Unter solchen Umständen macht man sich gewiß keiner ungerechtfertigt AnkkudignngSgebühren: Die Zeile kleiner Schrift der 7 mal gespaltenen Ankündi gung-Seite oder dcrenRaum 20 Pf. Bei Tabellen- und Zissernsatz 5 Pf Aufschlag für die Zeile Unterm Re- daktion-strich (Eingesandt) sie Textzeile mittler Schrift oder deren Raum so Pf. Gebühren - Ermäßigung bei öfterer Wiederholung. Annahme der Anzeigen bis mittags 12 Uhr für die nach mittags erscheinende Nummer Dits-nn Journal Herausgegebeu vou der Kvuigl. Expedition des Dresdner Journals, Dresden, Große Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Erscheinen: Werktags nachm. ü Uhr. — Qriginalberichte und Mitteilungen dürfen nur mit voller Quellenangabe nachgedruckt werden vezu««preiS: Beim Bezüge durch die «Stlchäswäeite innerSakv Dresden» L,Lv M (einsch. ZutragnngL durch die VN nn Deutschen Reiche s M. (ausschließlich Bestellgeld) vierteljährlich Einzelne Nummern 10 Pf. Wird Zurücksendung der für die Schriftleitung bestimmten, aber von dieser nicht ein- aesorderlen Beiträge bean- iprucht, so ist das Postgeld beizufügen.
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