Delete Search...
Deutsche allgemeine Zeitung : 06.08.1845
- Erscheinungsdatum
- 1845-08-06
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id799109797-184508063
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id799109797-18450806
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-799109797-18450806
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDeutsche allgemeine Zeitung
- Jahr1845
- Monat1845-08
- Tag1845-08-06
- Monat1845-08
- Jahr1845
- Titel
- Deutsche allgemeine Zeitung : 06.08.1845
- Autor
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
ro7t . Von nun an wird die Sache des Jesuitenordens schwieriger, denn die Erben der Familie Rennepont haben Kenntniß von seinen Umtrieben. Der Abbe von Aigrigny ist dem Werke nicht mehr gc- wachsen: Rodin übernimmt eS. Wie der Abb^ von Aigrigny nach Rodin's Ausdruck starke Dinge, große Dinge, laute Dinge gethan hat, so thut Rodin kleine, kindische, verborgene. Da siegt der Geist des Jesuitenordens. Rodin benutzt die Leidenschaften, regt sie nö- thigenfalls an, ist womöglich der beste Freund Aller, >die er verder ben will. Er stellt ihnen nicht plumpe Fallstricke; das Unglück trifft sie erst aus dritter oder vierter Hand. Zunächst stellt Rodin sich, als breche er offen mit den Jesuiten. Er verräth zuvörderst die Interessen seines Ordens, um sie später desto besser zu befördern. Dem Fräulein von Cardoville gibt er die Freiheit zurück, die Töchter des Marschalls Simon bringt er wie der, den Prinzen Djalma macht er sich zum Freund und Vertrau ten. Er liefert übrigens selbst eine vollkommene Uebersicht seines Benehmens. „Ich hatte so viel Verstand, sagt er, sechs Wochen lang das allcralbcrnste Geschäft zu treiben. ... Wie ich hier stehe, koste ich mit einer Grisette, sprach ich über Fortschritt, Humanität, Emanci- pation der Frauen mit einem tollköpfigen Mädchen; sprach ich über den großen Napoleon, über bonapartistischcn Fetischismus mit einem einfältigen Soldaten; sprach ich über kaiserlichen Ruhm, Demüthi- gung Frankreichs, Hoffnung auf den König von Rom mit einem ehrlichen Marschall von Frankreich, dessen Herz zwar voll Bewun derung für diesen Kronenräuber, dessen Kopf aber eben so leer, eben so widerhallend ist wie eine Kriegstrompete. ... Ja, ich habe meiner Treu! noch mehr gethan: ich sprach über Liebschaften mit einem jungen wilden Tiger." Durch alle diese Kindereien erlangte Rodin unermeßliche Er gebnisse. Ruft er nämlich im Herzen des Prinzen und in der Seele des Fräuleins von Cardoville eine gegenseitige Liebe hervor, so thut er es in der Hoffnung, daß diese doppelte Leidenschaft furcht bare Stürme erregen wird. Schon hat er Eifersucht zwischen den beiden Liebenden angeregt. Allerdings ist eine Frau, die ihr Glück vertheidigt, sehr stark, wie das Fräulein von Cardoville sagt. Es gelingt daher Rodin auch nicht, die beiden Liebenden, welche sich suchten, lange auseinander zu halten. Aber wie viel Leiden, wie viel Unheil hat der Jesuit mit sei nen kleinlichen Mitteln, durch sein kindisches und verstecktes Thun neben diesem Mißlingen zu Stande gebracht! Nacktimbett ist bei einem Gelage im trunkenen Wahnsinn ge storben; der Jesuitenorden hat ihm eine Bahn von tollen Freuden, zügellosen Vergnügungen, Wein- und Branntwcinräuschen bereitet, um ihn ins Grab zu bringen. In demselben Augenblick, als er, von der Cholera ergriffen, aus derselben Stelle, wo er seine letzten Trinkthaten verrichtet hatte, zusammensank, gab die mitleidslose Habgier der Jesuiten ihm den letzten Stoß, indem sie ihm offen barten, in welche Schande sie ein Mädchen, das er liebte, zu stürzen gewußt hatten. Herr Hardy besaß einen Freund; dieser Freund verrieth ihn; er besaß eine Geliebte: diese Liebe wurde zerrissen; er behielt noch als letzte Zuflucht die Geschäftstätigkeit: svne Fabrik wurde in Brand gesteckt. Gebeugt und ermattet fällt er in Rodin's Hände, der ihn dem Abbe von Aigrigny übergibt. Die Pflege und der Rath dieses Jesuiten bringt es bald dahin, daß die Wunden dieser verletzten Seele in Brand übergehen und unheilbar werden. Von nun an bilden Abgeschiedenheit und Verborgenheit, wo man still und unbemerkt weinen kann, den einzigen Gegenstand der Wünsche des Herrn Hardy. Alle seine Interessen und alle seine Hoffnungen überläßt er den guten Jesuiten, die ihn so großmüthig trösten, und verlangt weiter nichts als Ruhe, um vollends zu sterben. Geheime Verleumdungen, die gegen den Marschall Simon ver breitet werden, bereiten diesem eine eiskalte, verletzende Aufnahme in den Gesellschaftskreisen, wo seine ruhmvollen Thaten, wenn nicht Bewunderung und Achtung, doch Thcilnahme für ihn erwecken müß ¬ ten. Anonyme Briefe erregen eine Zeit lang Entfremdung und Bc- sorgniß zwischen ihm und seinen beiden Töchtern. Zu gleicher Zeit versucht der Orden, den Marschall zu einer bonapartistischen Ver schwörung zu treiben, die ohne Zweifel, sowie sie beschlossen worden, auch vcrrathen sein würde und dem Marschall Gefangenschaft oder Verbannung droht. So weit brachte Rodin es ohne äußeres Geräusch, ohne directe Mittel, sondern indem er die Ereignisse benutzte oder zu veranlassen wußte. Uebrigens unterstützte das Geschick ihn nach Wunsch. Die Cholera, diese Hauptlieferantin von Erbschaften, kam ihm zu Hülfe. Von allen den wahrhaft erschütternden Auftritten, zu denen diese Seuche Eugene Sue Stoff gegeben, führen wir blos denjenigen an, als der Abbe von Aigrigny, vom irregeleiteten Pö bel bis in die Notrcdamekirchc als Giftmischer verfolgt, durch Gabriel's Einschreiten gerettet wird. Wir können nicht zu oft auf die schönen und erhabenen Handlungen Hinweisen, die der Verfas ser diesem guten Priester zuschreibt, denn dadurch widerlegt Engine Sue, wie wir schon einmal sagten, vollständig einen Jeden, der ihm schuld gibt, er verkenne absichtlich die edlen Anregungen, welche ein Christ aus seinem Glauben schöpfen kann. Diese trockene und farblose Analyse eines Werkes voll Wärme und Leben wollen wir nicht schließen, ohne auch noch einige Worte von den Nebenfiguren zu sagen, die Eugene Sue den Hauptper sonen seines wahrhaften Romans angcreiht hat. Dahin gehören unter Andern: Der Knirps, eine arme Verwachsene, Tochter des Volks, oft ohne Arbeit und folglich ohne Feuer, ohne Brot, fast ohne Kleidung, die alle Ungunst, welche die Natur und das Schicksal über sie ver hängt, mit einem Edelmuth und einem Zartsinn erträgt, die ihr ein inniges und tiefes Pflichtgefühl eingibt. Agricola Baudoin, der schöne Typus eines Arbeiters, groß müthig und gut, eben so edeldenkend wie der stolzeste Patrizier, treu, muthvoll und verständig. Dieser Typus ist kein bloßes Ideal; es ist ein Portrait, dessen Originale glücklicherweise häufig sind. Franziska Baudoin, seine Mutter, eine Gestalt, die in einem Buche voller Ränke, welche unter der Larve der Religion betrieben werden, nicht fehlen konnte — Franziska Baudoin steht rückhalts los unter der Herrschaft des Jesuiten, der ihr Beichtvater ist. Ihre Unwissenheit und Leichtgläubigkeit benutzt man, um sie zu den ta- delnswerthesten Handlungen zu verleiten, indem man ihr diese aus einem durchaus lobcnswerthcn Gesichtspunkte darstellt. Sic schickt die Töchter des Marschalls Simon ins Kloster, nicht etwa, wie der Jesuitenorden es beabsichtigt, um diese am Tage der Testamentsvcr- lesung gefangen zu halten, sondern um sie in der katholischen Reli gion unterrichten zu lassen. Nennen wir endlich noch die Zccherkönigin und Rosenstrauch. Erstere, die eine Schwester des Knirps, aber eben so schön, wie diese misgestaltet, eben so leichtsinnig, wie der Knirps ernsthaft ist, wird zur Königin der öffentlichen Bälle und der Fastnachtsschwänke. Dann treibt die Noth sie mit Rodin's Beihülfe zu einer noch niedrigern Stufe hinab. Sie büßt ihren Fehltritt durch einen Selbstmord. Rosenstrauch ist aufgeweckt wie die arme Cephyse, eben so schön und nicht weniger leichtsinnig. Welchen Ausgang wird dieses Grisetten- leben nehmen, das dem Zufalle preisgegeben und auf allen Tanz- sälen, bei allen Gelagen des Studentenviertels verbracht wird? Das hat der Verfasser uns noch nicht knndgethan. Die Fortschritte, welche Rodin's Werk am Ende des neunten Theiles gemacht hat, sind also im Ganzen folgende: Einer ist todt: Nacktimbett; an die Stelle zweier Andern: Ga- bricl's und Herrn Hardy's, ist der Jesuitenorden getreten. Nun sind noch die beiden Töchter des Marschalls Simon, das Fräulein von Cardoville und Djalma übrig. Diese kämpfen noch, aber der Marschall ist schon fast außer Gefecht. Djalma und das Fräulein von Cardoville haben noch ihre ganze Kraft: sie sind vtrliebt und vereinigt. Mögen sie unversehrt den Händen ihrer mächtigen Gegner entgehen! Wissenschaft und «Kunst. Fürst «osloffsky. ch Leipzig, im Aug. Man kommt immer mehr und mehr von der aben teuerlichen Idee zurück, Universalgeschichte zu schreiben. Die neuere Zeit wen det ihre gelehrten Forschungen mit entschiedener Vorliebe und größerm Nutzen der Specialgeschichte zu und füllt durch sorgfältige Bearbeitung einzelner Zeiträume, durch gewissenhafte Schilderung einzelner hervorragender Erschei nungen seiner Epochen die klaffenden Lücken der sogenannten Universalgeschich ten aus, die, genau betrachtet, von Allem etwas und vom Ganzen gar nichts bringen. Monographien find freilich nur Bruchstücke; aber durch Zusammen fügung der einzelnen Steine erhält der ganze Bau der Geschichte einen fe ster» Zusammenhang, eine solidere Grundlage. Die Zahl dieser Einzelschrif ten wächst von Lag zu Lage so sehr, daß die Literatur derselben schon jetzt ein vastes, unübersehbares Gebiet geworden ist. Im Laufe des verflossenen Monats hat Staatsrath Mignet in Paris ein Stück Staatsgeschichte unter dem Titel: „I>on Antonio korer et?di- Uppe II", Lord Brougham in London einen Abschnitt Literaturgeschichte, be titelt: „Voltaire et kouaaean", und Hr. Varnhagen von Ense in Ber lin ein bio- und bibliographisches Moment unter dem Titel: „Hans von " Held", ans Licht treten lassen. Diesen Dreien reihte sich eine vierte, gleich interessante Monographie an, welche Hofrath 0r. Dorow in Leipzig herauS- gegeben hat. Daö 235 Seiten starke Buch enthält eine Schilderung des Fürsten Kosloffsky, jenes geistreichen Mannes, den Frau v- Staöl so treffend
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview