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Deutsche allgemeine Zeitung : 07.10.1854
- Erscheinungsdatum
- 1854-10-07
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id799109797-185410079
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id799109797-18541007
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-799109797-18541007
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDeutsche allgemeine Zeitung
- Jahr1854
- Monat1854-10
- Tag1854-10-07
- Monat1854-10
- Jahr1854
- Titel
- Deutsche allgemeine Zeitung : 07.10.1854
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Sonnabend. Nr. 235. 7. October 1854 Deutsche Allgemeine Zeitung «Wahrheit und Recht, Freiheit und GesetzI» Hu beziehen durch alle Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig j (Querstraße Nr. 8).' «rei« für das Viertel jahr 1'/, Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. lFnserlionsgsduhr für den Raum eioerZeile 2 Ngr. LeiPzi«. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittag« 4 Uhr au«- gegeben. Sewastopol. — Leipzig, 6. Oct. Die Bedeutung der Einnahme Sewastopols wäre ungeheuer, mag man nun auf ihre militärischen und politischen Folgen oder auf ihre moralischen Ursachen und Wirkungen sehen. Wir beschrän- ken uns für heute auf einige Betrachtungen dieser letzter» Art, die Bemes sung der muthmaßlichen politischen und militärischen Nachwirkungen der gewaltigen Katastrophe einer späten, Erwägung vorbehaltend. Der Nimbus der russischen Waffen war zwar schon bedeutend verblichen seit den ungün stigen Kämpfen vor Kalafat und vollends seit dem mehr als rühmlosen Rückzüge von Silistria. Aber die blinden Anbeter des Zar (deren cs lei der auch in Deutschland gibt) trösteten sich über jene Niederlagen und such ten dieselben zu beschönigen durch allerlei Vorwände, die sie von der Un gunst der äußern Verhältnisse, von politisch-strategischen Rücksichten oder sonst woher entnahmen. Was aber können diese Leute jetzt finden, um einen so unerhörten militärischen Bankbruch, wie ihn Las in ihren Augen unüberwindliche Rußland soeben erlitten, auch nur einigermaßen zu verklei nern oder zu verdecken? Von Ueberrumpelung kann nicht die Rede fein, denn die Expedition nach der Krim war monatelang angekündigt und vorbe reitet, ja bis in ihre kleinsten Details mit einer in der Kriegsgeschichte gewiß seltenen Offenherzigkeit in öffentlichen Blättern besprochen worden. War die zur Deckung Sewastopols h-erbeigezvgene Lruppenzahl nicht stark genug? Ei nun, wo sind denn jene von unserer Russenpartei so oft pomp haft ausposaunten zwei Millionen russischer Streiter, wenn es überall ge rade da, wo größere Massen vonnöthen wären, an solchen fehlt? Es ist wahr, die Cholera hatte unter der Besatzung Sewastopols und der Flotte gewüthet; aber furchtbarer doch wol kaum als unter den Expcditionstrup- pen während ihres Aufenthalts auf türkischem Boden. Und diese konnten ihre Lücken nur mühsam durch neue Transporte aus weitentlegenen Län dern ergänzen; Rußland dagegen führt den Krieg auf seinem eigenen Gebiet und müßte, sollte man meinen, bei einer guten militärischen Organisation und rechtzeitigen Vorkehrungen, zumal an seinen Südgrenzen, wo die Bevölkerun gen dichter sind, mindestens ebenso leicht und schnell eine entsprechende Masse von Mannschaften, Pferden und anderm Kriegsmaterial conccntriren können als die Verbündeten aus dem langen und beschwerlichen Wege zur See. Will man den Mangel solcher rechtzeitigen Vorkehrungen, die Unvollkommenheit des russischen Transportwesens, der Communicationsmittel, der Verpflegungs- anstalten rc. als Entschuldigung für die schlechten Erfolge der russischen Waffen anführen, so verschlimmert man damit seine eigene Sache, indem man zugibt, daß nicht eine zufällige und vereinzelte Ursache diese Nieder lage verschuldet hat, sondern daß eben der ganze, von außen so riesig er scheinende Koloß im Innern hohl und faul ist und bei jeder kräftige« Be- rührung zerbröckelt. Es ist wahr, die vervollkommneten technischen HülfSmittel verleihen der Wehrkraft derjenigen Staaten, welche sich im Besitze solcher befinden, eine Ueberlegenheit, welche durch keinen andern taktischen Factor, weder durch Trefflichkeit der Führer noch durch persönliche Tapferkeit der Soldaten so leicht völlig ausgeglichen werden kann. Allein hat denn nicht Rußland vollauf Gelegenheit gehabt, sich diese bessern technischen Hülfsmittel eben falls anzucignen? Hat es Rußland an englischen Ingenieuren zum Bau seiner Werke und seiner Kriegswerkzeuge, oder an französischen und preußi schen Instruktoren für seine Truppen, wenn es solche begehrte, gemangelt? Ist nicht, wie die, Times berichtet, ein Theil der Befestigungen Sewasto pols von englischen Technikern gebaut? Hat man der russischen Regierung gewehrt, ihre Geschütze in Frankreich, ihre Schiffe in England fertigen zu lassen. Und hat sie nicht Beides vielfach während des langen Friedens gc- than? Ist nicht die russische Artillerie von Kennern mehrfach für eine der besten erklärt worden, und hat nicht die Cavalerie den unbestreitbaren Vor zug eines naturwüchsigen Materials an tüchtigen Pferden und an eingebo renen Neiterstämmen? Woher also, so fragt man sich verwundert, woher nicht sowol diese Niederlage überhaupt (denn besiegt werden kann auch die tapferste, bestgeführle und vortrefflichst bewaffnete Armee), aber diese so un begreiflich schnelle und in ihren Wirkungen so vernichtende, mit völliger Auflösung (so scheint es wenigstens) der russischen Armee endende Nieder lage? Alle bisherigen Berichte stimmen darin überein, daß das verschanzte Lager am Almafluß, welches auf einem zur Verlheidigung natürlich günstigen, von den russischen Führern mit Vorbedacht auscrwählten Terrain (auf einer Anhöhe) angelegt, von einem wenigstens 50,000 Mann starken Heere besetzt, mit ansehnlichen Cavaleriemassen und zahlreicher Artillerie versehen war, von den Alliirtcn, deren Truppenbestand (nach Zurücklassung der detachirten CorpS im Rücken) nicht größer gewesen sein kann als der ihrer Gegner, in der unglaublich kurzen Zeit von drittchalb Stunden mit dem Bayonnct genom men und die russische Armee so völlig auseinandergcsprengt worden ist, daß von einem geordneten Rückzug gar keine Spur gewesen zu sein scheint, viel mehr die Trümmer der Armee, noch 22,000 Mann! (so berichten Blätter, die nichts weniger als ruffcnfeindlich sind), sich auf Gnade und Ungnade dem Sieger ergeben haben! Welchen Begriff soll man sich nach diesem Er- rigniß entweder von dem Geist der Führer oder von der Disciplin der Trup pen machen? Man hat es oft als einen Vorzug altgeschulter Heere vor den unmittelbar aus dem Volke hervorgcgangenen rühmen hören, daß jene dem Angriff des Feindes fester Stand hielten und selbst bei gezwungenem Rück- zug niemals aus den Schranken der Disciplin wichen. Nun wohl! hier ist eine Armee, die ihre Angehörigen nicht blos drei oder sechs oder acht Jahre, sondern 14 — 20 Jahre unter den Fahnen hält, die den Soldaten zur vollkommensten Maschine auszubilden, ihn in den eisernen Banden des Gehorsams nicht blos den Bürger, sondern beinahe den Menschen vergessen zu machen strebt; und diese Armee, diese so vollkommen mechanisch gedrillte Menschenmaffe hält nicht länger als ein paar Stunden dem feindlichen An griff Stand und stäubt dann in völliger Verwirrung auseinander oder er gibt sich scharenweise an die Sieger! Wenn vollends wahr wäre, was be richtet wird, daß diese rasche Uebergab« in feindliche Gefangenschaft begleitet gewesen fei von der Erklärung der sich Ergebenden, gar nicht in ihr Vater land zurückkehren, sondern lieber als Gefangene in Feindesland bleiben zu wollen, so würde dies auf die gesammten Zustände des russischen Staats- und Heerwesens ein Schlaglicht werfen, vor welchem die Lobpreiset Ruß lands, wenn, sie noch einen Funken Schamgefühl haben, ihr Antlitz tief vcr- hüllen müßten. So viel scheint zweifellos: von irgendeinem höher», sei cs patriotischen oder auch nur militärischen Gemeingeist kann bei dem russischen Soldaten nichts zu finden sein, sonst wären Vorgänge wie dieser bei Se wastopol schlechterdings undenkbar. Wir sind vielleicht ungerecht gegen die Tapferkeit der Verbündeten und gegen das Genie ihrer Feldherren, indem wir bei Erklärung der außerordentlichen Waffenthat, welche sie vollbracht, mehr die Schwächen ihrer Gegner als ihr eigenes Verdienst zu berücksich tigen scheinen. Allein französischer Ungestüm, englische Kaltblütigkeit, tür kischer Kampfesfanatismus bedurften nicht erst dieser neuesten Probe, um der verdienten Achtung sicher zu sein; dagegen den falschen Nimbus zu zerstören, welchen um den nordischen Koloß erbärmliche Fcigherzigkeit der Einen und tendenziöse Politik dcr Andern verbreitet hatte, und dessen Er haltung und Vergrößerung sich die russische Diplomatie fortwährend ange legen sein ließ, dazu war ein solcher furchtbarer Schlag nothwendig, dessen erschütternden Wirkungen auch das trägste Phlegma des Indifferenten und die verstockteste Verhärtung des Reaktionärs nicht wohl Stich zu halten vermögen. Deutschland. Preußen. Berlin, 5. Oct. In einigen Blättern ist die Mitthei- lung gemacht, daß die österreichische Regierung bereits eine Antwort auf die preußische Depesche vom 21. Sept, crtheilt und in derselben den Wunsch ausgesprochen habe, daß die Anschauungen des berliner Cabinets durch einen Act der frankfurter Bundesversammlung bekräftigt werden mögen. Dcr Inhalt des preußischen Altenstücks ist aber derart, daß darin keine bestimmten Zusicherungen gemacht, sondern zunächst nur Wünsche wegen einer genauer» Darstellung der österreichischen Plane in der orien talischen Frage und der Art ihrer Durchführung ausgestellt werden. Es lag daher schwerlich im Interesse des wiener Cabinets, daß die Bundes versammlung gleichfalls ihre Ungewißheit über die österreichische Politik zu erkennen gebe. Wie wir erfahren, ist in der That auch eine österreichische Erklärung der oben erwähnten Art hier nicht eingetroffen, und wenn di plomatische Beziehung»» zwischen den beiden deutschen Cabineten infolge der letzten preußischen Erklärung auch nicht ausgeblieben sind, so werden sie zunächst wol nur Erörterungen des Umfangs der von Preußen erwarteten österreichischen Antwort auf die preußischen Anfragen durch mündliche Be sprechungen der betreffenden Gesandten mit den Leitern der Politik des wiener und berliner Cabinets gewesen sein. — Es ist eine bcachtcnswenhe Erscheinung, daß die französischen Legitimisten in der neuern Zeit ihre Ansichten über die historische Aufgabe Rußlands durchaus geändert haben, während sie früher in der Abneigung des russischen Hofs gegen den Liberalismus und in der Geringschätzung, welche das Haus Orleans in Petersburg zu erfahren hatte, Anknüpfungspunkte für die Hoffnung fanden, Rußland werde sich zur Wiederherstellung der legitimen Monarchie in Frankreich bereitsinden lassen. Diese letztere Erwartung mußte als eine irrthümliche erscheinen, nachdem sich herausstellte, daß die russische Politik nichts weniger als geneigt sei, die Principien der Heiligen Allianz durch die Niederwerfung aller europäischen Revolutionen praktisch auszuführcn. Die russische Politik trug kein Bedenken, ihre Interessen in den Vorder grund zu stellen und der Gewalt der Thatsachcn durch die Anerkennung
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