Delete Search...
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 01.07.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-07-01
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-192007017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19200701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19200701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFrankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
- Jahr1920
- Monat1920-07
- Tag1920-07-01
- Monat1920-07
- Jahr1920
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
l Fremdes Keis Rom« «a L . v«fie! 1 (Nachdruck verbot«,) War das ein Lärm, ein Gelaufe, mitunter selbst ein Geraufe. Wie eine Horde Wilder rannte die losgelassene Schuljugend, das heisst, die in dem tumultuarischen Knaben alter von neun bis dreizehn stehende, aus dem Gym nasialzwinger in die ersehnte Freiheit hinaus. Nichts kümmerte sie. Weder das Schimpfen ange rempelter Philister, die, ihrer eigenen, keineswegs engel haften Jugend vergessend, etwas von Zuchtlosigkeit und fehlender Aufsichtspolizei brummten, noch das Erscheinen Ler nun aus dem Schultor tretenden Lehrer. Ernste, ge strenge Gesichter hatten sie natürlich wie immer, indes, was sie nicht sehen wollten, das sahen sie eben nicht. Man kannte das. Insgesamt spitzten sie sich auf die Mittagsatzung. Keiner mochte sich noch knapp vorher den Magen mit unbekümmlichem Aerger verderben, lieber« Haupt, war die breite, freie Straße unter der klaren Ok tobersonne zum Nörgeln da? Hierzu hatten sie doch ihre vier dunklen Klassenwände, und die lagen nun Gott sei Lank hinter allen — allen. So ging das Gejohle und Gerenne weiter. Die in langem Stillsitzen angesammelte überschüssige Kraft der Buben mußte sich eben austoben, und der Magistrat hatte ja auch die asphaltierte Straße eigens so herrlich breit und glatt gebaut, damit sie sich ordentlich tummeln konnten, wobei es nicht allzuviel darauf ankam, ob sie von un gefähr mavierlichere Fußgänger über den Haufen saunten. Warum wich man nicht einfach der Uebermacht aus? Gegenüber dem Gymnasium, von diesem durch die breite Straße und einen buschumstandenen Promenaden weg getrennt, stand ein schönes Haus im modernen Billen- stil, der unregelmäßig geletzte Fenster und allerlei krause Vorsprünge, die Erker, Altane oder Loggien bildeten, liebte. An einem Erkerfenster des ersten Stockwerks hinter dem Schleier der Tüllstores sckaute eine behäbige Matrone dem munteren Treiben draußen erheitert zu. Ueber den wilden Jungen, der eben einem Mitschüler die blaue buntgeränderte Mütze vom Kopf riß und sie ihm neckend in anscheinender Greifweite und doch immer unerreichbar hinhielt, lachte sie jetzt laut auf. O, sie kannte den hübschen, übermütigen Buben. Der war ihres Hausarztes Sprüßling. „Ein Heller Kopf," hatte Doktor Starke mal vou seinem Jungen gesagt, „aber leicht ein Durchgänger. Na, wofür hat man denn seste Hände. So 'nen Wildfang nimmt man einfach an die Kandare." Und nun, ist das nicht Doktor Starkes Coups, das da auf den sich mählich leerenden Gymnosialplatz einbiegt? Freilich, der Doktor steigt heraus. Sein Max, der bei dem Wagengeratter die Ohren gespitzt, dreht den Kopf, wirft mit einem lauten Hurra die Mütze fort, auf die sich ihr Eigentümer wie ein Stoßvogel stürzt, und fliegt dem Vater in die Arme. Der droht zwar dem Schelm, aber Frau Börner» «Mae Obren oernebmen deutlich, wie dieser lachend lose Kündigung Diese Mittttluna Wen er «Mttufen ward«, U Reichskanzler FWeMachs schloß seine Rede nist dem Wunsche, daß da» erste Wirtschafts- Parlament auf eine' gedeihliche Arbeit zurückblicken möge. l Der übrig« Test der ersten Tagung war den Formalitäten gewidmet, die nötig sind, um den parlamentarischen Betrieb auftubauen. So wurde zunächst zur Wahl des Vorsitzenden geschritten. Die Abstimmung ergab als Vorsitzenden aus den Kreisen der Arbeitgeber den ehemaligen Unterstaatssekretär Edler v. Braun, Vorstandsmitglied des Reichsausschusses der deutschen Landwirtschaft. Ms stellvertretender Vorsitzender wurde aus den Kreisen der Arbeitnehmer Legien gewählt. Edler v. Braun und Legjen nahmen die Wähl an. Edler v. Braun drückt« dabei W Hoffnung aus, daß es dem Reichs wirtschaftsrat gelingen werd«, die Gesundung unseres Wirtz schaftslebens zu fördern und di« wirtschaftlichen Fragen nach r«in wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu lösen unter Ausschaltung aller Interessengegensätze. Sodann wurde die Wähl der einzelnen Ausschüsse vorge nommen. Nach der Geschäftsordnung ist «in ständiger Ausschuß aus 30 Mitgliedern zur Behandlung wirtschaftspolitischer und sozialpolitischer Fragen zu wählen, sowie ein weiterer Ausschuß für die Geschäftsordnung, bestehend aus 12 Mitgliedern. Nach dem! die Ausschüsse gewühlt worden waren, wurde die erste Sitzung beendet. s s ' ' Var Asblgeteir k »er Mbrkcden lkllkttksmMr LtSMnmg a« sittcb»Mtrcb»n««t» Da» erste deutsche Wirtschaftsparlament! wurde am Mitt woch nachmittag in feierlicher Sitzung lm früheren Saal de« ehemaligen preußischen Hervenhäuses eröffnet. Die Mitz Weder waren fast vollzählig erschienen, so daß der Saal vollständig besetzt war. Auch einig«, allerdings verschwindend wenige, weichliche Mitglieder Maren als Zeichen der Zeit yinebigewählt worden. Don bekannten Persönlichkeiten aus d«l Großindustrie erwähnen wir Direktor Krämer, Koni- merzienrat Deutsch Bergrat Hillger, Kommerzienrat Hagen, Generaldirektor Bögler, Karl Friedrich v. Siemens, Sünnes, ferner Legien, WMl, Jnchusch, Hui, Dr. Fischer-Jena von den Zeißwerken, aus dem Bankwesen waren als Vertreter anwesend u. a. Dr. Salomopsohä (Dtskonto-Gesellschaft), die beiden Angestellten sichrer Marr und Fürstenberg, ferner noch au» Kreisen des Transportgewerbes Generaldirektor Tuno von der Hapag, vom Handwerk Derlien, Generalsekretär Plate, alS Vertreter der Verbraucherkreise Oberbürgermeister W«r- mutiy, Oberbürgermeister Blüher-Dresden, Dr. Belian-Eilen- burg, Dr. Schötz, der Meichswirtschaftsminister, ferner noch Sjamtätsrat Dr. Hartmann-Leipzig, der Gewerkschaftler Akedev- Leipzig und BerbandSoorsteher Reif-Leipzig. ! Pünktlich um! 3 Uhr eröffnete der Alterspräsident Kom. nieHienrat Bamberg die Tagung und erteilt« dem I ! «eichskmM Achrenbach das Wort zur Begrüßungsansprache, Der Reichskanzler faßte sich In dieser Ansprache jedoch sehr kurz. Er hat anscheinend sein ganzes Wirtschaftsprogramm bereits in.seiner Kan^errede im Reichstag entwickelt und beschränkte sich auf wenig« Worte dex Begrüßung, in denen er bemerkte, daß der Zusammentritt , des Relchswirtschaftsrats die Verwirklichung des idealen Zieles bedeut«, das die Reichsverfassung angestrebt hab«, indem sie alle Jnterestenkreise am Wiederaufbau Deutschland mitarbei- , ten lassen woll«. Der organisatorische Zusammenschluß be- tkmmter Berufs- und Interessengruppen ist ein Hindernis ür die Entwicklung. Nur eine einheitliche Jnteyessengemein- s chast bringt die Volkswirtschaft vorwärts. Wenso neu wie i ras ganze Wirtschaftsparlament ist, sind auch seine Aufgaben. Die wirttchaftlichen Schwierigkeiten Deutschlands smd so groß, daß der Reichstag von wirtschaftlichen Fragen entlastet werden muß. Der endgültige ReichSwirtschastsrat soll sich auf Körper schaften aufbauen, die heute noch nicht bestehen, an deven Zu- sammenschluß jedoch in den nächsten Monaten eifrig gear beitet werden wird. Die Verhältnisse gestatten es jedoch nicht länger mit dem Zusammentritt des Reichswirtschasts- ratt zu warten, so daß Man ihn ! ! al« ^vorläufiges WirtschastsparlaMent «inberufen hat. In der Bedeutung, die der Reichswirtschafts- rat sich selbst durch seine Tätigkeit gibt, liegt sein« Berechttguna fester verankert, als durch di« Bestimmung des Gesetzes, nach Die Nachrichtenstelle der Staatrkamlei schreibt: Nach Zeitung,- Nachrichten soll das sächsische Arbeitsmmisterium an den Verband sächsischer Industrieller die Anfrage gerichtet haben, wie er sich zu dem Vorschläge stelle, .durch Tarifverträge eine llebvschret- tung der achtstündigen Arbeitszeit durch den einzelnen Arbeit- nehme» zu untersagen und zu verhindern, daß dem Arbeitnehmer in solchen Fällen ein Ausschluß aus seinem Verband und frist lose Kündigung von feiten des Arbeitgebers angedroht würde." Drese Mitteilung ist unzutreffend. Weder da» Arbeit«- noch da» WirtschastsminifteriM haben Mit dem Verband stichsischer In dustrieller in dies« Mgelegenheit verhandelt od« eine Anfrage an ihn gerichtet.' Vielmehr hat d« Landesausschub de» sächsischen Handwerks beim Wtrtschaftsministerium üb« soge- annte Pfusch arbeit in vielen Handwerk-zweigen Beschwerde geführt und darauf hinaewieken, daß zur Verbinderuna nebenberuflicher Tätigkeit von sonst vollbeschäftigten Personen beispielsweise der Beztrkausschub de» Handwerk in Glauchau mit dem dortigen Arbeitenat und Ge- wertschaftrkartell vereinbart habe, daß Ausschüsse zur Ueberwachung da Einhaltung de» Achtstundentages eingesetzt würden, jeda Meist« einen Gehilfen od« Arben«, d« Nebenarbeit leistet, sofort entlasten müsse und einen lochen Gehilfen od« Arbeiter nicht elnftellen dürfe, und daß bet Nebenarbeit bettoffene Arbeit« au« ihr« Gewerkschaft ausgeschlossen werden. Das Arbeits- mtnistaium hat diese Vereinbarung den unterzeichneten Behörden mitgeteilt und den Abschluß entsprechend« Vereinbarungen auch in anderen Orten empfohlen. Dazu bemerk da» »Leipz. Tagebl.": Derartige Betträge sind am und schön; sie werden ab« wenig nützen. So lange die Preise für Arbeit beim Gewerbettetbenden für einen Tttl d« Bevölkerung unerschwinglich hoch bleiben, sucht man eben Aus wege, wo sie sich bitten. Ebensowenig wie von den Konsumenten d« Wucher «folgreich bekämpft worden ist, ebensowenig wird vom Arbeitgeber unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Pfuscharbeit unterdrückt werden. Wir sind weit davon entfernt, der Pfuscharbeit da» Wort zu reden; wir hallen es ab« für unsere Pflicht, darauf hinzuweisen, daß hi« wirtschaftliche Er scheinungen vorliegen, gegen die jede Verordnung zwecklos ist, solange ihre Ursache, die hohen Preise, bestehen bleibt. E» be stätigt sich eben jetzt das, was wir schon vor Monaten an dies« Stelle vorausgesagt haben: Die übertriebene Preispolitik schadet etzten Endes ntchs nur dem Käufer, sondern auch dem Geschäfts betrieb. Straßenbahn und Handel baden das schon «fahren, dem Gewerbe geht es jetzt ebenso. Wir haben alle da» gleiche Intereste am Rückwärtsreoidteren d« bisherigen wirtschaftlichen Entwicklung. zWPW«^»t4MÜch« Or*ttrkßtl»t WM iW Madi Dera gemeldet: Um Ausschreitungen WWavKeruutz sw vermeiden, und um den Wttcherpreisen DMMtegel vorzuschieben, hüt nämlich die Stadt, wie schon MW DmMtzt auf Veranlassung der preußischen Regierung Widde» Staatsrat«» von Gera «inan MarttMtz ins Leben WruHn. Ein« gemähkte Kommission au» Produzenten und Monßtmenten setzt die Markt- und die Ladenpreff« M L«bemtz, Attttel fest. Sie hat auch di« Kontrolle üb« di« Einhaltung Hd« Preil« in d«r ganzen Stadt auAmübqn. Jegliche Preis- Merichrettung wird strengsten» bestraft. Di« Kommission hüt Bridie Preise für Obst And Gemüse fast durchweg um 50 Pro- Dmt herabgesetzt. Der Berkaus verläuft darauf in musher- !?-Mger Ordnung. > > > Dresden, 30. 6. Auf dem Tisch des Häuses liegen 3 Brote mit verschiedenen abgeschnittenen Stücken. Sie sind vorgelegt worden nn Zusammenhang« mit der kurzen Anfrage des Wg. Berndt (Dem.) > ' ' > Aus eine kuize Anfrage des Vizepräsidenten Dr. Dietel antwortet Geheimer Rat Dr. Wolf, die Frage der Berj- echelichung der Lehrerinnen werde demnächst reichs- ! gesetzlich geregelt. Vorläufig würden verheiratete Lehrerinnen s aus Widerruf im Schuldienst weiter verwendet. > Wg, Berndt (Dem.) trägt sodann seine kurze Anstage bezüglich der Wechten Brotversorgung von Dresden und Umgegend vor. Der Unwille der Bevölkerung drohie zu erpslo- siven Entladungen zu führen. — Geheimer Rat Dr. v. Hübel: Zur Behebung der Notlage habe die Regierung dauernd mit dem Reichsministerium und der Reichsgetreide stelle in Verbindung gestanden. Leider ohne Erfolg. Es seien demnach die sächsischen Selbstvrrsorgerbezirke angewiesen wor- , den, ihre Vorräte den Bedarfsbezirken zuzuweisen. Die Krisis sei nach den neuesten Meldungen aus Berlin überwunden. Für ' das neue Iaht müsse von der Reichsgetreidestelle die lleber- weisung eines größeren Vorrates als eiserne Ration für die Zett besonderer Notlagen. Verkehrsstörungen usw. mit größtem Nachdruck gefordert werden. ! > Zu Punkt 2 der Tagesordnung, erste Beratung des ' Lakdeswahilgesetzrntivurfs, erklärt sich Wg. Castan (S.) mit der Herabsetzung der Zahi der 'Abgeordneten von 96 auf 64, nicht einverstanden, Seine Partei trete ein für das Wahlrecht der Angehörigen der Wehrmacht. Die Wahlkreis« sollten sowohl für die Reichs- wie die Landeswahlen verkleinert werden. > i Wg. Schmidt-Freiberg (Deutschnat.): E» sei unmöglich, ein allgemein befriedigendes Wahlgesetz zu schaffen. Di« Wünsch« dafür gingen viel zu weit auseinander. Die vor geschlagene Wahlsteiseinteilung sei emigermaßen vernünftig. Die Herabsetzung der Mindestzahl sei tatsächlich gerechtfertigt, da unsere Ausgaben durch die Wegnahme der Finanz- und Verkehlshohett wesentlich beschränkt werden. ' Wg. Koch (Dem.): Seine Partei sei mit der Anlehsiuyg dt» LandeÄvehkgesetzes an da» Reichs-efth ehidtrHmden. Die Landeslistje sollte man abschaffen. Seine Partei fei für Zu stellung der Stimmzettel durch die Behörden. Wg. Dr. Kaiser (Deutsch« Volksp.): Die Vorlage stehe im allgemeinen auf einer durchaus parlamentarischen Grundlage. Mit der Zahl von 84 Abgeordneten werde man auskommen. Er fei nicht der.Ansicht des Wg. Castan, daß es auf die geringe Ersparnis nicht ankomme. Die Kammer müsse bei sich anfangen zu sparen. Die Wahlkreise brauchten nicht verkleinert zu werde». Es sei jedoch praktische die Reichs- tagswcchkkreise m ihrer jetzigen Form zu übernehmen. t -Wg. Müller-Leipzig (U. S.: Gegen die Herabsetzung der Wgeordnetenzahl habe seine Partei keine grundsätzlichen Bedenken. Die Wählprüfungen sollte man nicht einem Wahl- Prüfungsgericht, sondern einem Ausschuß des Landtages über tragen. ... Die Vorlage wird darauf dem Sonder-(VerfassungÄ-), Ausschuß überwiesen. Nächste Sitzung: Freitag, den 2. Juli, mittags 1 Uhr. Tagesordnung: Haushalt, Ueberwachungsausschüsse, Anfrage über die Lage der vogtländischen Stickereiindustrie. Aus Heimat und Vaterland Frankenberg, den 1., Juli 1920. G«geu di« -Pfpschmbrit" schmeichelt: „Ach, Vater, was ist oavei l LNe «kraße «t ja trocken, ich hab' meine schon zehnmal vom Pflaster auf sammeln müssem Das ist doch bloß ein Ulk." Darauf legt der Doktor den Arm um seines wilden Jungen Schultern, und beide besteigen in völliger Ein tracht den haltenden Wogen. - Doch nun entglitt der Frau ein schwerer Seufzer, ihre heiteren Augen verdunkelten sich. Sie zog das Taschentuch hervor, barg darin ihr plötzlich ttänenüberströmtes Gesicht, und derart sich irgendwelchem Kummer überlassend, überhörte sie den Eintritt ihres Mannes. Leise hinter sie txetend, stand er still wartend, daß sie sich. von selber beruhige, denn er erriet den Anlaß ihrer wehmütigen Rührung, wußte aber auch, Fran Auguste war im Grunde keine sentimentale Natur. Es gab bei ihr wohl hier und da mal solch einen elementaren Ausbruch weiblicher Weichheit, aber es war eigentlich bloß esn Koket tieren mit dem Leid, das sie im Ernst nur vom Hörensagen kannte. Denn bis auf diesen einen Mangel lebte sie ja gottlob in des Lebens Fülle, und nach solch einem gelegent lichen kleinen Regenschauer war denn auch bald wieder eitel Sonne bei ihr. Als sie jetzt das Tuch fortsteckte, sagte er, ihr zu lächelnd: „Na ja, Gustchen, schön wär's ja, wenn wir 'n paar da drunter hätten." Sie nickte heftig. „Fritz, hast du den Max gesehen? Wenn ich mir denke, unsere wären solches Jungen Kame raden, — in was für Kreise käme man nicht durch die Kinder. Der Doktor ist ja so weit ein netter Mensch, aber Loch immer, soz^agen, zehn Schritt vom Leibe. Und so geht's mit manchen anderen ähnlich. Las Geld allein tut's auch nicht." Sie seufzte wieder. „Na, weißt du, Äuste, das ist mir nu schnuppe. Solche Ambitionen habe ich gar nicht. Schuster, bleib' bei deinem Leisten, ist noch immer 'ne goldene Lebensregel, und im übrigen bin ich mir selber genug." Sie zuckte die Schultern. „Wie du sprichst. Bei unseren Mitteln könnten wir 'ne ganz andere Stellung behaupten. Das machte sich auf die natürlichste Weise, wenn eben Kinder da wären, die höhere Schulen besuchten und einige Freundschaften schlössen. Da könnten wir nun gut 'nem halben Dutzend die beste Erziehung geben und haben nicht eins. Doch was hilft alles Wünschen und Klagen. Das Leben ist nu mal unvollkommen. Wir müssen uns schon drin finden, lachende Erben zu hinterlassen. Was sind denn ferne Verwandte, an die nun dein schwer ver diente», schönes Geld gehen wird, anderes ?" „Kein angenehmer Gedanke, Gustchen. Aber e» wird wohl so kommen." Der Mann, ein knapper Fünfziger, in besten arbeitsharte Züge der wachsende Erfolg seiner Mühen eine schlichte, ruhige Würde gelegt, sah mit nachdenklichen Augen in dem großen, komfortablen Zimmer rundum. Und nun lächelte er: „Jawohl, es ist hübsch geworden bei uns und doch nicht viel mehr als zwanzig Jahre h/r, seit wir in Wunstorf die kleine Töpferei anfingen und/uns da mit Stube, Kammer und Küche beinah fürstlich oorkamen. Denn vordem kannte ich ja bloß 'ne Bodenkammer als Logis, ,und dir ging'» al» Pastors Köchin nicht viel anders, wie?" Di« yrau, dl«, den Lrkrr verlpssend, sich jetzt fn da, weich«, psauenblau« Plüschsofa schmiegte, sah ihren Mann unbehaglich an. „Wenn vu doch die alten, fatalen Zeiten ruhen liegest, Fritz. Lies Lumme Ausruyren hat doch keinen Zweck. Was Besonderes kommt nicht zutage, und ich denk' lie'er nicht daran. Wir sind beide fleißig gewesen, na ja, und sparsam dazu. Auf den Kopf gefallen warst du auch nicht, hattest viel Geschick für die Töpferei, und als ich die kleine Erbschaft machte, mit der wir ein ordentliches Geschäft anfangen tonnten, ging's, heidi, in die Höhe. Das machte natürlich Spaß, und wir schafften nun erst recht. Dann zogen wir nach Hannover. Das Glück begleitete uns, und in der Großstadt ging alles noch viel flotter vorwärts. Ja, an unseren hannoverschen Anfang erinnere ich mich schon lieber, da wurde es bald Großbetrieb. Du legtest Lie Fabrik nn, wurdest Ofeiifabritant, und deine Majolika reiste über die ganze Welt. Du bist ein reicher Mann und kannst schließlich noch in den Magistrat kommen und eines Tages Senator werden. Höher hinauf braucht's nicht zu gehen. Als Frau Senatorin will ich mich gern zufrieden geben. Aber dazu muß es noch" kommen, mein guter Fritz." „Du hattest immer stärkeren Ehrgeiz als ich," lachte er gutmütig. „Geb' ich zu," schmunzelte sie. „Und hat's etwa nicht geholfen, wenn ich deine Bedachtsamkeit ein bißchen auf den Marsch brachte? Mit dem Wagen haben wir tatsächlich gewonnen. Wir gehören jetzt beinah zu den Höchstbesteuerten der Stadt, empfangen aber trotzdem noch keine Exzellenzen in unserem prächtigen Haus," schaltete sie mit sinkender Stimme ein und schloß leise, „die Kinder hätten es wohl zuwege gebracht." Seine klugen Augen schauten mit lachendem Zweifel in das frischgefärbte, runde Gesicht seiner Frau. Ihre ganze Erscheinung hatte etwas gesund Derbes und anheimelnd Bürgerliches, aber Züge rassiger Vornehmheit fehlten ihr völlig. „Immer noch höher rupp?" scherzte er. „Nee, Guste, sonst verlieren wir schließlich die Balance. Bleibe so, wie du bist, gefällst mir am besten so. Bon der gnädigen Frau ließe ich mich am Ende noch scheiden. Sonst aber," sprach er ernster weiter, „wär' mir's freilich recht-, es liefen rasche, junge Füße durch das große, stille Haus. Ich hab' schon mitunter gedacht, wir nehmen uns ein Kleines an. Und bald. Daß wir'» noch groß wachsen sehen und 'ne Stütze dran haben." „Ach, Fritz, das ist all lang auch meine stille Idee. Hätte es längst vorgeschlagen, wenn ich nicht doch wieder manche Bedenken trüge. Weiß man denn, was man ins Haus kriegt? Was für Erbfehler oder gar Laster so ein fremdes Kind in sich trägt?" „Wir alle haben Fehler, Guste. Unsere eigenen würden auch keine Engel sein." „Natürlich nicht. Doch man hätte wohl mehr Geduld mit ihnen, mehr verzeihende Nachsicht, eine stärkere, selbst verständliche Liebe. Und doch, wenn ich mir vorstelle, solch ein süßes, kleines Ding trippelt hier herum, ganz j ing, höchstens ein, zwei Jahre alt, so daß es mit seiner rührenden Hilflosigkeit völlig auf uns angewiesen wäre, es gar nicht anders wüßte, als daß wir ihm Vater, Mutter seien, — ich glaube, man könnt'» doch herzlich liebhaben, könnt« es nach keinem Willen zurechtziehen," ! ! I!-I I
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview