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Hohensteiner Tageblatt : 03.05.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-05-03
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189205033
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18920503
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18920503
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohensteiner Tageblatt
- Jahr1892
- Monat1892-05
- Tag1892-05-03
- Monat1892-05
- Jahr1892
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 03.05.1892
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halte er nach den ihm bekannten Verhältnissen Franke's die selbe nicht vornherein als unglaubhaft angesehen, alsbald gegen Knauer hätte eioschreitcu müssen. So jedoch lehnte der selbe Einschreiten seinerseits ab und verwies Franke an den Gemeindevorstand als den Dievstvorgesetzten Knauer's. Noch au demselben Tage erstattete such Franke bei diesem mündlich und ebenso bei der Königl. Amtshauptmannschaft schriftlich Anzeige über denselben Vorfall. Weiter erschien er, nachdem ihm inzwischen am 30. September das von Knauer über die vou demselben am 29. September bei ihm, Frauke, vorge nommene Pfändung aufgeuommenc Protokoll abichristlich zuge fertigt worden war, am 1. October 1891 im Bureau der Königl. Staatsanwaltschaft und brachte daselbst an, der Voll streckungsbeamte K. in Oeltnitz habe am 29. September 1891 während seiner, Franke's, Abwesenheit in seiner Wohnung eine Zwangsvollstreckung vorgcnommen und habe er, Frauke, alt er Abends nach Hause gekommen, zwar die Thür seiner Wohnung gehörig verschlossen vorgefunden, es hätten jedoch verschiedene Gegenstände — die bereits aufgesührtcn — gefehlt, daS Geld, die 650 Mk., feien aus dem verschlossenen Nähtisch kasten, zu dem er den Schlüssel bei sich getragen, verschwunden gewesen, und müsse er hiernach allenthalben annehmen, daß dies fehlende Geld ihm während der in seiner Abwesenheit vorgenommenen Zwangsvollstreckung gestohlen worden sei. Frauke erreichte durch seine Anzeigen, daß gegen ihn selbst ein Strafverfahren wegen wissentlich falscher Anschuldigung einge- leitet und er selbst in Untersuchungshaft genommen wurde. Die umfangreiche Beweisaufnahme hatte vornehmlich die Auf gabe, das aufrecht erhaltene Vorbringen Franke's im Besitze der gedachten Geldsumme gewesen zu sein, demselben zu wider legen. Die am 27. April von Vormittags 9 Uhr mit nur kurzer Unterbrechung bis Abends gegen 8 Uhr andauernde Verhandlung vor der ersten Strafkammer des Königl. Land- gerichts Chemnitz endete damit, daß Franke, welcher die ihm beigemessene falsche Anschuldigung beharrlichst in Abrede stellte und unter Aufrechterhaltung der an und für sich höchst un- glaubhaften Behauptung, 650 Mk., die er sich zum größten Theile innerhalb eines Zeitraumes von 9 Monaten von feinem Gehalt erspart haben will, wirklich besessen und mit seiner Anzeige lediglich bezweckt zu haben, daß durch eine Unter suchung der Sachverhalt erklärt werde, der Anklage gemäß zu 1 Jahr Gefängnißstrafe und fünfjährigem Ehrcnrcchtsverlust verurtheilt, dem Verletzten Knauer auch das gesetzliche Publi- kationsbefugniß zugcsprochcn wurde. Auf die erkannte Frei heitsstrafe wurden dem rc. Franke 4 Monate der erlittenen Untersuchungshaft als verbüßt in Anrechnung gebracht. Am Freitag Nachmittag ist in Chemnitz in einer Wohnung der Zschopauerstraße ein 2jähriges Mädchen elend um's Leben gekommen. Dessen Mutter hatte einen AuSgang zu machen und schloß deshalb ihre 3 Kinder in die Wohnstube ein. Als sie nach einer halben Stunde zurückkehrte, fand sie ihr Jüngstes rn einer auf der Diele stehenden, mit Wasser und Wäsche ge füllten Waschwanne liegend, daS Gesicht nach unten, leblos vor. Das Kind hatte in der Nähe der Wanne gespielt, war in dieselbe hinein und mit dem Gesicht auf die Wäsche ge fallen, so daß cs erstickte. Die sofort angestellten Wiederbe lebungsversuche blieben erfolglos. DaS Stadtverordnetencolleginm in Chemnitz hat nunmehr die Konzession der Allgemeinen elektrischen Gesellschaft zu Berlin genehmigt und es wird nunmehr mit dem Bau der Straßen bahn unvcrweilt begonnen werden. Die Kosten sind auf gegen 1Vs Millionen Mark veranschlagt. Nachdem die Genehmigung ertyeilt worden ist, muß der Ban spätestens in vier Monaten begonnen weiden, während dagegen der Betrieb spätestens in 1Vs Jahren, vom Beginne des Baues angcrechnel, eröffnet werden muß. Ausgenommen hiervon ist die Strecke vom Bernsbachplatze nach dem Friedhöfe, deren Inbetriebnahme spätestens 6 Monate nach Regulirung der Bcrnsbachstraße zu erfolgen hat. Ein eigenartiger Unfall ereignete sich kürzlich in einer Fabrik der Umgegend von Zwickau. Ein junger Mensch mußte die in einen mächtigen Sack gefüllte Wolle festtreteo, wobei sich letztere entzündete und des Burschen Kleider mit in Brand geriethcn. Der Arme konnte aber nicht aus dem Sacke und wurde auf sein Hilferufen erst dadurch gerettet, daß der untere Theil des Sackes ausgeschnitten wurde. Er hatte schwere Ver letzung erlitten. Im KreiSkrankenstifte zu Zwickau ist die 13 Jahre alte Tochter der bei dem Brande deS BrcnnercigcbäudeS in Neu- schönesels verunglückten Hausmagd Gorzolka an den bei dem Brande ebenfalls erlittenen schweren Verletzungen gestorben. Ein bei demselben Feuer an Gesicht, Händen und Füßen be denklich verbrannter Dienstknecht mußte nachträglich noch auf Anordnung des Arztes dem KreiSkrankenstifte Zwickau zuge führt werden. LZ Noch immer hat sich das über den Verbleib des seit über HalbjahrSfrist verschwundenen Fabrikwebers Ludwig Roth von Netzschkau gebreitete Dunkel nicht gelichtet. Die Angehörigen haben eine Belohnung von 50 Mark ausgesetzt für denjenigen, welcher irgendwelchen Nachweis über das Schicksal des Ver schollenen erbringt, pp. Roth, welcher bei der Firma Jahn im Göltzschthal als mechanischer Weber beschäftigt war, und, im 50. Lebensjahre stehend, als ruhiger und zuverlässiger Arbeiter galt, litt periodisch an Schwermurhsanfällcn und dürfte in einem solchen Momente sich entfernt oder Hand an sich gelegt haben. Er hatte zuvor bereits öfter dicsvzügl. Andeutungen fallen lasten und noch am Nachmittag vor seinem Verschwinden bei Nachbarn und Bekannten unter dunkeln Reden sich verab schiedet. In der Nacht darauf hat dann Roth, der ledig war, seine Wohnung verlassen — es war dies am 9. October vor. Jahres — und seitdem fehlt trotz allen Forschens von ihm jedwede Spur. Die am Donnerstag von der Schutzmannnschaft zuOels- nitz i. V. wegen Falschmünzerei verhafteten Eheleute Mayer aus Raschau, sind durch die vorgenommene Haussuchung der maßen überführt worden, daß an der Schuld des Paares kein Zweifel mehr vorhanden ist. Vor einigen Tagen ist auch be reits ein Bruder des Moyer in Augsburg wegen Falschmünzerei verhaftet worden. Die Falsificate waren aus Zinn täuschend ähnlich hergestellt und haben die Falschmünzer Einmarkstücke angefertigt. Anfang März 1889 wurden bekanntlich in Leipzig drei rumänische Einbrecher — sämmtlich Juden — verhaftet, als sie einrn höchst verwegenen Einbruch in dem Bankgeschäft von Hammer und Schmidt auf der Grimmaischen Straße auSführen wollten. Mit den complizirtesten Instrumenten ausgerüstet, hatten sie sich Nachts in dem fraglichen Hause einschließen lassen, waren dann aber bei dem fast schon gelungenen Ver suche, die von der Treppe aus in daS Bankgeschäft führende eiserne Thür zu öffen, von der Hausmannssrau betroffen und verscheucht worden. Alle Drei wurden verhaftet; 2 auf der Straße bez. auf dem Bahnhof, der 3. aber in dem Dachraum eines in der Nähe gelegenen Hauses, wohin er nach einer lebensgefährlichen Flucht über verschiedene Dächer und Mauern hinweg gelangt war. Von Leipzig aus, wo sie mehrere Monate lang aufhältlich gewesen waren, hatten die 3 Gauner am 31. December 1888 einen Abstecher nach Dresden unter nommen und hierbei verschiedenen Bankiers Werthpapiere ver kauft, die von einem in der Nacht zum 16. April 1888 in einem Bankgeschäft zu Nürnberg verübten verwegenen Einbruch herrührten. Sie hatten sich offenbar absichtlich gerade diesen letzten Tag des Jahres zum Verkauf dec Papiere ausgesucht, weil da zu erwarten stand, daß es in den Bankgeschäften viel zu thun geben würde und deshalb die Lontrole über die an gebotenen Papiere nicht so genau geführt werden könne. I« der That wurden sie ihre Papiere auch ohne jede Beanstand ung los. Ob die drei Einbrecher damals hier noch andere Zwecke verfolgt haben, ist nicht festzustellen gewesen. EL liegen jedoch Anzeigen dafür vor, daß sie auch dem Grünen Gewölbe einen nächtlichen Besuch zugedacht hatten. Für den Einbruch bei Hammer und Schmidt bekamen die drei Gauner, deren Namen übrigens niemals genau festgcstellt werden konnten — sie heißen vermuthlich Simon Moses Goldstein-Mamatsch (auch Cornclly), Samuel Schina (auch Jochil-Koirach) und Hersch-Reisz (auch Mehler) — vom Landgericht Leipzig je 9 Jahre Zuchthaus, während sie in Nürnberg trotz ihres Leugnens ebenfalls sür schuldig befunden und vom dasigen Landgericht zu entsprechenden Zusatzstrufen verurtheilt wurden, sodaß jeder 14 Jahre Zuchthaus zu verbüßen hatte, welche Strafen sie in verschiedenen bayrischen Anstalten antreten mußten. Während Goldstein-Mamatsch und Schina sich in ihr Schicksal fügten, trat Reisz, der der der Bande das An fertigen der Nachschlüssel rc. besorgt und auf der Flucht in Leipzig den Weg über die Dächer genommen hatte, plötzlich mit der Behauptung auh er sei gar nicht mit in Nürnberg gewesen, sondern habe sich zu jener Zeit in seiner Heimath be- fundcn. Er und seine Verwandten benannten Zeugen in der Heimath dafür, die dies bestätigten. Reisz setzte die Wieder aufnahme des Verfahrens gegen ihn durch, ec wurde im ver gangenen Jahre nach Nürnberg zurückgebracht und in einer anderweiten Gerichtsverhandlung wegen der ihm zur Last ge legten Theilnahme an dem Nürnberger Bankdiebstahl au? Grund jener Aussagen freigesprochcn, obschon einige Nürn berger Einwohner nach wie vor mit mehr oder weniger Be stimmtheit behaupteten, daß sie ihn in der kritischen Zeit in Nürnberg wie auch in der Nähe des Thatortes gesehen hätten. Während er bisher seine Rolle mit großem Geschick gespielt hatte, beging er nunmehr eine unbegreifliche Dummheit. Er saß in der Zelle mit einigen jungen Leuten aus Nürnberg zu sammen, die geringe Strafen verbüßten und diesen gegenüber, die er für ganz zuverlässig halten mochte, erzählte er, daß er bei dem Nürnberger Einbruch doch mit bctheiligt gewesen sei. Ec lachte über die bayrischen Richter, welche sich hätten täuschen lassen, er rühmte seine Stammesgenossen in der Hei math, die keinen der Ihrigen im Stiche ließen, er erzählte, daß er zu Hause einen Doppelgänger habe, mit dem er bei seinem Aliblbcweis verwechselt worden sei, er beschrieb ganz genau, wie er die Schlösser an dem Geldschrank in Nürnberg gcöffnet habe u. s. w. Nachdem er zur Strafverbüßung der in Leipzig ihm auferlcgten Strafe nach Waldheim abgefühtt wor den war, erstatteten seine Zellengenossen gegen ihn Anzeige. Der Staatsanwalt in Nürnberg nahm sich der Sache soiort an und setzte es durch, daß am 28. April d. I. zum dritten Male in Nürnberg gegen ihn verhandelt wurde. Trotzdem er sich gegen die ihm drohende anderweite Verurtheilung wie ein Verzweifelter wehrte und insbesondere die ehemaligen Zellen genossen, die als Zeugen gegen ihn ausrraten, als meineidige Menschen hiuzustellen suchte, wurde er doch der Milthäterschait an dem mehrgcdachten Bankdiebstahl in Nürnberg wieder für schuldig befunden und nochmals zu 14 Jahren Zuchthaus ver- uriheilt. Er wird nunmehr wieder nach einem bayrischen Zuchthaus wandern. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß er die Absicht hat, au? den langen Transporten aus der Straf anstalt in's Gericht und zurück einmal zu entwischen, weshalb er auch mit besonderen Vorsichtsmaßregeln transporrirt wird. Er hat übrigens im Zellengefängniß zu Nürnberg schon ein mal einen verwegenen Ausbruch unternehmen wollen, der schließlich noch durch einen Zufall im letzten Augenblicke ver- Aelt worden ist. Aus Leipzig, 2. Mai: Die socialdcmokratische Maifeier, welche hier in Stötteritz arranairt worden war, ist vollständig bedeutungslos verlausen, wozu ein beständig niederriesclnder Sprühregen jedenfalls das Wesentlichste beitrug. Statt der vcrmuthelen mindestens 40,000 Festbesucher begaben sich in den ersten Nachmittazsstunden nur einige 15,000 Personen nach dem Dorfe hinaus, welches bescheiden festlich decorirt war. Die Hauptpunkte der Feier, nämlich die Festrede des ReichS- tagsabgeordncten Geyer und die Resolution über den 8 Stun dentag, fielen aus; die Rede Geyers war polizeilich verboten worden und zur Abstimmung über die Resolution ist cs nicht gekommen. Schon nach 3 Uhr wateten Tchaaren der fcst- feiernden Socialdemokraten auf den grundlos gewordenen Wegen wieder der Stadt zu. Zur Entschädigung hat übrigens das Fcstcomita die Wiederholung der Feier für nächsten Sonntag onqefitzt. Die Leipziger Messe ist diesmal nicht sehr flott verlaufen. Bekannte Industrielle, die sonst meist gute Geschäfte zur Ostcr- messe gcmachr haben, klagten sehr über den Mangel an Nach frage und über allzugroßen Preisdruck. Für die Gegenstände, die im Sommer gebraucht werden, fällt die Messe diesmal sehr spät; auch darin mag der geringe Umsatz mit begründet sein. Landgericht Dresden. Prozeß Hjorth alias Howard. Schluß. Durch das Zeugenvcrhör vervollständigte sich das Bild von der verbrecherischen Thätigkeit des internationalen HotcldiebeS fortgesetzt. Hjorth beschränkte seine Thätigkeit blos auf rasfi- nirteDiebercien; gegenüber dem internationalen Gauner Hammer stein, mit dem sich am 5. Mai vor seiner Einlieferung in's Zuchthaus noch das Reichsgericht in Leipzig zu beschäftigen haben wird, erscheint Hjorth von weit geringerer Bedeutung. Im Anschluß an die Zeugenvernehmung über den Diebstahl im „Hotcl France" bemerkt der Angeklagte auf den Vorhalt des Herrn Präsidenten, daß er, Hjorth, doch die auf den Augenschein beruhenden Angaben der Zeugen anerkennen müsse: „Ich bestreite das gar nicht, was die Zeugen gesehen haben; aber die Schlüsse derselben, mich als Dieb hinzustellen, sind falsch." Der Zeuge Kaufman Rowald aus Leipzig sagt aus, daß er 1877 die Bekanntschaft mit einem gewissen Hjorth in Leipzig gemacht, als er einen italienischen Sprachlehrer gesucht habe. „Hjorth meldete sich im „blauen Roß" bei mir," fährt der Zeuge fort, „er gab mir wöchentlich zwei Stunden Unter richt und nebenbei zeichnete H. sehr gut, sodaß ich ihm damals, um seine Einkünfte zu erhöhen, Zeichnungen für Tischglocken unfertigen ließ." Präs.: „Erkennen Sie in dem Angeklagten Hjorth wieder?" Der Angeklagte wird aufgefordert, sich dem Zeugen vorzustellcn und wäbrcnd Rowald nach kurzer Besich tigung H.'s aus nächster Nähe die Versicherung abgiebt: „Größe, Gcsichtsausdruck und Sprache stimmen vollständig überein!" entgegnet Hjorth trocken „Ich kenne den Herrn nicht". Sodann ergänzt der Zeuge R. seine Aussage dahin, daß ihm Hjorth seiner Zeit mitgetheilt habe, er stamme aus Christiani» und daß er viel v»n seinen Reisen und von seinem Aufenthalt in Frankreich rc. erzählt habe. Ein von Rowald zu den Akten gegebener, von Hjorth geschriebener Brief war dem vereideten Sachverständigen für Schrifteiverglcichung bei dem hiesigen Landgericht, Kaufmann Spalteholz, zur Begutach tung übergeben worden. S. konstatirte, unter Bezugnahme auf authentische Schriftstücke des Angeklagten, daß der erwähnte Brief aus der Hand des letzteren herrühren müsse. Der Zeuge Isidor Joseph, mosaischer Kaufmann aus Leipzig, ließ 1873, als er einen Verkaufsstand im „blauen Roß" innehatte, von einem Herrn Hjorth ein Bild in Kreide malen. „Eines schönen Tages war Hjorth verschwunden", erzählt Joseph und bei der persönlichen Vorstellung mit dem Angeklagten und Vorzeigung einer alten Photographie H.'s erklärt er „Ich möchte wohl be haupten, daß es Hjorth ist, ganz sicher bin lch aber meiner Sache nicht." Rowald überzeugte sich, wie er nach der Ver nehmung Joseph'« bekundere, mittlerweile, daß er jetzt in seiner Uiberzeugung bestärkt worden sei. Der Zeuge Kaufmann Tiek ist kommissarisch an AmtsqerichtSstclle in Hamburg vernommen. Ec besaß 1877 das Hotel „Blaues Roß" in Leipzig und sagte aus, baß ihn der damals dort wohnende „Hjorch aus Christiania" auch gemalt habe. DaS Original der ihm vor- gelcgtcn Phoiographie Hjorth's bez. des Angeklagten erkannte er soiort mit voller Gewißheit wieder, In den übrigen Fällen der Anklage sagten die Zeugen ganz ähnlich aus. Was den Diebstahl in Leipzig und Hamburg betrifft, so hatte der An geklagte schließlich zuqeben müssen, daß er zur Zeit der ThaL dort unter falschem Namen gewohnt habe. In der Nacht zum 6 December 1890 wurden einem Kaufmann im „Viktoria- Hotel zu Hamburg 190 M. gestohlen. H. hatte sich dort unter dem Namen „Hansen" aufgehalten und wenn ihn auch der Poitier infolge der schwachen Beleuchtung, bei welcher er damals den Angeklagten gesehen, nicht ganz überzeugend rekognokziren kannte, so wurde doch der letzte Zweifel an der Schuld H.'s durch eine Notiz im „Baukalendcr Hjorth's" be seitigt. Dieselbe besagte einfach „Hamburg 6. December 1890." In dem Hotcl „4 Jahreszeiten" zu Hamburg waren in der Nacht zum 16. December 1890 110 M. dem Gaste Nielsen und 1625 M dem Gaste Buchsheim gestohlen. Hjorth hatte vort als „Hansen aus Schweden" gewohnt, wurde vou dem Portier rekognoscirt und in seinem Notizbuch fand man unter'm 19. December 1890 den Vermerk „1735", der den Beträgen deS gestohlen Geldes entspricht Die Behauptung des Ange klagten, die betreffenden Zahlnotizen, die bei fast sämmtlichen Diebstählen zu konstatiren sind, bezögen sich auf Maßverhält nisfe rc. über Zeichnungen, erscheint nicht glaubhaft. Bemerkt sei noch, daß namentlich im „Hotcl Russie" zu Leipzig, wo selbst dem Kaufmann Fuchs in der Nacht zum 2. Feb. v. I, ein Verlust von über 600 M. durch Diebstahl zugesügt wurde, Hjorth genau in derselben verdächtigen Weise auf dem Korridor des Hotels umher geschlichen ist. Mit der Abhörung des Kriminalkommissars Hohlfeld-Dresden war das Zeugenverhör bez. die Beweisaufnahme beendet. Dem Antrag des Herrn Staatsanwalts Stein gemäß erfolgte die Verurtheilung des ebenso originellen als gemeingefährlichen Diebes zu 8 Jahren Gefängniß und 6 Wochen Haft. Hiervon gelten in Rücksicht auf bic 14monatliche Untersuchungshaft H.'S 6 Monate Ge- fänzniß und die Haftstrafe als verbüßt. Bei dem Strafmaß fiel die bewegte Vergangenheit Hjorth's, dem Umstand, daß Hjorth notorisch nur aus Diebstählen seine Existenzmittel be schafft und seine ganze gefährliche Arr des Stehlens in's Gewicht. Auf der Bahnstrecke Oschatz-Schmorkau (Strecke Oschatz- Strehla) verunglückte der Bahnbcdienstete Kilian. Derselbe fuhr, auf einer beladenen Lowiy sitzend, die Strecke entlang und stieß dabei mit einer Kipptowry, welche nicht rechtzeitig genug aus den Schienen gehoben werden konnte, zusammen. Dabei erlitt er so schwere Quetschungen an beiden Beinen, daß ihm bereits im Kcankenhause zu Oichatz das rechte Bein ab- gevommen werden mußte. Die Familie wird überhaupt vom Unglück förmlich heimgesucht. In derselben liegen noch die Frau, das Kind und auch die zum Besuch gekommene Schwieger mutter krank darnieder. In Aussig erregt ein in der Nacht zum Donnerstag ver gangener Woche verübter Mordversuch großes Aufsehen. Der erst 19 Jahre alte Bergschüler Koutnik aus Slatina versuchte seine in einem Aussiger Gasthause als Kellnerin bedienstete Geliebte zu erschießen. Dreimal richtete der jugendliche Lieb haber von der Thürschwelle aus den Revolver auf das in mitten von Gästen befindliche Mädchen. Zum Glück versagte jedeSmal die Mordwaffe. Im Gastzimmer entstand natürlich namenlose Panik, bis cL einigen beherzten Männern gelang, Koutnik zu überwältigen. In's Verhör gezogen, gestand der junge Mann unumwunden zu, die Absicht gehabt zu haben, die Geliebte wegen der von ihr begangenen Untreue niederzu- schießen und sich dann selber zu tödten. Lagesgeschichte Deutsches Reich. Berlin, 30. April. Im Bundesrath wird man sich jetzt in ziemlich umfangreicher Weise mit den noch unerlevigten R o' t'vnen zu beschäftigen haben, die der Reichstag beschlossen hat. Hierzu gehört u. A. der schon zu häufig geiahte Beschluß über die Gewährung von Tagegeldern an die Mitglieder des Reichstages. Die Reichsregierung hat bisher alle diese Anträge adgelchnt. Es liegen keine Anzeichen vor, daß dieser Stand punkt jetzt aufgegeben werden soll. Die ablehnende Richtung ist bisher zumeist von Preußen gestützt worden, indessen ist, soweit bekannt, auch von den übrigen Bundesregierungen eine Befürwortung der Tagcgelderfvrderung nicht erfolgt. Die „Post" erklärt, bei der von Anfang an von ihr aus gestellten Behauptung beharren zu müsf-w daß die in Aus arbeitung befindliche Milttärvorlage mit dem ReichShaushalt sür 1893/94 zur Berathung gestellt wird. Das Inkrafttreten der Veränderung soll indcß erst mit October 1893 staltfindcn, so daß die Mchrforderungen sich zunächst nur auf ein halber Jahr beziehen. Berlin, 1. Mai. Se. Majestät der Kaiser ist gestern Abend 11 Uhr wieder im Neuen Palais eingetroffen. Heute war Se. Hoheit der Herzog Friedrich Ferdinand zu Schlerwig-Hol- stein-Sondcrburg-Glücksburg zum Frühstück im Neuen Palais. A Berlin, l. Mai. DaS Maifest der Socialdemokrateu ist
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