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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.01.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-22
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960122021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896012202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896012202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-22
- Monat1896-01
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Das war aber leider nicht der Fall. Vorgestern »erstieg sich, wie wir au» den ausführlichen Berichten ersehen, der polnische Abgeordnete von Jazdzewski zu der Forderung, den Postbeamten möge die Tbeilnabme an dem „Vereine zur Förderung des Deutschtbum» im Osten" ver boten werden. Von dem Unterftaatssecretair Dr. Fischer wurde dieses Verlangen allerdings abgelehnt, aber in äußerst milder Form, wäbrend den Polen bei dieser Gelegenheit doch wobl mindestens hätte entgegengehalten werden tonnen, daß sie am wenigsten berufen seien, über „hetzerische" Bestrebungen sich zu beschweren. Es war daher verdienstlich, daß der Abgeordnete vr. Ha mm ach er gestern wenigstens einiger maßen nachholte, was der Herr UnterstaatSsecrelair vorgestern versäumt batte, v,. Hammacker führte nach dem Berichte der „Nat.-Ztg." aus: „Herr von Jazdzewski sprach gestern von dem Verein zum Schutze des Deutschthums in den Lstmarken, dem (»»zugehören auch ich die Ehre habe, in dem Sinne, als ob das Bestreben und die Lhätigkeit dieses Vereins daraus gerichtet sei, die Nationalitäten zu verhetzen. Einem solchen Urtheit muß im deutjchen Reichstage im Interesse der Wahrheit aus das Ent- ichievenste cntgegengetreten werden. Dieser Verein ver folgt den Schutz der deutschen Interessen mit demselben Recht, demselben guten Grunde, wie unsere polnischen Landsleute inner- liolb des deutschen Reich? ihre polnischen Interessen und ihre polnische Cultur zu verfolgen bestrebt sind. Soweit sich der Verein aus gesetzlichem Boden dabei bewegt, bat Herr von Jazdzewski kein Recht, die Postverwaltung aufzusordern, ihre Beamten zum Austritt aus diesem Verein oder zum Nichtbeitritt anzuballen. Ich be- daure, daß die Antwort des UnterstnatsjecretairS Or. Fiscper sich lediglich innerhalb formaler Grenzen hielt, daß dem Verlange» des Abgeordneten deshalb nickt entsprochen werden könne, weil das e n Eingriff in die staatsbürgerlichen Recht, des betreffender. Beamten wäre. Es hätte sich, ineine ich, auch voin Standvuncte der Reichspostverwaltnng gebärt, sestzustellcn, daß nach den Beob achtungen, dir sie angestellt haben muß, die Beamten seitber die gesetzlichen Grenzen nicht überschritten haben. Sollte das geschehen sein, sollten sich die Beamten in einer dienst- schädigenden Weüe an einer solchen Veieinsthütigkeii im Interesse des Teutschthums betheiligen, so betrachte ich es für ebenso gerecht lind selbstverständlich, daß gegen diese Beamten eingeschritten wird, wie auch im gleichen Falle — die Herren werden oas selbst gerecht fertigt finden — auch gegen die Beamten polnischer Zunge einzu- >(breiten wäre." Tbatsächlich bat der „Verein zur Förderung des Deutsch- Ibums im Osten" mehrfach nachgewiesen, daß er nur Der- tbeidigungszwecken dient und daß der Angriff regel mäßig von polnischer Seite ansgebt, so namentlich ans rem Gebiete planmäßiger Bovcottirung deutscher Geschäfte. Wenn der Verein jetzt die Unterstützung dieser Geschäfte fick zur Aufgabe mackt, so übt er Notbwebr, weiter nichts, eine Notbwebr, deren Berechtigung gerade in diesem Jabrc am Tische deS Bundesralhs hätte erkannt und bervorgeboben werden sollen. „Soll uns", fragt die „Kreuzztg", der wir in diesem Falle rückhaltlos beistimmen, „solche Notbwebr aus dem eigenen Boden nicht gestattet sein, soll der Staat es seinen Beamten übel nehmen, wenn sie deutsch sein wollen? In Rußland, Frankreich, Italien, Ungarn rc. sollten die Deutschen so etwas verlangen! Bei uns ist man aber noch immer außerordentlich schüchtern in der Betonung des eigenen guten Rechtes!" Wäbrend ihre künftige Haltung zur Agitation sür den Antrag Kani^z der konservativen Partei zu denken giebt, nähert sich die Frage ihres Verhältnisses zu den Christlick- Socialen Stöckcr'scher Richtung ihrer Entscheidung. Zwar mit den „Jungen" ist diePanei seriig und diese mik ihnen. Aber die Grenze zwischen den Ersteren und den Alten stt weder theoretisch, noch praktisch erkennbar gezogen. Graf Limbnrg-Stirum bat sich in der gestrigen Elalsrebatte des preußischen Abgeordnetenhauses mit aller Entschiedenbeit gegen die Christlich-Socialen, welche wie die Sociat- demokraten Hetzen, erklärt, es ist aber nickt ersichtlich, ob der Nachdruck auf das „die" oder auf „Cbristiich- Socialen" gelegt ist. Jedenfalls herrscht im konservativen Lager in der Stellung zur Frage eine gewisse Unklarheit und DirectionSlosigkeit. So bat z. B. das Parteiorgan kürzlich einen Artikel über die Socialresorm veröffentlicht, der bei den Herrn Stöcker näber siebenten Parteigenossen Anstoß erregt bat, und beute erfahren wir aus der „Vommerschen Reicks- posl", die gleichfalls zu den Mißvergnügten gebörle, die Re daktion der „Eons. Eorr." habe ikr brieflich erklärt, wenn sie an solche „Mißkeulung" ihrer Auslassungen hätte denken können, wären diese nickt erfolgt. Der Artikel war aber kaum einer Miß dcutnnff säbig. lieber die voraussichtliche Entjckließung Stöcker S, die bekanntlich bis zum l. Februar erfolgt sei» muß, stellen conservative Organe entgegengesetzte Der- miilbungen an. Die „Eons. Monatsschrift", die allerdings eine ziemlich vorgeschrittene christlich-sociale Richtung verfolgt, befürchtet, Herr Stöcker werde dem aus der Partei aus- geschiedenen Professor Hnpeken folgen müssen. Dem „ReickSboten" hingegen ist nicht zweifelhaft, daß die von der conservaliven Parteileitung geforderte Er klärung Stöcker'S die erwartete Vernrlhcilung der Hatlnng des „Volk" zum Inhalt haben werde. Der Redakteur dieses Blattes nun, Herr von Ger lach, bat in einer 'wn Berliner Ebristlich-Socialen einbernfencn öffent lichen Versammlung in einem Commcntar zu seiner Abweisung res coiiscrvativcn „Ultimatums" erklärt, die Trennung aller Ebristlich-Socialen von der conservativen Partei scheine unvermeidlich; er hätte es lieber gesehen, wenn Stöcker den Beschluß des Elfer-Ausschusses mit seinem Austritt beant wortet hätte. Jedenfalls werde man auch ibm die sachliche Uebezeugung nickt opfern. Im Uebrigen scheinen die Ansichten über das Wünschenswertbe der Trennung in der Versammlung gelbeilt gewesen zu sein. Herr v. Gerlach gab der Ueberzeugung Ausdruck, daß die Führer der conservaliven Partei kapitalistisch gesinnt seien. Denselben Makel hat bas Organ dieser Fübrer, die „Kreuzzeitung", wie schon so oft vorher, erst kürzlich den Parteien, die nichts vom Anträge Kanitz wissen wollen, anaebeflet. Auch hier wieder der Be weis, daß die demagogischen Schlagwörter früher oder später sich gegen ihre ersten Benutzer wende». Es besteht überhaupt eine viel engere Verwanvlschaft zwischen der von der kon servativen Partei geächteten christlich - socialen Agitation und nicht dem Antrag Kanitz selbst, sondern der Art, wie er von Herrn von Ploetz und anderen Con- servativen propagirt wird. Daß jene Agitation zum Theil gegen den Großgrundbesitz sich richtet und diese Propaganda vermeintlich im Interesse deS Großgrundbesitzers betrieben wirb, will prakiisch sebr wenig besagen. Wenn die Massen genügend verhetzt sind, so läßt sich ein Schlaqwort leicht durch ein anderes, nock gläubiger ausgenommencS ersetzen. Uebrigcns Fe«illetoir» Ämialise's Pflegemutter. 1?j Roman von L. HatdheH^, Nachdruck »erboten. „Sie haben reckt, Herr von Linowitz", sagte sie leise. „Joachim's Unglück zu werden, ibm sein ganzes Leben zu zerstören, bas kann ich nicht auf mich nehmen, dazu habe ich ihn zu lieb. Ich danke Ihnen für den guten Rath, mein Weg soll den Ihres Sohnes nicht weiter kreuzen." „Annalise! Um Gottes Willen, Annalise" rief Joachim. Sie machte mit einem tiefen, unsäglich traiirigen Blick eine leise, abwehrende Bewegung, und wäbrend Alle wie er starrt da standen, denn eS lag plötzlich über dem marmor blassen Mäbchenantlitz etwas Fremdes, Unfaßbares, fiel schon die Tbür hinter ihr zu. „Annalise!" schrie Joachim auf, hinter ihr herstürzeud, „bleib Annalise, ich gehe mit Dir!" Aber der Alte war ihm zuvorgekommen. Er stellte sich vor die geschlossene Tbür, verschränkte die Arme über der Brust und blickte den Svbn mit glänzenden Augen an. „Besinne Dick!" rief er ihm streng befehlen» zu. „WaS bietest Dn dem Mädchen? WaS kannst Dn ihr bieten als Ersatz für das, was sie für Dich und Deine Tborheit auf- giebt? Kannst Du es verantworten? Sie geht zu ihrer Pflegemutter, und das ist der einzige Weg, der ihr bleibt. Mein Wort zum Pfände, sie ist vernünftiger, als Du denkst, und beirathet den Glogowsky". Joachim hörte gar nicht auf ihn; dennoch entging ihm keines der bitteren Worte. Als er den Ausgang nicht erreichen konnte, ohne Hand an seinen Vater zu legen, war er anS Fenster gestürzt. „Annalise!" rief er, eS aufreibend. Sein Vater schleuderte ihn mit einer Kraft, die nur die äußerste Erregung giebt, zurück, und er sah nun, wie Anna lise, obne stillzusteben, ibm mit todesblasien Mienen abwinkle. Sie verließ ibn wirklich? Sie hörte den Schrei seines Herzens nicht auö seinem Ruf? War sie wirklich „zu vernünftig" dazu? Er starrte ibr nach, wie vernichtet. Seine Gedanken verwirrten sich, sein ganzes Wesen kam aus den Fugen. Mil einem dumpfen Aeckzcn schlug er d,e Hände vor da- Gesicht and sank auf einen Stuhl. „Laßt mich, ich gebe ihr nach! O, Papa, Papa! Wie kannst Du so herzlos sein!" ries Carola weinend. „Hast Du etwa nicht erfahren, wie eS gebt, wenn Zwei mit Gewalt Narren sein wollen? Hast Du nickt Dein ganzes Leben vernichtet wegen des Menschen, der es nicht einmal der Müde Werth fand, Dich festzuhalten? tobte Linowitz. „So laß mich gehen, Georg; cs war eine Schmach, bas arme Kind so — so wegzuschicken!" siebte und zürnte seine Frau. „Wegschickcn? Wetten? In drei Wochen bat sie sich mit Glogowsky ausgesöbnt!" höhnte er. Und als die beiden Damen fort wollten, empört von seiner Herzlosigkeit, hielt er sie von der Thür zurück und schrie seine Frau an: „Keinen Schritt! Nicht von der Stelle! Seid ihr wahn sinnig? Adele will das Mädchen versorgen, um Dir ibr Geld zu vermachen, Dir und Jochen, auf mich scheint sie weiter keine Rücksicht zu nehmen, die zärtliche Schwägerin, und wir sollten ihre Pläne kreuzen? Wenn eS überbaupt noch einen Weg giebt, die Geschichte wieder zureckt zu ziehen, so ist eS dieser. Und Du Jocken, Du siehst eS nochmal ein, daß Dein Vater Dein bester Freund war". „Verwünschter Schacher! Wo bleibt denn baS Gefühl sür Ehre?" fuhr der Sohn ihm entgegen. Die Heftigkeit der Scene erneuerte sich zum höchsten Grade. Mutter und Tochter rangen die Hände, weinten, suchten zn besänftigen: die Dienerschaft stand horchend aus der Treppe -um Keller, in welchem der Maurer soeben einen Herv aufstellte, um so eine improvisirte Küche berzurickten. Nock immer war der Sckloßbof ganz gefüllt von Neugierigen, die aus der Stadl berbeiströmten unv die in Gruppen von der Entstehung des Brandes rätbsellen und von den Verhältnissen der Linowitz flüsterten. » » Am Abend spät erfuhr Frau von Linowitz, ihre Schwester wolle morgen packen lassen, um abzureisen; Marfa hatte ein Paar Frauen aus dem Dorse herbestellt, um ihr dabei zu helfen. Die Nachricht erregte den höchsten Schrecken bei ibr und ihrem Gatten; ganz verstört, obne Appetit, saßen sie vor ihrem in Folge der mangelhaften Kücheneinrichtung äußerst bescheidenen Abendessen und rübrten eS kaum an. Adele Jwanowna fort? Natürlich genug war die Idee; aber Herr von Linowitz batte schon Tapezierer und Maler und Decoratrur benachrichtigt, daS VerwalterbauS sollte trägt schon der Antrag Kanitz selbst den Keim einer anti- „capitalistischen" Wr vertbbarkeit an sich. Was den großen Getreideimportenren reckt ist, bas kann unschwer als den großen Getrcideerzkiigern billig dcmonslrirt werben. Und wenn der Staat laiibwirtbschaftlichkn Protuccnlen einen Mindestpreis gewähr leistet, der nur den Gelreite verkaufenden Landwirtben zu Gute tvmmt. warum diese Kategorie der Landwinde nicht »ack, Möglichkeit vermehren? So ist die Forderung: „Er höhung rer Getreidepreise durch den Staat" gar nickt so weil entfernt von der andern: „Das Land den Masten". Eine überraschende Meldung kommt auS London über eine recht feindselig anmntbende Stellungnahme reS osfi- ciellen EnglanS gegen Deutschland, um so überraschender, als das Eabinel SaliSburv fick, noch bis in die letzten Tage bemiibt bat, in rer Transvaalangelegenheit, wenn auch wider willig, eine äußerlich correete Haltung einzunehmen. Man telegrapbirl uns ans London, 22. Januar: Gestern hielt Cbamberlain am einem Bankette zu Ehren des neucrnannten Gouverneurs von OucenSland eine Rede, in welcher er aussührte, die Ereignisse in Südafrika würden den Gegenstand einer gerichtlichen Untersuchung in England und Amerika bilden. Vor einigen Wochen erschien England alleinstehend, umgeben von eifersüchtigen Nebenbuhlern und einer ganz und gar unerwarteten Feindseligkeit. „Unsere seit längerer Zeit bestehenden Differenzen mit anderen Nationen nahmen plötzlich drohende Verhältnisse an und von Teilen, von denen wir in Anbetracht unserer lleberlieferungen von einer gewissen Interessengemeinschaft Freundschaft und Achtung erwarten dursten, wurde uns plötzlich mit Argwohn begegnet und selbst mit Haß. Wir mutzten sehen, wie unsere Friedensliebe als ein Zeichen von Schwäche und unsere Gleichgiltigkeit auswärtiger Kritit gegenüber als Aufforderung zu Beleidigungen angesehen wurde. Wir mußten daraus gefaßt sein, daß unsere Niederlage mit schwer verhüllter Genugthuung betrachtet wurde. Kein besserer Dienst konnte uns jemals geleistet werden, als daß wir in den Stand gesetzt wurden, zu zeigen, daß wir entschlossen sind, unsere Ver pflichtungen zu« erfüllt,?, und unsere Rechte aufrecht zu erhalten. Vor drei Wochen stand das Mutterland isolirt da, jetzt steht es sicher in der Kraft seiner eigenen Hilfs mittel und Loyalität seiner Kinder im ganzen Reiche. In künftiger Zeit wird der Bund des „greater Britain" ein mächtiger Factor sein sür die Ausrechterhaltung des Weltfriedens." Chainberlain brachte dann einen Trinksprnch aus den am Bankette theilnebmenden italienischen Botschafter aus und sagte u. A., das italienische Volk wäre stets ein treuer Freund und beständiger Verbündeter des Vereinigten Königreichs gewesen. Ter italienische Botschafter dankte in herzlicher Weise. Ostenbar ist Herrn Cbamberlain zweierlei in den Kopf gestiegen: bcr Cbampagncr de« Banketts und der Trink- spruck des Kaisers Wilhelm, auS dem bervorgebt, baß Deutschland gewillt ist, seine Macht auch jenseits kcr Meere Jedem fühlbar zu macken, dem cs beikommen sollte, es auch nur in einem seiner Unterlbanen zu beleidigen, und daß es fest entschlossen ist, diese gegen englische Ver gewaltigung und Raubsucht energisch in Schutz zu nehmen. Dies und die verkehrte Interpretation des Kaiser-Trink- spruchS, in welchem man, wie aus einer an anderer Stelle mitgetbeilten Auslastung des Berliner „TimeS"- Correspondenlen bervorgebt, das Programm sür die Con- currenzgriindung eines „größeren" Deutschland jenseits der Oceane erblickt, bat dem englischen Minister den Wind mächtig in die Backen geblasen. Aber der Sturm mackt Niemand bange, reim so wenig wir uns vor dem bis „vor drei Wochen" nock isolirten, d. b. seiner Colonien im Falle internationaler Verwickelungen nickt sickeren England fürchten, ebenso wenig imponirt uns das „ganze" britische Reick, mit kessen dauerndem Znsammenball es nach Chamberlain's Bekennlniß dock nickl so bestellt sein kann, daß England wagen konnte, Alles auf diese eine Nummer zu setzen. Wie die italienische Presse über die „beständige BundeSgenoffenschasi" Italiens denkt, wird Herr Chainberlain schon morgen er fahren können. Tie Londoner Diplomatie gebt von Haus zu Haus, um gute Freunde, getreue Nachbarn u. dergl. zu suchen, in Petersburg bat man ihr die Tbür vor der Nase zugeschlagen, in Frankreich bal man mit der böslichen Bemerkung, daß Niemand zu Hause sei, zugemacht, und in Rom wird man im Hinblick auf de» i» Abessinien versagten Freundsckasls bienst AlbionS es auch nicht besonders eilig baben, den mi- bcgncmen Bestick zum Wiederloinmen einzuladen. In dem neuerlichen Besuch deS Königs der Belgier in England erblickt nur die ofsiciöse belgische Presse einen jeder politischen Bedeutung ermangelnden Privatbesuck beim Herzog ron Dcvonsbir. Die langen täglichen Unterredungen res Königs mit den maßzebenren englischen Ministern, dem Ministerpräsidenten und dem Coloiiien-Minister, machen es zweifellos, daß schwebende politische Fragen den König wieder nach London geführt haben. Das Wahrscheinlichste ist, daß eS sich um die Afsaire Stokes und die Bestellung eines Gerichtshofes für den Hauptmann Lotbaire gehandelt bat Nicht ernst zu nehmen ist dagegen die Angabe, der König bade in London den Vermittler in den zwischen Deutschland uns England obschwebcnden Differenzen gespielt, aber nock absurder erscheint das Gerücht, welches König Leopold in London den Jntriguanten gegen Deutschland spielen läßt. In der Londoner „AUg. Corr." ist nämlich Folgendes zu lesen: „In den „Times" erschien am letzten Sonnabend eine „Ein Ausländer" Unterzeichnete Zuschrift. Be deutung würde dieselbe dadurch bekommen, wenn die in London herrschende Annahme richtig ist, daß der zur Zeit in der britischen Hauptstadt weilende König der Belgier sie verfaßt hat. Der Geist deS Schreibers kann durch wenige Sätze gekennzeichnet werden: „Neid und Eifersucht haben England bei seinen Concnrrenten verhaßt gemacht . . . Seit 1870 ist die früher bescheidene, ruhige und harmlose deutsche Nation in den Fehler der Selbst bewunderung verfallen. Man braucht den Deutschen nur etwas zn erzählen von der Ansbreitling der englischen Sprache über den Erdball, dem riesigen Handel Großbritanniens, dem Wehen der britischen Flagge überall, so erregt man bei ihnen Zorn und Aerger. Es ist nutzlos, ihnen zu sagen, daß nur eine in ireiheitlichen Einrichtungen ausgewachsen,- Nation den Unternehmungsgeist, die Ausdauer und das Selbst vertrauen haben kann, welche große Tinge ausrichten. Dem Deuischen fehlen gerade diese Eigen,chasten." Schließlich kommt der Verfasser der Zuschrift zu dem Schluffe, daß der Wunsch der Feinde Englands, diesem Schaden zu thnn, weit größer ist, als ihre Macht. England wird solche Intermezzos, wie die kürzlichen noch häufiger zu kosten bekommen. Gefahr für England nber bergen sie nicht. Hinzugcfügt muß werden, daß die „TimeS" das Schreiben durch besonderen Druck als von einer Persönlichkeit von Be deutung kommend, kennzeichnet. — Der König der Belgier weiß zu genau, daß seine Dynastie und sein Land Schutz für ibr Dasein nur bei Deutschland finden, als daß er Anlaß zu solchen Gesinnungen und mevr noch zu dergleichen össentlichen Kundgebungen baben sollte. Es würde dies auch den Beziehungen nickt entsprechen, die der König als Cbri bergerichtet werden für keine Schwägerin, sie batte selbst den Vorschlag ausgesprochen, nickt gegen ihn, sondern gegen Knitter. Ab, der Schurke! Er batte sie gewiß nack, der Scene, die sie halten, beredet, abzureisen? Oder wollte sie Annalise's halber reisen? Unsinn! Joachim packte ja beute Nachmittag, und man sollte den wahnsinnigen Patron auch ja nickt halten, denn der richtete hier nur Unheil an. Eine halbe Stunde daraus kam Marfa mit einem Korbe, in welchem sich Annalise's Toilette und Nacklkleid befand. Die Neugier hatte ein gutes Tbeil an dieser Fürsorge; aber trotzdem war doch auch Marfa's Wohlwollen gegen das Pflegekind der Herrin oft bewiesen. Herr von Linowitz ließ sie bereinrufen, sobald er ihre Stimme hörte; er kackte, allerlei von ihr zu erfahren. Aber Annalise? Die war nickt hier. Halten die Damen sich versöhnt? „Nicht hier?" „Nein. Sie ist hinüber gegangen, sich mit meiner Schwester auszusprechen." „Aber sie ist nicht da, gnädige Frau. Sie ist nicht ge kommen," ries Marfa. „Nicht gekommen? Wo war ^ie denn?" „Natürlich hier, bei den gnädigen Herrschaften!" ries Marfa bestürzt. Plötzlich kam von Linowitz zum Bewußtsein, in welcher Erregung Annalise gegangen war. Sie sahen sich erschrocken an. Carola faßte in unklarem Entsetzen mit beiden Händen an den Kops; diese Grberd« bestätigte offenbar eine schreckliche Ahnung, die ihrer Mutter gekommen war. „Georg, Georg! DaS Mädcken! Fort! fort! Sucht Annalise wieder!" schrie sie auf. Der Alte stürzte zur Tbür. „Jocken! Jochen!" Seine dröhnende Stimme schien die dünnen Wände des Pavillons erzittern zu macken. „Der Junker ist im Hofmeister Hause!" gab der alte Fritz Auskunft. Alle atbmeten auf. Man lief bin. . Aber Annalise war nicht da; Joachim war im Begriff, zur Station zu sabren; sein Koffer wurde eben auf den Jagdwagen geladen. Der Abend war sehr dunkel, die nock immer rauchende Brandstätte leuchtete vier und da ans; man sab, es glübt» noch Alles darin. Der Brandgeruch wurde durch die feuchte Luft nock erhöht. Ein eiskalter Wind führte dichten Nebel mit sich. „Analste nicht da? Nicht bei Adele Jwanowna? Gar nicht dagewesen?" Jede Frage stieß er entsetzter berans Ein Suchen, ein Fragen begann. Die Verwalter, die Knechte und Mägde, alle« lief durch die Ställe, Scheunen und Schuppen, suchte im Park umher, lief zu den paar kleinen Nachbarhäusern, Annalise war nicht da, war nirgends gesehen. Nock immer suchte Herr von Linowitz, sich und die Seinen zu beruhigen; aber man sab ihm an, er war von einer großen Angst erfüllt, die ibn ruhelos bin- nur bcrtrieb und ihn an den unmöglichsten Plätzen suchen ließ Adele Jwanowna konnte schließlich die Unrube ans kein Hose, das Laufen und Wandern mit Windlichtern nickt ein geben. Sie fragte, indem sie daS Fenster öffnete, ein paar Vorübergehende, und einer der Knechte antwortete ihr, man suche da» gnädige Fräulein. Sie riß ungeduldig an dem altmobigen Klingelznge. Marfa kam nicht. Endlich konnte sie einen der Verwalter anrusen, unk dem befahl sie, ihr sofort die gnädige Frau zu schicken, aber sofort. Linowitz begleitete seine Frau. So erfuhr man gegen festig, waö vorgefallen war. War eS daS trübe Lrchk, welckeS sie alle Drei so grau- bleick erscheinen ließ? Joachim und Carola waren mit Windlichtern und Leuchten hinaus, die ganze Umgegend streiften sie ab, die Knechte balfen eifrig: daS schöne russische Fräulein, daS einstige Bettelkind hatte ihre Sympathien. Annalise wurde nirgend gefunken. Joachim von Linowitz fuhr mitten in der Nackt zur Stadt, die Polizei anfzudieten. Ein gräßlicher Gedanke löste in seinem Hirn den andern ab. War Annalise von Glogowsky entführt? Hatte sie den Tod gesucht? War sie geflohen? Aber wohin? wohin? Es war gegen elf am nächsten Morgen. Die alten Braunen de« Doctor Mohnreut schnoben ver gnügt, als sie den GutShos ron Ellern erreichten, der jetzt täglich ihr erstes Ziel war. Da» Wetter schlug um; der naßkalte Nebel verwandelte sich in »inen eisigen feinen Schnee. den rer Wink rem Vor»
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