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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.07.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-09
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030709025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903070902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903070902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-09
- Monat1903-07
- Jahr1903
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lsfertrnannahme 25 (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—» 2lnnahmeschluß sur Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormtttag» 10 Uhr. Morg«u-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen stad stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 341. Donnerstag den 9. Juli l903. 97. Jahrgang. Leo XIII. Seit gestern widersprechen sich die Nachrichten über das Befinden des Papstes einigermaßen. Jedenfalls kann man damit rechnen, daß die Katastrophe sich noch einige Tage verzögern wird, zumal das Allgemeinbefinden des Patienten sich etwas gebessert, die bedrohliche Schwäche also weitere Fortschritte nicht gemacht zu haben scheint. Die Hoffnung auf Genesung ist aber auch beute noch verschwindend gering. Die neuesten Meldungen lauten: * Nom, 8. Juli. (11 Uhr abends.) Auf dem Petersplatze herrscht völlige Stille; auch im Vatikan ist alles ruhig. Die ärzt- ltche Beratung mit vr. Cardarelli ist nach Rücksprache mit dem Grasen Camillo Pecci für morgen angesetzt, um die Nachtruhe Les PapsteS nicht zu beeinträchtigen. — „Tribuna" meldet, der Papst folge nur widerwillig der ärztlichen Anordnung, alle zwei Stunden Nahrung zu sich zu nehmen. — Nach der „Jtalie" diktiert der Papst noch immer dem Sekretär Angeli An- ordutmgen, wobei er, wenn er ermattet ist, sagt: „Warten Sie, ich kann nicht mehr; fangen wir später wieder an." Minister Baecelli erklärte gegenüber Blätiermrldungen, daß er niemals irgend ein« Ansicht über die Krankheit des Papstes geäußert habe. — „Tribona" veröffentlicht eine Darstellung über den Hergang der gegenwärtigen Erkrankung des Papstes. Darnach äußerte der Papst nach einem Gartenspaziergang am 30. Juni, daß dieser ihm sehr gut getan habe und er ihn wiederholen wolle. Am nächsten Tage klagte der Papst über Unbehagen, schrieb dasselbe jedoch Darmstörungen zu und ging wieder in den Garten hinab. Zurückgekehrt, äußerte er, er fühle sich infolge des Genusses der frischen Lust besser. Stach einem Rückblick über den weiteren Verlauf dec Krankheit anhand der Bulletins sagt das Blatt, die Besserung habe sich heute nicht fortgesetzt; die Depression sei wiedergekehrt. Die Angaben seien authentisch; es scheine schwierig, aus der Ent fernung, wie mancher das anscheinend tue, über eine» in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Kranken zu urteilen. * Nom, 8. Juli. Professor Mazzoni erklärt es für unrichtig, daß er gejagt habe, der Zustand des Papstes sei hoffnungslos und der Papst werde nur noch drei Tage leben. * Nom, 8. Juli. Der Kardinallämmerer Oreglia hat sich heute abend 7 Uhr in den Vatikan begeben. — „Giornale d'Jtalia" weist daraufhin, daß das Ausjetzen der Nierentätigkeit beim Papste «in Symptom sei, das alle Hoffnung zu Nichte mache, auch ergreife die Schwäche mehr und mehr den ganzen Körper und Unruh« mache sich häufiger bemerkbar. (Von anderer Seite wird dagegen gemeldet, daß die Nieren in der Nacht zum 9. wieder in Tätigkeit getreten sind. D. Red.) * München, 9. Juli. (Telegramm.) Bei der Nuntiatur ist folgendes kurz vor Mitternacht in Rom ausgegebene Telegramm eiogrtroffen: „Der hl. Vater verbrachte Len Tag ruhig. Ter Puls schlägt weniger langsam. Der Allgemeinzustand ist etwas gehoben. Beten wir! Kardinal Rampolla." * Rom» 9. Juli. (Telegramm.) Die „Voce della veritä' berichtet: „Ter Zustand des Papstes ist unverändert. Er hatte riue verhältnismäßig ruhige Nacht. Die grüße Schwäche dauert fort." * Nom, 8. Juli. Der „Italic" zufolge beriet Kardinal Mathieu mit dem Kardinalkämmerer Oreglia über das Einspruchsrecht Frankreichs gegenüber dem Konklave. Das Blatt glaubt, daß Frankreich das gleiche Verhalte», wie beim letzten Konklave bekunden werde. Wie dec „Messaggero" meldet, scheint sich das Gerücht, daß die Reise des Königs nach Paris bis zum August verschoben werde, zu bestätigen. R. Rom, 9. Juli. (Privatlelegramm.) Nach einer Prophezeiung soll der Nachfolger deS Papstes gewisse Beziehung zu den Worten „ixnis nräens" (trennendes Feuer) haben. Nun entsprechen die Wappen der Kardinäle Oreglia und Gotti, die einen brennenden Altar und dasjenige des Kardinals Svampa, das eine brennende Fackel zeigt, diesen Worten, aber auch Kardinal Manara, Bischof von Ankona, kommt in Betracht, da sein Wappen aus einer großen Flamme, die aus einer Hand emporlodert, besteht. * Rom, 8. Juli. Monsignore Volpini, Sekretär der Kon- sistorialkongregation, der während des Konklaves in Gemeinschaft mit dem Stellvertreter des Staatssekretärs das Staatssekretariat zu übernehmen haben würde, ist im Vorzimmer des Papstes von einem linksseitigen Gehirnschlag getroffen worden. Sein Zustand ist ernst. politische Tagesschau. * Leipzig, 9. Juli. Vizepräsident Singer? So viel auch die offiziellen oder offiziösen Organe der Führer der bürgerlichen Parteien mahnen, die Frage, ob ein Sozialdemokrat in das Präsidium des Reichstags zu wählen sei, vorläufig aus sich beruhen zu lasse», so lebbaft wird trotzdem der Streit über diese Frage sortgefühit. Be sonders bemerkenswert ist dabei, Laß die süddeutschen nation alliberalen Blätter mit aller Entschiedenheit sür die Wahi Singers zum ersten Vizepräsidenten ein treten. So schreibt der dem früheren Abg. Bassermann nahestehende „Mannh. Generalanz.": „Die erste wichtige Entscheidung tritt an das ausschlaggebende Zentrum lieran. Wird das Zentrum den Mut haben, den richtigen Weg zu geben? Drei Millionen sozialdemokratische Stimmen, die Sozialdemokratie, die stärkste Partei im Reiche, die zweit stärkste Fraktion im Reichstage: da würde cs in der Tat nicht billig und gerecht sein, die Sozialdemokratie vom Präsidium auszuschließen. Die Sozialdemokraten sind schon heute in den Kommissionen nach Maßgabe ihrer Stärke ve:- treten, sie werden in den Vorsitz der Abteilungen berufen und Herr Singer war bekanntlich Vorsitzender der Geschäftsordnungskom- Mission. Wenn der Sozialdemokratie die Vertretung im Präsidium verjagt wird, so ist dies unlogisch. Nun wirst sich die Frage der Nepräjentationspflicht gegenüber dem Kaiser auf. Diese Frage ist eine vollständig untergeordnete. Man sollte von der Uebernahme dieser Pflichten die Einräumung des Pläsidentenpostens nicht abhängig machen. Heute muß die Konsequenz der Wahlen gezogen werden. Der Ernst der Lage muß auch in der Zusammensetzung des Präsidiums Les Reichs- tags zum Ausdruck kommen. Was nützen heute alle Verschleierungen? Sie sind das Törichtste, was in der heutigen Lage geschehen kann. Dem Kaiser, den Bundessürsten muß füglich vor Augen geführt werden, wie weit die Dinge gediehen sind! Aber auch Las deutsche Volk muß durch seinen Singer Tag sür Tag erinnert werden, auf welchen Wegen Millionen seiner Bürger wandeln. Jedem Reichstage gebührt das Präsidium, das seiner Zusammen setzung entspricht, und jedem Volke das Reichstagspräsidium, das es verdient. Also weg mit allen Zimperlichkeiten. Dem deutschen Spießbürger, der sich die Zipselkappe über die Ohren zieht und denkt, „es ist noch nicht so schlimm", dem soll der Großglöckner Singer, wenn er die Präsidentenglocke schwingt, in die Ohren schellen, daß die Herren vom Zukunstsstaat im Reichstag am Regi ment sind. Wir glauben wirklich, daß es für das deutsche Volk sehr wenig interessant ist, ob Herr Singer geruht, Len Kaiser mit seinem Besuche zu beehren, ob er dabei lange Hosen trägt oder sich Wadenstrümpfe anzieht, ob der Kaiser seinerseits Herrn Singer empfängt oder aus die Ehre verzichtet: das sind wirtlich so klein- liche Gesichtspunkte angesichts des dröhnenden Schrittes Les sozial demokratischen Armeekorps, daß es unbegreiflich wäre, wenn sie gegenüber dem großen Ziel, der Wahrheit und Klarheit die Ehre zu geben, die Oberhand gewännen." Und der „Schwäb. Merk." führt in einem längeren Artikel u. a. aus: „Die Sache ist etwas ungewöhnlich, gewiß, man wird sich im Reichstag und außerhalb in den neue» Herrn erst finden müßen. Aber ungewöhnlicher als die Tatsache, daß die Sozialdemokratie die zweitgrößte Fraktion des Reichstags und der Stimmenzahl nach die stärkste Partei Deutschlands ist, wäre Las Präsidium Singers wahrlich nicht, es wäre vielmehr nur der repräsentative Ausdruck Lieser Tat sache. Also warum sich dagegen sträuben? Nein, mit aller Deutlichkeit, mit geradezu ostentativer Aufdringlichkeit soll es in Len nächsten sünf Jahren dem deutschen Volke von Sitzung zu Sitzung seiner Vertreter in Berlin kund werden: Herr Paul Singer, der langjährige Vorsitzende sozialdemokratischer Parteitage, ist Vizepräsident des deutschen Reichstages! So oft Herr Stadthagen seine angenehmen Redekünste entfaltet, so ost die Fraktion der wahren Kultur und Humanität ihre wilden Männer losläßt — sür Len nicht wiedergewählten Herrn Ulrich wird sich leicht vollgültiger Ersatz unter den 81 Genossen finden lassen —, so oft die Situation heikel zu werden anfängt, jo oft „die Volks seele kocht", allemal möge dann Paul Singer mit Anmut und Hoheit der Präsidentenglocke Klang ertönen lassen und die Würde des Hauses wahren! So hat es das deutsche Volk gewollt. Warum soll, wie gesagt, dieser Wille nicht auch hierin seinen repräsentativen Ausdruck finden? Und wenn sonst wohl in der schlichten Behaujung Les einfachen Mannes große Momente auS der Geschichte Les Volkes, überragende Heldengestalten in bunten, kunstlosen Bildern die Wände zieren, so mag dann ein farbiger Holgen den zweiten Präsidenten des deutschen Reichstags in der unvergeßlichen Großtat vom 4. Dezember 1902 darstellen: wie er, vom damaligen Präsidenten dreimal zur Ordnung gerufen, dann wegen ungebührlichen Betragens aus dem Reichstag ausgewiesen, mit Len Händen in den Hosen- laschen als ein Held oben an den Stufen, die zum Präsidium führen, stehen bleibt und der rohen Gewalt mannhaft Trotz bietet! Das sind feierliche Augenblicke, wohl wert, im Andenken des arbeitenden deutschen Volkes dankbar festgehalten zu werden. Wenn eine solche Vergangenheit nicht die Anwartschaft zu den l öchsten Ehrenstellen gewährt, wer wäre dann überhaupt noch ihrer würdig? Kurz, die Krafigedanken des Zukunftsstaales könnten sich nicht leicht an ein passenderes Bild knüpfen! . . . Wir sind über zeugt, die Mehrheit des Reichstags würde einen taktischen und politischen Fehler begehen, wenn sie der Sozialdemokratie den aus ihrer zahlenmäßigen Größe sich ergebenden Anspruch verweigerte. Kurz: es kostet nichts und bringt für den Bestand des Staates keine Gefahr, ist aber für den Reichstag von 1903—8 charakteristisch und für die Sozialdemokratie verantwortungsvoll, wenn die elfte Legis laturperiode des deutschen Reichstags unter dem denkwürdigen Zeichen steht: Herr Singer erster Vizepräsident." Nun scheint freilich Herr Singer nur ungern die Würbe und Bürde eines ersten Vizepräsidenten übernehmen zu wollen, denn es klingt wie eine Ausflucht, wenn er an die prinzipielle Erklärung der Partei, „nicht nach Hofe zu gehen", erinnert. Dazu zwingt ihn ja niemand, am wenigsten der Kaiser. Aber seine geringe Neigung, sich wählen zu lassen, kann doch für die bürgerlichen Parteien nicht maßgebend sein, um so weniger, je unzweideutiger Herr Singer bereits kundgegebeu hat, daß er seine Nichtwahl gegen die bürger lichen Parteien agitatorisch auszunützen gedenkt. Ihm neues Agitationsmaterial in die Hanv zu geben, ist doch jedenfalls nicht rätlich. Und das Bedenken, daß durch seine Wahl das Ansehen des Reichstags noch mehr herabgedrückt werden würde, ist auch kein gerechtfertigtes. In den Augen der „Genossen" ist das Ansehen deS Reichstags durch den WablauSfall gewachsen. Ihnen muß zum Bewußtsein ge bracht werden, wie dieses Wachstum in der Tat beschaffen ist. Alle anderen Leute — mit Ausnahme etwa deS Herrn Or. Barth — sind darüber längst im Klaren; für sie kann cs nur darauf ankommen, daß die Sozialdemokraten erkennen, was ihr verehrter Führer Singer wirklich zur Hebung deS Ansehens des deutschen Parlaments zu tun vermag. Freisinn und Sozialdemokratie bet den prentzischen Landtagswahlen. Ob Herr vr. Barth aus der Tatsache, daß er per sönlich und unter seiner Führung die Freisinnige Ver einigung bei den letzten Reichstagswahlen eine so schwere Niederlage erlitten haben, den besonderen Beruf herleitet, eine allgemeine Wahlparole auszugeben, mag dahin gestellt sein, ebenso, ob er den Augenblick, in dem Herr Bebel als Gesamtergebnis dieser Wahlen die scharfe und geschloffene Gegenüberstellung von Sozialdemokratie und Bürgertum bezeichnet, als besonders geeignet erachtet, ein Wahlbündnis mit der Sozialdemokratie zu empfehlen. Tat sache ist, daß Herr vr. Barth an die Oeffentlichkeit mit dem Ratschlage für di» Freisinnigen hervortritt, unter allen Um ständen für eine Vertretung der Sozialdemokratie im preußi schen Abgeordnetenhause zu sorgen und diese, da sie aus eigener Kraft Sitze nicht erlangen kann, bei der Erringung von Mandaten kräftig zu unterstützen. Zur Beurteilung dieses Ratschlages muß man sich zunächst vergegenwärtigen, daß in den Wahlkreisen der 1866 neu er worbenen preußischen Landesteile sowie in einzelnen Wahl kreisen der alten Landesteile nur je eia Abgeordneter gewählt wird und daß demzufolge hier sozialdemokratische Mandate nur durch den Uebertritt freisinniger Wahl männer aus der zweiten und der ersten Klasse zu den sozial demokratischen Wahlmännern erlangt werden können. Soll dabei die Stärke der sozialdemokratischen Wahlstimmen bei den Reichstagswahlen entscheidend sein, so würden in erster Linie Kiel und Stettin in Frage kommen und der Ratschlag deS Herrn vr. Barth würbe zu nächst dahin führen, daß diese beiden, zur Zeit der Freisinnigen Vereinigung angehörenden Mandate an die Sozialdemokralie abzutreten wären. WaS aber die in Feirilleton. Hotel Hlpenroje. Roman von Arthur Achleitner. viochvrnck verboten. Ambros konnte sich hinsichtlich Qualität der Fleisch ware und Leistungsfähigkeit Hungerles nur lobend äußern, meinte /edoch beifügend, daß der Lieferant sich seine gute Ware mit ebenso gutem Gelbe bezahlen lasse. „Das heißt also: der Mann fordert viel, nicht ? Steht wahrscheinlich in sehr guten Verhältnissen und will Saison und Situation weidlich ausnützen?" „Ich fürchte, Herr Hauptmann werden mit dem Manne einen schweren Stand haben!" „Unbesorgt, Herr Hotelier! Die Berpflegskommission ist noch immer fertig geworden, so oder anders. Ich bitte Sie, mir den Fleischermeister zu schicken!" „Sehr wohl, Herr Hauptmann! Darf ich bezüglich des Diners ein kleines Arrangement treffen . . .?" „Danke sehr, nein! Immer militärisch einfach, und bitte: gar keine Geschichten machen! Ich speise wie jeder andere Hotelgast, ein Stückchen Fleisch genügt vollkommen! Also bitte sehr, schicken Sie mir den Fleischermeister!" Tschurtschbcrger ging und zitierte sofort Hungerte. In der Office murmelte Ambros: „Wenn diese Fleischgeschichte sich gut abwickelt, will ich Meyer heißen!" Tine Halbstunde später stapfte Hungerle hochcrhobenen Hauptes ins Hotel, fragte protzig Ambros, wo der Herr von der Verpflegung logiere, und kniff dabei die Augen ein. Tschurtschbcrger geleitete den Meister selbst in das Ap partement des Offiziers, zog sich dann aber diskret zurück. Nach kurzer, höflicher Begrüßung sprach der Haupt mann: „Sic sind also der Flcischliefcrant in hiesiger Ge gend. Es wird von Ihnen abhängen, ob das Militär mit Ihnen das Approvtsivnicrungsgeschäft abschließen kann oder nicht. Wir werden auf drei Tage Fleisch bester Quali tät für annähernd zweitausend Mann benötigen, Genera lität, Stab und Offiziere werden im Hotel speisen. Wie stellen Sie den Preis pro Kilo?" Hungerle fühlte sich, steckte die Hand in die buntfarbige Weste und schnaufte wie ein Automobil. „Nennen Sie gefälligst den Preis, wir reflektieren auf Primaware!" „Hm! Wird sich unter einem Gulde nicht mache lasse!" „Wie? Das Kilo einen Gulden, Sic sind wohl nicht recht bei Trost!" „Ich schon, und der Herr Offizier will wohl Prima- Ochsen! Wird nicht billiger sein könne!" „Neberlegeu Sie sich die Sache! Zweitausend Mann brauchen viel Fleisch; es springt für den Lieferanten immer noch ein schönes Geschäft dabei heraus! Sie werden gut tun, einen mäßigen Preis zn stellen!" „Ich mag aber nicht! Ein Gulden pro Kilo, anders nicht?" „Bedaure! Mehr wie 85 Kreuzer pro Kilo Ochsenfleisch, Primaqualität, zahlt das Militär nicht, es ist dieser Preis anständig genug!" „Noi! Den Preis bestimme ich, nicht die Militär." „Ist das Ihr letztes Wort?" „Ja, Herr! Sin Gulde, kein Krenzerle weniger! Ich bin der Metzger Hungerle, ich liefere das Fleisch, nicht die Militär!" „O, da irrt sich der Herr aber schwer! Wir besorgen das Fleisch selbst, so ein Metzger nicht zu unserem Preis liefern will!" „Das möcht' ich bi Gott sehe, Herr!" „Dazu kann Ihnen die Gelegenheit werden. Also noch mal: 85 Kreuzer das Kilo Ochsenfleisch, wollen Sie die Lieferung unter dieser Bedingung übernehmen?" „Noi!" „Das genügt! Wir sind fertig miteinander!" „So? Gut! Jetzt soll die Militär mich kenne lerne! B'hüt Gott, Herr! Nicht ein Pfund wird abgegebe!" Zornglühend entfernte sich Hungerle, der nun nach dem Hotelier fahndete und Ambros in der Küche erwischte. Tschurtschbcrger konnte das negative Handelsresultat dem Fleischer vom Gesicht ablesen und sagte daher: „Na, Hungerle, mit dem Geschäft ist eS wohl nichts?!" Zunächst machte Hungerle seinem Aerger Luft und pol- terte ingrimmig los über „militärische Metzger", die dem steuerzahlenden Zivilisten das Geschäft verderben und die Preise drücken. Ambros lieb den erbosten Mann zetern, ward aber sofort stutzig, als Hungerle iu seiner alemannischen Weise Repressalien androhte. „Wie denn das? Was meint denn der Meister?" fragte Tschnrtschbcrger. „Sehr einfach! Wenn der Alpenrosenwirt auch nur einen einzigen Offizier ins Quartier nimmt, kriegt die „Alpenrose" keinen Happe Fleisch mehr von mir! Ver stände!" „Herr des Himmels! Mensch, sei doch vernünftig! Ich kann doch als Wirt den Offizieren nicht das Haus ver bieten!" „Nicht ein Männle von der Militär darf da wohne, oder bi Gott, ich liefere nichts mehr ins Häusle!" „Hungerle, er ist wahrhaftig übergcschnappt! Denkt doch: Hoheit der Prinz, die Generalität, der Stab, all' das ist bet mir angesagt! Die hohen Herren können ja gar nirgends anders als nur bei mir wohnen!" „In der „Alpenrose" dürfe sie nicht wohne, ich »er laub' es nicht! Schick' sie fort, die Preisdrücker, oder eS gibt in diesem Lebe kein Stückle Fleisch mehr! Kannst dir das Fleisch komme lasse von wo er mag, der Herr Tschurtschbcrger mit seiner militärischen Gcfreundschaft!" Alles Mahnen und Warnen blieb vergeblich; selbst der Hinweis auf das höchst wahrscheinliche Eingreifen der politischen Behörde in diesem unerhörten Streikfalle nützte nichts, Hungerle beharrte auf seinem Verlangen, und völlig versteift kündigte er die Einstellung der Fletsch lieferung bereits für morgen an. Siegesbewußt trollte Hungerle heim, er ist überzeugt, daß Tschurtschbcrger angsterfüllt nachgeben, die Generalität abweisen wird. Angst hatte Ambros im ersten Augenblicke tatsächlich; es ist für einen Hotelier zur Hochsaison keine Kleinigkeit, plötzlich ohne Fleischversorgung zu sein. Doch eine so fortige Aussprache mit dem Offizier brachte Beruhigung. Der praktische Verpflegshauptmann riet Ambros, tele graphisch die Approvtsiouierung von der Kreisstadt aus einzuleiten und das nötige Fleisch expreß kommen zn lassen. Für das Militär sorge schon die Berpflegskom- mifsion. Schließlich bat der Hauptmann noch um Be förderung einer Depesche an die Bezirkshauptmannschaft, worin die Streikandrohung deS Fleischcrmeisters der Be hörde mit dem Ersuchen nm baldgcfälliges Einschreiten amtlich zur Kenntnis gebracht wird. Sodann speiste der Offizier mit spartanischer Einfach heit, zahlte und fuhr in die Garnisonstadt zurück. Ambros schickte einen seiner Hausknechte, der gelernter Metzger ist, zu Wagen in ein Seitental und ließ Ochsen anfkaufcn, die noch in der Nacht hcrauSgcbracht werden müssen. Derlei mochte Hnngcrle geahnt haben, denn er be- suchte den Gemeindevorsteher und forderte erhöhte Acciö- einhebung für Fletsch von Tschurtschbcrger wie vom Mili tär. Für die „Alpenrose" sicherte der Vorsteher Accisein- hebuug, jedoch zum ortsüblichen Preise, zu, bezüglich des Militärs aber weigerte sich der Dorfgewaltige entschieden und erklärte, die Finger davon zu lassen. Einigermaßen zufrieden damit, daß Tschurtschberger Aecis zahlen muß und seine Vieheinfuhr kontrolliert werden wird, zog sich Hungerle ins rote Haus zurück, sehr gespannt auf die Ent. Wickelung der Verhältnisse. An die Möglichkeit einer Selbstverpflegung des Militärs glaubt er nicht, hält dies für unmöglich. Was Schorsch darüber erzählte, könne nicht wahr sein. Wo will denn das Militär nur soviel Vieh auftreiben, außerdem zu so billigem Preise, und wie will das Milttärärar die Metzgerarbett besorgen?! SiebentesKapitel. Das liebenswürdige Angebot zu gemeinsamen Spazier- gängen hatte der junge, nervöse Advokat mit Freuden an genommen, es entwickelte sich ein freundschaftlicher Ver kehr mit dem Beztrksarzt und seiner Schwester, bis zu einem wirklichen Familienanschluß, der unschwer eine Ver lobung erraten ließ. vr. Kluibenschäbel war besonders von dem einfachen Wesen Lauras entzückt, ihre Natürlich keit, scharfer Verstand, ihre Bescheidenheit bezauberte den Anwalt und ließ ihn all das Mißliche des Landaufenthalts und der Bauernpraxis leicht ertragen. So viel als schick lich verbrachte vr. Kluibenschäbel die Abende bet Gugge- movs oder in Gesellschaft des Bezirksarztes in der „Alpen rose", doch daun in weiser Mäßigung und nur für kurze Zeit, denn wahrhaft väterlich warnte der Arzt vor dem Alkoholgenuß eines Neurasthenikers. Gelegentlich sagte Gnggemoos dann auch, daß nur eine gründlich geänderte Lebensweise Ausblick auf die bessere Zukunft gewähren könne. Diese Acnßerung erweckte im Rechtsanwalt rosige Hoff, nungen, nicht in gesundheitlicher Richtung, sondern wegen Lauras, die Kluibenschäbel zur Gattin bekommen möchte. Zarte Aufmerksamkeiten nahm Laura mit herzlichem Dank entgegen, erwiderte sic auch mit kleinen 'Geschenken, Hand- arbeiten und dergleichen, doch bat das Fräulein stets, ihrUwegen unnötige Ausgaben zu unterlaßen. Für seine Erzählungen aus der Praxis, geschäftliche Hoffnungen und Wünsche hatte Laura stets offenes Ohr, auch in Fällen, die für eine Dame kein Intcrefse bieten konnten. Sie war Vertraucnspcrson, Beraterin, nie aufdringlich, nie tadelnd, selbst im Mahnen zart und rücksichtsvoll, so daß der junge Anwalt meinte, ohne diese liebenswürdige Kür-
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