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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.04.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-06
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030406018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903040601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903040601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-06
- Monat1903-04
- Jahr1903
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BeMg-.Pret- dl d« H«»pt«xp»ditüm oder deren UosanL»- ßell« -bgebolt: vierteli-hrltch ^l 8.—, bei W»tz»«NM N^ch« S«fi»ll»,« tztt H«tt I« L7» D»ttf tzü tz-fi b«-««, ftr »«M l«d » vefienetch vierteljährlich ^l <.86, fit, N» ödoige« Länder üutt ZettongDpreiSüfie» NeDUktiO» «tz Er-eDMr»; Uoh«n»i»§«ss« 8. U«achn«cher I» und N» tzllfrotzH«-«, B»chh««R,, L-ivttfittttpr.», >. Wschch Kvchsdmchr. Ich » KRttgSpl. 7. Vrerde« MorioDroDi tzch F»«P«ch»r Amt I Nr. 171». HU»Pt-^U«le Serli«: GM DimOtt, Herzgl. veyr. Hofbuchhaudlg^ Lötzowsknß« IS. ff»r«spr»ch« »ott VI Nr. 4SSL Morgen-Ausgabe. WMgcrIaAMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Nr. 174 Montag dm 6. April 1903. Anzeigen Pret- die 6 gespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem Rrdaktiou-strich (Lgespalleu) 78 vor den Familtevaach» richten (6 gespalten) 80 L,. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuanuahme 98 (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderun« ^l SO.—, mit Postbeförderung 70.—^ 2lnnahmeschl«ß siir Änzrige«: Abeud-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Mo rg «»-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Di» Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr- Druck «ad Verlag von E. Potz iu Leipzig. S7. Jahrgang. Amtlicher Teil. Bekanntmachung, Ai« Musterung fiter stte Droschken I. u. II. »taffe betreffend. Di» Musterung über diejenigen Wage», welche während de« Gommer« am Droschke» I. Kl. in Sebranch genommen werden full«, findet Dieustaa, st« 7. April ISS» auf dem Wog« a, der Tribüne der Reuubahu statt. I» bade» a» de» gedachte« Laa« ihr« Geschirr« vorzusahrrn die Droschkeabefitzer mtt de« AnsangSbuchstabeu L—§ »«rmittag» 8 Uhr, L-2 . '/.» « Di« Musterung über di« Droschken II. Kl. mit grade» Num mer» findet «itMach, ste» »7. «a» 1SSS auf de« W«g« au der Tribüne der Rennbahn statt. E» habe« au «nanntem Tag« ihre Geschirre vorzusahrrn di« Droschken besitz er mit den Anfangsbuchstaben fi—uormitta,» 8 Uhr, L-r « '/,» » Di« Anfahrtszeiten find pünktlich ««»»halte». Di» Droschken- besttzer hab» bei Vorführung ihrer Geschirre zugegen zu sein. Droschke» n»d Gespann», sowie di» Dienstkleidungen der Droschken- führ« müssen de» t» tztz S—lS der Drofchkrnordnnna vom 24. Ja- uuar 1903 gegebene» Bestimmungen allenthalben entsprechen. Zuwiderhandlungen gegen vorstehend« Anordnungen, namentlich auch unpünktliche» Vorfahre« werde« nach tz 76 d«r Droschken- ordnnng bestraft werde« und habe» di« Besitz« überdies die Außer betriebsetzung der nicht vorschriftsmäßig vorfahrenden Geschirre zu Aervärtige». Leipzig, am b. Mär» 1903. Las Paltiriamt her Stadt Leipzi». Xl SS. Br«tscha«ider. lieber da» Vermögen de» Kaufmann» Carl Rudolf Vogel- beste, Inhabers de» Handschuh- und Krawattengeschäfts in Leipzig, PeterSsteinvea 23, Wohnung: Moltkestr. 35, wird heute, am 16. März 1903, nachmittags ?L6 Uhr, da» Konkurs verfahren eröffnet. Herr Kaufmann JohS. Müller in Leipzig, König-IohannM. 22, wird zum Konkursverwalter ernannt. KoimlrSforderungen sind bi» zum 22. April 1903 bei dem Gerichte anzmnelden. E» wird zur Beschlußfassung über die Beibehaltung des er nannten oder die Dahl eine» anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretcnden Falles über die in § 132 der Konkursordnung bezeichneten Gegenstände — auf den 8. April 1903, vormittag» 10 Uhr — und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 7. Mai 1903, v«rmittag» 11 Uhr — vor dem unterzeichneten Gerichte, Nebenstelle, Johannis gasse 5, Termin anberaumt. Allen Personen, die eine zur Konkursmasse gehörige Dache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird ausgegeben, nichts an den Gemeinfchuldncr zu ver abfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferleat, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für die sie au» der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bi» zum 16. Apru 1903 Anzeige zu machen. Königliche» Amtsgericht z« Leipzig, Abt. Il Johannisgasse 5, den 16. Marz 1903. Konkursmasse-Versteigerung. An, Dienst«», den 7. und Mittwoch, den 8. ». «t»., je v«r»M«g» »«« Ist—st Ldr, ioll Nnrndergerftratze L8, part. im Auftrag« d«S Konkursverwalter» Herrn Paul Gottichalck das zur KoukurSmass« d«S tzaidschohfabrikantea Schmidt gehörig« Maaren- lag«, sowst da» J»v«utar öffentlich geg«» sofortig» Baarzahlung ver. steigert werde», und zwar: An» Dienst«»: H«»dsch»dei» Gl«pe. v«»«»«Ie u. Wildleder, di». L«»«seüe, NLtzs«de» für Handschuhmachcr, Schlipse, leinene Halsdntge« und Mnnschetten. Am Mittwoch: 1 Kroschpreffe mir 8 Kaliber«, 1 Handschuh» »ähmaschiae, 1 L«denr«frl, Ne»«le, 1 Lrnmea», »tv. ' HandtoerkSzen»e. Leipzig, de« 8. AprU 1903. I-GG«oür«, Localrtchter- Fouillotsn. Johann Thomsens Frühlingstraum. Sine stille Geschichte von Reinholdvrtman«. NaLdrurt v-rdoten. Seit beiläufig dreizehn Jahren lebten der Justizrat Bolkmann und sein Bureauvorsteher Johann Thomsen auf dem Kriegsfüße. Und wenn man den Justizrat poltern hörte, mußte man sich schier wundern, daß er » noch immer mit feinem Bureauvorsteher aushielt — und der Bureauvorsteher mit ihm. Denn e» verging kaum ein Tag, wo der vielbeschäftigte Anwalt ihn nicht angeschnaubt hätte: „Mensch, Sie richten mich noch zu Grunde mit Ihrem weichen Herzen — «Sie verderben mir meine Praxi» — meine Klienten lassen sich da» nicht gefallen. Die» ist wahrhaftig da» letzieMal.daß ich Ihnen zu Willen bin." Und dann setzte er regelmäßig mit einem wütenden Schnörkel feinen Namen unter den Fristschein, den Jo- Hann Thomsen mit seiner feinen, säuberlichen Handschrift irgend einem armen, vom Gerichtsvollzieher hart be drängten Schuldner audgestellt hatte. In des Bureauvor- fteher» magerem, bartlosen Gesicht aber zuckte keine Mus kel. Und wenn am nächsten Tage wieder ein armer Be drängter -« ihm kam, weil ihn der Justizrat mit einem barfchen: „Lassen Sie mich mit solchen Geschichten in Ruhe — da» müssen Sie mit meinem Bureauvorsteher abmachen", au» feinem Sprechzimmer gewiesen hatte, so wich er nicht um eine» Haare» «reite von seiner gewohnten Praxi» ab. Diese Praxi» aber bestand darin, daß er dem Bitten den eine kleine Weile fest in» Gesicht sah, mit jenem klaren «Ad «chl-ei» Blick, wie ihn zumeist nur einfältige oder Wege« voruahw« vo« RrinigungSarbeiten bleibt da» StaatS- Gich«»t Leipzig Mont«», den st. und Dienst«,, den 7. April für de» Verklär geschlosst». Leipzig, am 4. April l903. Königliche» Eichamt. Kaurusf. Letzte Nachrichten. * verli«, 8. April. Die „Tägl. Rundsch." schreibt: Wie un» aus guter Quelle mitgetenilt wird, sind die Be mühungen der preußischen Regierung, die Zurücknahme der bekannten Kanzelerlasses des Bischofs Korum in Trier gegen die staatliche Töchterschule zu erwirken, in Rom anfangs mit lebhaftem Widerstreben aus genommen worden. Es hat der Vermittelung verschie dener der Kurie nahestehender Persönlichkeiten bedurft, um schließlich -aS gewünschte Ergebnis zu erzielen. Und zwar ist al» letzte» Ueberredungsmittel dabei die Vor haltung benutzt worden, daß im Fall der Versagung des römischen Stuhle» der deutsche Kaiser außer stände sein würde, bei seinem demnächstigen Besuch in Rom die übliche Visite im Vatikan ab zustatten. Dieser Umstand war für die Kurte durch schlagend. Sie begnügte sich daraufhin mit der Zusiche rung, daß von preußischer Seite gewisse katholische Wünsche in der Besetzung der Lehrkräfte an der Töchter schule beachtet werden würden, und wies den Bischof au, seine Achterklärung zurückzunehmen. Berlin, 8. April. Wenn auch die Leitung der Sachverständige»-Beratungen über die Reform des Strafprozesses nicht sowohl in den Händen der Reichsjusttzverwaltung, als vielmehr in denen des Mitgliedes des Reichsgerichts, de» Reichs- gerichtSrate» Kausfmann, liegt, so hat doch die erstere insofern ein nicht unbedeutendes Interesse daran, in welchem Zeitmaß die Besprechungen fortschreiten, al» sie von dem Wunsche beseelt ist, im nächsten Jahre an der Hand der Ergebnisse der Lachverständigen-Bcratungen an neue Vorschläge zur Reform der fraglichen Materie heraiizutreten. * Berlin, 5. April. Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Heute sand im GeschäftSgebäudc des Abgeordnetenhauses unter Vorsitz des Herrn Ministers für Handel «nid Ge werbe eine Konferenz über die zur Bekämpfung der Wurmkrankheit im ObcrbergamtSbezirke Dortmund zu treffenden Maßnahmen statt. Die Ver handlungen, an denen außer Kommissionen des Handels und de» Kultusminister» eine größere Anzahl von Medizinal- und Bergbeamten, Aerzten, Bergwerks besitzern, Bergleuten usw. teilnahmen, waren sehr ein gehend; sie werden voraussichtlich zu einer Reihe behörd licher und sonstiger Maßregeln Anlaß geben, die als ge eignet zur wirksamen Bekämpfung der Krankheit er scheinen. * Berlin, ö. April. Eine O st m a r k e n f a h r t plant der Syffhäuserverband der Vereine deut scher Studenten, um seinen Mitgliedern die Be deutung deS dortigen SiedlungSwcrkeS vor Augen zu führen. * Pose», 8. April. Der Ausschuß des Zentral vereins vereinigter Konservativen de- gute Menschen haben, und daß er au» des Schuldners Gesicht zu lesen suchte, ob er einen Würdigen oder einen Unwürdigen vor sich habe; und wenn es ihn auch im ersten Moment manchmal bedünken wollte, daß eS ein Un würdiger sei — er brauchte nur lange genug hinzusehen, um zu einer besseren Meinung zu gelangen. Denn Jo. Hann ThomsenS unscheinbare graue Augen hatten die wunderbare Fähigkeit, das Gute und Mitlcidsmürdigc zu sehen, wo sonst niemand es sehen konnte, selbst in dem ge dunsenen Antlitz eines Trunkenbolds oder in der finsteren, verhärteten Physiognomie eines Verbrechers. „Ich werde Unannehmlichkeiten davon haben", pflegte er zu sagen, wenn die Musterung beendet war, „aber ich werde e» in Gotte» Namen versuchen." Und bann hörten die angstvoll Harrenden draußen im Schreibcrzimmer, wie ihn drinnen der Justizrat an- schnaubte und ihm drohte, daß es ganz gewiß das aller- letzte Mal sein sollte, daß er ihm zu Willen sei. Und sie zitterten vor Furcht, 'bis der Bureauvorsteher mit seinem gewöhnlichen stillen Gesicht herauskam und ihnen den unterschriebenen Fristschein überreichte, mit dem manchen von ihnen geholfen war und manchem auch nicht, je nach dem e» nun Würdige oder Unwürdige waren. So ging e» seit beiläufig dreizehn Jahren, in welcher langen Zeit der Justizrat sehr dick und Johann Thomsen sehr dürr und hager geworden war. Hier und da brummte wohl mal ein Klient wegen der übergroßen Langmut und Nachsicht deS Anwalts gegen die Schuldner, aber et war doch bisher sehr selten vorgekommen, daß einer mit solcher Entschiedenheit auftrat, wie der vier schrötige Kohlenhändler Lorenz, der nebenbei ein großer Grundstücksspekulant war und deshalb viele fette Pro- -esse »u vergeben hatte. Je öfter er sich bet diesen großen Prozessen in Geduld fassen mußte, desto ungeduldiger war er bei den kleinen, die er gegen die säumigen Zahler au» seiner Sleinkundschaft führte. Und heute, nach einer wichtige» Konferenz mit dem Justizrat, trat er au da ¬ schloß, im Interesse deS Deutschtums sei es durchaus geboten, daß sämtliche deutsche Parteien der Provinz, ihren gegenwärtigen Besitzstand wahrend, ver ein t v o r g e h e n. In Kreisen, die Aussicht bieten, den Deutschen zuzufallen, soll daher der aussichtsvollstc deutsche Kandidat unterstützt werden. Der Wahlkreis Kolmar-Czarnikau-Filchne lAbg. Ernst) soll von diesen Abmachungen aber ausgeschlossen bleiben. * Hamburg, 5. April. Heute mittag wurde an Bord des „Blücher" von der Hamburg Amerika-Linie eine zahlreich be suchte außerordentliche Versammlung der Mitglie der des Deutschen Schulschiffvereins abge halten, an der Vertreter der Hansastädte und verschiedener Re gierungen teilnahmen. Die Sitzung wurde durch den Groß herzog von Oldenburg, der in Begleitung des Generaldirektors Ballin erschienen war, eröffnet. Professor Or. Schilling- Bremen erstattete den Bericht über die Tätigkeit des Schul schiffes „Großherzogin Elisabeth" für das Jahr 1902/1903 und fügte seinen Ausführungen hinzu, daß, wenn das Schul schiff auch noch nicht eingetroffen sei, doch kein Grund zur Be sorgnis vorliege, da es noch nicht überfällig sei. Er machte darauf interessante Mitteilungen aus den Berichten der Kapitäne. Kommerzienrat Guilleaume-Köln legte die Lage der Finanzen dar, wonach dieselbe durchaus befriedigend ist. Ter Vorstand wurde durch Zuruf wiedergewählt. Nach der Sitzung wurde an Bord des „Blücher" ein Frühstück ein genommen, bei welchem der Großherzog von Oldenburg auf den Kaiser und Senator O'Swald auf den Schulschiffverein Trinksprüche ausbrachten. * Gleiwitz, 8. April. Der „Oberschlesische Wanderer" schreibt: In vergangener Nacht 12^ Uhr erfolgte im Hildebrandschachte der „G o t te s w e g e n - G r u b e" in Antonienhütte idem Grasen von Donnersmarck auf Karlshof gehörig) eine Explosion, wobei acht Bergleute lebensgefährlich verbrannt wurden. Die Ver unglückten wurden inS Lazarett geschasst. Man nimmt an, daß die Sprenamaterialicn unter Tage explodiert sind. — Bon den auf der „Königin Luise - Grube" ver unglückten Berglcnten ist ein Verletzter im Knappschafts, lazarett gestorben, so daß die Gesamtzahl der Toten nunmehr 20 beträgt. Die zwei Vermißten sind bisher noch nicht gesunden. * Köln, 5. April. Der Domkapitular Müller in Köln wurde nach Zustimmung der Kurie znm Weih- bischof von Köln, der Domvikar vr. Arnold Steffens zum Domkapitular ernannt. * Karlsruhe, 5. April, vr. Basse rmann hat die Kandidatur für den 10. badischen Rcichstagswahlkreis (Karlsruhe) angenommen. * Wie«, 5. April. Der ehemalige Oberleutnant Hartmann, der bereits im Jahre 1897 wegen Spio nage zu fünf Jahren schweren Kerkers verurteilt worden war, ist heute wegen Erpressung, begangen an der Heeres- Verwaltung, zu 3(/z Jahren schweren Kerkers verurteilt worden. Hartmann hatte von der Heeresverwaltung ge- fordert, eine von ihm verfaßte Denkschrift über den Aus- bau der österreichisch-ungarischen Wehrmacht anzukaufen oder ihm eine Abfindung zu zahlen, widrigenfalls er seine Schrift einer auswärtigen Macht zur Verfügung stellen, beziehungsweise derselben seine Dienste als Kundschafter anbieten werde. * Paris, 5. April. Deputiertenkammer. (Fort setzung.) Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung wird eine Interpellation, betreffend die Strafge- Pult des Bureauvorstehcrs, um mit seiner mißtönigcn, heiseren Stimme zu sagen: „Aber das bitte ich nür aus, Herr Thomsen, daß hier in Zukunft keine Fristen mehr erteilt und keine Versteige rungstermine mehr hinausgeschobcn werden. Es ist kein Kunststück, auf fremder Leute Kosten den Großmütigen zu spielen. Ich gehe auf der Stelle zu einem anderen Rechtsanwalt, wenn mir das noch einmal vorkommt. Haben Sie verstanden?" Johann Thomsen sah ihn an, und diesmal wollte eS seinen menschenfreundlichen Angen nicht gelingen, etwas Gutes in dem feisten, roten Gesicht da vor ihm zu ent decken. „Ich habe verstanden, Herr Lorenz", murmelte er. „ES soll nicht mehr geschehen." Drei Tage später um dieselbe Zeit stand ein einfach gekleidetes, blasses Mädchen von neunzehn oder zwanzig Jahren vor dem Pnlt des Bureauvorsteher». Ihre Mutter war von dem Kohlenhändler Lorenz wegen einer Schuld von fünfzig Mark verklagt, und die Pfändung mußte allstündlich erfolgen. Sic bat mit gefalteten Hän- den um eine Frist von vier Wochen, innerhalb deren sie die Schuld in achttägigen Raten von ihrem Wochenvcr- dienst abzahlen wollte. Es wäre längst geschehen, wenn sie nicht beide krank gewesen wären, die Mutter und sie. Nun aber sei sie wieder einigermaßen hcrgestellt und an ihrem redlichen Willen solle es gewiß nicht fehlen. Sie wäre zweimal bei Herrn Lorenz gewesen, um seine Nach sicht zu erbitten, aber er habe sich gar nicht sprechen lassen. Und der Justizrat habe ihr gesagt, sie solle das mit seinem Bureauvorsteher abmachen. Darum wende ste sich an ihn mit der inständigen Bitte, sie nicht in Verzweiflung fort zuschicken. Zum erstenmal wich Johann Thomsen heute von seiner gewohnten Praxis ab. Statt der Bittstellerin in bas liebliche junge Gesicht zu sehen, starrte er unverwandt auf den Zahlungsbefehl, mit dessen AußfüLuus er gerade be» richtein Algerien erörtert und eine Tagesordnung angenommen, in der das Hau» von dem Versprechen der Regierung Kenntnis nimmt, die Organisation der Straf gerichte unverzüglich so abzuändern, daß den Angeklagten alle Garantien einer guten Justiz gesichert sind; in der Tagesordnung heißt es weiter, das Haus rechne darauf, daß die Regierung alles tun werde, was zu einer gedeih lichen Entwickelung der afrikanischen Kolonie beitragen könne. * Rom, 8. April. Der englische Botschafter Bertie hat den stellvertretenden Minister des Aeußeren, Morin, von dem bevorstehenden Besuche des Königs Eduard benachrichtigt und mitgeteilt, der Besuch werde offiziellen Charakters sein. * Rom, 5. April. Der Senat hat gestern die Vor lage betreffend den höheren Unterricht angenom men und sich dann auf unbestimmte Zeit vertagt. * Mailand, 8. April. Gestern gegen Abend kam eS zu einem Zusammenstöße zwischen ungefähr 3000 Ar- beitern und Studenten und der Polizei, der in einen wahren Kampf ausartete, bei welchem viele Re volverschüsse abgegeben und mehrere Personen verwundet wurden. * Kopenhagen, 5. April. Dem deutschen Kaiser wurde gestern mittag die neue für die dänische In fanterie in Aussicht genommene Uniform gezeigt. Generalmajor Dalberg stellte einen Offizier, und zwar den jüngsten Sohn des kommandierenden Generals von Hedemann, und einen Mann vor. Die joppenartige Uni form besteht aus grauem, leicht ins Grünliche spielendem Zeug mit Klappkragc«. Die Chargenabzeichen werden ähnlich wie bet der Marine, aber in sehr schmalen Streifen, ans dem Aermel getragen. Hierzu werden braune» Leder zeug, ein graues Käppi, Schnürschuhe und Gamaschen ge tragen. Die Offiziere führen den Degen am Koppel, an welchem auch Kartentasche und der Revolver angebracht sind. — Bei der gestrigen Abendtafel führte der Kaiser die Königin von England und nahm seinen Platz rechts neben dem König ein. Der König führte die Kaiserin-Witwe von Rußland, welche links von ihm Play nahm. — Am Abend wohnten Kaiser Wilhelm, die Königin von England, die Kaiserin-Witwe von Rußland und die übrige königliche Familie mit Gefolge dem Konzert desKopcnhagenerStudenten-Gesangver- eins bei zum Besten eines Denkmals für den verstorbe nen dänischen Komponisten I. P. Hartmann. Das Konzert wurde im Konzcrtpalais abgehalten, dessen großer Saal von einem auserlesenen Publikum gefüllt war. Beim Eintritt der Höchsten Herrschaften wurde aus dem Pu blikum ein Hoch auf den König, seinen Gast und die Pro- tektricen deS Konzerts, nämlich die Königin von England und die Kaiserin-Witwe von Rußland auSgebracht, welches mit einem brausenden neunfachen Hoch beantwortet wurde. Das Progranrm enthielt Kompositionen von Hart mann und erregte großen Beifall auch bet den Höchsten Herrschaften. Auf der Hin- und Rückfahrt wurde der Kaiser vom Publikum sehr sympathisch begrüßt. Nach 10 Uhr begab sich der Kaiser zum König, um daselbst den Thee einzunchmen. Heute vormittag wohnten der Kaiser, der König und die Königliche Familie dem Gottesdienste in der Mar morkirche bei. — Am Nachmittage fuhr der Kaiser in schäftigt gewesen mar, und eS zuckte ihm in den Händen, als müsse er sich beide Zeigefinger in die Ohren stecken, um nichts mehr zu hören. Denn der Klang der weichen, von Tränen halb erstickten Mädchenstimme schnitt ihm ins Herz, und er brauchte keine physiognoinischen Studien an zustellen, um zu wissen, daß sie seines Mitleids würdig sei. Aber er sah im Geiste des Kohlenhändlers rotes Gesicht, darin er so gar nichts Gutes hatte entdecken können, und sein lautes: „Haben Sie verstanden?" klang ihm unab lässig im Ohre wieder. Als das junge Mädchen schwieg, weil es nichts mehr zu sagen wußte, um ihn zu rühren, räusperte er sich ein paarmal sehr stark, und nachdem er die Hand, die er halb unwillkürlich nach einem Fristschcin-Kormular auögestreckt hatte, wieder zurückgezogen, sagte er: „Beruhigen Ste sich, Fräulein Lindner — ich werde Unannehmlichkeiten davon haben, aber ich werde Ihnen die Frist erwirken. Gehen Sie nur unbesorgt nach Hause — der Gerichtsvollzieher wird nicht zu Ihnen kommen. Und arbeiten Sie nicht zu viel, auf eine Woche mehr oder weniger wird eS wohl nicht ankonnnen." Sie entfernte sich mit einem beglückten DankeSwort. Als sie draußen war, zog Johann Thomsen sein Porte monnaie ans der Tasche. Es war zum Glück erst der Dritte deS Monats, und er trug beinahe noch sein ganzes Gehalt mit sich herum. Er nahm ein Aktenstück aus dem Rcpositorium und nachdem er eine Weile gerechnet hatte, zählte er zweiundsechzig Mark achtzig Pfennige ab und legte sie in das Schubfach für die täglichen Eingänge. Sein Portemonnaie war sehr leicht geworben, als er es wieder einsteckte, aber Johann ThonssenS Herz war noch leichter. Er hatte kaum jemals ein vollkommeneres kalligraphisches Meisterstück zu stände gebracht, als es die Postanweisung an den Kohlenhändler Lorenz war, die diesem noch am nämlichen Tage sein Guthaben an die Witwe Lindner nebst Auslagen und Zinsen übermitteln sollte. (Schloß folgt.)
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