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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.02.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940214024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894021402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894021402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-14
- Monat1894-02
- Jahr1894
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StaatS- regierung bereit sei, bei ihren Erwägungen bezüglich der Abstimmung im BunkeSratbe über den deutsch-russischen Handelsvertrag die schwere Schädigung in Betracht zu ziehen, welche durch die Staffeltarife für Vietreide auf preußischen Bahnendersächsische»Landwirlbschast zugcfllgl w-rd, crtbcili bat beweist, daß gleich der bayerischen StaaiSrcgirrung auch die säch« fische mit allem Nachdruck für die Aushebung dieser Tarife bei der preußischen Regierung eingctrctcn ist. Sie beweist aber auch erfreulicher Weise, daß die preußische Regierung trotz mancher Bedenken, die besonders vom Finanzminister ttr. Miguel geltend gemacht worden sein dürsten, auf dir gemeinsamen Forderungen Sachsens und Bayerns einzugehen beabsichtig». Ob, wie aus Berlin gemeldet wirk, das preußische Mini sterium bereit« die Aufhebung der Staffeltarife beschlossen bat, ist allerdings noch fraglich. Denn die „Nat.-Lib. Eorr." erfÜhrt. daß der aus Donnerstag verschobene Kronrath — Ministerrath unter Vorsitz dcS Kaisers — sich u. A. auch mit der Frage der Aufhebung der Stassetiarise beschäftigen werde. Ta« würde nicht nötbiz sein, wenn da- preußische Ministerium bereit« völlig einig über die Frage geworden wäre, lieber- dies wird auS München gemeldet, daß die bayerischen Vertreter zur Schlußcousercnz wegen der Staffel tarife abgcreist seien; eö wird also wohl noch einer besonderen Verständigung zwischen Preußen und Bayern be dürfen, bevor man die Aushebung der für eine ganze Anzahl von Staaten und selbst für cinen großen Thril der preußischen Landwirthe anstößigen Staffeltarife für Getreide als vollendete Thatsache ansehen und damit einen schweren Stein de- Anstoße« nn Wege des Handelsvertrags mit Rußland als beseitigt betrachten kann. Immerhin eröffnen die Erklärungen de« Herrn StaalöministerS v. Mctzsch eine fast sichere Au-sicht auf eine Verständigung und werden daher nicht nur in Sachsen, sondern in weiten Kreisen des ganzen deutschen Vaterlandes mit Freuden begrüßt werden. Schrieben doch noch gestern die „Münch. N. Nachr.: „LS ist zu hoffen, daß der heute in Berlin siatlsindende Kronrath die seit lang« verstimmende und in den letzte» Lagen politisch in gehässiger We se zugespitzte Frage der ermäßigte» Staffeltarife in gedeihlicher Weise lösen wird. Die Aus hebung dieser im Herbst 1891 nur aus Anlaß der enorm hohen Getreldepreise, welche langst nicht mehr existirea, von Preußen geschaffenen Ausnah,netartfe, welche die l!on- currenz des ostdeutschen Getreides und MehIeS im deutschen Westen und Süden fördern, ist seit ihrem Bestehen von der Land, wirthschast und Müllerei nicht blos in Siiddeutschland. sondern auch im preußische» Westen ohne Unterlaß mit aller Lnergie gefordert worden; Minister v. Crailsheim hat in der bayerischen Abgeordnetenkammer am 29. Januar nach einem eingehenden Referat des Freiherrn v. Staussenberg constatirt, daß wiederholt die Regierungen Bayerns, Württembergs und Badens in Berlin ihre Aushebung urgirt baden; er hat später einmal ziemlich bitter au« Anlaß gewünschter internationaler Tarisadmachungen er. wähnt, wie solche wohl erreicht werden könnten, wenn nicht einmal von Preußen »in Zugeständnis betreffs der Stasseltarise zu erzielen sei? Die bayerische Kammer hat an genanntem Loge ein- stimmig einen die Abschaffung fordernden Antrag angenommen. Mit derwlbeu Linmüthigleit haben sich seit Langem und in letzter Zeit mit verdoppelter Wucht die Jnteressenten-Kreise in Süd »nd West gegen dir Staffeltarife ausgesprochen; »ine groß, süd- deutsch» Versammlung in Mannheim, welche betreff« de« JdentitätS-Nachweise« keinen Beschluß erzielen konnte, fordert» einhellig di« Abichaffung der Staffeltarife, ebenso »ine weitere Versammlung in Frankfurt ain Main. AuS Westfalen hat m A. der comprtente und einflußreich« Freiherr v. Schor» FeiriHet-n. Wida Silström. äüs Roman von H. Palms-Paysen. «leitdruL »erboten. (Fortsetzung.) „DaS Strafe heischt — von einer Tänzerin so abgekanzelt zu werden, da» ist ja unerhört. —" „Unerhört!" riesen mehrere. „Wir werden sie schon zur Raison bringen", meinte Feuer. „Sie auszischen", warf Bracht vernehmlich dazwischen. „Sic soll das Publicum respeclircn, Du, ich, wir Alle, sind ein Tbeil desselben, sic wird ausgczischt", stimmte Fener zu. „Nun, nun, nur nickt gleich so scharf in s Geschirr gehen", begütigte Werner. „Gewiß — gewiß, man muß ihr gleich die Zähne zeigen, beroach ist'S zu spät." „Aber da» wäre doch nicht im Sinne meine- Onkels gehandelt, wenn wir seine prima ballorma auSzischen. Er ist froh, für die Sondfiia so schnell Ersatz gefunden zu haben." „Laßen wir sie laufen", gab Lvwitz nack Nickt dock, nickt dock — erst muß sie Demuth lernen, für jeden Pfiff wrrs' ich >br später dann einen Kranz zu." „Wenn sie inzwischen nickt aus und davongegangen ist. Fener", streute Brockt ein, „warum Ausländerinnen herbei ziehen, ihnen Huldigungen Vorbringen und unsere Land« mänoinnen vernachlässigen? Schlimm genug schon, daß wn unsere Dramen aus Frankreich beziehen, unsere Künstler unk Künstlerinnen mögen wenigstens deutsch bleiben." „Pst, pst", sckniit Werner die aufreizenden Worte ab, „ick höre OrteSgo kommen " „Mit Bütbow, nicht wahr?" fragten Mebrere. „Büthow wird heute feierlich in unseren Krei« ausge nommen' „Warum der eigentlich?" „Er ist mir ein sehr gefälliger Freund —" „Ab, die Jagden, wir verstehen." „Na, na." „Es ist richtig, daß er etwa? geschwätzig ist und cS nicht sehr genau mit den Worten nimmt —" Mittwoch den 14. Februar 1894. W-WW-W->WS«»NW»»»MWSW»S»WS»!««WS»>«»W lemer.Alst seine Stimme gegen dieselben erhoben. Die braun- schweigischen und hannoverschen Mühlen haben dieser Lage »in Canel zur Herabsetzung d,S örtlichen GelreidepreiseS geschlossen, um di» dortigen Landwirthe den Schaden der Stasseltarise ebenso empfindlich suhlen zu laßen, wie die Mühleninduftrie. Auch der preußische Ltsendalinrath hat sich schon einmal für die Aus hebung »»«gesprochen, wobei dieselbe sogar von hervorragende» östlichen Landwinden besünvortet wurde. LS ist noch alledem geradezu frivol, wenn nun au« norddeutschen Kreisen der Rus ertönt, Bayern treibe OdstructionSvolittk, indem eS lein» Zustimmung zu dem ruffitktien Handelsvertrag von der Aushebung der Staffeltarife abhängig mache. CS ist bestimmt an»u»ehin«n. daß die bayerische Regierung formell »in« solche Erklärung nicht abgegeben hat und nicht abgeden wird. Daß sie aber bei dieser Gelegenheit mit verinebrter Energie aus die Erfüllung einer wohiberechtigtcn Landessorderung hinwirlt, ist ibr Siecht und ihre Pflicht, und daS um so mehr, alS zugleich mir dem russischen Handelsvertrag auch dir Aushebung de« Identitätsnachweise« durch Reichsgcsetz verlangt wird, was uian im deutschen Süden und Wellen al« eine weilere Bevorzugung des preußischen Osten« gegenüber eigener Benachtbeiligung einpstndet. Ist doch ror Kurzem selbst von Berliner maßgebenden Slellen bet der Ankündigung der Aushebung de« JdentiiätsnochweiseS sofort al« Eorrelai, al« Lvinpensation die Aushebung der Stasseltarise in Aiilsjcht gestellt worden! Und so ist wohl zu erwarten, daß heule noch der Telegraph eine dahin gehende Entschließung de« preußischen Staal«m!nisl»riuinS meldet. Immer mehr stellt c« sich heraus, daß die deutsche Au- dnstrte, dir in bei, Handelskammern »nd anderen Vertretungs- kvrpersckaftcn zum Wort gelangt, den russischen Handels vertrag als eine wertbvvlle Errungenschaft betrachtet und keßen Zustandekommen auf da« Lebhafteste wünscht. Einzelne GewerhSzweige haben allerdings wenig erreicht, und man kann darüber manche bittere Bemerkung hören, daß so geringe Zugeständnisse den proh,bitivcn Ebarakter auch de« russischen Bertrag«zollS kaum ahschwächen. Unter den Beschwerten, welche auch von industrieller Seile geltend ge macht werden, ist vielleicht Pie begründetste, daß für die zahl reichen, in dem Eonvcntionaltarif nicht enthaltenen Waaren Rußland keinerlei Bindung-Pflicht, auch nicht auf die Sätze vor AuSbruch des Zollkriege«, übernommen bat. Bei allen diesen Waarcngaltungen, auch bei den auS dem sranzösifck- russischcn Tarif erwachsenden Äorlheilen, sind wir also vor ferneren Zollerhebungen nickt gesichert. Selbst die geringe Vergünstigung für Koblcn ist nur ans vier Jahre zngestanden. Dadurch wird die Stetigkeit und Sicherheit der Handelsbeziehungen, die mit Rechl als eine der werthvollslen Gaben de» VerlragS bezeichnet wird, vielen gewerbliche» Erzeugnissen gegenüber allerdings beeinträchigt. Ob in dieser Beziehung nicht ncch etwa« zu erreichen wäre, muß dahingestellt bleiben. Ini Ganzen aber ist die Zu stimmung der berufensten Berlreter von Industrie und Handel eine cinmüthige und enlschictenc. Daran lassen die zahlreiche» bereits erfolgten Meinungsäußerungen a»s diesen »kreisen keinen Zweifel, und die wichligslen Kmidgebungen großer Körperschaften stehen noch bevor. Es ist auch in dieser Beziehung zwischen den verschiedene» deutschen Landschaslen kaum ein Unterschied der Stimmung zu bemerke». Allseitig verspricht man sich einen ansehnlichen Aufschwung der zurückgegangcnen deutschen Ausfuhr. Der freisinnige Antrag zum Etat des Auswärtigen Amtes über die sofortige Aushrduii, »er Kampszüfle zwischen Rußland und Deutschland dürste sich nicht al« ein glücklicher Griff erweisen Er muß alS rin Bersuch betrachtet werden, eine gewisse Voradstimmung über den Handelsvertrag hcrbei- zusühren, und wir haben Grund zu der Annahme, daß dabei das Gegentheil des erzielten Zweckes erreicht würde. Manche Abgeordnete, deren schließlickc Abstimmung über den Vertrag noch zweifelhaft ist, werden die Zu- muihung» jetzt schon gewissermaßen eine Probe mit sich ansttllcii zu lassen, voraussichtlich zurückweisen. Wird der freisinnige Antrag abgelchiit, so möchten wir freilich darin nock keineswegs ein Anzeichen für daS Scheuern des Vertrages erkennen, aber sehr günstig wäre dieses Vorspiel doch gewiß auck nickt. Blinder Eifer schadet nur. Es kommt hinzu, daß der Antrag, auck wenn er tnrchdränge, praktisch ganz werthlos wäre. Kommt der Vertrag zu Stande, so fallen die Kampszöllc doch in allernächster Zeit weg, tomni» er nicht zu Staude, so würden sie, wenn auch auf acht Tage aufgehoben, dock alsbald wieder in Kraft treten. Die letzten Nachrichten auS Belgien ließen es unS zweifcl- bast erscheinen, ob eS in der Bersaminlung der Brüsseler UuivcrsitälSprofessore» tbatsächlick; zu einer definitiven Beilegung de« EonflicleS gekommen sei. Jetzt liegen u»S ausführlichere Meldungen vor. welche die Berechtigung unserer Zweifel zeige» Die Lehrerschaft ist nach wie vor gclheilt, aber eS ist insofern ein rrfreulicker Fortschritt z» verzeichnen, als der größere Tkeil derselben sich zu einer Beriiribcilung der radikalen und sludenlischc» Machciischaslcn vereinigt »ud im großen Ganzen sich auf Seite des VerwaltungSralbs gestellt hat; freilich unter der Bcvinguiig, daß der Anarchist Reclu« seiuc Vorlesungen wieder ausnehmen dars. In dem Eardinal- vuncl also, um den sich der ganze Streit dreht, soll der Verwaltuilgörath nachgebcn, und er wird e« wohl auck>, wenn er »ichl verzieht, abzudauken. Ter Antrag aus Gcncral- aniiiesiie wurde mit 12 gegen 12 Stimmen abgelchiit und Folgendes beschlossen: Ta die Eröffnung der Universität driiig- lichst geboten ist, auch die Lage die Nachsicht gegen die belheiligien Studenten zuläßt, andererseits diese Studenten die Nach sicht durch ikr corrccteS Verhalten zu rechtfertigen bahr», so wünscht dir Lehrerschaft: II schleimigste Wiederaufnahme der Vorlesiingc» und Wiederzulassung der rclcgirtcn Studenten, sobald sie sich aus dem Secretariate melden, doch sollen ihnen dabei die slaliltcnmäßigeii st» de »tischen Pflichten im Interesse derDiScipli» zur Nachattnng vor- gekalten werden; 2) Ausstoßung deS Professors De Grees, welcher an Aufreizungen tkeilgenommen, sich geweigert dal, vor bemVerwalrungSralbczuerschcinen.und seine an der Universität gehaltenen Vorlesungen, obwohl sic amllich suspendirt worden, außerhalb derselben forlsctzl; .1) Eröffnung derRcclus'schen Vor lesungen zu einer dem VerwaliungSratke passend erscheinende» Zeit; 4) Reform der Universitätsverwaltung, aber erst, wenn Ruhe und Ordnung wieder hcrgeslcUl sein werden. Dieselbe Mcbrbcil wäblle de» Professor Rvmclacre zuni neuen Rcclrr und Professor WillcmS zum Vertreter der philo sophischen Farullät im Verwaltiingsrathc Heute lässt tcr BerwaltungSralk die Universität wieder eröffnen. Die radikale Presse weiß sich vor Zorn über diese Haltung der Professoren gar nicht zu fassen und fordert die Studenten zum Wider stande auf. Bezeichnend ist, daß drei Studenten ihren Ge nossen eine Adresse zur Unterzeichnung verlegten, welche den BerwaltungSralk >»» Wiederaufnahme tcr Rcleginen bal, aber nur vier Unterschriften gewinnen konnte. So ist es denn kein Wunder, daß da« Organ der Radikale», „Die Reforme", nuiimcbr die Eröffnung einer vollständigen Eoncurrenz-Universilät mit allen erforderliche» Vor lesungen „im Interesse der freien Wissenschaft" ankliiidigt. DerEonflicl tritt also mit vollsler^chärse wieder hervor. Das »ik»c,'tt Pariser Tynaniitattcntat ist zweifellos ein Act der Rache für die Hinrichtung VaillantS, der mit den Worten starb: „Gleich Ravackwl werke auch ich gerächt werten." Und wie rasch dal sich ein Rücker gesunden! Kaum eine Wecke nach der Hinrichtung des „heiligen Mär« „Nicht- weniger al« daS —" „Aber hier handelt eS sich um ein Gebcimniß, dessen Ver rätst ihn ja selbst schädigt, lernt er erst unsere gemüthlichen Abende und Nächte hier kennen, so wird er, wie wir, ver schwiegen sein wie das Grab. Ab, Büthow, da sind Sie — Ortesgo willkommen! —" Elastisch von seinem Divan aufspringend, streckte Werner den Angekommciien liebenswürdig die Hand entgegen, dir OrteSgv, ein großer breitschulteriger Landjunker, kräftig zum Gegengruß schüttelte, wäbrcnd der Andere vor dem, von Eolvffer bei Seite geschobene» Teppich in der Tbüröffnung sieben bleibend, mit einer Miene hockkomischcr Verblüffung beim Anblick aller der buntgekleidete» Männergcstallen, unter teilen er die bekannten und befreundeten Gefickter keineswegs sogleich berauSziierkennen vermochte, wie ein Träumender daS bunte Bild vor sich anstarrte. Diese großartige Ueberraschung, dieses grenzenlose Erstaunen, in tuntlrr Nacht, inmitten des WaldcS aus labyrinthischem Wege, in daS Innere eine- Felsen- gelangt zu sein, wo plötzlich vor dem verwirrten Auge eine märchenhafte Pracht sich darbst, rin glanzvolles, unter irdisches Reich, eine- der Märchen aus „Tausend und eine Nacht", diese Empfindungen batte ein Jeder der stier ringe illkrten Herren an sich selbst erfahren und durckgekostet, ohne sich deshalb darüber verwundern zu können, dieselben jetzt aus den. Gesichte des Neulings witergespicgelt zu sebrn Bütbow'S Verblüffung wirkte ergötzlich und steigerte noch um einige Grade die Heiterkeit Aller, alS er sich widerstandslos den 'chntllen Händen Eoloffer'S ergab, der den häßlichen schwarzen Gehrock mit dem faltenreichen Talar eines türkischen Paschas vertauschte und dem schier rathlos Dreinschaucnden einen Fez über den Kops zog. Plötzlich ermannte sich der Ueberraschtr. „Bin ich verrückt, oder sind Sie e», meine Herrschaften?" donnerte er loS und stimmte dann unmäßig lackend in da« brausende Gelackter Aller ein. Werner trat auf ist» zu, zog einen Arm in den seinen und sagte: „Ter Spaß ist unS ge lingen. Büthow, Sie sind vollständig verblüfft, verwirrt und iberrumpelt worden Setzen Sie sich zu mir, rauche» Cie men Tschibuk" — Eolvffer überreichte denselben — „und hören Sie." Herr v. Bütbow folgte willig, nahm Platz und sagte: „In der Thal bin ich gespannt. Hundert Mal bin ich durch diesen Wald geritten, wahrscheinlich ebenso oft vorbei an diesem Strinbruch, ohne zu ahne», welch' einen Zauber er birgt. Wie sind Sie aus diese originelle Idee gekommen? — cS ist einfach kolossal." „Hören Sic: ick ritt eines Tage« durch den Wald, ver fehlte den Weg, band mein Pferd an einen Baumast, nm zu Fuß da« Terrain ein wenig zu recognoScircn, wurde von einem plötzlich auszichenden, plötzlich ausbrechentc» Gewitter überrascht, suchte Schutz am Felsen, drang durch Tick und Dünn dahin und sah mich plötzlich vor eine»! lhsrarligc», wildvcrwachscnc» Eingang, durch den ich, »cugicrig weiter eindringcnd, in da« Innere diese« Sleinbruchs gelangte. W>e in einer Tropfsteinhöhle sah es drinnen a»S, dunkel, feucht, gebeimnißvoll. Wenn ein Blitz berniedersul», wart jedesmal ein maiineshoher Spalt sichtbar, der sich gangartig tief in den Fels hinein zu bobren schien," „TiesrS Wunder mußte ich natürlich erst zu erfassen suchen", fuhr Werner fort, „ehe ick den ZusluchtSort verließ; draußen ergoß sich der Rege» in Strömen, der Donner rollte unheimlich, und c« balle mich nicht gewundert, alle d>e Schrecknisse einer WolsSschluckil zu erlebe», antikiluvianische» Ungeheuern zu begegne», glühende Feuerrrgen auf mich herab strömen zu srbcn — die feurigen Flamme» des Himmels, die unaufhörlich in der Höbe züiigellen, glichen tbalsächlich solche», so erfüllt von Schauer und Graue» war meine Umgehung. Erst stand ich unschlüssig vor den, finsteren Felsspalt, lastele mich dann eine Strecke hinein, und alS der Blitz nicht mekr- hincinzuleuchten vermochte, zog ich mein Scbweselbolzkästchen hervor und steckte ein Hölzchen nach dem anderen an. drang immer tiefer hinein in die Schlucht, machte alle Biegungen mit, die Sir, meine Herren kennen gelernt haben, und befand mich bald in diesem Raum. Welch' ein Anblick! Allerlei Spuren verrietben, daß bier ein Mensch gekauft babe» mußte. Ich entdeckte zerbrochene und steile Flaschen, alte Schüssel», ein feuchte«, verfaulte» Ctrobliger, rin altes Messer und, bei genauerer Besichtigung, zuletzt noch eine halbverstopste, langsam wieder herrorssckcrnde Quelle, vkrsumpst und ver schlammt die Erde darum herum. Von oben her durch Nisse hier und dort siel spärliche« Licht herein, deck just auf ein an der Felswand befestigtes, roh gezimmerte- Erucifix, daran hing rin Rosenkranz und mein Fuß «rat beim Fortgehen au- kieser unheimlichen FrlSböblc, dem Zufluchtsorte eines wahr scheinlich wellmütcn Einsiedler-, aus einen hänfenen Strick, der wer weiß wie oft zum Kasteien seines armen Leibe- ge dient haben mochte." „Und wie kamen Sie aus die Idee, aus diesem sumpfigen Loche die- Eldorado zu schaffen?" fragte Büthow. 88. Jahrgang. tvrers" schleuderte Le Breton, lyic cr sich vorläufig nennt, die Bombe unter die Gäste dcS Easü Terminus. Pari- ist entsetzt darüber, mit ihm Frankreich und die ganze civilistrte Welt, aber weniger über die Rachethal an sich — kenn aus die mußte man sich gefaßt machen —, als über die Art, in der sie vollsührt wurde. Hing den Schandthatcn Vaillant S und seiner Vorgänger in den Augen deS republikanischen Frankreich immer nock der leise Schein eines politischen, gegen eine befummle Anzahl cmzclner Personen sich wendenden Verbrechens an, so bal man eS bier, gleichwie im Teatro Liceo, mit einer Tbat zu tkun, die deutlich das Gepräge sin» losen WütbenS trägt. Was ballen die Gäste im Eaf6 Ter minus mit Baillant zu tbun? Eie waren keine Richter, keine Geschworenen, keine Gesetzgeber, sic karten keine persönliche Sckuld a» VaiUont's Tod. Was also war ihre Sünde in de» Augen de» freiwillige» Rächer«'? Keine andere, al« die, daß sie gute Kleider trugen uud vergnügt in rincin Hotel säße». Sie waren Mitglieder der Bour geoisie, da« genügte „Tod der Bourgeoisie!" batte Baillant >m Angesichte de« Fallbeils gerufen, nur da eS nicht angebr, der Bourgeoisie im Ganze» den Garaus ,» machen, so metzelt man eben einzelne Bourgeois nieder, wo sie in Revolver- oder Bombciibercich tomnicn! Das ist eine Robbest, eine Ver lbierunz, wie man sic der menschlichen Natur nicht Zutrauen mochte. Freilich wird diese Verrohung begreiflich durch das unbegreifliche, an Waknwitz grenzende Gebakren der Pariser bürgerlichen Presse nack der Verurtlzeilung und besonders nach der Hinrichlmig Vaillant S. Die ernstesten Pariser Blätter baben sich wochenlang niit Baillant mehr be schäsligt, als sie je mit einen, wahrhaft großen, der Menschheit zur Zierte gereichende» Manne tbalcn; planmäßig züchteten sie i» der Bevölkerung ein falsches Mitleid mit ihm, da« jedem Unbefangenen krankhaft erscheine» mußte, und al« sein Haupt »»ler dem Beil gefalle» war, iimwobcn sie e« mit einem romantisch-heroischen Nimbus; ein Held, ei» edler, seine Zeit genossen sittlich koch überragender Märlvrer schien hin- geniordct, nicht ein Verbrecher gerichtet worbe» zu sein. Was Wunder, wenn in Wirrtöpse», die die anarchistische Lebre in Siedehitze versetzt, d'itzch ein solche« Treibe» der Wal», er zeugt wurde, e« sei ein edle« Beginne», einen Mann wie Baillant zu rächen! Die französische Regier»,, g trifft keine Schuld daran, daß dir jüngste Unkbak möglich wurde. Sic ist, wie noch keine ihrer Vorgängerinnen, mit anerkennen?- wertstem Mull» »nd bewundern,igSwürdigcr Energie dem Scheusal Aiiarchisiiuis zn Leibe gegangen, trotz heftigen Widerstande« und scharfer Kritik. Die Schuld trägt cinzig und allein die Pariser Bourgeoisie, die zu lange sinnlos mit dem verderblichen Fener gespielt und der Waffe der Gesetzgebung ihre Schärfe genommen bat. Das Eabiiict Pürier wird auch wcilerbi» seine Pflicht tbun und den betretenen Weg der Unlerdriickling-iiiaßnabmen, nur mit »och größere» Energie »ud Eonseglie»,. verfolgen. An der Gesellschaft selbst ist es jetzt, endlich sich autzurassen und die Regierung thalkräslig zu »»lcrstiitzeu, indem sie sich mit ibr i» der bebingiingslosen Verurlbeilung der „neuen Religion" solidarisch erklärt. Die Anarchisten »vollen die bürgerliche Gesellschaft auöroltcii, da bleibt ibr keine andere Wahl, als ihrerseits den Anarchismus in seinen Wurzeln zu ersticken. Wird das republikanische Frankreich diese Anschauung zu de» scinigeu macken und die Eonsequcnzen daraus zieben, oder wartet cs, zu eigncin Handeln zu kraftlos geworden, aus die Hand eines Stärkeren? AuS Serbien niedren sich die Nachrichten. die trotz aller ossieiösen Ableugnungen einen neuen S taatSstreich in AuS sicht stellen. König Milan tenlt nicht daran, sobald das Land zu verlassen : cs wird sogar wahrscheinlich, daß er daran „Liebster, jetzt zwingen Sic mich zu einer mich beschämenden Beichte —" Protestircnte Stimmen erbobc» fick. „Von Beschämung kann nickt die Rede sein", meinte Lowitz, „in, Gcgentbeil, Hochstedt muß eine Genugthuung fühlen in dem Gedanken, einer so verderbenbringenden Leiden schast, der cr eine kurze Zeit gcfröbnt, mit aller Energie cnlgcgengelrclen zu sei», sie gründlich bekämpsl zu haben." „Ja, ich balle mich dem Hazard mit Leib und Seele verschrieben, Bütbow; mein Onkel, der Alle vom Theater, wissen Sie, cr ist zugleich mein Vormund, cnltcckle dieS, und in meiner Wohnung konnte ich nicht mehr ungestört mit den Genossen, die jetzt längst auscinandergesprengt sind, zusammen komnien. AlS ich nun diesis nntcrirdische Reich entdeckte, von dem kein Mensch, außer unS stier, weder der bochlöbliche Magistrat der Stadt, noch die Bnrgernicislcreicn der Um gcgciik, etwas wisse», noch ahnen, kam mir der paradore Gedanke, davon Besitz zu ergreifen und eine Spielhölle daraus zu gestalten Erst blieb cü bei der Idee, die mich inimci wieder verfolgte, bis im ibr nackiging und i» Gedanken Das schuf, was Sie stier festen. In Wirklichkeit basten cs jene alten Hände vollbracht, die meinem alle» Famulus Eoloffe: zngebören. Den Zeitraum eines IabrcS bat cr gebraucht, um daS Innere berzurichtcii mil Geschicklichkeit und Geschmack. Sauberkeit unk Ordnung, Lust »nd Lickt bcreinzuschaficn. tan» erst die Dinge, die Sie liier sehen. Bei Nacht und Nebel ist bier mein Reich entstanden, umgeben von einer scheinbar nnt»rck>d»inglichcn Wildnis;, die den thorartigcn Eingang bi« ans den Spalt rcrrengt. Die Natur half mit. Im Sommer »mgicbt den alten Felsen eine Wirrniß, die ganz iiiidlirchdringlich scheint —" „Und haben Sie wirklich hier eine Spielhölle geschaffen?" „Rein, cS >am anders. Este noch Erlöster fertig geworden, war ich von meiner Leidenschast gebcill. Das Glück ward mir abhold, ich verlor große Summe», »nnssie mich meinem Vormund anvertraucn, kam zur Besinnung und sagte nun. die alte Energie zurückgewinnend, dein Spiel für immer Valel. Dann" — seine Stimme scnltp sich — „dann nahm mich ekwaS Ankere- gefangen — etwas, das aum »ichl laiigc währte —" mit plötzlich ernst gekrauster Slirn sah Werner vor sich bi», und suhr dann wieder, eine» leichlc» Ton an- nehmciid, fort: „Ja, sebc» Sie, weder eine Spielhölle, nock' ein Harem ist- geworden, dagegen ein lünisarbijN'r KioSk für fröhliche Zecher, z» denen ich fortan auch -Lic zähle, Bütbow. Natürlich müssen Sie, gleich een Anderen, feierlich
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