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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940914029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894091402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894091402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-14
- Monat1894-09
- Jahr1894
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Um so mehr ist dem freiwillig-gouverncmentalen Blatte und seinen Hinter männern zu empfeblcn, auch einer zweiten Auslassung des BiSmarck-Blatles Beachtung zu schenken. Eie lautet: „Tie „Freisinnige Zig." meint, die Königsbcrger Rede des Kaisers charaktcristre sich als ein Vertrauensvotum für de» Grasen Eaprivi gegenüber den Agrariern. Unserer An sicht nach rcssumirt die kaiserliche Rede nur die Thaljache, das; Gras Caprivi in der Phase »inserer Politik, welche damit ab- geschlossen ist, daß der Kaiser erklärt: „Als ciiisgclöschl betrachte ich Alles, was geschah!" Last Gras Caprivi in dieser Phase das volle Vertrauen des Kaisers gehabt und nur den kaiser- iichcn Willen vertreten bat. Wir zweifeln nicht, Last dies serner der Fall sein wird; daß aber dies Vertrauen in der fraglichen Kaiser- rede einen prägnanten Ausnruck gesunden habe, kann man nur an nehme», wenn man die Tendenz der Parteien und der Blätter ver- folgt, welche unter Zerreistung des Zusammenhanges der Rede aus ihr allein den Tadel entnehmen, den der Kaiser über die thatsächlich abgeschlossene und von ibm als auSgelöscht bezeichuele Vergangenheit ausspricht. Gegen den Schluß der Rede, welcher als Las eigentliche Petitum in derselben zu betrachte» ist: den Aufruf zum Beistand im Kampfe gegen die Umsturzparteien, nimmt die „Freisinnige Zeitung" bezeichnender Weise schon jetzt Las Benefiz«»» in Anspruch, welches sie billig genug ist, auch dem Adel zu gewahren, daß die Opposition nicht nur ein Recht, sonder» nnler Umstanden eine Pflicht sei." D. h. mit andere^ Worten: das Portrauen, kaS der Kanzler während des Streites um die Handelsvcrlräge be sessen habe, werde er auch künflig besitzen, vorausgesetzt, daß er den kaiserlichen Ausruf zur Bekämpfung der Umsturzparteien nicht auch so auffasse, wie die „Freis.Ztg.". und daß er diescnKamps mit den ihm zu Gebote stehendenMilteln eben so energisch und erfolgreich zu führe» wisse, wie den Kamps um die Handelsverträge. Wir sind überzeugt, daß Na rer Hiutermann der „Hamb. Nachr." auch mit dieser zweiten Auslassung als getreuer Interpret der kaiserlichen Kund gebung sich erweist. Die „Norddeutsche Allgem. Ztg." leitartikclt seit einigen Tagen wieder über die Nothwcndigkeit des Zn sammengehenö aller übrigen Parteien gegen die Social demokralie und über die Zwecklosigkeit jedes Actions programms der Regierung, so lange nicht durch ein solches Zusammengehen die parlamentarische Basis für ein AclionS Programm gegeben sei. Heule verstcigt sie sich aber doch zu einigen Andeutungen darüber, waS regierungsseitig wohl m Aussicht genommen werken könne. Sie schreibt nämlich: „Wir habe» stets das Hauptgewicht auf die Gesabr gelegt, die aus der zügellosen öffentlichen Rede oder llmsturzvredigt in der Presst erwächst, vor Allein um der Folgewirkung willen, daß unser monarchisch gesinntes Volk in seinen Vorstellungen von dein Recht, der Kraft und der Pflicht der Obrigkeit irre wird. In dieser Hinsicht muß »ach niiserer Ucbcrzengung eine Lücke auS gesülli werden. TaS kann ans dem Wege der Revision des Vereins- und Versainmlungsrcchts und einiger bcnach- barter Materien angeslrebt werde»; wir würden, wie wir seiner Zeit sagten, wenn wir diesen Weg beträten, schon wesentlich ge fördert sein. Ob die Nolhmeiidigkcit, noch weiter zu gehen, sich Herausstellen wird, kann, wenn die VchaiiLlungsiiiitlel gegen die chlimmslen Schäden geschärft sind, in Ruhe abgewartet werde»; Laß Bedenken verschiedener Art dagegen sprechen, den Modus der „Specialgcsctzgebung" zu wähle», muß zugesianden werden. Ob man sich »nt der Ausgabe, den Bestimmungen über das Vereins, und Vcrsamiiiluiigswejcn eine zeitgemäße und brauchbare Gestalt zu geben, an den Reichstag oder an den Landtag wende» soll, erscheint uns als eine Streitfrage, die sich auf wenig raliouellei» Boden bewegt; der praktische Politiker wird der Ansicht sein, daß man woht IHM, den Weg zu beschreite», der am sichersten und schnellsten zum Ziele fuhrt . . ." Hieraus darf man wodl schließen, daß die „Nordd. Allgem. Ztg." über das AclionSprogramm der Regierung noch gar nichts weiß. Obgleich cs bis zum Beginn der Herbsttazung der französischen Kammer» noch gute Weile hat, blicken die leitenden Politiker der Republik doch schon jetzt mit einiger orge tei: kommenden parlamentarische» Dingen entgegen, von denen sie allerlei Erschwerungen und Pcrwickcluiigen der Ncgicrli»gö«ctioii befürchten. Welcher Art ihre Beklemmungen sink, zeigt ein Blick aus dasParteigetriebe. Bon allen weitaus am geschäftigsten sind die Socialdcmokralcn und ihre guten Freunde, die Anarchisten, deren llebermulk kaum noch Grenze» kennt, seit dem sic inne geworden, daß daS gegen sie erlassene Aus nahmegesetz, kaum daß die Tinte getrocknet, womit cs ge schrieben, schon vollständig in ckosiwtnckiuem verfallen ist. Zwischen Anarchisten und Sociatdcniokralen, genauer prä- cisirt, der blanguistischcn Spielart der Socialdemokraten, ist eine Berstäntigling dahin getroffen, daß sie mit ver einten Kräften den Agitation»- und Obstructions- seldzng in der Deputirtenkammer betreiben wollen. Angesichts dieses bcrausfoiterudcn GcbabrcnS bleibt den An hängern der staatlichen Ordnung, wenn sie den Parlamen tarismus, der nun einmal im Mittclpuncte der französischen StaalScinrichtungen steht, nicht zu einem bloßen Zerrbilde entwürdigt sehen wollen, nur der eine Ausweg, die Geschäftsordnung, welche nicht aus den Terrorismus der Umslnrzparteie» zugeschuittcn ist, derart umzugestalte», daß sie die zur Abwehr der böswilligen ObstruclionSnianöver benölhigten Waffen an die Hand gicbt. Als am wirk- nvmmenc Jnitiativvorstöße sind regelmäßig im Sande ver laufen» zum größte» Triumphe der Socialdemokraten und Anarchisten, welche sich den Anschein geben, als thue jede Um gestaltung des Iiiterpellationörechls den Prärogativen der Volks vertretung Eintrag. Ter Borwand ist zu durchsichtig, als daß er auf die Dauer Zugkraft üben sollte und mehr und mehr macht sich in der öffentlichen Meinung die Ansicht gellend, daß der Parlamentarismus wichtigere und nützlichere Auf gaben zu lösen habe, als die Propaganda deö Umsturzes in die Wege zu leiten, und wenn jetzt ein der Form nach corrcet redigirtcr Antrag auf Einschränkung deö Inlcr- pellationSrcchtS gestellt würde, dürfte sich sicher eine Depu- ürlcninebrhcit zu seinen Gunsten finden. Ucberall, in der Presse, in den Reden der Minister, in dc» Verhandlungen wirthschasllicher Eorporatione», in Pnvalgesprächen: kann kann man cs auSsprechen hören, daß, wen» die Kammern daß nächstjährige Budget mit Muße und Gründlichkeit zu beralhe» und zu erledigen in den Stand gesetzt werden, wenn sie ferner gemeinnützige Gesetze erlassen solle», sie von dem Ballast unfruchtbarer partcidoctrinärcr Debatten und müssiger Interpellationen befreit werbe» müssen. Dazu soll die Reglemeiilirung des InterpeUaiwnsrechtS die Hand bielc». König Oscar von Schweden bat jüngst einen offenen Brief an taö schwedische Volk erlassen, in dem cs aus- gefordcrl wird, den im Dceember cintretenden 300. IakreS- tag der Geburt deö HeltenlönigS Gustav Adolf als nationalen Festtag zu feiern. Es heißt in diesem Briese: Drei Jahrhunderte sind bald vergangen, seit König Gustav Adols gebaren wurde. Tie ganze evangeliich.proleslantliche Welt, die in ihm eine» ihrer ersten Helden erblickt, hat Anlaß, aus dieses bedeutungs- volle Ereignis; ihre Gedanken zu richten. In erster Linie muß dies aber in den; Lande geschehen, das das Glück hatte, ihn den Seine» zu nennen und als dc» vorzüglichsten in einer Reihe großer Könige zu zähle». Tas Herz eines jeden Schweden muß von Stolz und Freude ersülll werden, wenn diese schöne Erinnerung vor seine Augen tritt. Ten» das Leben des Hcldenkünigs hat über Len schwedischen Stamm eine» Glanz verbreilet, de» keine Zeit zu vermische» vermag, und seine Verdienste um das Reich, das Galt in seine Hände gelegt, werde» oder können niemals vergessen werde». Eine KönigsMt wie diejenige Gustav ALols'S findet man seilen in der Geschichte des Volkes. Als er im Aller von 17 Jahre», »och ei» Jüngling, dc» Thron seiner Väter bestieg, um die Führung de» schwedische» Reiches zu übernehme», sa»d er cs von tieser innerer Zwietracht erregt, von langwierige» Kriege» ausgezekrt und de»zahlreichen mächtigen Feinden gegenüber unruhig und unschlüsisg. Nach Ansicht Vieler sland cs bart am Rande des Unterganges. Es muthet daher last wie ein Wunder an, was nian zwanzig Jahre später bei seinem vorzeitigen Hinichciden erblickt. Ein einiges, verjüngtes und hochgesinntes Volk steht in Sorge an den. Grabe seines unvergeßlichen Königs, aber auch seit entschlossen, das Werk, das der große König hlnierlassen, mannhast zu vollenden. Es balle nicht blvS seine Selbstständigkeit besesiigl, es nahm auch eine» ehrenvollen Platz in der Reihe der ersten Staalen Europas ei». So lange wie der evangelische Glaube Wurzeln schlügt und heilig geballen wird, wird das Andenken Gustav Adols's als des Mannes, der niit Gottes Hilse die Sache des Proleslanilsmus rettete, als diese in äußerster Gcsahr schwebte, in Ehren gehalten werde». Für unsere deutschen Glaubens verwandten schien keine Rettung vorhanden zu sein, und die Sturinsliith der päpstlich-katkolischen Uebermacht drohte jeden Auge» blick unsere eigene» Kaste» zu erreichen. In dieser Stunde der Gesahr trat Gustav Adolf i» den Kampf. In den Auge» der Meisten war er ungleich, ungewiß und voll der größten Gelahren, für ikn stand cs jedoch klar, daß die Zukunft Schwedens und die Freiheit des evangelische» Glaubens unauflöslich inlleiiiandcr verbunden Ware». Er sah i» dem Kamps einen Ruf von oben, folgte ohne Zaudern dessen Mahnung und gab mit Freud-» sein Lebe», und er hat es, wie die Geschichte lehrt, nicht vergebens gethan, Tarnm aber gehört sein Name nicht nur dem Vaterlaude, sondern der Menschheit, und sei» Kamps sür die Sache des Protestantismus hat sein? welthistorische Größe begründet. Am Schluffe deö offenen Briefes ermahnt der König dann daS schwedische Bolk, Sonntag den !>. December im ganzen Lande als Ralionalfcsttag zu feiern. Der König selbst wird einen festlichen Gottesdienst in der Ritterholmskirche ver anstalten. Sofern die Lehranstalten am vorhergehende» Tage die Feier abhalten, soll jeder Unterricht auSsallen. lieber die Feier im Heere sollen die entsprechenden Anordnungen erlassen werden. Ein sür die bnl,arische Regierung in England erbauter „HandelSdampser" mit einem Gehalle von 500 Tonnen, der den Namen „Bulgarien" sührl, hat am vorigen Sonnabend unter Führung des Eapitains Sodic und mit österreichischer Bemannung aus dem Wege in daS Schwarze Meer den Bosporus passirt. Die bulgarische Regierung besitzt bereits einen solchen „HandelSdampser", und beide Sckifsc sind offenbar bestimmt, den Ansang einer bulgarischen Kriegsflotte zu bilden, welche bisher nur a»S einer Rakvacht, vier kleineren Dampfern, sechs Schaluppe» für den Zvlldienst, zwei Torpedobarlassen und einem Segel schiff bestand. In Rußland wird diese Bermebrung der bulgarischen Kriegsflotte gewiß einen Sturm der Entrüstung erregen, und man wird dort unzweifelhaft wieder einmal den Pariser Bertraz anrusen, demzufolge nur Rußland und die Türkei einige wenige sür den Zolldienst best immtc bewaffnete Fahrzeuge im Schwarzen Meere unte.'halten dürfen. Tic russische Negierung war eS aber selbst, i.ie den Pariser Vertrag durchlöcherte, indem sie zuerst im Jahre 1870 dc» Londoner PonluS-Vertrag erzwang, wodurch sic sich daS Recht wahrte, eine beliebig starke Kriegsflotte im Schwarzen Meere zu vereinigen und dann, indem sic im Iabre l878 die Theorie von der „Freiwilligen Kreuz crflotte" ausstelltc. die auch nur auS Handelsschiffen zusammengesetzt ist, die aber im Kriegsfälle lcickt in Kriegsschiffe umge'wanbell werten könne» Bulgarien befolgt jetzt daS Beispiel Ruß lands: es schafft sich HandelSdampser an, auS dere n Luken, wenn nothwendig, einst schwere Schiffsgeschütze herau.sschaucn werde». Tic vom griechischen Ministerium angcordneten Vor untersuchungen i» der Akropolis-As faire sind beendigt. Tie schuldigen Ossiziere haben sich vor dem Kriegsgericht zu verantworten, das bereits seine Ausgabe begonnen l»at. DaS Obereommailko der Armee erhielt der Generallieuteiiant Zim- brakaki a» Stelle KaraiSkakiS. Ter bisherige Sladlcoittmanbant Oberst StratoS bekam zehntägigen Hausarrest, an seine Stelle wurde der Oberst G. Mavromicbalis ernannt. Tie höheren Ossicicre, Eominantantcn der verschiedenen Trufipenabtbei- lnngen, batten Audienz beim Kronprinz-Regenten.'ilonstantin. >e wollten sick sür ihre Ossicicre verwenden und von diesen die Strafe ablenkcn, ein Schrill, der als sehr undi»°>ciplinarisch bezeichnet wird. Ter Kronprinz anlworlele sehr kurz: cS sei Ausgabe der gerichtlichen Untersuchung, die Rädelsführer aus findig zu mache», und Sache des Kriegsgerichts, nach den bestehenden Gesetzen zu entscheiden, wer strafbar und welche Strafe über die Schuldige» zu verhängen sei. Tie Ossicicre bestehe» darauf, daß es keine d'rädclSsübrer unter ihnen gebe Einstweilen befinden sich nur elf Ossiciere in Eascrncnarrest, drei Hanptlcule sind verkaflel worden. Die „Akropolis" wird i» einer andern Druckeroi hergcstcllt, erscheint wieder als ganzes Vlait und wird auch ungehindert aus de» Straßen verkauft. Ter Ebef-Redaclcur GabrielideS ist nach seiner Rückkehr auS Deutschland bei der Negierung um Sicherung seiner Person eingekommen, da einige Drohungen gegen ihn laut geworden waren, die aber wohl nicht ernstlich gemeint sind. Von den Alkener Zeitungen haben sich nur die von der Partei DcliyaiiiiiS' (Pro'ia, Nea EpbimeriS und Monitor) zu Gunsten der Ossicicre ausgesprochen, die übrigen Blatter und das Publicum im allgemeinen mißbilligen den Gewaltstrcich, ja, sogar in militairischen Kreisen beklagt man ihn. Deutsches Reich. Q Berlin, 13. Scplcmbcr. Von der M-icdcrvorlcgung deS in der vorigen Landlagsjcssion abgelchntcn Gesetzentwurf« über den Dortmund-Rhein-Eanal verlautet nichts »nd cS ist nicht wahrscheinlich, daß da« Projecl i» nächster Zeit wieder in Angriff genommen wird. Bei der ablehnenden Haltung der Evnscrvativen wären auch die Aussichten einer neue» Vorlage nicht günstig. Tic conscrvalivc Partei bat sich in dieser Frage so scstgcsahrcn, daß eine ganz andere Situation wird abgewartet werden müssen, che der Plan mit Erfolg wieder aufgeiiommen werde» kann. Inzwischen geben die in günstigeren Zeilen in Angriff genommenen großen Eanal- haulcn, rer Dorlmund-EmS- und der Rordostsce-Eanal, bald ihrer Vollcndnng entgegen, und es ist socialpolilisch bedauerlich, Der goldene Mittelweg. Nachdruck »»toten. Roman von Erich Rott, I. „Herr, gicb ihm die ewige Nube!" sagte der alte Geist liche . dessen silberweißes Haargclock vom über den welt abgeschiedenen Dorssriedhos streichenden FrühlinzSwind zerzaust würde, mit milder, verhallender Stimme, während er die Hände segnend über der rings von Leidtragenden umstandenen Gruft ausgebrcilct hielt. Die Mcßbnben schwangen die qualmenden Rauck'sässcr. „Und das ewige Licht leuchte ibm!" »lurmclten sie eintönig. „Lasse ibn rubcn in Frieden!" schloß der Priester und trat nun vom Grabe zurück, nachdem er die drei Schaufeln Erde aus den unter Blumen versunkenen Schrein kinab- geworsen hatte. In die bis bahin regungslos stille Traucrgemeinde kam Leben und Bewegung. Ter Geistliche batte die Schaufel de», ibm zunächst stehenden Manne in der kleidsamen Tracht eines wohlhabenden GcbirgSbanerS auS dem oberen badisckc» Schwarzwald überreicht; dieser, ein hochragender Hüne mit einem welterharlcn, vielgesurchten Gesicht, auS welchem ein Paar barte, undcugsamc, stahlgraue Augen blitzten, die im Vereine mit dem starrborstigcn, schon ziemlich ergrauten Haupthaar den Zügen einen gar stolzen, herrischen Ausdruck verliehen, trat, während er zugleich lässig den Dreispitz lüftete, ebenfalls an daS Grab heran. Keine Muskel in seinem Gesichte rc^te sich, während er die Erdschollen auf den Sarg >» die Tiefe hinunter poltern ließ, und aus den finster verhärteten Zügen sprach keinerlei innere Bewegung. Anders da« zartblonte, lunge Weib mit dem vergrämten, vom vielen Weinen sabl gewordenen, lieblichen Gesicht. Diese«, in schwarze Witlwcngcwandung cingehüllt, an der rechten Hand einen etwa vierjährigen Knaben haltend, der mit scheuem, verzagtem Ausdruck in den sonst gar freund lichen und ausgcweckicn Zügen, de» Kopf voll dichten blonden Locken, ring« uni sick, spähte, batte scheu während der Worte teS alten Geistlichen wiederholt eine fast irre anmutbende Bewegung gemacht, als ob sie dem Tollen in die Grust hinuntersolgen wollte. Jetzt, als der starrdlickciitc Mann an ihrer Seite ihr die Schaufel in die Hand drückte, kam ein krampfhaftes Schluchzen über die jeingeschniltencn Lippen, und nur noch mühsam sich aufrecht erhaltend, kam daS junge Weib dem letzten Liebesdienst nach. Auch der Knabe bückte sich auf das mit unterdrückter Stimme hcrvorgebrackte Geheiß deS stattlichen Mannes; er warf ein Händchen nach dem andern voll des grobkörnigen Sandes in daö Grab hinunter und spähte mit einem gewissen neugierige» Blick nach den von den Erdschollen schon halb zuaeschüttctcn Blumen. Daun scknc» der Kleine sich vor den Männern und Weibern, die in langer Reibe nacheinander an daS Grab berantraten, um die üblichen Schaufeln voll Erde auf den Sarg hivabzuwersen und Trosteswortc an die Wittwe zu richten, zu fürchten. Verschüchtert schmiegte er sich enger an die junge Frau an und wie suchend glitt sein Blick in die Runde. „Muttchen, wo ist denn nur der liebe Papa?" frug daS Kind — und seine Worte ließen die Wittwe in lautes Schluchzen anSbrcchc». Sie sank neben dc» Kleinen aus die Knie nieder, drückte dessen weiche Wangen eng an ihr thränen- bcsätcS Gesicht und slammellc mit lechzender, vertrocknet klingender Stimme: „Ach! Erick, Tein Vater ist von unS gegangen. Wir werden ihn niemals Wiedersehen." Durch die Reihen der Trauergemeinde ging tbeilnahmSvollc Bewegung. Man trat von allen Seilen tröstend an die Schluchzende bcran; der Geistliche halte diese bei der Hand gefaßt und ibr liebreich von de» Kniccn aufgebolsen, während eine gutmüthig blickende, jedenfalls verweint dareinschauendc ältere Frau den Knaben bei der Hand gefaßt batte. „So jetzt gcbscht mit der Großmutter, Erich . . . Dein Mütterle kommt gle»' nach!" sagte sie beschwichtigend. „Ick will bei meinem Muttchen bleiben!" sagte daS Kind mit weinerlicher Stimme darauf, ließ eS aber dann doch willig geschehen, daß eS von der Großmutter mit sort- gezogcn wurde. „Ich dank' Ihnen auch schön sür den frommen Zuspruch", meinte der hockgewachsene, strcnablickende Mann, der bis dabin mit unmutbig verzogenem MienenauSdrucke neben der weinenden Wittwe gestanden und dieser zu wiederholten Rialen durch eine ungestüme Handbewcgung zu versieben gegeben halte, ihren SchmerzcnsauSbruch zu mäßigen. „Es war za vorauszusehen, daß daS so ein End' nimmt . . . mein Tochtermann war schon nicht gesund, als er mit meiner ElSbcth zur Kirch' ging ... ich Hab S ibr ja genugsam vor geredet . . . nun muß sie - eben tragen!" Wie bittend faßte der Geistliche die Hand deS Finster blickenden. „Seit gut zu ihr, Bürgermeister ... sie ist doch Euer einziges Kind!" meinte er beschwörend, „bedenkt den furchtbaren Schmerz, der ihr daS Herz zerwühlt!" Tie junge Frau war wieder in webe»; Schluchzen aus die Knie niedergesunken und batte daS Angesicht iu beiten Händen verborgen. Einige der Leidtragenden wollten nn- ichlüssig wieder an sie bcrantrcten; aber auf eine säst be fehlende Haiidbemcgung deö BatcrS der Schluchzenden wichen sie langsam von dem Grabe zurück und strebten der AuS- gaiigSpsorte des Friedhofs zu. Auch der Geistliche ging von dannen, gefolgt von den beiden Meßbubcn, welche wieder die qualmende» Rauchfässer schwangen. Endlich war der Gottessricden ganz menschenleer ge worden, nur die noch immer haltlos weinend aus den Knicen Liegende und der starrausgcrickitet zu ihrer Seile siebende Bauersmann — außer den Beiden »och der Todtengräber, welcher ungeduldig daraus wartete, mit dem völligen Zu- scl'üttcn deS Grabe« beginnen zu könne» — waren im weilen Raume noch anwesend. Secundcn verstrichen; immer un geduldiger starrte der alternde Mann aus seine schmerz verzerrte Tochter nieder, nachdem er zuvor mit prüfendem Blick in dem blauenden Himmel hineingeschaut und dem Fluge der Sck'walbcn, die bald dabin, bald dorthin durch die reine, sonncncrwärmte Früblingsliist schossen, zugesehen hatte. „Jetzt steh' auf und mach ein End !" sagte er mit unter drückter Stimme, zugleich das junge Wcik bei der Schulter ansassend. „Dadurch wird Dein Mann nimmer lebendig. Hättest 'S früher bedenken sollen, so lang' 'S noch Zeit war!" Beim Klange seiner Stimme erbebte die junge Frau leicktz aber gehorsam erhob sie sich und schritt »eben dem stattlichen Manne vom Grabe hinweg. Aber immer von neuem wendete sie wieder den thräncnnmflorlen Blick nach dem Hügel zurück. Sie mußten an dem Todtengräber vorüber; ber hatte dem Gebahrc» deS jungen Weibes schon lange kopfschüttelnd zugeschaut. Jetzt wendete er sich an die eben Vorübcr- sckreilcnde, welche gerade wieder den Kopf rückwärts zum Grabe wandte und faßte sie zaghaft beim Arm. „Sell isch vom Nebel, Frau Oberlehrer", wisperte er. „Man darf cin'ni Torte nit in« Grab nacbguckc — sunscht holt er ein'm, eb' das Jahr zu End' gange ischt!" Tie junge Frau verstand offenbar kaum, waS er sagte; sie schaute ibn nur mit großen, tbränenschwercn Augen an, dann ging ein Äechzen über ibre Lippen. — „Ich wollte, Ibr dürstet mich schon an meines Manne» Seite betten, Matches!" murmelte sie. „Wie wohl wäre mir dann!" „Ihr seid ein abergläubiger Narr! Müßt Ihr gcrad' noch solche Mucken dem jungen Weib in den Kops setzen?" begehrte der Bauersmann an seiner Seite aus. Mit verlegenem Lächeln lüftete der Todtengräber sein Käpplein. „Nix vor ungut, Herr Bürgermeisckier", sagte er eniscknldigcnd, „aber sell ist kci G'schwätz, sell trifft ein jcb'mal ein!" Der Andere zog nur geringschätzig die Achseln in die Höbe ; er gab keine Antwort, sondern strebte nur eilfertiger nach rem AnSgange des Friedhofes, an der Kirche, die klein und schmucklos sich mitten im GoltcSfrieden erhob, vorüber. Als er mit der »och immer vor sich Hinweinenden den freien, lindeiibestandencn Platz vor dem aus halber BcrzcS- höhc sich streckenden Friedhöfe erreicktt halte, verweilte er wieder und warf einen spähenden Blick aus das sich rings zu seinen Füßen debncnve, mit seinen stattlichen rotken Ziegelcächern und den vielen geräumigen, scstgczimmcrten Gehöften einen wohlhabenden Eindruck mack,ende Tors. Dann schaute er wieder die nur mühsam »eben ihm sich ausrccbt- halleiidc Tochter an. „Jetzt laß da« dumme Heulen", sagte er in gar rauh klingendem Tone. „Dein Mann ist und bleibt todt ... er war ja ein Lungcnpscifer, wie er im Buch sicht . . . Hab' Tir'S ja Alle« vorauSgcsagt, wie'ö noch Zeit war, ElSbcth . . . aber so was hast nicht hören wolle» . . . jetzt ist das End' da und ick Hab' die Freud', die Tockter mit sanimt ihrem Kind zurückzunebmcn . . . statt daß ich stolz sein dürft' aus Tick, muß ich mich grämen ... die anderen Väter im Torf blasen die Backen ans und wissen nicht genug RubmenS über ihrer Kinder Glück . . . nnd ick, der ick der Reichste weit in der Runde bi», muß eS mit ansckaii'n, daß meiner Tochter Leben ein verpfuschtes ist . . . ein Sakcrment auck, daß eS so bat kommen müssen . . . da» verdank ich alle» dem Herrn Oberlehrer!" Er war schon im Begriffe, kurz anfzulacken, als ibn noch zur rechten Zeit ein erloschener Blick de» jungen Weibe» davon abhiclt; Frau ElSbctb aber stieß einen schwachen Schrei auS. „Vater, um GottcSwillcn . . nur keine Vor würfe in dieser Stunde", murmelte sie mit zuckenden Lippen. „Ich könnte c» nicht ertragen ... Tn mußt einscbc», wenn auch viel Entfremdung die letzte» Iabre über zwischen un» getreten ist, daß ich eine» TrostcSwortcS bedarf . . . ach, e» ist mir gar so sterbensweb i,n Herzen zu Mulde . . . ach, mein Gott, dürft' ich doch liegen an meines Mannes statt, dürste ich schlafen, immerzu und ohne Ende!" Mit irrem Blicke streifte sie die hochausgerichtet stehend«
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