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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-27
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980927025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898092702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898092702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-27
- Monat1898-09
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Directe tägliche Kreuzbandjendung ins Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Nusgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr^ Redaktion und Expedition: LohnnncSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen grössnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Otto Klemm'S Eortiiu. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinuur), LoniS Lösche, Kathorinenstr. 14, pari, und Königsplatz 7. Abend-Ausgabe. MpMer JaMM Anzeiger. Amtskkatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. ^91. Dienstag den 27. September 1898. Anzeigen'Prei- bie Sgespaltme Petitzeile 20 Pfg. Rrclamen unter dem RedactionSstrich (4-e- spalten) 50^, vor den Familbennachrichten (Kgejpalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichnib. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, obne Postbesörderunx 60.—, mit Postbesörderung, 70.—. Rnnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: BormittaKS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher'. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. I Druck und Beriag von E. Polz in Leipzig 92. Jahrgang. Die Revision des Dreysus-Processes. -k>. Nachdem es bis Montag Mittag noch geschienen, daß aus Grund der Ablehnung des Revisionsgesuchs der Frau DreyfuS durch die permanente Justizcommission die Revisions- actiou dem Scheitern nahe sei, zumal da man wußte, daß im Schooße des Ministeriums die Meinungen ebenso wie in der Commission getbeilt waren und namentlich die ausschlaggebende Persönlichkeit, der Justiz minister Sarrien, schwankend geworden schien, überrascht eigentlich die gestern Nachmittag cingetrossene Meldung, der Ministerrath habe einstimmig beschlossen, dem Cassationshof das Revisionsgesuch zu unter breiten. Ueber den Verlauf, des Ministerralhes in welchem es offenbar schwere Kämpfe gegeben hat, wird uns noch berichtet: * Paris, 26. September. Ter heutige Ministerrath dauerte vier Stunden, währeud deren nur über die Frage der Revision des Dreysus-Processes verhandelt wurde. Die Debatte war den Blättern zufolge sehr lebhaft. Die der Revision freundlichen Minister sollen alle Mühe gehabt haben, den Juslizminisler Sarrien zu bewegen, daß er sich über das ablehnende Gutachten der Revisionscommission hinwcgsetze. Ter Ackerbau minister Big er bekämpfte, wie gemeldet wird, die Revision auss Entschiedenste, stimmte aber schließlich der Entscheidung des MinisterratheS zu. Gleichwohl verlautet, Laß Viger zurückzutreten beabsichtige. * Paris, 26. September. Das heute Abend verbreitete Gerücht von der Demission des Ackerbauininistcrs Viger bestätigt sich nicht. Niger bekämpfte im Ministerralhe die Revision des Dreysus-Processes, fügte sich aber nach dem Vorgänge des Justiz ministers Sarrien vor der Entscheidung der Mehrheit Les Ministerraths. Die RcvisionSgegner hatten erwartet, die entscheidende Ministersitzung werde eine Ministerkrise herbeifübren, statt dessen endete sie mit einem Siege Brisson's. Dieser, der von vornherein entschlossen war, tabula rasa zu machen, war cS, welcher die einstimmige Annahme der Revision durchsetzte, wofür ihm dann auf der Straße eine lebhafte Huldigung dargebracht wurde — ein Zeichen, daß die öffentliche Meinung jetzt aus Seite der Revisionisten ist. Sehr zu Hilfe gekommen sind Brisson zweifellos die Enthüllungen Eftcrbazy's, welcher sich vor Zeugen als Verfasser des Borderaus bekannte und seststellte, daß DreyfuS auf Grund dieses gefälschten Acten- slücks und auf Grund eines Briefes, der außer allem Bezug auf ibn war, vcrurtheilt worden ist. Esterhazy bat seine Enthüllungen zwar selbst demenlirt, doch was will das besagen! Die Thatsache, daß auch der Kriezsministcr Chano ine zu Gunsten der Revision stimmte, ruft in Generalstabskreisen große Enttäuschung hervor. Man erwartet, daß Brisson nunmehr die klerikal - militairische Verschwörung niederhalten wird. Sollte Döroulöde die von ihm angekündigte Absicht, die Patriolenkiga wieder herzustellen, verwirklichen, so wird der Staatsanwalt einschreiten. Der Beschluß des Ministerraths geht zwar, wie gesagt, nur dahin, dem Cassationshof das Gesuch um Wieder aufnahme deS Verfahrens vorzulegen, in Wirklichkeit aber bedeutet er die Revision selbst und den Versuch, die Dreysus- Angelegenheit endlich dem Getriebe der Parteien zu entrücken und auf daS Gebiet der richterlichen Beurtheilung zurück- zusühren, von dem sie sich wohl in keinem anderen Culturstaate jemals entfernt haben würde. DaS Gesuch bedeutet nämlich in- Ivfern wenigstens den Anfang der Revision selbst, als der Cassa tionshof, um zu ermitteln, ob die in dem Gesuch angeführten That» fachen solche sind, die die Revision begründen, Einsicht in sämmtliche Acten nehmen und so die Sache von Grund aus klären muß. Zu diesen Acten gehören aber nicht nur die des ersten Protestes Drehfus, sondern auch die der Proteste Esterhazy und Zola und nicht zuletzt die Grundlagen der verschiedenen Klagen gegen Picquart, die des Civilgerichts wegen des an geblichen Verstoßes gegen das Spionagegesetz sowohl, wie die deS Militairgerichts wegen Fälschung des petit bleu. Bei dieser Untersuchung des Cassationshofes wird sich daher vermutblich bald answeisen, wie weit dic'Militair- partei ihren Widerstand gegen die bürgerliche Gewalt zu treiben wagt, ob sie auch fernerhin mit den Dunkelmännern der Gasse gemeinsame Sache machen und in offenkundiger Mißachtung des obersten Gerichtshofes des Landes den Proceß gegen Picquart auf eigene Faust wciterführen wird, statt achtungsvoll dessen Spruch abzuwarten. Die Befugnisse des CassationShofes aber sind, bis auf die Urtheilsfällung, geradezu unbeschränkt, falls er das Revisionsgesuck als begründet an erkennt und die Angelegenheit, wie im Falle DreyfuS, nicht spruchreif ist. Dann hat er nämlich laut Artikel 415 „dircct oder mittels einer Commission alle Untersuchungen von Grund aus, die Gegenüberstellung, das Verhör und alle Mittel, die geeignet sind, die Wahrheit darzuthun, selbst vorznncbmen", weshalb die Rückberufung Drehfus' von der Teufelö- insel unumgänglich wird. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. September. Die Kriegervcretne halten mit Recht darauf, daß Socialdcmokraten in ihrer Mitte nicht geduldet werden. Tie Socialdemokratie will die bestehende Staatsordnung Umstürzen und das Königthum beseitigen und erklärt den Begriff „Vaterland" für culturfeindlich. Die Kriegervereine aber haben ausgesprochenermaßen als ersten Zweck, in Liebe und Treue zum obersten Kriegs herrn und zum Vaterlande den kameradschaftlichen Geist auch im bürgerlichen Leben zu pflegen, und haben damit Verpflich tungen übernommen, mit denen sich socialvemokratischeGrundsätze und ihre Vertretung nicht vereinbaren lasten. Mit Recht halten daher auch die Behörden, wo sie die Kriegervereine privilegiren, darauf, daß vou der Svcioldemokratie keine Contrebande in diese Vereine hineingekrieben wird, und es muß ihnen da her auch zugestandcn werden, mit allen erlaubten Mitteln dagegen vorzugehen. In hohem Maße befremdet aber ein landräthliches Schreiben aus dem Kreise Gardelegen. Zu nächst, weil eS bei dem Vorstände des betreffenden Kriegervereins anfragt, ob Schrille gethan seien, um zu ermitteln, ob einige Mitglieder bei der letzten Reichstagswahl socialdemokratische Stimmzettel abgegeben haben. Tic Reichstagswabl ist eine geheime und ihre Geheimhaltung ist gesetzlich gesichert. In Rücksicht auf die Mißdeutungen, denen unter solchen Umständen die bezügliche Wendung in dem Anschreiben deS Landrathamtes ausgesetzt ist, wäre zu diesem Puncte mindestens eine präcisere Ausdrucköweise zu wünschen gewesen. Vor allen Dingen aber erregt mit Recht der Schlußpassus Anstoß, ob gegen einige Mitglieder auch der Verdacht vorliege, daß sie sich zur Freisinnigen Volkspartei rechnen. Die Freisinnige Volkspartei steht auf dem Boden der bürgerlichen Gesellschaft. Ist somit an sich schon eine Nachforschung in dem gedachten Sinne ab- zuweisen, so in dem vorliegenden Falle um so mehr, wo eS im Nahmen einer Abwehr gegen socialdemokratische Be strebungen geschieht und eine solche Abwehr völlig unmöglich wird, wenn nicht die Grenzen zwischen Socialdemokratie und bürgerlichen Parteien mit aller Sorgfalt beachtet werden. Aus gegebenem Anlaß können wir aber auch noch eine allge meine Bemerkung nicht unterdrücken. Man entferne Social demokraten rücksichtslos aus Kriegervereinen, wo sic sich zeigen, wo socialdemokralisches Bekcnntniß undAgilation sichtbar werden. Wo aber die Unterlage unsicher und daS Ergebniß von Nach forschungen allenfalls Vermuthungen sind, unter denen auch Unschuldige leiden müssen, da überlasse man die Arbeit der Reinigung doch ja vertrauensvoll der eigenen Initiative der Kriegervereine für den Fall, daß die Nothwendigkeit einer Ausmerzung solcher Elemente sich herausstellt. Der Parteitag Ser Deutsche» Botkspartci, der am 21. und 25. September in Stuttgart abgebalten wurde, hat ein überaus dürftiges Ergebniß gehabt. Die vom Kaiser in Oeynhausen gehaltene Rede, welche die Anreizung zum Streik als der ZuchhauSstrafe würdig hinstellte, gab dem geschäftigen Professor Onid de Gelegenheit, einen billigen rednerischen Erfolg davonzulragen. Die Resolution, die im Anschluß an das Qnidde'sche Referat über die Rechts pflege im Reiche beschlossen wurde, wird von der Social demokratie dankbar begrüßt werden; venu sie erklärt, daß das allgemeine Strafgesetz vollkommen auSreiche, strafbare Ausschreitungen Streikender zu verfolgen, und lehnt deshalb nicht nur jede Verschärfung des H 153 der Reichsgewerbeordnung ab, sondern fordert sogar die vollständige Aufhebung des 153. Danach würden also die Vcrrusserklärungen, Verhöhnungen und alle sonstigen vom Strafgesetzbuch nicht erreichbaren Ausschreitungen Streikender einfach hingcnoninien werden müssen. Bedenkt man, wie auf solche Weise in den zahlreichsten Fällen den Arbeitswilligen das Leben schwer gemacht werden würde ohne Aussicht aus Sühne und Abschreckung, wie sehr der Ueberninth der aufsässigen Elemente unter der Arbeiterschaft gesteigert würde, so braucht man sich mit der socialpolitischen Weisheit unserer Demokratie nicht weiter aufzubalten. Ebenso werthlos ist eine zweite Resolution, die betreffs der Abrüstung«frage angenommen wurde. Selbstverständlich hat der demokratische Parteitag an dem Abrüstungsvorschlage deS Zaren die „Vernunftwidrigkcil" des gegenwärtigen Systems „bewiesen". Wenn er weiter forderte, daß die deutsche Regierung an der Abrüstungskonferenz sich betheilige und an der Lösung der Aufgabe ehrlich und thalkräflig mit arbeite, so ist dagegen nichts einzuwenden. Wird aber fort gefahren: „Nur eine solche Haltung wird Deutschland die moralische und diplomatische Berechtigung geben, ... im Falle der Erfolglosigkeit die eigene Friedensliebe und die Schuld der eigenen Friedenögegner nicht nur vor der russischen Regierung und der ganzen Welt klargeslellt zu haben" —, dann muß man solchen confusen Sätzen gegen über daran erinnern, daß die Friedensliebe der deutschen Negierung durch die Thaten der deutschen Politik seit einem Menschenalter aller Well hinlänglich bekannt ist, um neuer Beweise von der Art deö hier verlangten nicht zu bedürfen. Was endlich Herr Conrad Haußmann über die Noth- wendigkcit sagte, daß alle politischen Kundgebungen und Reden deS Trägers der Krone von dem verantwortlichen Vertreter der Negierung vertreten würden, ist erst letzthin gerade von nationalliberaler Seile in ähnlicher Weise ver langt worden. Im klebrigen stand der Parteitag unter dem Zeichen der Uneinigkeit: Herr Sonnemann war zum ersten Male seit 30 Jahren dem Parteitage ferngeblieben, weil seine Resolution, betreffend die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, in der vorberatbenden Commission ab gelehnt war, und über das Verhältniß zur Freisinnigen VolkSpartei zankten sich die Parteileitung und die Partei genossen auö Bayern. Zum Fricdensmanifest des Aaren beginnen die einzelnen Regierungen jetzt Stellung zu nehmen. Gestern hat, wie wir mittheilten, der ungarische Ministerpräsident Baron Banffy im Abgeordnetenhause die „edle Initiative" deS Kaisers von Rußland nach magyarischer Art in begeisterten Worten begrüßt und in Aussicht gestellt, daß die ungarische Regierung sie auf daS Energischste unterstützen werde. Der Nach druck in der Banffy'schen Dithyrambe dürfte aber doch wohl auf den letzten Worten seiner Rede liegen, er kenne und schätze nicht gering die Schwierigkeiten, die der praktischen Verwirklichung der „großen Idee" im Wege stünden. Wenn Banffy mittheilte, der russische Vorschlag sei bei sämmtlichen Regierungen sympathischer Aufnahme be gegnet, so trifft dies cum grano 8kli8 zunächst auf die italienische Regierung zu. Wie unS aus Nom berichtet wird, veröffentlicht die „Italic" den Wortlaut der Ant wort Italien- auf den Vorschlag des Zaren. Dieselbe lautet: „Die Regierung des Königs hat die Note des Greisen Murawiciv zum Gegenstände eines aufmerksamen Studiums gemacht. Noch bevor wir uns damit befaßten, haben wir uns gleich im ersten Augenblick verpflichtet gefühlt, die aufrichtigsten Wünsche für das Gelingen des großartigen Werkes auszudrücken, welches der Kaiser unter seinen Schutz genommen hat, ebenso wie die Gefühle: rhrfurchsvollcr Sympathie, mit welchen wir seinen Schritt begrüßt habeiL Jetzt ist unsere Prüfung zum Abschluß gekommen. Da- Problem, das der Kaiser dem Areopag der Mächte unterbreitet, ist sicherlich nicht ohne Schwierigkeiten. Ganz abgesehen von der Frage der Rüstungen, kann man sich noch mehr solcher Fragen vorstell.ni, über die die verschiedenen Auffassungen nicht genügend zusammcnfallcn würden, und die, zur Erörterung gestellt, im Schoße der vorgeschlagencn Conferenz selbst einen Meinungsstreit schärfer zum Ausdruck bringen könnten, dessen mögliche Folgen uns nicht ohne beständige Sorge lassen würde». Aber diese Schwierig keiten haben in unseren Augen durchaus nichts Unentwirrbares, es genügt, daß man auS Lein Plane der Zusammenkunft alles das eliminirt, was nicht uothwendig zn dem Friedenswerk gehört, das wir verfolgen, oder was den Erfolg desselben beeinträchtigen könnte, es genügt, daß inan ans Len verwickelten Fragen, die sich nicht als Erforderniß des Augenblickes ausdrüugen, die ein fache klare Idee herausnehme, für die der wichtige Herrscher sich begeisterte und hinsichtlich deren zwischen den Kabinetten Ueber- einstimmung sicherlich im Bereiche der Möglichkeit liegt, sobald diese ihre Entscheidung aus dem Bewußtsein ihrer Verantwortlichkeit selbst schöpfen. Es genügt mit einem Worte, daß eia Programm, einsicht-' voll entworsru, klar abgefaßt, die Erörterungen ans dem Gebiete der Versöhnung und wechselseitigen Beschwich tigung erhalte. ES gebührt natürlich der kaiserlichen Kanzlei, dieses Programm zu sormulire». Wir haben schon jetzt das volle Vertrauen, daß es ein solches sein wird, wie wir es wünschen, und wir haben nicht »ülhig, eS abznmarten, um gegenüber dem Vor schläge, mit dem wir befaßt sind, einen formellen Beschluß zu fassen. Ich bitte Sie deshalb, heute dem Grasen Mnrawiew mitzutheilen, daß die Regierung des Königs es annimmt, an der Conferenz theilznnehmen, zu der uns die Regierung des Kaisers einladet, und wir sind bereit, mit allen unseren Kräften zu einem glücklichen Ende Les Unternehmens beizutragen." Die Note ist von dem Minister des Aeußeren Canevaro unterzeichnet, vom 15. d. M. datirt und an den italienischen Botschafter in Petersburg gerichtet. Auch in dieser Antwort, die weil nüchterner ist, als daS Loblied deS ungarischen Chef- ministerS, werden die Schranken, welche sich dem Ideenflug deS Zaren entgegemhürmen, nachdrücklich betont, ja sie werden hier geflissentlich in den Vordergrund gestellt. Besonders zu beachten ist die Befürchtung der italienischen Re gierung — wiräußerten unS von vornherein in ähnlicher Weise — daß die Verhandlungen der FriedenSconferenz sehr leicht zu unheilbaren Differenzen der auf ihr vertretenen Mächte führen können. Die Frage der Rüstungen läßt die italienische Antwortnote, zweifellos weil sie überhaupt nicht discutirbar ist, ganz bei Seite und reservirt der Conferenz, alles übrige „eliminircnd", nur die Aufgabe, eine Instanz zu schaffen, welche berufen wäre, zu versöhnen und wechselseitig zu be schwichtigen, also etwa ein internationales SchiedS- und FriedenSgcricht. Das wäre ein sehr magerer und sehr pro blematischer Erfolg, der mit so großem Applomb in Scene gesetzten WcltfriedenSaction deS Zaren, welche vor Allem den Fenilletsn. Henny Hurrah! 23 j Roman von Ernst Clausen. Nachdruck vkrboten. So verbrachte er verstimmt und wortkarg den Abend mit Philipp König, der ihm von seinen Zukunftsplänen erzählte, welchen Axel nur mit halbem Ohre horchte. Ein am anderen Morgen ihm zugesandtes Billet von Henny, in welchem sie ihm mittheilte, daß sie aus Furcht, hier krank zu werden, schon mit dem Frühzuge abgcrerst sei, verstimmte ihn noch mehr. „Glück auf, Axel!" waren die letzten Worte — „meine Ge danken sind immer bei Dir!" — Er konnte einige Tage nicht arbeiten und mußte um die Er haltung der alten Spannkraft kämpfen. — * * * Es war am Tage der Cenienarfeier des hochseligen Kaisers Wilhelm. Die Stadt hatte geflaggt — Mittags war Paradeauf stellung des Regiments gewesen und die jungen Truppen hatten vor den anwesenden Veteranen des Jahres 1870 präsentirt. — Trüxen war aus Berlin gekommen, uni den Tag bei seinem alten Regiment zu verleben, mit dem festen Vorsatz, daß ihm Niemand den Agenten für eine Champagnerfabrik anmerken sollte. Der Oberst Trefsing hatte Uniform anlegen müssen, wo bei seine Frau bemerkte, daß seine gebeugte Gestalt gar nicht mehr in den Rock hineinpaßte. — Das eiserne Kreuz jedoch und die drei Kriegsmedaillen nebst anderen Orden rissen das Ganze heraus, wie der lange Graf zu einem Kameraden bemerkte, indem er hin zufügte: „Man schämt sich fast vor diesen Leuten, die mit der Faust am Säbel deutsche Geschichte geschrieben haben, und die eine so prachtvolle einseitige Lebensanschauung besitzen, von deren Rechtschaffenheit sich unsere heutige verpöbelte Generation gar keine Vorstellung mehr machen kann!"^ Nachmittags mußte der Oberst seine Uniform ausziehen, ehe sie Alle zu Henny gingen, weil Letztere den Kampfergeruch nicht ertragen konnte. — Es stand schlecht mit ihr, sehr schlecht! Sie lag schon seit Wochen matt und kraftlos da; nur einige Stunden am Tage ließ sie sich ins Wohnzimmer auf die Chaiselongue tragen. — Sie hatte gebeten, daß Alle kommen sollten, auch Uexhus, ehe sie zu der officiellen Feier gingen, welche die Stadt für alle Kreise arrangirt hatte. — Lotte war auch auf einig« Tage gekommen; Henny hatte es durchgesetzt, daß die Eltern derselben die Erlaub- niß gaben, Diakonissin zu werden. — Die Luft im Zimmer war beklemmend warm; Henny fror stets und draußen war cs sehr kalt. — Die Gespräche wurden unwillkürlich in leisem Tone geführt, und hin und wieder nur richtet« Henny eine kaum hörbare Frage an den Einen oder den Anderen. — Der Vater saß lange neben ihr und hielt ihre kühlen, mageren Finger in seiner breiten Hand. — Er machte sich keine Illusionen mehr über ihren Zustand, und war kürzlich auf den Friedhof ge gangen, um mit gebrochenem Herzen den Platz für ein Familienbegräbniß auszusuchcn. Seit er damals den Schwindel anfall gehabt, fürchtete er, es könne einmal plötzlich mit ihm zu Ende sein. — Es lag noch Schnee über den Grabhügeln, und dem alten Soldaten, der bei Sonnenschein und Winterkälte an manchem Soldatengrab gestanden hatte, lief ein Frösteln den Rücken her unter, als der Todtengräber mit einer Stange so und so viel Quadratmeter ausrechnete. „Henny, soll ich nicht bei Dir bleiben heute Abend?" fragte er. „Nein, Vater! Lotte ist ja hier, und ich fühle mich Wohler als in letzter Zeit. — Du darfst nicht fehlen heute, Vater; bist Du doch der Aelteste aus jener großen Zeit!" „Ja, ja, es war eine große und eine schöne Zeit!" Der alte Herr nickte mit dem Kopfe — „es ist anders geworden in Deutsch land, ganz anders, als wir Alten dachten. Damals fühlten Alle in einer Sache das Gleiche, und heute denken Alle verschieden, ohne etwas zu fühlen. Wir haben unS auch verändert, Ihr Jungen wenigstens." — „Laß gut sein, Vating! Es steckt doch ein guter Kern darin! Wir rangiren nur noch! Uexhus!" sagte sie dann, sich nach diesem umblickend. — Er kam langsam heran, unwillkürlich auf den Zehen gehend und so noch länger und hagerer erscheinend als sonst. Es war in seinen Bewegungen etwas von den Allüren eines alten Renn pferdes, welches keine sachgemäße Verwendung gefunden hatte und vor der Zeit steif und mißmuthig geworden war. — „Vetter", flüsterte sie leise, so daß es kein Anderer hören konnte, „Dora König!" „Laß nur, Henny, ich weiß! — Es ist Alles gut! Ich habe neulich eine kleine Studie von ihr durch einen Anderen aufkaufen lassen; so hast Du Deinen Willen und ich meine Freude!" Da nickte sie lächelnd, dankbar mit dem Kopfe. — „Hilf mir nur, daß Alle zu dem Fest gehen, hörst Du? Ich brauche absolut Ruhe heute Abend." Und dabei fühlte sie mit der Hand unter die Kiffen, die man ihr unter den Rücken geschoben hatte. Es knisterte dort unter ihren Fingerspitzen, Axel's Telegramm: „Bin heute Abend acht Uhr bei Dir! Alle Bewerber geschlagen, Hurrah!" Sie gab Allen die Hand, zuletzt dem Schwager Trüxen. „Ernst, stelle Deine Kinder auf einen Boden, auf dem sie gedeihen können." „Ja, das hilft nun nichts, Henny! Der Aelteste will durch aus Soldat werden, und man hat die Erziehung im Cavetten- haus fast umsonst." „Thu's nicht, Ernst, bitte, nicht!" Er war gutmüthig und sagte: „Na ja, es hat ja noch Zeit! Der Junge ist recht zart! Wer weiß — ich will es noch überlegen." — Lotte blieb allein bei ihr. Es war dunkel geworden, aber Henny bat, noch keine Lampe zu bringen. Der Schein der Gas flammen von der Straße verbreitete eine schwache Dämmerung, in welcher das weiße Linnen um Lotte's schmales Gesicht doppelt hell leuchtete. — Henny lag ganz still. Ihr vergangenes Leben ging noch einmal an ihr vorüber; sie dachte an die Scene damals nach Onkel Sternfeld's Beerdigung und an die Macht der Opfer und Pflichten, von denen si« und Axel damals be ¬ herrscht worden waren. Sie hatten Beide nicht den richtigen Weg gefunden, — sic dachten Beide, gewisse ererbte und anerzogenc Gemüthswerthe und sogenannte Borurtheile einfach bei Seite schieben zu können, und hätten beinahe an dieser Aufgabe ihre jungen Kräfte ganz verbraucht. — Ein unverständiges, halbes Kind war sie damals gewesen und als solches hatte sie geirrt und gehandelt. Sie brauchte sich keine Vorwürfe zu machen, in jener Zeit nicht mehr Muth gehabt zu haben; sic hatte wenigstens ihre Pflicht ganz gethan. Was ihr Mann von ihr erwarten konnte, hatte sie gegeben. Ihre Mutter! Nein, sie wollte nicht daran denken. — Die Angst vor der täglichen Noth hatte wohl die Mutteraugen ge trübt! Und jetzt wußte die Tochter auch, daß die ehemalige Comtesse Uexhus selbst bei der Eheschließung nur der Vernunft gehorcht hatte, und das demoralisirt jede Frau. „Henny, soll ich nicht die Lampe anzünden?" fragte Lotte. „Wie viel Uhr ist es?" „Ein Viertel nach Sieben." „Nein, Lotte; wir warten noch etwas damit; mir thut das Halbdunkel wohl! Gieb mir Deine Hand!" „War es nicht Unrecht, Henn», Axel jede genauere Nachricht über Deinen Zustand vorzuenthalten? Der Arme, wenn er nun heute Abend kommt!" Es war eine Weile ganz still, dann sagte Henny: „Nein, Lotte, mir scheint es besser so. — Ihn würde eS doch vielleicht gelähmt haben, und dann ich glaube doch, solch' ein Mann und Künstler, der vor einer großen Aufgabe steht, überwindet das leichter, als wir Frauen glauben." „Hältst Du ihn für so herzlos?" „Nein, das nicht! Im Gcgcntheil! Aber ein Mann, der in voller Kraft steht, empfindet doch anders, als die meisten Frauen glauben und wissen. — Wir lieben, wenn es uns packt, jede Stunde, jede Secunde mit derselben Leidenschaft; der Mann fühlt doch nur eine große, eine großmüthige Zärtlichkeit; und für uns Frauen ist es gut und ein schönes Gefühl, zu sehen, daß der Mann, den wir lieben, sich neben uns auslebt mit voller Kraft und daß wir das aus nächster Nähe mit erleben dürfen und er die weiche Seite seines Wesens uns giebt! So,
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