Mitteilungen über die Verhandlungen des Ordentlichen Landtags im Königreiche Sachsen / 2. Kammer

(Abgeordneter Sindermann.) (^) der Amtshauptmannschaft Zwickau als auch die der Amts hauptmannschaft Schwarzenberg. Und zwar bestimmen uns vorzugsweise politische Gründe dazu. Der Herr- Minister des Innern Vitzthum v. Eckstädt war vor zwei und vier Jahren so liebenswürdig, uns zu erklären, eine Nadelstichpolitik solle in Sachsen nicht mehr stattfinden. Wir glaubten ihm damals, wir glaubten, er habe soviel Einfluß und soviel Gewalt über die Amtshauptleute, um diese Nadelstichpolitik abschaffen zu können, schon aus dem Grunde, weil er erfahren hatte, daß erwiesenermaßen in Sachsen die Nadelstichpolitik den bürgerlichen Parteien gar nichts genützt hat, sondern im wesentlichen uns zugute gekommen ist. (Abgeordneter vr. Spieß: Seien Sie doch froh!) Wenn sie uns zugute gekommen ist, so müssen wir trotz dem aus Gerechtigkeitsgründen gegen jedes Unrecht stimmen und auftreten. (Heiterkeit.) Hauptsächlich in den letzten zwei Jahren haben wir auf diesem Gebiete die allerunangenehmsten Erfahrungen gemacht. Man hat dem Vereinsrechte, wie es im deut schen Reiche eingeführt worden ist, in einzelnen Amts hauptmannschaften geradezu Gewalt angetan. Man hat nach dem Grundsätze gehandelt: Im Auslegen nur M sei frisch und munter, legst du' nicht aus, dann leg' was unter. Wir haben über Verfolgungen zu klagen, wie es nirgends anders mehr der Fall ist. Bei der Besprechung über die Interpellation, die wir eingereicht haben, wird noch genügend Material zutage gefördert werden, um der Königlichen Staatsregierung unsere Gründe noch anschaulicher zu demonstrieren. Für heute begnüge ich mich damit, festzustellen, daß die politische Verfolgung unserer Partei durch die Amtshauptmannschaften uns herzlich wenig geschadet hat. Wenn man aber dazu übergeht, die Ge werkschaftsbewegung unter das Vereinsgesetz zu stellen, Zahlstellen von Gewerkschaften, Mitgliederversammlungen einfach mit der Überwachung zu beglücken, wenn die Amtshauptleute dazu Zeit haben, in die Ar beitergesang- und Turnvereine hineinzuleuchten, ob nicht irgendwie doch etwas wie „Politik" getrieben wird, wenn man Zeit hat, sich bei den Gastwirten zu erkun digen, welche Vereine in ihren Lokalen verkehren, und die Gastwirte einzuschüchtern, ihre Lokalitäten nicht mehr herzugeben, wenn man gegenüber den Arbeitersport vereinen, den Jugendvereinen das Verbot der Konfir mandenfeiern mit gütiger Unterstützung der Amtshaupt mannschaften auf das eifrigste betrieben hat, dann stellen wir uns auf den Standpunkt, solange die Amtshaupt leute in Sachsen etwas Derartiges tun, so lange müssen M sie auch für ihre Amtsgeschäfte soviel Zeit finden, daß eine Teilung der Amtshauptmannschaften sich als über flüssig erweisen muß. (Zuruf: Das gehört zu den Amtsgeschäften!) Das ist nicht wahr! Wir verlangen von jedem Hand werker, wenn er irgend etwas anfertigt, daß er kein Pfuschwerk macht, sonst wird es ihm zur Verfügung ge stellt. Aber die Schädigungen, denen hier ganz besonders die Arbeitervereine in den letzten zwei Jahren ausgesetzt worden sind, können nicht wieder gutgemacht werden. Man müßte deshalb auch die Amtshauptleute für den Schaden haftbar machen, genau so, wie jeder Handwerker für seine Produkte und Waren, die er liefert, haftbar gemacht wird. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, können wir jetzt nicht einsehen, daß die Teilung einer Amtshauptmannschaft irgendwie notwendig wäre, solange die Amtshauptleute Zeit haben, sich um Sachen zu kümmern, die sie rein praktisch betrachtet, gar nichts an gehen sollten. Weiter möchte ich noch ein Wort darüber verlieren, daß im wesentlichen der ganze Kampf gegen die Arbeiter bewegung durch die konservative Politik betrieben wird, und daß die Amtshauptleute im großen und ganzen, das kann man wohl aussprechen, als Vertrauensleute g)) des konservativen Apparates betrachtet werden können. (Heiterkeit rechts.) Wir haben gar keine Veranlassung, diesen Apparat noch zu vermehren, ein Instrument, das sich gegen die Ar beiterbewegung richtet, noch durch Hinzuziehung neuer höherer Stellen extra zu unterstützen. Lassen Sie mich noch ein Wort verlieren über das Be streben hauptsächlich der mittleren Städte. Um irgend eine behördliche Stelle zu bekommen, bieten einzelne Mittelstädte geradezu wahnsinnige Summen an. Wohin soll das auf die Dauer führen? Die schwerste finanzielle Schädigung der betreffenden Gemeinden geht damit Hand in Hand. Diejenigen kleinen Städte, die diese hohen Summen zur Errichtung neuer Paläste usw. nicht bieten können, gehen regelmäßig leer aus. Ich meine, der Landtag muß auf das energischste dagegen Front machen, daß die Verwaltungen der mittleren Städte solche wahnsinnig hohen Summen uns hier zur Verfügung stellen, nur um einen behördlichen Apparat dafür zu be kommen. Einzelne Städte gehen so weit, daß sie sich genau erkundigen: Welche Beamte werden durch die Tei lung dahin kommen, sind die Beamten verheiratet oder sind sie noch ledig? Ich meine, an den verheirateten Beamten haben selbstverständlich die Geschäftsleute ein