Volltext Seite (XML)
II. K. 62. Sitzung, (Berichterstatter Abgeordneter Singer.) M Noch im Dezember war der Deputation vom Königlichen Finanzministerium eine längere Erklärung zugegangen. Aus ihr ist auch das entnommen, was ich von der Stadtverwaltung Riesa berichtet habe. In derselben Er klärung gibt die Königliche Staatsregierung kund, daß es Grundsatz sei, in allen solchen Fällen den Beamten und Angestellten die Wahl des Wohnsitzes selbst und damit auch die Wahl der Ortsklasse für ihre Beihilfenbezüge zu überlassen. Diese gewiß liberale Auslegung des Ge setzes kommt aber ausschließlich den Orten mit einer höheren Ortsklassenziffer zugute und entvölkert und ent kräftet die in der Nähe von Städten gelegenen Land gemeinden auf das bedenklichste; sie wird dadurch zur Staatswirtschaftsfrage, denn sie fördert das Einver leibungsverlangen von ländlichen Gemeinden. In der bezeichneten Erklärung weist die Königliche Staatsregierung darauf hin, daß eine Berücksichtigung der Wünsche der Petenten für den Staat einen finanziellen Ausfall von jährlich 9540 M. bedeutet. Dieser Ausfall wird aber nur ein vermeintlicher fein, denn bei der in Übung befindlichen Freizügigkeit wird er nach Jahr und Tag verschwinden. Der Staat kann also für die Finanzen nichts gewinnen, die Gemeinden aber müssen verlieren. Diese Tatsache erschien der Deputation ausschlaggebend, und da die Berücksichtigung der Petenten wünsche keine Gesetzesänderung erfordert, sondern es nur der entsprechenden Auslegung bedarf, so einigte sie sich zu dem einstimmigen Beschlusse, die Petition der Königlichen Staatsregierung zur Erwägung zu geben, und zwar in dem Sinne, zutage tretende Härten und Ungleichmäßig keiten zu beseitigen und die Ansuchenden nach Möglich keit zusagend zu bescheiden. Sobald die Königliche Staatsregierung sich zum Grundsätze macht, größere, be sonders städtische Bahnhofs- und Hafenanlagen als Ein heit gelten zu lassen, ohne Rücksicht darauf, ob sich die Anlagen in andere Ortsgebiete hinausschieben, und wenn die Regierung dann alle an solchen Anlagen beschäftigten Angestellten und Beamten in ein e Ortsklasse nimmt, sind alle Mißhelligkeiten und Ursachen zu Beschwerden und Petitionen mit einem Schlage beseitigt. Es werden sich dann Stadt- und Landgemeinden im freien Spiele der Kräfte bemühen, den Angestellten und Beamten als Ein wohner zu gewinnen und zu halten, und das kann unserer Beamtenschaft nur zum Nutzen sein. Entsteht hier und da einem Beamten ein kleiner pekuniärer Vorteil, so sei er ihm gegönnt. Ich bitte Sie also, meine Herren, auch hier dem Votum der Beschwerde- und Petitionsdepntation beizu stimmen. am 16. März 1914 1977 Präsident: Das Wort hat der Herr Geheime Finanzrat vr. Otto. Geheimer Fittanzrat Du. Otto: Meine sehr geehrten Herren! In den vorliegenden Gesuchen handelt es sich überall um denselben Fall, daß sich ein Bahnhof auf mehrere Ortsfluren erstreckt und diese Ortsfluren verschiedenen Ortsklassen im Sinne des Wohnungsgeld zuschußgesetzes angehören. Diese Verhältnisse liegen im Königreiche Sachsen bei den Bahnhöfen Riesa, Oschatz, Engelsdorf und Döbeln vor. Von Döbeln ist kein Gesuch eingegangen, hingegen sind, wie der Herr Referent dargelegt hat, Gesuche von Interessenten aus Riesa, Oschatz und Engelsdorf eingereicht worden. Da nun die auf diesen Bahnhöfen stationierten Beamten auf mehreren Ortsfluren tätig sind, so entsteht selbstverständlich der Zweifel, in welcher Ortsflur sie als stationiert zu gelten haben. Das Gesetz gibt auf diese Frage keine unmittel bare Antwort, also muß die Verwaltung mit einer Ent scheidung eingreifen. Meine Herren! Ich möchte, um Ihnen die Verhält nisse ktarzulegen, zur Vereinfachung der Darstellung meine Besprechung auf den Bahnhof Riesa konzentrieren. Die Schlußfolgerungen, die ich zu ziehen habe, gelten dann auch für die übrigen in Frage kommenden Bahnhöfe. Riesa liegt zum kleineren Teile auf der Flur Riesa und zum größeren Teile auf der Flur Gröba; Riesa ge-'D) hört der Ik. und Gröba der III. Ortsklasse an. Nun sind drei Möglichkeiten der Entscheidung vorhanden, die sämtlich mit dem Gesetze durchaus vereinbar sind. Man könnte zunächst daran denken, alle Beamten, die auf dem Bahn hofe Riesa beschäftigt sind, durchgängig der Ortsflur Gröba zuzuweisen. Sie würden dann sämtlich den Wohnungsgeldznschuß der III. Ortsklasse erhalten. Das würde aber nicht der Billigkeit entsprechen, weil nach den örtlichen Verhältnissen selbstverständlich stets eine größere Anzahl Beamte in Riesa wohnen wird und man ihnen nicht zumuten kann, dort unter Bezug des niedri geren Wohnungsgeldzuschusses Wohnung zu nehmen. Man wird also auf diese Lösung nicht zukommen. Die zweite Möglichkeit wäre die, daß man den um gekehrten Weg einschlägt, daß man entscheidet: alle Be amten des Bahnhofes Riesa werden der II. Ortsklasse zugewiesen. Für eine so weitgehende Maßnahme liegt aber eben ein Bedürfnis nicht vor, weil nachgewiesener maßen eine größere Anzahl Beamte in den umliegenden Dörfern wohnt und keinerlei Anlaß vorliegt, diesen Be amten den höheren Wohnungsgeldzuschuß der II. Orts klasse zuzubilligen. Nun komme ich zu der dritten Möglichkeit, die darin besteht, daß der tatsächliche Wohnort der Beamten als 296*