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Leipziger jüdische Wochenschau : 13.11.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id391878840-193111130
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id391878840-19311113
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-391878840-19311113
- Sammlungen
- Historische Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger jüdische Wochenschau
- Jahr1931
- Monat1931-11
- Tag1931-11-13
- Monat1931-11
- Jahr1931
- Titel
- Leipziger jüdische Wochenschau : 13.11.1931
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20. 1 OJU 11-L. Leipzig, den 13. Nov. 4. Jahrgang Nr. 34 Zit Die „Leipziger Jüdische Wochenschau“ erscheint am Freitag Redaktiohsschjuß:. Dienstag mittag 12 Uhr Anzeigenschluß: Mittwoch mittag 12 Uhr Die Katastrophe der Dr. Bernhard Kahn, der europäische Direktor des Ame rican Joint Distribution Committee und Mitglied der Exekutive der Jewish Agency, ist in diesen Tagen aus Berlin in New York eingetroffen. In einem Gespräch mit einem Vertre ter der. Jüdischen Telegraphen-Agentur erklärte Dr. Kahn, peim (Besuch in den .Vereinigten Staaten habe den beson deren' Zweck, die amerikanisch-jüdischen Führer darüber zu informieren, daß die Judenheit in Osteuropa von einer schwe ren wirtschaftlichen Katastrophe bedroht ist, die, wenn nicht rechtzeitig Ililfe kommt, auf die Weltjudenheit übergredfen müsse. Die Juden Osteuropas, fuhr Dr. Kahn fort, haben Ver ständnis für die Lage in, Amerika und erwarten nicht, daß die amerikanischen Juden ihnen die gleichen hohen Beträge wief in den früheren Jahren zuwenden, aber sie erwarten, daß die amerikanische Judenheit sie in ihrer Not nicht ganz vergißt. Die Leistungen des Joint Distribution Committee für Osteuropa haben sich in den letzten Jahren wesentlich verringert. Aber die Verhältnisse in Europa haben sich in einer Weise verschlechtert, daß die europäischen Juden schon zufrieden sein würden, wenn es bei den verringerten Leistun gen) aus Amerika sein Bewenden haben würde. In den Jahren i923 bis 1927 hat Joint jährlich etwa drei bis vier Millionen Dollar für Hilfe an die notleidende osteuropäische Judenheit aufgewendet. Im verflossenen Jahr hat der Joint nur etwas mehr als 600 000 Dollar für Europa, Rußland nicht eingerechnet, aufgebracht. Von dieser Summe wurden 300 000 Dollar in Polen verwendet. Rechnet man die Summen hinzu, die die Joint-Ica-Foundation und der Agro-Joint aufgewendet hatten, so betrug die letzte Jahresleistung der amerikanischen Juden heit im ganzen 1600 000 Dollar. Die ostpreußische Juden heit, deren Lage sich gegenüber 1923/27 weit kritischer ge staltet hat, möchte wenigstens der weiteren Unterstützung in der Höhe des vergangenen Jahres versichert sein. Die Juden in den osteuropäischen Ländern haben inzwischen gelernt, sich selbst zu helfen. Sie leisten Uebermenschliches, um ihre Institutionen aufrechtzuerhalten, aber ohne eine, wenn auch bescheidene Hilfe, sind ihre Anstrengungen zum Scheitern verurteilt. Hören die Leistungen aus Amerika auf, so werden die mit der Hilfe und den Mitteln des American Joint Distri bution Committee errichteten lebenswichtigen Institutionen sicher zusammenbrechen. Dr. Bernhard Kahn gab einen Ueberblick über die Lage der Juden in den verschiedenen Ländern und führte aus, in wirtschaftlicher Hinsicht sei die Lage der Juden in Polen am kritischsten; dort ist die Stimmung eine direkt verzwei felte. Nicht viel besser ist die Lage der Juden in Bessara- bieän und in Karpathorußland 1 , wo große Teile der jüdischen Bevölkerung tatsächlich am Verhungern sind. In Rußland hat sich die Lage der Juden insofern ge bessert, als die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung in die Industriefront eingereiht wurde. Mag am sich das Leben ini Rußland hart seiir. so haben doch die Juden dort die gleichen Möglichkeiten wie alle. Die junge jüdische Gene- ration arbeitet in den Fabriken, es gibt heute in Rußland nur noch wenig „Deklassierte“. Auf die Lage in Palästina zu sprechen kommend, stellte Dr. Bernhard Kahn fest, daß die Weltkrise das Land Palästina nicht in dem gleichen Maße erfaßt hat, wie andere Länder. Das jüdische Aufbauwerk- in Palästina aber leidet sehr stark darunter, daß die Jewish Agency mit großen finan ziellen .Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die Jewish Agency ist infolge dieser Schwierigkeiten nicht in der Lage, ihr Werk in Palästina in dem geplanten .Umfang fortzuführen. 1 Ich’ bin hierher gekommen, schloß Br. Bernhard Kahn, uml den Führern der amerikanischen Judenheit. die Lage der Juden - in Europa, wie sie heute ist, darzulegen. Wohl .weiß, ich' daß die wirtschaftliche Lago auch hier in Amerika .eine schlechte ist, ich glaube aber, daß die amerikanische Juden heit immer noch in der Lage ist, von der osteuropäischen Judenheit die große Katastrophe abzuwenden, die, wenn nicht sofort Hilfsmaßnahmen ergriffen werden, notwendig herem- brechen muß. Aus der Arbeit des Hilfsvereins der Deutschen Juden im Jahre 1931 EmigrantenhOfe, Waisen- und Studentenhilfe, Kinder» fürsorge, Ferienkolonien, sozial-hygienisches Hilfswerk, Schulwesen, Berufsberatung und Berufsausbildung, Hins- 1 akUonen bei Naturkatastrophen. Die Auswandererfürsorgearbeit stellt angesichts der kata strophalen Krise in- der ganzen Welt, den Hilfsverein vor besonders schwierige verantwortungsvolle Aufgaben. Schriftleitung und Geschäftsstelle: Leipzig C 1, Fregestr. 31, Tel. 10562 Anzeigenpreis: Berechnujig erfolgt nach Millimeter-Zeilen. " ' Es kostet die 6gespaltene 41 Millimeter breite. Zeile 15 Pfg. Bei Wiederholungen Rabatt Die Krise in den (Einwanderungsländern zwingt jüdische Männer und Frauen nach dem Heimatlande zurückzukehren; da jedoch die Lage dort sich inzwischen noch mehr verschlecht tert hat, nehmen sie aus Verzweiflung ihre Zuflucht zu- einer neuen Auswanderung, Die Zentrale des Hilfsvereins in Berlin, die Komitees in Hamburg und Bremen, die Vertrauensleute an den wichtig sten Grenzübergangsstellen haben ihr möglichstes getan, um unglücklichen Aus- und Rückwanderern ihr Weiterkommen zu erleichtern. Im - den ersten' neun Monaten des Jahres 1931 sind durch den Jüdischen Bahnhofsdienst am Schlesischen Bahnhof in Berlin, der vom Hilfsverein seit zehn Jahren geleitet wird, 14 268 Personen gegangen, darunter 6539 Männer, 4923 Frauen lumdj 2806 Kinder; über Neu-Bentschen gingen im gleichen Zeitraum 2945 Durchwanderer, über Hamburg rund 1800, über Bremen 1300. Die Fürsorgearbeit für einzelne Auswanderer erstreckt sich oft y.uf Wochen, ja Monate. Es sind Fälle vorgekommen, wo Auswanderer 40 bzw. 60 Tage in Hamburg betreut werden mußten, ehe sie ihre Ueberseereise' (Canada, Südamerika u. a.\ antreten kannten. Die Weiterbeförderung von Rückwanderern nach ihren Heimatländern war auch häufig mit großen Schwie rigkeiten verbunden, da Widerstände von Konsulaten der Rand staaten überwunden werden mußten. Besondere Aufmerksam keit wurde dem Schutz© der Auswanderer vor Ausbeutern ge widmet, die in Zeiten erschwerter 1 Auswanderungsmäglichkeiten in erhöhtem Maße Gelegenheit finden, Auswanderungswillige zd illegalen Schritten zu verleiten. So sind Mitglieder einer Bande in Hamburg verhaftet worden, die eine Anzahl von Menschen von Antwerpen nach Hamburg führten, um sie von" dort aus als blinde Passagiere auf den Weg zu bringen. Der Hilfsverein nahm sich der Opfer an. Vielfach mußte .von der Zentrale in Berlin und den Komitees in Hamburg und Bremen bei deutschen Behörden und ausländischen Vertre tungen in Deutschland und bei Verwandten, Organisationen und Behörden im Auslande interveniert werden. Mit den großen jüdischen Emigrations» und Immigrations gesellschaften in Europa, Amerika und den anderen Welt teilen steht der Hilfsverein bezüglich aller Fragen, die Aus- und Einwanderung betreffen, wie im Interesse einzelner Emi granten in dauernder enger Verbindung.!Auf Veranlassung von jüdischen Vereinigungen im Auslande wurden u. a. Visen für Personen besorgt, die nach China oder der U. S. S. R. gingen. In den neun Monaten des Jahres 1931 sind für Auswanderer fürsorge -66 018 Mk. aufgewendet worden, mit den Aufwen dungen des Jahres 1930 169 785.50 Mk. Das Waisenhilfswerk und die Unterstützungen notlei dender jüdischer Studierenden in Deutschland erforderten 16 849 Mk., mit den Aufwendungen des Jahres 1930 46 579,25 Mark. Außerhalb Deutschlands wurde die Arbeit des Hilfsvereins mit erhöhter Intensität fortgesetzt. In Litauen er streckte sie sich auf die Kinderfürsorge. Im Frühjahr 1931 fand) die Grundsteinlegung des Kinderhauses in Kowno statt, für das vom Hilfsverein im ganzen 22 000 Mk. aufgebracht wurden. An Stelle des alten durch Brand stark beschädigten Heinis mußte ein neuer Bau errichtet werden. Das Kinder haus wird nach Fertigstellung eine zentrale Stelle für _ die jüdische Kinderfürsorge in Litauen, namentlich für verwaiste, verlassene und ausgesetzte Kinder sein. Es wird nach den Plänen und unter der Oberaufsicht eines deutschjüdischen Architekten, der auf Anregung des Hilfsvereins hinzugezogen wurde, gebaut. In’ P o 1 e n ist ein Werk von großer sozialer Bedeutung in Angriff genommen worden, des dem Hilfsverein wärmste Sympathie .in! allen Kreisen der Bevölkerung erworben hat. Ed wurden zu den 30 000 Mk., die im vorigen Jahre bereits bewilligt wurden, weitere 20000 Mk. gewährt, um fünf Fe rienkolonien für Kinder der ärmsten Schichten der Bevölkerung zu errichten. Es wurden zum .Teil fertige Häuser, die der Re novierung und Neueinrichtung bedurften, gekauft bzw. Terrains erworben, auf denen 1 neue Bauten errichtet werden. Die Ko lonien liegen in der Nähe von Grodno, Pinsk, Warschau und Stanislau. Die Arbeit vollzieht sich in Kontakt mit der Zentralen jüdischen Waisenverwaltung in Polen. Ferner wur den! für verschiedene Schulen, Waisenanstalten und Sana torien in Polen 6900 Mk. bewilligt. f In Rumänien wurden für die zentrale Berufsberatungs stelle in Bukarest Geldmittel sowie Maschinen und Instrumente, die aus Deutschland gesandt wurden, zur Verfügung gestellt. Sie hat eine sehr wichtige Mission bei der Berufsumschichtung ■der jüdischen Bevölkerung zu erfüllen. Zehn Anstalten in Rumänien — Gewerbeschulen, ein Mädchenheim, die jüdische Volksuniversität und Elementarschulen in Bukarest, Galafz, Jassy und Kischinew wurden finanziell unterstützt. Für das Kultur werk in Rumänien wurden für das Schuljahr 1930/31 rund 18 000 Mk. verwendet. Katharinenstraße 8 Tel. 1836g Kurze Straße 3-5 Tel, 19146 aller Art für Wohnungen und Geschäftshäuser Reklameplakate für jeden Zweck in Gummi und Metall Die Aktion des Hilfsvereins für den Ausbau eines hy* gienisch-sanitären Apparates in den neu gegründeten Kolo nien in Rußland ist zu .einem Abschluß gebracht worden. Drei Polikliniken wurden aus den Mitteln des Hilfsvereins erbaut un,d mit chirurgischen Instrumenten und Medikamenten, die in Deutschland besorgt wurden, versehen. Die Anstalten funktionieren zum Segen einer großen jüdi schere ländlichen Bevölkerung von insgesamt etwa 15 000 Fa milien. Im ganzen wurden 80 000 Alk. für dieses Hilfswerk! in! anderthalb Jahren verwendet. Außer dieser vielgestaltigen konstruktiven Arbeit ist auch in akuten Notfällen Hilfe geleistet worden. So wurden zur Linderung der Not den von einer Wasserkatastronhe nörd lich von Wilna betroffenen jüdischen Gemeinden 4000 Mk» sowie des durch! einen Brand zerstörten alten jüdischen Ge meindewesens in Plungiany in Litauen 2400 Mk. überwiesen. Auls den Zinsen der Haffkine-Stiftung für Jeschiwas, deren, Verwendung dem Hilfsverein obliegt, wurden in den vergange neren Monaten etwa 40 000 Mk. verausgabt: 19 200 Mk. für kranke, erholungsbedürftige Jeschiwazöglinge in den verschiede nere Ländern des Ostens, in Polen, Litauen, Rumänien und der Tschechoslowakei; 15 0CI0 Mk. für den Bau von Lehrhäusern! und Internaten bzw. Instandsetzung von alten Baulichkeiten; 5000 Mk. für die Ueberführung einer größeren Zahl von Zög lingen aus polnischen Städten nach Dünaburg (Lettland). Zur Begründung einer zentralen Ferienkolonie Ln Polen sind Gelder zurückgestellt worden. Alles in allem hat der .Hilfsverein auch in diesem schweren Krisenjahr auf verschiedenen Gebieten wertvolle soziale Arbeit leisten können. Es wird in noch höherem Maße Not gelindert ■und die Entwicklung der Jugend, die unter furchtbaren wirt schaftlichen Verhältnissen so schwer zu leiden hat, wesent lich gefördert werden können, wenn die deutschen Juden auch fernerhin den Hilfsverein mit allen Kräften unterstützen. Aus dem jüdischen Leben Wiens Aus Wien schreibt man uns,: Die nationalsozialistische Propaganda wird nun auch in Oesterreich stärker, sie konzentriert sich jedoch nicht so sehr a'uf unsere Stadt, als auf die österreichischen Bundesländer, wo ja seit jeher der »Antisemitismus stets auf starken Zu spruch rechnen konnte. Der mißglückte Septemberputsch der Heimwehr soll heuer oder im kommenden Frühjahr wieder holt werden. Man hält überall Versammlungen ab, in denen die Dorfgenossen zahlreich anwesend sind, ihrem Unmut über; die schlechte Wirtschaftslage Ausdruck verleihen und über Mit tel nachsinnen, wie dem anders werden könnte. In dieselt 1 Beratungen, die sich natürlich nie über das Niveau von Volks* schülem emporheben, hat man eine neue Forderung aufge- stellt, die in den nationalen Blättern Oesterreichs viel erörtert wird und zwar die nach einem Gastrecht für Fremd rassige. Dieses Gastrecht soll natürlich so wenig wie nur möglich gastfreundlich sein, die Juden sollen konsknbiert, von den Aemtern ausgeschlossen, das Wahlrecht verlieren, weder- Arzt noch Rechtsanwalt mehr sein dürfen. Gegenüber dem 1 nationalsozialistischen Programm von vor zwei Jahren, als alle Juden kurzerhand ausgewiesen werden sollten, immer hin' ein kleiner Fortschritt. Bedauerlicherweise wird der Wunsch nach Einführung mittelaltriger Zustände nicht So rasch. in' Erfüllung gehen, trotzdem seitens der kompetenten Stellen nicht viel getan wird, um diesen Unfug abzustellen. So hat Oktoberende der Rektor der Wiener Universität Vertretern de|r ; Wiener Külfusgemeinde kategorisch erklärt, antisemitische Hamf* !! :■: 3 .i 9’Jt*6U8AOlWÖ8e £091
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