XXIV. Eine vergessene Dichterin. Erst in unsern Tagen haben literarische Forschungen den Namen einer deutschen Dichterin wieder in Erinnerung gebracht, der einst im heiligen Römischen Reiche deutscher Nation und namentlich in Thüringen zu den bekanntesten gehörte. Freilich lebte die mit dem kaiserlichen Lorbeer ge krönte Poetin Sidonia Hedwig Zäunemannin, welcher die folgenden Mitteilungen gelten, in einer Zeit, wo das weib liche Element sich nur erst schüchtern und ganz vereinzelt aus der Stille des Hauses an die Öffentlichkeit wagte, dass es durchaus keiner genialen Begabung bedurfte, die ver wunderte Neugier und vielleicht auch lebhaften Beifall zu wecken. Ein vereinzeltes Blümchen hebt sich vom Wiesen spiegel viel bemerkbarer ab, als die stolzeste Blüthe unter vielen ihrer Schwestern und das Segelboot auf dem weiten Ocean fesselt das Auge in höherem Grade, als das Hoch bordschiff im mastenreichen Walde eines Hafens. Erst seit den Bestrebungen der Leipziger Dichtergruppe, welcher auch Klopstock angehörte, wurde das Ewigweib liche, wie zur Zeit der Minnesänger, wieder ein Lebens element unserer Literatur. Nicht nur, dass man demselben eine tiefgehende Einwirkung auf Herz und Dichtung des Mannes zugestand, man zog auch das schönere Geschlecht mehr und mehr in das erwachende Interesse für Poesie, ja man regte es zu eigenem dichterischen Schaffen an. Seit jener Zeit erst wuchs von Jahr zu Jahr sein Anteil an