Worten: Sie ist nicht „Modellfall einer Weltkultur“, sondern „Modellfair' einer pro blematisch gewordenen Klassenkultur, deren innerste geistige Situation von den subtilsten Seismographen, eben den Künstlern und Dichtern, exakt aufgezeigt wird. Sie ist zuletzt das, was Werner Haftmann zu Recht von Pollock sagt: die verzweifelte Choreographie ihrer eigenen Lebensspur. Trotzdem kann die Frage: „Wird die moderne Kunst gemanagt?“ doch mit Ja beant wortet werden, auch wenn unter moderner Kunst nur die abstrakte Kunst, und hier besonders ihre letzte Äußerung, der Taschismus oder Automatismus, die „Malerei des Gestus" oder die „informelle Kunst" gemeint ist. Denn das Managertum ist ebenso Teil dieser Kunst wie die Weltangst, es ist sogar wichtiger Gegenpol des Nichts als innerste Dialektik des spätbürgerlichen Menschen. Es ist als hektische „Betriebsamkeit an sich" ein Opiat gegen die Angst vor dem Nichts, die wiederum in dialektischer Notwendigkeit mit dieser Angst agiert, sogar agieren muß. (Auf einer ändern geistigen Ebene vollzog sich ein ähnlicher dialektischer Prozeß zu Zeiten Boschs und Höllenbrueghels oder der deutschen Spätgotik, ebenfalls anläß lich eines gewaltigen gesellschaftlichen Umbruchs; heute jedoch ist dieser Vorgang der religiösen Metaphysik entkleidet und daher direkter offensichtlich.) Wie symptomatisch ist doch die ewige Unrast vieler Kunsttheoretiker und Kunst kritiker, Kunstbeamten und Kunsthändler, sogar Künstler, wie bezeichnend ihre stete Besorgnis vor einem Zu-spät-kommen - die ständige Angst, den Anschluß an die Angst zu verpassen, ist charakteristisch für diesen seelischen Zustand und auch für viel Geschreibsel über die moderne Kunst. Es ist geradezu ein Managertum der Angst selber. Zudem ist es nicht nur ein Managertum geistiger Natur, sondern materieller Art: indem die abstrakte Kunst als Flucht aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit die tiefe Problematik dieser Wirklichkeit wohl anzeigt und bewußt macht, sie aber als Flucht aus ihr nicht ändert, höchstens zu verdrängen sucht, ist sie von nicht geringem Nutzen für all diejenigen, die an einer grundsätzlichen Änderung aus bestimmten, sehr ein deutigen Gründen kein Interesse haben. In diesem Sinne sind demnach nicht die Kunsthändler, nicht die Museumsleute und nicht die Kunsttheoretiker, die diese ab strakte Kunst als die moderne Kunst schlechthin vorstellen, Manager, sondern die ausschlaggebenden gesellschaftlichen Mächte, deren Ideologie sie kraft der immens starken Wechselwirkung von Sein und Bewußtsein verhaftet sind, wenn auch meist unbewußt dienlich sind - gleichgültig, ob es sich beim Kunsthändler um materielle Vorteile handelt, beim Kunstbeamten um berufliche Verpflichtung, beim Kunsttheo retiker um neue Aspekte des Begreifens. So kann ebenfalls in dieser Beziehung von einer „Freiheit der Kunst" nicht die Rede sein, und gerade das etwas überlaute Gerede von dieser Freiheit ist Symptom dafür, daß die Sache nicht stimmt. Es ist eine versteckte Unfreiheit, wie denn auch der „freie Künstler" vom kapitalistischen Marktgesetz von Nachfrage und Angebot mehr denn je abhängig ist, wobei die Nachfrage eben eng mit der herrschenden Ideo logie zusammenhängt, und die herrschende Ideologie der Gesellschaft die Ideologie der herrschenden Klasse ist - ebenfalls Binsenwahrheiten, gewiß, aber darum zu 16 wiederholen.