Zeichen und Anzeichen Günther Feuerstein I Was veranlaßt den Menschen, sich Werkzeuge zu machen? Es ist sicher lich immer das gleiche Anliegen: das Leben in seinen Funktionen einfacher, leichter, effizienter zu machen, sich be haupten zu können in einer oft un wirtlichen Umwelt. Hand oder Maschine Eines steht jedenfalls fest: Der Mensch sucht unermüdlich nach besseren, diffe renzierteren Werkzeugen und, sofern er sie gefunden hat, bedient er sich dieser Werkzeuge, will sie besitzen, verwenden, verfeinern, und er denkt nicht daran, auf die einmal erfundenen Werkzeuge zu verzichten und sich auf eine frühere Stufe der Entwicklung zurückzubegeben, wenn ihn nicht phy sische oder psychische Notwendigkeiten dazu veranlassen. Eine zweite These soll aufgestellt wer den: Das Werkzeug als solches ist niemals „böse", sondern nur die Art und Weise seiner Verwendung, aus genommen jene Werkzeuge, die eine ausschließlich „unmoralische" Verwen dung zulassen. Nicht die Maschine als solche ist böse, sondern der Mensch, der sie sinnlos, verantwortungslos, viel leicht sogar gegen sich selbst einsetzt. Der Wahn der Maschinenstürmerei gehört indes keineswegs der Vergan genheit an: Zertrümmerte man früher die mechanischen Webstühle, so glau ben viele auch heute noch, durch die Zerstörung der Maschine — und das Auto gehört mit dazu! — eine neue Humanität der Maschinenlosigkeit be schwören zu können. Die Angst des Menschen vor dem Aufstand der Roboter ist berechtigt, aber es ist eigentlich nicht die Angst vor der Maschine, vor einem Werk zeug, sondern es ist letztlich die Angst vor jenen, die über dieses Werkzeug verfügen. Wenn also letztlich der Mensch über die Maschine entscheiden kann, woher dann das immer wieder aufflammende Unbehagen gegenüber der Perfektionierung des Werkzeuges? Alles, was ohne Werkzeug geschaffen wird, nur mit der bloßen Hand oder mit dem Fuß, trägt ganz deutlich die Spuren dieses naiven Prozesses, ist durch bestimmte Dimensionen und Gestalten charakterisiert. Das bedeu tet, daß die Herstellung unmittelbar einsichtig ist, daß sie nachvollziehbar, vorstellbar ist, das bedeutet somit, daß wir eine ganz unmittelbare Be ziehung zu dieser handgemachten Um welt bekommen — eine Beziehung, die uns heute neuerdings ganz besonders fasziniert. Der Genauigkeit, der Präzi sion, der Perfektionierung unserer Hand sind sehr klare Grenzen gesetzt. Die Spur unserer Hand ist die Spur des Menschen schlechthin, sie weist seine einfachen Lebensformen auf. Bedienen wir uns primärer Werkzeuge, so ist damit schon ein wesentlicher 34