Es muß hier nicht erörtert werden, daß unsere Gebrauchsgrafik selbstver ständlich einen sozialistischen „Inhalt" hat, insofern notwendigerweise, da ihr eigentlicher Gegenstand der viel schichtige Kommunikationsgehalt ei ner sozialistischen Gesellschaft ist. Wir können heute ohne Einschrän kungen von einer sozialistischen Buch kultur in unserem Lande sprechen, an der Illustratoren, Typographen und Buchgestalter wesentlich mitgestaltet haben. Wir können auf Spitzenleistun gen im Bereich des Kulturplakates ver weisen, die natürlich Ergebnis und Ausdruck eines aktiven, lebendigen sozialistischen Kulturbegriffs sind. Die jahrzehntelangen, streitbaren Bemü hungen um eine künstlerisch überzeu gende politische Agitation haben ne ben manchem in Klischees Befange nem auch beispielhafte Lösungen her vorgebracht. Ein verdienstvolles Sy stem von Wettbewerben, Auszeichnun gen und Ausstellungen hat das künst lerische Niveau der genannten Berei che nachhaltig gefördert und propa giert. Dieser erfreulichen Erfolgsbilanz müssen jedoch weite Bereiche der Ge brauchsgrafik gegenübergestellt wer den, deren konzeptionslose Mittelmä ßigkeit uns zur täglichen Gewohnheit zu werden droht. Dazu gehört die gra fische Gestaltung unserer Massenme dien, dazu gehören Verpackungen in Kaufhallen ebenso wie in Geschäften höherer Preisstufen, dazu gehören die verschiedenen Formen der Handels werbung, die gebrauchsgrafischen An teile am Stadtbild, die Grafik auf Ge räten und Konsumgütern, schließlich gehört dazu die visuelle Identität von Kombinaten, Betrieben, kulturellen Einrichtungen und Massenorganisatio nen, also durchaus jene Bereiche, die in besonders entscheidender Weise die visuelle Kultur unseres Alltags be stimmen. Es ist die eigentümlich zähe Dauer- haftigkeit dieser Konstellation von Lei stung und Versagen, die uns irritieren müßte, handelt es sich doch um ein täglich neu veröffentlichtes Dilemma, das dennoch nicht ins öffentliche Be wußtsein zu dringen scheint, was frei lich noch nichts über die tatsächlichen Bedürfnisse sozialistischer Öffentlich keit aussagt. Die Kritik an diesen gestalterisch un terentwickelten Bereichen visueller Kommunikation reicht wenigstens zweieinhalb Jahrzehnte zurück. Daß sie so wirkungslos geblieben ist, läßt sich mit Sicherheit darauf zurückfüh ren, daß die Kritik sich fast ausschließ lich an die ästhetischen Phänomene hielt. Eine solche Haltung mag ja zu nächst auch ganz folgerichtig erschei nen, sind es doch zuallererst die gra- 12