REICHTUM UND ARMUT APHORISMEN UND MAXIMEN ZUR WIRTSCHAFTSORDNUNG VON Dr. WILHELM DEARNEBORG Die Seligpreisung der demütigen Armut ist kein Postulat für eine brauchbare Wirtschaftsordnung, sondern höchstens eine moralische Entschädigung für die einfältigen Frommen, deren Hoffnungen vom Jenseits leben, und ein Gewissenstrost für alle Satten, die genug und mehr haben. STÖRENDER REICHTUM Der Reichtum der einzelnen verringert und verlangsamt den Umsatz. Nur ein wohlhabendes Volk kann sich reiche Leute leisten. In einer verarmten Volkswirtschaft sind reiche Leute unerträglich. Sie machen die Armut drückender und vermehren sie. UMSATZ IST WIRTSCHAFTSLEBEN! Großer Reichtum kann so lähmend wie große Armut wirken. Der Umlauf des Kapitals, nicht seine Größe, bestimmt Stoffwechsel und Puls des Wirtschaftslebens. Ein armes Volk muß also nicht verzweifeln. Wenn es nach seinen Mitteln die Wirtschaft ordnet und für einen beschleunigten Kreislauf des Geldes sorgt, kann es tatkräftiger als ein reiches sein. Für den guten Gang und Wohlstand der Volkswirtschaft und jedes privatwirtschaftlichen Unter« nehmens kommt es weniger auf die Größe des Betriebskapitals und einmaligen Gewinnes als auf die Häufigkeit der Umsätze und die Stetigkeit des Ertrages an. Je häufiger eine Wirtschaft ihr Betriebskapital im Jahre umsetzt und einen, wenn auch bescheidenen, Ertrag dabei erzielt, um so größer wird am Ende der Gewinn, um so sicherer der Wohlstand sein. Die großen Einkünfte der reichen Leute rauben vielen Armen Arbeit und Unterhalt, denn ihre Aus« gaben richten sich selbstverständlich mehr auf Luxus als auf notwendigen Verbrauch. Für den Preis, den das Kleid einer reichen Dame kostet, könnten sich mehr als zwanzig Frauen klei« den, würden mehr als zwanzig Schneiderinnen beschäftigt werden, ihren Verdienst dabei haben und sich davon kaufen, was sie brauchen. Wie unwirtschaftlich, wie unsozial, wenn man bedenkt, daß reiche Damen nicht nur teure Kleider haben, und es sich im Exempel nicht nur um die wirtschaftliche Diffe« renz zwischen dem Luxus einer Dame und dem Bedarf von zwanzig Frauen handelt. Ein besserer Ausgleich zwischen den zu großen und zu kleinen Einkünften, würde viele Arme kauf« kräftiger machen und so nicht nur viele Bedürfnisse befriedigen, sondern infolge der Vermehrung und Beschleunigung des Umsatzes mehr Arbeiter beschäftigen, ihnen Brot geben, und also der Anlaß zu langsam wachsendem Wohlstand sein. 40