294 Der Huf. aber noch einer Vollendung. Beim Menschen umschließt der Schuh den ganzen Stütz- und Laufteil des Beins, den gesamten Fuß als Einheit ohne Verteilung von Einzelschuhen über die Zehen. Wir haben aber in der Tat Säugetiere, wo das letztere im Prinzip auch der Fall ist. Tiere, deren ganzer Stützfuß auch in einem einzigen Hufschuh steckt. Unser Pferd ist das Beispiel. Wie ist nun das noch möglich geworden? Spielen wir einen Moment Naturentwicke lung im Geiste. Von den fünf Zehenspitzenschuhen zum Einheitsschuh zu gelangen, wäre folgendes möglich. Die fünf einzelnen Hufe ver wachsen oben zu einem, überwachsen die ganze Oberseite des Fußes als einheitliches Stiefeloberleder. Und ihre Sohlenteile vereinigen sich ebenfalls und überwachsen die gesamte Fußsohle. Es steht prin zipiell nichts im Wege, sich das als möglich zu denken. Die Ver wachsung hätte stückweise erfolgen können. Zuerst etwa wären alle fünf Sohlenleder ausgewachsen bis zur Hacke. Ein Tier wäre sozu sagen auf fünf Pantöffelchen gelaufen. Dann wären es fünf ganze Stiefel geworden. Und endlich sich vereinigend durch Fortfall der Trennwände nur noch einer. Nun lagen die fünf Zehen samt allen andern Fußknochen wie bei uns in einem einheitlichen Schacht unter einer großen dicken Hornhülle. Diesmal aber ist der Weg falsch. Die organbildende Natur hat zwar das gleiche Ziel in bestimmtem Falle auch erreicht, aber sie ist einen durchaus andern Weg gegangen, als unsere menschliche Werkzeugtechnik. Wir Menschen konnten an einer Sache grundsätzlich bei uns nichts mehr ändern: der Tatsache, daß unser Stütz- und Gehfuß von der Hacke an bis zu den Zehenspitzen mit der ganzen Fußsohle auf setzt. Sollte das Stütz- und Gehorgan ganz in den Schuh, so mußte die ganze Sohlenlänge mit hinein. Jenes Bolita-Tier, das auf den Krallenspitzen zu stelzen sucht, gibt aber ein anderes Bild, und gerade dieses Bild haben wir bei unserm Kuchenteigtier ja auch schon zu grunde gelegt. Dieses fingierte Tier bekam Hufe, indem es sich auf die Zehenspitzen stellte! Es zog die Hacken hoch und trippelte mit steilem Fuß. Darum verbreiterten sich seine Zehenspitzen selbst, wurden zu den umgestülpten Weingläsern der Hufe. Die eigentliche Fußsohle reckte sich hoch vom Boden fort. Und hier liegt wirklich der Weg, den die Huftiere beschritten haben. Zugleich mit ihrer Hufausbildung stellten sie sich steil und immer steiler bloß noch auf ihre Zehen spitzen ein, vermieden den Plattgang des Menschen oder Bären. Bei solcher Stellung war es aber durchaus überflüssig zur Vereinheit-