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Sächsische Volkszeitung : 03.02.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190502034
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19050203
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19050203
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Volkszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-02
- Tag1905-02-03
- Monat1905-02
- Jahr1905
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- Sächsische Volkszeitung : 03.02.1905
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Rr. S8. Freitag, den 3. Februar IVO 5 4. Jahrgang »rtchctn» tiigli» nachm, mit «uSnalime der Eonn-und ffcsttaae. ! ... ku«s Unabdanglgezlageblattf.Äadrdeit.becdtu.fmdeil StedaMons-Sprechslunde: >1—1» Uhr. " " " — Das „nationale Zentrum". In allen kolonialbegcisterten Zeitungen ist ein großer Jammer entstanden; die Zähren fließen reichlich und die Faust wird in der Tasche geballt! Weshalb? Das Zen trum hat eben wieder einmal eine Lieblingsforderung unserer Kolonialferen abgelehnt. So oft dasselbe einen solchen Schritt unternimmt, hört man diese Vorwürfe. Auf der anderen Seite bleibt aber das Zentrum hübsch „natio nal", so lange es zu jeder Forderung der verbündeten Ne gierung „Ja" und „Amen" sagt, so lange es beileibe keinen Wunsch für die Gleichberechtigung der deutschen Katholiken ansspricht. Kommt es aber mit dem Toleranzantrag, macht es hier und dort Abstriche, so spricht man ihm sofort seinen „nationalen" Charakter ab. Dieses Mittelchen ist allerdings bereits so abgenützt, daß man ihm jede Zugkraft abspreclum muß; nur der liberale Bierphilister am Stammtisch regt sich hierüber noch auf! Ten neuesten Anlaß zur Entrüstung nimmt man aus der Stellung des Zentrums zur Ent schädigungsfrage fiir die südwestafrikanisck>en Ansiedler. Die liberale Presse befindet sich ob des ablehnenden Beschlusses des Reichstages im höchsten Grade des Aergers. Auch die „Dresdn. Nachr." spotten über die Kleinlichkeit des Zen trums. Wie weit hier politische Gesichtspunkte Herein spielen, wollen wir nicht untersuchen. Auch nicht auf die politischen Anschauungen und gewisse Verwandtschaftvcrhält- nisse der Farmer näher eingehen. Es ließen sich hierüber recht amüsante Einzelheiten enthüllen und die „nationale" Begeisterung mancher Zeitungen und selbst Abgeordneter für die ihnen so nahe stehenden Farmer würde sehr leicht erklärlich sein. Dazu kommt noch ein weiteres: Die liberale Presse har es im verflossenen Sommer als absolut sicher hingestellt, daß den Ansiedlern voller Schadenersatz gewährt werde; in sonderheit, nachdem der Kaiser selbst sich hierfür ausge sprochen hatte, zweifelten sie keinen Augenblick mehr daran, daß die Mehrheit des Reichstages unter dreimaligem Hurra die Millionen allesamt genehmigen werde. Gerade wer aber für ein konstitutionelles Regiment Verständnis hat, muß dem Zentrum recht dankbar sein, daß cs in dieser Frage unbekümmert um den Wind von oben, nach bestem Gewissen entschieden hat. Der Kaiser sprach sich den Ansiedlern gegenüber für vollen Schadenersatz aus und fügte bei, daß er nicht allein entscheiden könne, daß cs der Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren bedürfe. Ein ganz richtiger Standpunkt! Es war jetzt allerdings ein günstiger Moment gekommen, sich als „Liebkind" an höchster Stelle zu empfehlen. Das Zentrum hat dies nicht getan. Es ist zu seiner Stellungnahme gekommen, unbekümmert, welchen Eindruck diese auf höchster Stelle macht. Nach Recht und Gerechtigkeit hat es entschieden, und deshalb will es die libe rale Presse auf die „nationale Sünderbank" setzen. Aber cs ist ganz wohl dabei. Welches entsetzliche Verbrechen hat denn die Zentrums fraktion begangen, daß ihr Redner, der Abgeordnete Erz- bcrger, nun in der gesamten liberalen Presse so heftig ange griffen wird? Sie lehnte jeden Rechtsspruch ab; sie ließ kon statieren, daß durch Anerkennung desselben die Aniiemer günstiger gestellt würden als die deutschen Bauern im Hei- inatslande; sie wies auf die zu hohe Einschätzung des Schadens hin und betonte die Konsequenz eines solchen Be schlusses. Gründe des Rechtes und der Sparsamkeit zogen das Zentrum zu seinem ablehnenden Standpunkt. Aber es war nicht „unmenschlich". Es bewilligte insgesamt l> Milli onen Mark als „Notstandsgelder". Ist denn dies gar nichts . Das Zentrum stimmte für diese Summe, um cs einem Teil der Ansiedler zu ermöglicken, wieder in die Kolonie zu geben und dort an dem Ausbau derselben mitzuarbeiten! Aber es lehnte es ab, diesen Ansiedlern die Stelle eines Neichs- pensionärs in der Weise zu geben, daß das Reich dann ein zuspringen hat. we»n die Sache schief geht, daß die Kolo nisten aber allen Gewinn für sich einstecken, wenn alles klappt. Diesen einseitigen Staatssozialismus in die Kolonie einzuführen, dagegen sträubte sich das Zentrum und zwar mit vollem Rechte, auch im Interesse der Kolonie selbst. Eine solche Rückversicherung der Ansiedler lähmt die Energie in denselben; sie verlassen sich auf das Reich und die Kolonie kann nie etwas werden. Deshalb hat das Zentrum national im besten Sinne des Wortes gebandelt; je wütiger und wütender die liberale Presse wird, desto besser für uns! Liebedienerei nach oben, künstliche Züchtung von Kolonisten, Verschwendung unzäh liger Millionen haben und werden nie im Zentrum eine Heimstätte finden und zwar im Interesse der nationalen Güter unseres Vaterlandes. Deutscher Reichstag. s. Berlin. 131. Sitzung am 1. Februar 1005. Vor Eintritt i» die Tagesordnung erklärt Rcichskcnzler Graf Vülow, daß er die neuen Handelsverträge zur verfassungs.nagigen ! Beschlußfassung vorlege: die verbündeten Regierungen Vossen auf die Zustimmung des Reichstages zu einem Werke, das für die politische, finanzielle und winschafttiche 'Bedeutung des Vater landes von grundlegender Bedeutung sei. Handel und Industrie ! baden seit 137!» einen großen Aufschwung genommen: Zoll- ! schranken wurden von allen Staaten ansgcrichtel. Die Gefahr i der Erstickung des Handels ist durch die Eaprivuche» Verträge ! beseitigt worden. Bis 1000 trat ei» Aufschwung ein: eist da ! zeigte sich ein Rückschlag. Doch ist die Geschäsksstockung im großen ' nicht erheblich « u.ik - Mit'v Liierst mußte eitle Revision des Zolltarifs tragspol,t.k fest. ^ Tradition des Fürtten B.s- ^u^w 'tte?'u,n^ uns!?erErpornnd>!sme ^^"rmöglichni!'siä! sei!. 'LrL Le^Lndw^ hohler -zollschuß gewährt werden! Beiden Ießle11Ha, > del so c rt r a ge, i kam die Landwirtschaft zu kurz, l^ehr r'äN'si-) erbölner -zoilschuß sür Getreidebau und Viehzucht .ye'chmseii werden l-ehr richtig!) Die Höhe der Ge,reidepre.se 'N st.r d Rentabilitch der Landwirtschaft von hoher Bcdc.ttung. abcr die e reiaen seit '>5 Fahren eine Nickende Bewegung. Dich Blaß für oie Erhöhung de? Zölle lag in der Rücksichtnahme aus Handel und NN und auf die Konsumenten. Und .vir "unten nur so hoch gehen, daß der Abschluß langsr.tt.ger noch möglich war. Die Minimalzollsalze wurden deshalb in den Tarif eingesetzt, damit das 'Ausland sehe, daß ein Heruntergehen unter dies!- Säße »„diskutabel sei. Tie verbündete» Regicrungen haben an diesen Säßen fcstgehaltcn: cS ist nm mit ^großer Muhe ge lungen. diese Säße gegenüber Rußland und L csterrc.ch Ungarn durchzi.seßen! '.'Rehr zu verlangen, wäre nniiioglich gewesen. Tic Besorgnis, daß die Lebenshaltung der ArbcileMasse hierdurch eT schwer! würde, ist unrichtig. (Sehr richtig!) Wir gehen nur aus die Höhe der Säße von 1^37- ,302: aber auch seither Hs" "ch d>r Lage der Arbeiter wesentlich gehoben, (^ehr richtig .) —st" steht die Sache in Frankreich? Dort besteht der Wcizcnzoll. er betrüg dort 5.00 Nk. und doch gehört die sozialdemokratische Parte. do,t zur Mehrheit, die einen Antrag auf Zollherabseßungc» ablehntc. Tie französischen Sozialisren sindpraltischeLliiiciind mi.e, scheiden,.ch'chr vorteilhaft von illrcn deutschen, mehrdoklrinärcnGesiunnngsgenossen (Sehr gut!) Die Minimalsätzc waren für mich ein „><- Die Vichseucheiikonvenlion bereitete viel Echlvicriglcttrn: ober der deutsche Viehsland repräsentiert ein Kapitel von 7 Milliarden. Gegenüber allen Staaten haben wir aus veterinärem Gebiete volle Sperrsreiheil, nur gegen Dcsierrrüch-llngarn war cS aiu er^ Dort durften ivir erst sperren, wenn die Seuche eingeschlepp! war, jetzt haben wir die Präventivspcrre. wslcbe unsere Landwirtschas, wünschte. Bezüglich der Diirchführnng derselben verlasse ich mich auf meinen Freund, den Laiidwirlschasisiinuisicr. lHeiierlcit.) Dcr Cctweine- zoll wird von 5 Mk. ans 13-14 Mk. erhöht. (Rufe links. Hort!) Der Pfcrdezoll ist wesentlich verstärkt worden. An dem HopfcnzoN von 70 Mk. konnten Ivir nicht seslbalien, wir konnten nur die Er höhung uni 0 Mk. gewinnen, auf 20 Ml. Bei gewissen landwirt schaftlichen Positionen, konnten ivir leine Erhöhung du. Wietzen: ivir mußten sic sogar teilweise herabsetzen. Bei Fulicrgerstc und Holz machten wir Zugesländnisse, crslerc dient in erster Linie der Viehzucht. Der erhöhte Maiszoll konnte beibchalien werden. Mit den anlonomen Zollsätzen auf Holz hätten ivir keine Verträge ab- schließcn tönneii. Das oberschlcsische Sei weinctoniingent n nßie aus 2500 pro Woche erhöht weiden, an dcr sächsischen und haperischen Grenze dürfe» 30000 österreichische Schweine in Schlachthäusern geschlachtet werden sür gewisse Industrie,zwecke. Aber die wirt schaftliche Rückwirkung dieser Koiizei'sionen is» sür unsere Viehzucht Die neue» Verträge tragen einen landivirtsctosts- und ganzen verschwunden. Dagegen ist die Lage unserer Land- wirtschast eine imwcr lrilischcrc geworden. Zwischen Stadt und . Land fand eine Verschiebung der Bevölkerung zu llugunstc» dcS ! letzteren statt. Heute wohne» nur noch 40 Prozent des deutschen ! Volkes aus dein platten Lande. Das gibt zu denken! Tenlschland ! ist nicht nur ein Industriestaat. (Sehr richtig!) ES ist cm ! Industrie- und 'Agrarstaat. (Sehr richtig!) Die Bedeutung von Industrie und Handel anerkenne ich voll und ganz. 'Aber die ! Landwirtschaft ist ein diesen gleichberechtigter Faktor! Ter Bauern- ! stand itt die Grundlage unserer Nähr- und Wehrkraft. Krankt i dieses Glied detz Staates, so ist es Pflicht dcr Staaisregicrung. ^ diesem alle Fürsorge angedeihen zu laffcn (Bravo!) Diese Lage ^ gab die Richtlinie für unser Borgehen! Wir halten an der Bcr freundlichen Eharaktcr. Auch die Interessen unseres Handels und unserer Industrie mußten gewahrt weiden. Rußland sucht sich eine eigene Industrie großzii-üeliev Das hat Fistst Bismarck aber vorausgcsehe», er sagte zum Minister GicrS schon '337: „Unsere deutschen Agrarzöllc verdanken Sie einer russischen Industrie. Tic langfristigen Vcrlräac bedeute» einen aroßcn Vorteil sür unsere Industrie. Positivzölle sind ni>r einzelne Positionen, aber dir große Mehrzahl sind cS nicht. Wir haben genau soviel erreicht, als wir nach Lage dcr Sache erreichen konnten. Zollkriege nach allen Seiten konnten wir nicht sichren. Die Verträge habe ich »ich. früher gekündigt, weil wir kein anderes Resultat erzielt hätten Die anderen Staaten hätten sich bei Zollkriegen leicht gegen vns verlnindc» können. WaS dann? Sie i'cherblicken die Dinge nicht Die gräfliche Einladung. Skizze von E. v. Esch. «Nuchdruck voiwien.i Die Morgensonne schien mit freundlichem Strahl in das kleine, gemütliche Zimmerclien, in dem Herr Anton Faber beim Morgenkaffee saß. Die Vorhänge au den Feu- stern leuchteten geradezu in ihrer blendenden Weiße, nud die Sonnenstrahlen ließen die blanken Beschläge der alt modischen Nußbaunimöbel aufleuchteu, als wären sie eitel Gold. Draußen zwitscherten die Spatzen und balgten sich uni die Brotkrumen, die ihnen vom Frühstück hingestrent waren, und die Hände über dein runden Bäuchlein gefaltet, sah ihnen Herr Anton behaglich zu. Gerade griff er nach seiner Zeitung, uni sich darin zu pertiefen, als sich die Tür auftat und seine Frau gcränschooll cintrat. Frau Bernhardine Faber war lang und hager, alles zitterte beständig an ihr vor Unruhe, und ihre großen, etwas vorstehenden grauen Angen, die iin Verein mit der großen Hakennase ihrem Gesichte etwas Ranbvogelähnlichcs gaben, waren stets ans der Suche nach etwas Ungehörigem und Regelwidrigem. Die ganze Behaglichkeit schien mit ihrem Eintritt ans dein kleinen, sonnendnrchlenchteten Zimmer zu schwinden und Herr Anton duckte sich, als erwarte er, daß ein Unwetter über ihn hcrcinbrechen würde. Das ließ denn auch nicht ans sich warten. Frau Bern hardine stellte ihr klirrendes Schlüsselkörbchen, von dein sie sich nie trennte, ans den Tisch und begann, indem sie die Hände znsammcnschlng. mit schriller, klagender Stimme: „Aber Anton, Anton, deine himmelschreiende Rücksichtslosig keit und Gleicligültigkeit sind noch dcr Nagel zu meinem Sarg! Da sitzest du, drehst die Daumen »ineinander und liest die Zeitung und weißt doch, daß wir heute znin Essen nach Schloß Bergbeim zum Herrn Grafen Berg und Frau Gemahlin cingeladen sind!" Herr Anton sah seine Frau etwas hilflos an. „Aber gewiß, gewiß Bernhardine. wie sollte ich das nicht wissen. Auch weiß ich. daß die Uhr jetzt zehn ist, daß mn halb eins der Zug fährt, und um eins uns dcr Wagen des Grafen an der Station Bergbeim erwartet." „So!" kreischt Frau Bernhardine, deren Wut der ge ringste Widerspruch ins Unbegrenzte zu steigern Pflegte, „soll das etwa heißen, daß noch viel Zeit ist? Ich aber sage dir, wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, was glaubst du denn, so eine Einladung von einem Herrn Grafen zum „<!<-j,das ist doch etwas anderes, als wenn man bei Gevatter Schulze oder Müller den Soimtagsbrateii ver zehren Hilst.' Also zieh dich an. zieh dich an! Heute kannst du garnicht sorgsam genug Toilette machen!" „Mehr als anziebeii tan» man sich auch für Grasens nicht," tnnrrte Herr Anton, aber er legte doch ergeben seine Zeitung hin und begab sich ins Schlafzimmer, wo schon sein ganzer Staat, von dein hlntenweißen, gestickten Vorhemd an bis zu den spiegelblanken Stieseln, hingebreitet und ansge stellt war. Unter Stöhnen und Pusten schlüpfte er ans seinem beaneinen Hansanzng. Aechzend zwängte er sich die nagelneuen, knarrende» Lackstiesel über die Füße und ver breitete dann am Waschtisch eine wahre Sündslnt mn sich. So energisch arbeitete er mit Rosenseife, Schwann» und Nagelhürstchen, als gelte es. einen Neger weiß zu waschen. Sein rundes, gutmütiges Gesicht brannte ihm denn auch wie Feuer und glänzte wie poliert, als er endlich fertig war. Seufzend fuhr er dann in die weiße Weste, die bedenklich in allen Nähten knackte und sich kam» schließen lassen wollte. Von seiner Bernhardine batte er während dieser Zeit nichts gesehen, desto mehr aber gehört. Sie batte draußen mit den Türen geworfen und mit de», Mädchen, einem armen, halbwüchsigen Ding gescholten, daß das ganze Hans gellte. Jetzt rauschte sie herein. „Nein." stölmte sie. „dieser ewige Aerger über die Dienstboten ist noch der Nagel zu meinem Sarg. Tann betrachtete sie ihre» Anton mit durch dringenden Blicken. „Hast d» dich auch ordentlich ge waschen?" fragte sie und dgnn fuhr sie mit nnsgestrecktein Finger ans ihn los. „Sagte ich cs nicht, daß du Tninm- beiten wachen würdest," kreischte sie. „Ta ist ja ein großer Fleck ans deine», Vorhemd, o Anton. Anton, und es ist dein bestes!" Herr Anton betrachtete mit verdrießlicher Miene den in Wahrheit kleinen unschuldigen Wasscrfleck. „Aber Ziern- hardine," sagte er. „dg ist ja nur ein Tropfen Wasser hin- gespritzt, auch wird diese Stelle noch ganz vom Nock ver- deckt." „So. und wenn du dich bewegst, was dann? Auch wird sich natürlich der Staub gerade ans diese Stelle setzen und wie wirst du dann ansschcn? Nein, Anton, mit einen, Manne, der nicht einmal tadellose Wäsche trägt, fahre ich nicht zu einem «Il-sc-nimr bei einem Grafen." Anton ergab sich in sein Schicksal. „Nun, so gib mir cin anderes Hemd," sagte er. „Im übrige», liebe Vern- liardine, ist es jetzt wobt Zeit, daß du an deine eigene Toi leite denkst!" Fra» Verist,ardine subr sich verzweifelnd an die Stirn. „'Anton, Auto», mach mich nicht nervös, ich will wohl fertig werden," und sie begann die unzähligen Lockenwickel ans ihrem Haar zu lösen. Sie batte sich ans einer Modezeitnil., das Vorbild zu einer hochmodernen Frisur ausgesucht, von der sie erwartete, daß sie sie mindestens nn, zwanzig Jghrc vei jünger» und um ein gut Teil verschönern würde, aber ihr etwas sprödes Haar, ans den nngewölmten Lockenwickeln gelöst, starrte ilir um das Haupt und wollte sich durchaus nicht in die gewünschte» Wellen ordnen lassen. Herr Anton, der soeben glücklich znm zweite» Male die Knöpfe seiner Weste schloß, olme sie ahznreißen. konnte ein Schmunzeln nicht nnterdrücken. denn seine gute Vernbardine sab ans wie der Struwelpeter. Endlich konnte er ihre verzweifelten Veniülmngen nicht mehr mit anselien. Er reichte ihr eine große Dose Pomade. „Vernich es doch da mal mit," meinte er und sah besorgt ans die Uhr. „Meine schönen Locken!" jammerte sie. „hätte ich mir nur eine Frisenrin bestellt!" und sie rieb sich verzweifelt so viel Pomade ins Haar, daß es nun alles znsainmenklelste. Endlich kam sie dann mit ihrer Frisur zu stände, zog ächzend die steif gestärkten, knisternde», weißen Unterröcke über und rief dann nach dein Mädchen, das ihr beiin Anlegen des Kleides behilflich sein sollte. Als Herr Anton vor etwa acht Tagen seiner Frau die Einsgdnng des Grafen Berg, mit dem er in letzter Zeit mehrfach in geschäftliche Berührung gekommen war, über- brachte, hätte sie sich am liebsten ein neues Kleid machen lassen. Leider war nur die Zeit z» kurz und sie mnßte sich begnügen, ihr bisheriges Stgatskleid. das so wie so schon nicht Mangel an Besatz litt, noch etwas aiisznschmücken. Es war ans veilclxmhlaner Seide und so starr und steif, daß es allein aufrecht stehen konnte, auch wenn Fra» Bernhardine nicht darin steckte. Mit seinen „cn hinzngekoniineiien Samt- streifen. Pcrlborten und weißen Spitze» wachte es einen ge radezu überwältigenden Eindruck. Es war nicht ganz leicht, Frau Bernhardine in dieses Pr.nzeßchenform gearbeitete Prachtgewand hineinzu- hringen Aber mit Hilfe pon Herrn Anton, der auf einen ^tnyl st,eg und eSihr von oben übcrwarf. während Mine,
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