39 Fall des Sozialistengesetzes mit einer peinlich streng dem be stehenden Rechtszustand angepaßten Organisation zu ver suchen. Der Einwand, daß doch auch bürgerliche Parteien ihre Organisation hatten, konnte nicht gelten, da diese auch bei offensichtlichen Verstößen gegen die Gesetze unbehelligt blieben. So mußte denn die Sozialdemokratie einerseits in ihrer Organisation den eigentlichen Vereinscharakter vermeiden, anderseits aber für die Aufrechterhaltung einer gewissen Disziplin die nötigen Anstalten treffen. Die Sorge, daß hier durch diktatorischen Gelüsten Spielraum gegeben werden könne, bewegte manche Gemüter in der Partei, als die Reich tags- fraktion den Entwurf eines Organisationsstatuts im Sommer 1890 veröffentlicht hatte. Zn diesem Entwurf war die Kontrolle des Parteivorstandes der Reichstagsfraktion übertragen worden; sie sollte die Gehälter der Vorstands mitglieder festsetzen, sie hatte das Recht, die Parteikasse, über haupt die Geschäftsführung des Vorstandes Zu untersuchen, sie sollte befugt sein, bei Verstößen Vorstandsmitglieder ab zusetzen. Eine derartige enge Verbindung zwischen Partei vorstand und Fraktion dünkte manchem bedenklich; und im endgültigen Statut traf der Parteitag von Halle 1890 dann ja auch in diesem Punkte andere Bestimmungen. Nach dem neuen Statut wurde als zur Partei gehörig jede Person betrachtet, „die sich zu den Grundsätzen des Parteiprogramms bekennt und die Partei nach Kräften unter stützt". Aus vereinsrechtlichen Gründen bildete das Ver trauensmännersystem die Grundlage der Organisation; in öffentlichen Versammlungen hatten die Partei genossen in den einzelnen Wahlkreisen alljährlich im Anschluß an den Parteitag einen oder mehrere Vertrauensmänner zur Wahrnehmung der Parteiinteressen zu wählen. Die Ver trauensmänner hatten ihre Wahl der Parteileitung anzu- zeigen. Wo aber aus gesetzlichen Gründen die hier gegebenen Vorschriften unausführbar waren, blieb es den Parteigenossen überlassen, den örtlichen Verhältnissen entsprechende Ein richtungen zu treffen. Ein Parteitag hatte alljährlich stattzufinden; er bildete die oberste Vertretung der Partei. Zur Teilnahme am Parteitag waren berechtigt die Delegierten der Partei aus den einzelnen Wahlkreisen mit der Ein schränkung, daß in der Regel kein Wahlkreis durch mehr