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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1862
- Erscheinungsdatum
- 1862-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186207214
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18620721
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18620721
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1862
- Monat1862-07
- Tag1862-07-21
- Monat1862-07
- Jahr1862
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1862
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Anzeiger. * . » AmlSAaN drS Swigl. Bezirlsierichl« md dlS RalP dcr Stadt Lcipzi». »i» A>2. Montag den 21. Juli i8«r. Die Schleichen in Paris. (Nach dem Roman „Die Armen und Elenden" von B. Hugo. Leipzig, Steinacker). Pari- wirft jährlich 25 Millionen Francs ins Wasser und nicht etwa bildlich. Wie und in welcher Weise? Tag und Nacht. Zu welchem Zwecke? Zu gar keinem Zwecke. In welchem Ge danken? Ohne etwas zu denken. Wozu? Für Nichts. Durch welches Organ? Durch sein Eingeweide. Was ist sein Eingeweide? Seine Kloake, seine Schleuste. Fünf und zwanzig Million ist die geringste annähernde Ziffer, welche dre Schatzungen der Wissenschaft geben. Die Wissenschaft, die lange getappt hat, weiß gegenwärtig, daß der befruchtendste und wirksamste Dünger der menschliche ist. Die Chinesen, wir müssen eS zu unserer Schande gestehen, wußten es vor uns. Kein chinesischer Bauer geht aus der Stadt, ohne an den beiden Enden seines Bambus zwei Eimer voll sogenannten UnrathS mit zu nehmen. De« menschlichen Düngers wegen ist die Erde in China noch so jung wie zur Zeit AdrahamS. Der chinesische Weizen giebt 120fältig. Kein Guano läßt sich an Frucht barkeit dem Abgänge einer Hauptstadt vergleichen. Benutzte man die Stadt, um das Land zu düngen, so würde man unbedingt großen Erfolg haben. Wenn unser Gold Schmuz ist, so ist da gegen unser Schmuz Gold. WaS macht man jetzt mit diesem Schmuzgold? Man kehrt e- in den Abgrund. Man schickt mit großen Kosten Schiffe aus, um von dem Südpol Koth von den Seevögeln zu holen und das unberechenbare Element von Reichthum, das man in der Nähe hat, wirft man in- Meer. Der menschliche und thierische Dünger würde, gäbe man ihn der Erde, statt ihn in das Wasser zu werfen, die Welt ernähren. Die Schmuzhaufen an den Straßenecken, die Karren voll flüssi gen KotheS, die in der Nacht durch die Straßen raffeln, die schreck lichen Fässer voll Unrath, die stinkigen Abflüsse unterirdischen Koches, welche das Pflaster verdeckt, was ists? Die blühende Wiese, da« grüne GraS, Thymian, Salbei und andere Würz kräuter, Wild ist eS, Vieh, das befriedigte Brüllen großer Rinder de- Abends, duftiges Heu, goldige- Getreide, das Brod ist es auf eurem Tisch, das warme Blut in euren Adern, die Gesundheit, die Freude, das Leben. So will eS die geheimnißvolle Schöpfung, welche die Umwandlung auf der Erde und die Verwandlung im Himmel, die Vergeistigung ist. Werst Dies in den großen Schmelztiegel und euer Wohlstand wird daraus hervorgehen. Aus der Nährung der Erde folgt die Ernährung der Menschen. ES steht euch frei, diesen Reichthum wegzuwerfen und mich überdies lächerlich zu finden. Das wäre dann das Meisterstück eurer Unwissenheit. Die Statistik hat berechnet, daß Frankreich allein jedes Jahr durch seine Flüsse eine Summe von einer halben Milliarde in das atlantische Meer wirft. Bedenke man, mit diesen 500 Millionen könnte man das Viertel der Staatsausgaben bezahlen! Der Mensch ist aber so klug, daß er lieber die 500 Millionen in das Wasser wirst. Die Kraft des Volkes selbst fließt hier tropfenweise, dort in Strömen aus unfern Kloaken in die Flüsse und durch diese in den Ocean. Jeder Ausfluß unserer Kloaken kostet 1000 Fr. und das hat ein doppeltes Resultat; die Erde verarmt und das Wasser wird verpestet; der Hunger tritt aus den Furchen und die Krankheit aus dem Flusse. Es ist z. B. allgemein bekannt, daß gegenwärtig die Themse London vergiftet. WaS Pari- betrifft, so hat man in der letzten Zeit die meisten Ausflüsse der Kloaken unterhalb der letzten Brücke verlegen müssen. Eia doppelter Röhrenapparat mit Klappen und Schleußen, der zugleich saugte und avstieß, ei« Drainirungssystem so einfach wie dis Lunge de« Menschen, da- in mehreren englischen Ortschaften bereits vollständig hergestellt ist, würde genügen um das reine Wasser des freien Feldes in unsere Stadt ein- und auf unsere Felder das fruchtbare Wasser der Stadt auszuführen und dieses leichte Hin- und Herleiten, das Einfachste von der Welt, erhielt uns jene 500 Millionen Franc-, die jetzt weggeworfen werden. Man denkt freilich an andere Dinge. DaS jetzige Verfahren bewirkt das Böse, wenn es auch das Gute will. Die Absicht ist gut, die Folge traurig. Man glaubt, die Stadt zu reinigen und verkümmert die Bevölkerung. Eine Kloake ist ein Mißverständlich. Wenn überall die Draimrung mit dop pelter Wirkung, indem sie wiedergiebt was sie nimmt, die Kloaken ersetzt haben wird, jenes nur verarmende Auswaschen, dann wird, in Verbindung mit den Thalsachen einer- neuen socialen Wissen schaft, der Ertrag der Erde verzehnfacht und das Räthsel der Armuth sehr bedeutend vereinfacht werden. Wird dann auch noch alles das beseitigt, was bisher daraus erwuchs, so ist das große Räthsel ganz gelöst. Bis dahin fließt der öffentliche Neichthum in den Fluß. Europa ruinirt sich in dieser Weise durch Erschöpfung. WaS Frankreich betrifft, so haben wir die Ziffer bereits an gegeben. Da nun Paris den 25. Thcil der Gejammtbevölkerung Frankreichs enthält und der Pariser Guano der reichste von allen ist, so bleibt man unter der Wahrheit, wenn man von der halben Milliarde, die Frankreich jährlich wegwirft, den Theil des Verlustes von Paris auf 25 Millionen schätzt. Diese 25 Millionen wür den, wenn man sie zur Unterstützung und zum Genüsse verwendete, den Glanz der Stadt verdoppeln. Jetzt giebt die Stadt diese Summe für Kloaken auS, so daß man sagen kann: die größte Verschwendung der Stadt, ihre Orgie, ihr Verstreuen des Geldes mit vollen Händen, ihr Luxus sei die Kloake. Paris, diese Mufterstadt, dieses Muster wohleingerichteter Haupt städte, von dem jedes Volk eine Copie zu haben trachtet, diese Hauptstadt des Ideals, diese erhabene Vaterstadt der Initiative und des Versuches, dieser Sammelpunct der Geister, diese Stadt nation, dieser Bienenkorb der Zukunft, dieses wunderbare Gemisch von Babylon und Korinth, würde von dem Gesichtspuncte aus, den wir angedeutet haben, von einem chinesischen Bauer verspottet werden. Wer Paris hierin nachahmt, stürzt sich ebenfalls ins Verderben. UebrigenS hat Paris, namentlich in dieser unsinnigen und un vordenklichen Verschwendung, ebenfalls nur nachgeahmt. Diese überraschenden Thorheiten sind keineswegs neue; es ist keine junge Dummheit; die Alten handelten genau so wie die Neuen. „Die Kloaken RomS", sagt Liebig, „haben den ganzen Wohlstand des römischen Bauers verschlungen." Als die Um gegend von Rom durch die Kloaken Roms ruinirt war, erschöpfte Rom Italien, und als es auch Italien in seine Kloake gebracht hatte, warf eS Sicilien, dann Sardinien, dann Afrika hinein. Die Kloake Roms hat die Welt verschlungen. Die ewige Stadt war ein unergründlicher Abfluß. Rom steht hierin, wie in vielen andern Dingen, als Bei spiel voran. Dieses Beispiel befolgte Paris mit der ganzen Dummheit, welche geistreichen Städten eigen ist. Um auszuführen, was wir eben gesagt haben, besitzt Paris unter seinem Boden ein anderes Paris, ein Kloaken-Paris, das seine Gäßchen und Straßen, seine Plätze, seine Sackgassen, seine Adern und sein Blut hat, welches der Koth ist, alles, nur leine Menschen. Man darf Niemand schmeicheln, nicht einmal einem großen Volk. Da wo Alles ist, ist neben dem Erhabenen auch Schmach, und wenn Paris Athen enthält, die Stadt des Lichtes, Tirus, die Stadt der Macht, Sparta, die Stadt der Tugend, Niniveh, die Stadt de- Wunderbaren, so hat eS auch Lutetia, die Stadt des Schmutzes. UebrigenS zeigt sich auch hier der Stempel seiner Macht und Größe und die riesenhafte Senkgrube von Paris erreicht unter den Bauwerken jene- seltsame Ideal, da- unter den Menschen einige
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