Das Wesen der Fantasia ist unter nordischem Himmel schwer zu erklären. Sähet Ihr eine Alme tanzen, den gast lichen Tisch eines Mohammedaners, das üppige Haar eines arabischen Mädchens mit Blumen geschmückt, Reiter, die nach dem Rhythmus lustiger Musik ihre Rosse tummelten? Festaufzüge, Tänze, Gesänge, Kampfspiele: das alles ist dem Orientalen Fantasia. Alles, was uns Theater, Konzerte, Bälle, Gesangvereine, Korso und Kränzchen bieten. Was über des Lebens Notdurft hinausgeht. Was „keinen Zweck“ hat. Im Orient ist es eins der wichtigsten Wörter, ersetzt es darbenden Sinnen die ganze politische Phraseologie. Und der Kaisertag sollte eine Fan tasia bringen, wie Tanger noch keine sah. Reiterspiele, Kunstschützenvorstellung, ein ganzes Pulverfest. Die Ent täuschung war groß. Am Ende wär es gar nicht nötig ge wesen, so viel Geld für den einen Tag auszugeben. Der Kai ser sah nicht die Stadt, die Stadt nicht den Kaiser. Und Vieh, Gemüse und Früchte erfreuten wohl nur die Hamburgische Aktiengesellschaft, die den deutschen Kaiser im Mittelmeer speist. Der „Empfang“ ist also nicht so großartig geworden, wie er nach der Absicht der Marokkaner und Spanier werden sollte. Die politische Bedeutung des Besuches aber darf man nicht unterschätzen. Wilhelm hat in Tanger gesagt, er sehe in dem Sultan den unabhängigen, in seiner Macht un beschränkten Herrn eines freien Landes, das allen fremden Staaten gleiches Recht gewähre und jeden Anspruch auf Privilegien entschlossen zurückweise; und er hat den greisen Abd el Malek ersucht, den Neffen in Fez zu äußerster Vor sicht bei der Durchführung der schon recht spärlich ge planten Reformen zu mahnen. Wir wollen uns bei psychologischen Untersuchungen nicht aufhalten, nicht die Frage prüfen, wie es geschehen konnte, daß der Monarch, der sich selbst in politischen R.e- den mit so heftigem Ton stets zum Evangelium bekennt und oft nur im Christen Menschenwürde und Kriegerkraft zu finden schien, nun auch dem Sultan des Westens liebreich