L’univers sous ton regne: das paßte vielleicht in die Tage des Sonnenkönigs. Heute würde durch die Ubiquität eines Herrschers nur Ärgernis gegeben. Wer mag denn immer von einem hören, in jedem Morgen- und Abendblatt neidisch seines Erlebens Spur finden? Wir wollen auch nicht, daß der Kaiser seine Standarte über die Wälle einer Festung wirft, die für uns wertlos ist und deren Schanzen wir dann doch stürmen müssen, um die Standarte zurückzuholen. Geht’s wie bisher weiter, so müssen wir einen Krieg führen, um die verlorene Achtung wieder zu erwerben und uns vom Fluch der Herdenlächerlichkeit zu lösen. Das wollen wir nicht. Ein langwieriges Schauspiel nur: da wäre der Blutpreis zu hoch. Der Kaiser ist nicht Monarch. Das Reich ist souverain; nicht der Kaiser. Der darf das Reich nicht ohne die Zustim mung Sachverständiger binden. Und diese Sachverständigen dürfen nicht gezwungen sein, drei Viertel ihrer Kraft immer erst an die Beantwortung der Frage zu verwenden, wie ihr vernünftiges Planen dem Kaiser plausibel zu machen ist. Wir wollen nicht Tag vor Tag in unserem Kulturgefühl ge bildeter Europäer durch Rede und Schrift beleidigt sein. Wir wollen Staatsgeheimnisse wahren. Fremden weder schmei cheln noch drohen. Unwahrhaftigkeit, Gaukelspiel, Byzan tinerprunk verachten. Wieder bündnisfähig werden. Uns vor Händeln hüten, unvermeidliche aber ohne feiges Zagen ausfechten. Uns nie ohne Deckung zu weit vorwagen, nie aber auch vor einer Gefahr oder einem Bluff zurückweichen. Dieser Wille schon zwingt die alte Reichskraft herbei. Und die alte Achtung kehrt wieder, wenn bewiesen ist, daß der Deutsche auch gegen den Kaiser noch wollen wagt. DREIBUND Am 24. Oktober 1909: Besuch des Zaren bei Viktor Emanuel in Racconigi. VON LIVADIA (SÜDKRIM) NACH RACCONIGI (auf der Linie Turin-Cuneo der Mittelmeerbahn) ist’s nicht sehr weit. Der bequemste, für einen von grausamer Feind- 31 535