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Dresdner Nachrichten : 18.08.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-08-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-188008186
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18800818
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18800818
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1880
- Monat1880-08
- Tag1880-08-18
- Monat1880-08
- Jahr1880
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- Dresdner Nachrichten : 18.08.1880
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gsooö D tzl«,. «erlitt, Wien, 8rl»t1». «»Irl. «retliu, gittttllurl».«. — «ud. M»si« n> verlin, LktpUa. WI«». Hämdura, ffranNurl « M.. MUn> che»,—E«»»e »S«. Io Iranklur» , »«e, — «meaur d »«»»-. I.»Ütte, U»IU»» ck c«, in Tageblatt für Uolittk, Unterhaltung, Geschästsverkehr. Sörsmbericht,Frem-e»l>ste. rr. r»vr8»Ls. WW'KMs «eu«,dl nur»» «»chentn»«-: §». <l,fter>all« Nr.» tt» »ich». <M?»> — L,r R»u« einer «i»I»»l1iie» «erentte für »nl R»K»irti„ «nn«neen»«»ftel»i —> UN» un»eli>nnt«»Wrme« UN» Ionen inlertre« wir nur »eie» '»»ura>>»o.«i,»lu»,»llr« perlen oder Posirint-Hl»»». . . ^SU»en k,»n> lb Ps-e. 82* «onta,». «»«»re, -*-«^.-Left.°ge." <ie.il. Vs« Ü»ukKV«vK8k1 von trvttiietvt xlrli i8olilo«m»81r»«u«v tv, Leko clor 8poro,Msso. Eincr „Times -Nieldung" LrankoolLkrstüdl« (iluoti lvistvoisv) ia aUou Orüssou io der Lioäorva^vo-k'abrllr voo v. Le. ffönlgsdrilokvrstrasss 72, ttorltr-Ms 4, r«Ing«rstr»„v V. Illustrntiooou gratis uuä traovo. Vasvli L 0o. ort-veneliflkt, rsonxobüuäo) Olxarrvn-Ln^ro^- untt Im vrosclon, Wnisonffnusstrasso 11 LpoeialitLt: H«»IIttn»It»eol»v n. 1,np«»rtirt«H»v»n»»Sttr»»reii. Verkant vom 1»ngor in Kisten üu Lnxros-ttroiso». Bukarest. Eincr „Times - Nitlkuiig" zuwlge wirb bte Nachricht. ratz Nuniänien die Schatzbons nicht bezahle, oiftclell bementirt. Bergen. Ter Violinist Olc Bull ist gestorben. London. tlnterhaus. Harttngton erklärte» Vak das Deficit für Juble» 7.005.000 Psb. St. betrage, davon tm gegenwärtigen Finanzjahre ü.'^oo.ooo Pid. St. zu decken sind. Eine Neuanlelhe sei unnötbig. Er hofft, keine weiteren Kricgskosten für Afghani stan zu biauche». , Rr. Z31. lerung > I 763 Mist. lcit gestern 2 M. gcstieg. Lhermomelrogr. n. Reaum.: ia>/,"W„ niebr. Tem», ! Il tt W,. höchst-l8'/,»W. Nord-Wett Aind, vcdnl, »nd regnerisch. Aussichten für ven 18. August: Wenig Aenderung, Gewitter neigung. Voltttsche«. Man pflegt notorisch heftigen Leuten manches Wort nachzusehen, da«, von besonnenen, ruhigen Menschen gesprochen, die Welt in Alarm setzen müßte. Sogar die subtilste und weiseste Institution der modernen Staaten, das Gesetz, nimmt den Affekt, das; cholerische Temperament eines Jnculpaten als Milderungsgrund an. Herr Gambetta, der Heißsporn der französischen dritten Republik, ist zu sehr als votaot torriblo, als vorlautes, verzogenes Kind und als Chauvinist von Nace bekannt, als daß seine Reden oder Briefe allsofort tragisch zu nehmen wären. Europa wird den Frieden, und Deutschland Elsaß-Lothringen vorläufig behalten, möge nun das gestern gemeldete Wort des heftigen Parteiführers 1871 oder 1880 entstanden sein. Auf das Dementi der „Rep. Franc./' des offiziellen Organs Gambetta's, braucht man dabei keinen Werth zu legen. Die Versicherung dieses Blattes, Gambetta's „Wiedereroberung der Rheinprovinzen durch die Gewalt der Waffen" sei ebenso bedeutungs los wie mißverstanden, könnte ja allenfalls als politische Klugheit der regierenden Partei gelten, die im Stillen doch am Ende wünscht, was Gambetta zügellos ausplaudert. Wichtiger als das offiziöse Dementi sind andere Stimmen der französischen Presse. So sagt das einfluß reiche „Stdcle" ganz trocken: „Frankreich wünscht den Frieden; Gambetta kennt diese Wünsche und wird sich gewiß nicht in eine Politik einlaffcn, der er allein folgen würde." Das ist deutlich gesprochen nnd da das „Siscle" dm gesummten kleinen Bürgerstand vertritt, also die Zweidrittel-Mehrheit der Pariser, so ist dieses Urtheil für uns friedliebende Deutschen von großem Werth. „Keine Kriege, keine Abenteuer" — das ist die Loosung der geschickten Arbeiter, des Kleingewerbes, de« Handelsstandes und der kleinen Particulier» in Frankreich, und seitdem der Bauernstand Vertrauen in die friedliebende Richtung der Republik faßte, schließt auch er sich der großen konservativ-republikanischen Partei an. So und nicht anders steht es in Frankreich und alle Bericht« über Unsicherheit der Straßen, Erbitterung der Katholiken, Machtzuwachs der Kommu-l nisten kommen zu uns tendenziös gefärbt und sind meist hoffnungs-' lose Wünsche erbittert zurückgedrängter Minoritäten. Zu diesen zählt die „France", halb fromm, halb bonabartistisch, in welcher Herr v. Girardin, der 1870 schon einen Bericht über den Einzug Napoleon s in Berlin schrieb, faselt: „Durch unsere finanziellen Hilfsquellen werden wir in den Stand gesetzt werden, untere Strettkräfle derart zu vermehren, daß wir Nichts mehr zu befürchten haben. Nach Erreichung dieses Zweckes würden wir den tiefen, unvermeidlichen, von Europa zu einem sozialen Zweck gewünschten Fall jenes schlecht gebauten Reiches erwarten, daö Völker und Raren unterdrückt und sich Deutschland nennt. In dieser Frage ist Frankreich in vollständiger Uebeinstimmung mit Gambetta. Dcövalb will cö den Frieden und kein Blutvergießen, ohne daß nicht die Stunde der Geschichte geschlagen hat. ES ist überzeugt, baß es später für Nichts das haben wird, ivaö ihm heute tbeucr zu stehen kommen würde. Wir werden den Frieden aufrecht erhalten und hoffen. Dieses ist die Politik im Dienste des Rechtes, im Gegensatz zur Gewalt, welche das Recht unterdrückt. Fassen wir Alles zusammen, was uns von Urtheilen über die Gambetta'sche Rede in Frankreich und sonst im Auslände begegnet, so glauben wir, daß der sonst so vorsichtige Staatsmann in Cher bourg eine große Thorheit begangen hat. jVielleicht wäre eine solche Rede angebracht gewesen, wenn Gambetta bereit und entschlossen war, im Augenblick oder in wenigen Monaten loszuschlagen und namentlich wenn er auch die Macht dazu hätte. Das letztere Requisit fehlt aber Gambetta ganz bestimmt; Grevy und Freycinct sind es, die eben Frankreich lenken. Für Gambetta handelt es sich darum, die Lenkung Frankreichs erst in die Hände zu bekommen; er bedarf dazu noch der nächsten Wahlen. Seine Kandidatur für die erste Stelle hat nun den Charakter einer Kriegskandidatur aufgedrückt erhalten und das ist es, was er selbst vielleicht nicht gewollt hat und was seine dereinstige Leitung Franlreichs vielleicht unmöglich macht. Wie sich Gambetta die friedliche Rückeroberung des Elsaß denkt, verräth ein englisches Blatt: „Deutschland ist arm, Frankreich uner schöpflich. Frankreich hungert Deutschland durch seine großen Rüstungen aus. Ach, wie gern würde man zu dieser kindischen oder sanguinischen Auffassung lachen, wenn nicht etiyaS wie bitterer Ernst hindurchleuchtete. Im Reiche geht der Zermahlungsprozeß des Nationalliberalis mus unaufhältlich vor sich. Zwischen den Konservativen und den linken Fraktionen reibt man die Bennigsianen auf. Ein Trost ist ihnen geblieben: da sie sehr gläubig von Natur sind, so hoffen sie immer noch, Fürst Bismarck werde es mit dem Ministerium Bennig sen wenigstens versuchen. Da sie selbst von parlamentarischen Tugenden, von Treue gegen sich selbst und von der Konsequenz der Prinzipien nicht eine Ahnung haben, so übersehen sie, im Drang emporzukommen zu einem bischen Mitregieren, die gründliche Ab neigung, die seinerseits Fürst Bismarck gegen jeden wirklichen selbst ständigen Parlamentarismus hegt. Sie bieten sich ihm billig, gleich sam im Ausverkauf, an und der „Hann. Cour." wird nicht müde, jene Bennigsianen zu preisen, die nicht liberal aus Opposition sein, sondern die Stütze der Regierung vu tout oas werden wollen. Das Talent des Kanzlers, die Parteien eine durch die andere sich aufzeh ren zu lassen, hat er im Reichstag glänzmd bewiesen, wo er zu jedein Gesetz sich Majoritäten kombinirt hat, wo er sie fand, und doch nie mals einer Majorität Dank schuldig geworden oder ihr gar sich unterworfen hat. Die Einsicht in diese Auffassung des Reichskanzlers wird bei den neuen Partcibildungen wahrscheinlich den linken Flügel der Nationalliberalen, der Fortschrittspartei näher bringen und die „Nordd. Mg. Ztg.", die nicht die Bennigsen'schen Jasager, vielleicht aber eine Stärkung de» demokratischen PartcistrebenS im Reichstage besorgt, schreibt seit einigm Tagen eine Reihe von Artikeln, welche Deutschland vor den deutschen — Republikanern warnt. Republi kaner in Deutschland, im Reichstag? Ach so^daS werden die Sozia- — die „N Jedem, der es glauben will: die Fortschrittspartei will die Republik errichten. Gründe, Beweise, Logik — das muß man dem freiwillig gouvernementalen Blatt nicht zumuthen. Bismarck will keine Stär kung der Linkm, das ist Grund, Beweis und Logik der Behauptung, nach der die armen Fortschrittler Republikaner sein sollen. Wie müßte die Partei sein, welche Respekt vor den Volksrechten besäße und gleichzeilig den wechselvollrn Pfaden der „Nordd. Mg. Ztg." folgen könnte? «mefte Telearamme der..DreSvuer srachrttiiten." Belgien. Angeblich besteht die Absicht, die Feste mit Anfang September zu beenden, um durch die Feier de» Jahres tages der blutigen September-Revolution die Nachbarländer, besonders Holland, nicht zu verstimmen. Brüssel, 17. August. Der „Moniteur Beige" veröffent licht daö Gesetz, nach welchem den Deserteuren und anderen, die sich der Militärpflicht entzogen haben, Amnestie bewilligt wirb. Außerdem werden noch verschiedene andere Gnadenerlasse des Königs publtzirt. Petersburg, 17. August. Gestern brannte hier rin ganzes Häuscrviertel nieder, und zwar an der Ligovka. 500 Fa- mllen sind obdachlos, wahrscheinlich sind auch Menschenverluste zu beklagen. Ein anderes Feuer äscherte drei Häuser am Ob- wodnhkanal ein. Berliner Börse vom 17. August. Die heutige Börse war ebenso träge, ebenso geichästslcs wie die gestrige. Nicht einmal der Wiener Saatmarktsbericht vermochte eine günstigere Stimmung hervorzurusen. Spckulationspaviere büßten gleich von vornherein ein und Bahnen schlossen sich dem allmäligen Niedergange an. Berlin-Dreövner Stammpriorltäte» haben seit Donnerstag 1 Proc. abgesplittert. Inländische Anlagepapiere, wie EonsolS und ReichSanlclhe, etwas besser. Von auswärtigen Renken wichen, namentlich Ungarn. Banken thcilweise lest; Sächsische und Dresdner Bank, sowie Chemnitzer Bankverein zogen Brnchthetle an. Sächs. Industrien gaben im Allgemeinen nach, nur Hartinann und Gußstahl gewannen Kleinigkeiten. Lokales und Sächsisches. — Se. Mal. der König hat am Sonnabend in besonderer Audienz eine Deputation der Töpter von Kainenz, Blschoiö- werda, Elstra. Könlgsbcück und Pulönltz empfangen, welche am Throne den Druck schtlderten, der seit Eintritt der neuen Zölle tn Deutschland auf unserer Töpferei liegt. Bekanntlich haben deren Erzeugnisse einen großen Abfluß nach Böhmen und Oester reich : nun wcrven aber setzt die Waaren durch de» Grenzzoll so vcrtheuert, daß diese Abflußquelle wenn nicht ganz cmzugehen. so hoch bedeutend vermindert zu werden droht. Sc. Mal. ließ sich aus daö Genaueste iniormiren und entließ die Herren — eö waren die Töpfermeister Dörlng-Bischoiöwerda. Pollak-Kamenz, Tilly-Könlgsbrück und Sperling und Petzold-Pulönitz — mit der Zusage, daß das Möglichste getban werden solle, um dem ge schilderten Ucbelstande baldigst Abbitte zu schaffen. — Plan bat sich »uninehr im Ratpskollegium definitiv über den Geschältökrcis schlüssig gemacht, welcher tem neucintretenden Herrn Bürgermeister Or. R üger überwiesen werden soll. Sieben der Stellvertretung des Obcrvürgerincisterö und der vr. Güntz'- schcn Stiftung wirb er die Leitung beö städtischen Finanz- und Steuerwcsenö. drö VrückenamteS. der Sparkasse und teS Leih hauses besorge»; eS tritt demnach im GeschästSkrcis der übrigen Rcttbömitglieder eine wesentliche Aenderung nicht ein. — Den Offiziere», Unteroffizieren und Mannschaften des hiesigen Larde-Reiter-Reglments wurde gestern Vormittag, soweit waren, in der Neustäbtcr Mittwoch, 18. August. listen sein? Nicht doch „Nordd. Allg. Ztg.". verkündet e» dieselben protestantischer Konsessio» war, Dreikönigökirche das heilige Abendmahl gereicht. Das Regiment war hierzu in großem Paradeanzuae erschienen. — lieber den durch Mördcrdanb gefallenen, durch seltene Liebenswürdigkeit ausgezeichneten Hauptmann a. D. von Ear- lowitz aus Ottenvorf hört inan von Pirna, daß der Un glückliche durch eine '/- Etm. starke Hansschnur — erdrosselt wor den ist. ES fehlt eine Kassete mit nicht unvcdeutcntcm Inhalt, die gewöhnlich im Schreibtisch im Woönzimmcr auibewabrl war. UebrlgenS ward der Entseelte nicht im Schlafzimmer, sondern an der Thüre veffelben im Wohnzimmer, mit dem Gesicht aus der Erde liegend gesunden, und zwar nur mit Unterjacke und Hemd bekleidet. Leider scheint man noch keine Spur deö Ver brechers zu baden. — Um die traurige Lage unserer sächsischen Handweber, die, wie erst In diesen Tagen hier auosührlicher erwähnt warb, um kärglichsten Lohn arbeiten müssen und theilwcise unter gänzlichem AkdeltSmcmgel schmachten, für die Zukunst nicht noch erschweren der zu machen, hat die könlgl. Aintöbauptmannichast Oelsnitz eine Vorbeugungö - Maßregel darin gefunden, daß sie diejenigen Knaben, welche nach ihrer Konfirmation etwa den Wcberberus ergreifen wollen, davon abhält und sie unter Gewährung einer besonderen Unterstützung in andere Beruiökreise einsübrt. Daö ist ein sehr gtttcklicheS Wirken, denn wenn das Angebot von Arbeits kräften später bei der Handweberei geringer wird, kann eS auch mit dem Verdienst besser werden. - lieber die Forellenzucht verlautet aus dem oberen Volgtlande recht Günstige». Nicht nur im Erzgebirge, sondern auch In den klaren, schnellflleßenben Gewässern deö Volgtlandeö bat sie In letzter Zeit große Fortschritte gemacht. Die kleinen Bäche und Nebenflüßchen der Elster namentiich sind eö, in denen die Forellen — massig eingesetzt — gediehen find, während Inder Elster selbst, da, wo das Wasser durch Zufluß der Abfälle auS den Färbereien und Fabriken verunreinigt wird, die Zucht natür lich nicht gedeiht. Auch haben die Herren Obertörster Sinz in Bratentelö und Rittergutsbesitzer v. Metzsch künstliche Forellen zuchtanstalten eingerichtet, die mit bestem Erfolg betrieben werden. — Daö anhaltend feuchte Wetter bringt eine seltene Erscheinung mit sich, wie sie sonst nur in den Tropenlänvern zu finden ist, nämlich den Niederschlag In den Wohnungen. Selbst die trockensten Zimmer sind mit feuchter Lust getüllt: die Zünd hölzer sannen an zu versagen, bas Papier wird feucht, die Ci garren sind weich, alle Stahlsachen beginnen zu rosten. Der Grund dazu liegt in der gleichzeitigen Wärme. Im Winter, wo oft mehr Regen herrscht, bleiben gleichwohl die Zimmer trocken. Hoffentlich tritt bald ein Wechsel ein, schon der jetzige Schaden für den Landbau wie für den Handel ist enorm. — ReIsebriese. L. 6. Keine Bemerkung hört man In Oberammergau häufiger alö die: SS Ist doch wunderbar, was diese einfachen Landicute leisten! DaS ist wahr und auch nickt wahr. Kein Zweifel: wenn Berufslchausplelrr die Passion aufführen wollten, so würde man tm Einzelnen bedeutsamere künstlerische Leistungen erhalten — in der Gesammtwirkung wür den sie aber Vinter vielem Völkchen vonBtlbscvnItzern und Bauern weit zurückbleiben. Der durch seine Naivität ergrelfenve Total- in dem wirken, aiibringen, Lichter aiissetzen, Effekte erziele», aber keine glaubwürdigen bibli schen Gestalten liefern, wie diese Tdalbewoducr, in deren Geiste bildende und darstellende Kunst sich wunderbar vcrquiclc». Demi waö sie schnitzeln, das spiele» sie und was sie spielen, daö schnitzeln sie. Hingegen soll man bei aller Hochschätzung der Oderauniler- hauer nie vergessen, baß sie eigentlich lebenslängliche Bcruls- schausplcler selbst sind. Dieselbe» Buben, die mit 5 Jahren ent weder die lockige Jugend Jerusalems darsteUcn oder in einem lebenden Bilde alö Söhne AdamS und Evaö ciustceten, werden in 50 Jahren, wenn ihnen Gott sonst baS Leben giebt, Hohepriester oder Apostel spiele»; mit icteni Jahrzehnte wechseln sic daö Fach, bleibe» aber immer ..bei der Kunst". Jede» Winter spielen die Ammergauer geistliche Stücke. Martyrien und selbst ernstere weltliche Stoffe, ui» sich in der Hebung zu erhalten und die schau spielerischen Talente unter den heranwachsenben Geschlechter» berau-zustnde». Tod, Wegzug, Berheiratbung und dcrgl. lichten im Laufe der Jahre Ihre Reihen und da sie an de», Grundsätze festhalten, sich nur auS geborenen Oberammergauern zu rekru- tlren, müsse» sie ihre Präsenzlisten stets vollzählig erhalten. Daö gebt nur mit stetigem Komödienspiel. Außerdem iieiert eine Hebung von 250 Jahren eine so feste Tradition, in weiche das ganze Dorf binelnwächst. eS wird mit solchem Eifer, solcher Be geisterung gttptelt. baß eö eher ein Wunder ist, daß viele Rollen so schwach besetzt sind, alö daß eine so bedeutende schauspielerische Wirkung erzielt wird. Die Kinder drängen sich zur Theiinahme; ev Ist eine Auszeichnung, jung, und eine Straff, spät mit binzu- gezogen zu werden. DaS PaffioiiSspiel erweist sich als ein Er ziehungsmittel von großer Zugkraft. Man merkt das auch an den Oberammergauern selbst. Sie unterscheiden sich von ihren Thalnachbar» nicht bloö durch sorglich gepflegtes Haar und Bart, sondern weientitch durch ihren Ernst, ihre Gediegenheit, ihre Haltung. Sie schreien, iohicn und spektakeln nicht lm Wirthö- haus, sie bisputiren estrig, aber ohne zu gröblen, aus de» Tisch zu schlagen oder mit geschwungenem Bierseidel oder gezücktem Messer die Richtigkeit ihrer Anschauung zu beweisen, wie andere Obcrbalern. Die Dorijugend ist munter, doch ohne Gassenbrut- cvaratter. In ihren Bcmerspielcn bewahrten die in einem welt- verschollenen Winkel lebenden Holzschnitzer ein gutes Stück Kul turgeschichte für baS ganze deutsche Volk. Ed Devrient spricht mit Recht in seinem bei I. I. Weber tn Leipzig erschienenen Werke, daß „es ein wahrer Seelcntrost sei, in dem ZersetzungS- prozesse, den der moderne Geist mit allem Uebcrkommenen vor nehme, ein Stück altdeutsch-kerngesunden Volkslebens erhalten zu sehe». Der alte Hort deS deutschen Bolksgelstes ist unvertllgbar und unerschöpflich; wenn Jbr nur Glauben daran behaltet, macht er Euch immer wieder überreich." DaS Hauptverbicnst der Ober- ammergauer aber besteht in dem Aufgehen deö Einzelnen ln dem allgemeinen Zweck — ein aeravezu bewunderungswürdiges Bei spiel von Gemclnsinn und Ässociationögeist! Seit vielen Genera tionen hat sich die Bevölkerung gegenseitig erzogen und mit nie rastender Arbeit eine Gesammtbarttellung erzielt, die sie weit über das Maß des besten Einzelkönnenö emporhob. Ja diesen Kom munismus kann man sich gefallen lassen. Die Oberau»,icrgaucr — daran halte ich trotz der sich heuer sehr fühlbar iiiachciiden Spekulation fest — betrachten ihre Spiele nicht alö GeldcrwcrbS- auelle, sondern alö Ausübung väterlicher Sitte. Ihre Einnahmen sind aus dem Vermletben ihrer Quartiere und bergi. größer alö aus den Spielcrträgnissen. Für so bescheidene Spiclhonorarr, wie diese Dorischauspieler am Schluffe der Aufführungen erhalten, sängen oder mimten die „Sterne" unserer Hoibühne gewiß nicht. Diese» Jahr finven bei dem enormen Andrange etwa 40 Aus führungen statt. Ein Viertel deö GesammtcrlrageS kommt zur Vertheilung, die anderen »/« sind zur Deckung des TheaterbaueS (40.000 M.>. der Garderobe und Requisiten (15.000 M.s, zu Ge meindezwecken und Unterhaltung einer Fachschule für Holz- schnitzeret bestimmt. Wenn nun Jos. Mavr, der sonst wodl im Monat an der Schnitzbcmk seine 00 Mark verdient, als ChristuSdacsteller monatlich :»00 Mark auch „erstürbe", darf man da von Spekulation reden? Für die Oberammcrgaucr be deuten die Spiele eine Sott wohlgefällige Handlung und für viele Landleute sind sie wirklicher Gottesdienst. Ich finde cs, nach den tiefen Einbrückcn die auch die Protestanten deS 19. Jahr hunderts von diesen Spielen davon tragen, recht enlärlich, baß dieselben im Mittelalter geradezu erschütternd wirkten. So wurde Lanograf Friedrich von Meißen 1322 bei einem solchen Spiele, daö die Predlaermönche von Eisenach amsührlen, so er griffen, daß er vom Schlage gerührt wurde. Er blieb lahm und stumm bis an sein Lebensende. ES ist undenkbar, daß von den Hunberttausenven, die Heuer nach Oberanunergau walliahrteten, nicht zahlreiche edle Anregungen mit hinauögenoininen würden. Der Steg beö Göttlichen über daö Gemeine prägt sich denn auch iweifflnden Gemütbern ein. EineGeiahr will freilich nicht über sehen sein. Sollen etwa diese Spiele die absolute Verachtung deS Irdischen lehren ? Man kommt auf Viesen Verdacht, wenn inan mitunter die Urthelle einzelner katholischer Geistlicher hier über vernimmt. Darnach hätte die Menschheit gar keine andere Aufgabe, alö sich beö weltlichen Befltztdnms zu entäußcrn — eine Kirche, die eS dam, sür sich in ausschließliches Eigenthum nebme, fände sich allemal. Nein, diele mißbräuchliche Auslegung deS ChristenthumS hat genug Unheil über die Weit gebracht. Auch die PasslonSsptele schildern nur den Sieg und den Triumph des Ewigen und Idealen, über daö Vergängliche und Wirkliche, nicht dessen Verwerilichkeit an sich. Unwillkürlich wirb man aus solche Gedanken gebracht, wenn man die Wirkung der Vorstellung auf die Haltung seiner Nachbarn studlrt. Ich muß bekennen, eS verletzte mich tief, alS Ich einige katholische Geistliche in den er schütterndsten Momenten der Kreuzigung leichtlertige Bemerk ungen auötauschen hörte. Ich drehte mich, um zu beobachten, welche Haltung der päpstllcheNuntiuö auö München. Monsignore Roncettt, welcher der Vorstellung auch beiwohnte, einnedme? Der Kirchensürst beschämte allerdings seine Untergebenen. Sein Priese < . „ Nase sührte, nahm er offenbar nur mechanisch. — Es ist sehr aus- sSlllg, daß ble Zuschauer eigentlich mehr durch Ihre Nachbarschast, als durch «e kleinen Ereignisse ln der Natur, von ihrer Auf merksamkeit abgezogen werden. Bekanntlich kennen vieleBanern- sptele kein Lampenlicht. Der Hlmmel schaut hoch hinein auf Bühne und Zuschauerraum. Der Blick der Zuschauer schwelst weit aus die grünen Berge deS ThalS «n West und Ost der Bübne. Und neben den etwa 600 Oberammergauern. die Mit wirken, sollte man einer Hauptfigur, der Natur selbst, nickt ver gessen. Als am Morgen des 8. August ein erster Sonnenstrahl über dir Bühne huschte, die Straßen Jerusalems überspann und biö zum Hause beö Pilatus hlnauskletterte, begrüßte ein fünl- tausendstlmmlaeS Ah! da» tröstliche Tageögestlrn. AlS die Sonn, sich bann wieder verkroch, aber ln glücklichem Zufall ihre plötzlich
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