6 DEUTSCHE MYSTIKER diesem Manne, ein Bild des wirkenden Gottes, ver borgen war: „Form gibt der Materie Wesen, und Wesen ist reine Beziehung auf sich selbst“. Die Form, die dem geistigen Erleben Wesen gibt und es damit eine um sich rollende Welt werden läßt, ist die Sprache. Sie ist zu allererst laute, hallende Rede zu Hörenden; auch heute, selbst dann, wenn sie im einsamen Zimmer aus der Feder fließt und in lautlosen Schriftzeichen auf das Papier gebannt wird. Nicht nur das leise, klanglich so wundervoll entwickelte, das begleitende eigene Hören ist da im Schreibenden. Fremde Ichgefühle erfüllen ihn horchend und haben, während er zu ihnen redet, eine gespensterhafte Scheinpersönlichkeit, sie sind in ihm wie Spiegelbilder, sind in ihm — wie dann in ihnen der Redende, wenn sie lesen. Die Zahl der inneren Hörer kann wechseln: es kann der Empfänger eines Briefes sein; die Genossen einer Zeit, eines Volkes; darüber hinaus kann das innere Lauschen wie Lauschen der Menschheit werden. Auch der Schreibende selber, dessen ganz zu fälliges persönliches Erleben Wort wird, hört — wie die andern, ein Neues, Allgemeines, ein Erleben, dem er sich demütig wie einem Schicksale beugt, das nicht mehr sein ist. Das wirkt die Sprache. — Altväter sind lebendig in uns, wenn wir die Sprache gebrauchen, die sie laut und klangvoll als Rede schufen. Die deutschen Mystiker des Mittelalters, obwohl auch sie schon viel geschriebenen Wortes sich bedienten,