Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.06.1877
- Erscheinungsdatum
- 1877-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187706035
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18770603
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18770603
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1877
- Monat1877-06
- Tag1877-06-03
- Monat1877-06
- Jahr1877
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.06.1877
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erschct»t täglich früh 6*/, Uhr. »ttzkltt«, llllt -rpidtit«» JohanniSgasie »3. Lprrch-mldca der Lrdactto«: Vormittags l0—12 Uhr. Nachmittags 4—k Uhr. Unuahme der für die nächft- '»lqrndc Nummer befttmmtrn Znirralr an Wochmtagen dis 8 Uhr Nachmittags, an Lonn- uav Festtagen früh bis V,Ü Uhr. Z> tc» Fittalk» für Jas. Annahme: Otto Klemm, Univerfitättzstr. 22, Louis Löfchc.jtatharinenstr. 18,p. »ur bis V.3 Uhr. Anzeiger. Lrzan für Politik, Localgeschichte, Handels- and Geschäftsverkehr. «»!>»,- u.r»o. Ah«»»r»ent»»rrt» viertelt. 4V,AAj incl. Bringertvhu S ML. durch die Post bezog« S Mt. Jede einzelne Stummer 3« Pf. Belegexemplar 10 Bf. Gebühren für Srttadeilagm ohne Postbefvrderung 3ü Mt. u»tt Postbrsürdrrung 4b Mt. Znsrrnlr 4aefp BouraeoiSz. 20 Pf. Grützere «-chnfteu laut unserem PreiSverzrrchmß. — Tabellaritcher Satz nach höherem Tans »rclamrn uatrr dem Ledarttoiugrich die Spaltzeile 40 Ps. Inserate find stets au d.Eeprdttt«» zu senden. — Rabatt wird mch* gegeben Zahlung pnuEwurrock W 154. Sonntag den Z.^Iuni 1877. 71. Jahrgang. Oeffentliche Sitzung der Stadtverordneten an» 0. J«»t ». «. NbeadS V,7 VH» im» Saale de» I. BAegerfchal«. Tagesordnung: I. Gelachten de- Verfassung-« »nd Finanzausschüsse- über Errichtung einer neuen Stadt» rath-stelle. II Gutachten der Ausschüsse zum Oekonomie«, Bau- und Finanzwesen über den Antrag de- Herrn Stadtverordneten Gumpel wegen Verkauf- städtischen Areal-. stU Gutachten de- Oekonomie» »nd Bauau-schusse- über ArealauStausch in Conuwitzer Flur. IV. Gutachten de- Bau», Oekonomie», Finanz» und SchulauSschusseS über die Herstellung der BcSmarckstraße ä 6oaw de- Stadtvermögen- und ü 6onto der Thoma-fchule. V. Gutachten de- Bau- uno Oekonomieau-schusie- über die Entschädigung der Mann'schen Erben für Arealabtretuug zur Verbreiterung de» Peter-steinwegeS. VI. Gutachten deS FinanzauSickustes über die Rechnung der Stadtwasserkunst pro 1875. VII. Bericht de- Finanzausschüsse- über den Stand der Anleihen vom Jahre 1868 und vom Jahre 1876. VIII. Gutachten de- Finanz- und bez. Verfassung»», Lösch« und Oekonomieau-schusie- über die Rückäußerung de- RatheS aus verschiedene Beschlüsse de- Collegium» zum die-, jährigen Budget. Bekanntmachung. Aus den öffentlich gepflogenen Verhandlungen de- jüngst in Gotha abgehalteuen, auch von hier «»- beschickten Socialisten-Congreffe- ist zu entnehmen gewesen, daß in öffentlichen Versammlungen, welche von Anhängern der social-demokratischen Richtung einberufen sind, Geldsammlungen vorge- uommen werden, deren Ertrag zur Bezahlung und zum Theil auch festen Besoldung social-demo kratischer Agitatoren eine» Verein- verwendet werden. Da ein solcher Verein seit der am 16. September 1868 erfolgten Auslösung de- hiesigen allge meinen deutschen Arbeiterverein- hier nicht mehr besteht, so sehen wir un- veranlaßt, da- weitere Veranstalten von Sammlungen in hier berufenen Versammlungen oder vor den Emgängen zu den Versammlung-localen, fall- sie ohne speciell ertheilte polizeiliche Genehmigung geschehen, bei Geld strafe bi- zu 100 Mark — oder Haftstrase bi- zu 4 Wochen zu verbieten. Diese Strafe trifft zunächst Denjenigen, welcher die Versammlung angemeldet hat, kann aber auch gegen Diejenigen, welche die Leitung der Sammlung vorgenommen oder zur Leistung von Beiträgen für dieselbe ausgefordert haben, sowie gegen Spender zur Sammlung erkannt werden. Leipzig, am 2. Juni 1877. Da- Poltzetawel de» Stadt Leipzig. vr Rüder. « Bekanntmachung. ^ . .. . Heute ist an Stelle de- verstorbenen Herrn Stadtratb Hkohaer Herr Kaufmann Wilhel» Eduard Hugo S«da»s als unbesoldeter Stadtratb verpflichtet und ln seit! Amt eingewiesen worden. Leipzig, den 2. Juni 1877. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndltn. Wilisch, Rechr. Bekanntmachung. Da- Freibad a« Kopfwehre wird a« L. Juut eröffuet »nd ist die Beaufsichtigung desselben auch für diese- Jahr dem Fischermeister Herrn Earl ÜDtlhelui VTettzuer über tragen worden. Für die Benutzung de- Bade- gelten die unter (-) nachstehenden Bestimmungen. Leipzig, am 24. Mai 1877. Der Raed der ^tadt Leipzig. vr. Georgi. vr. Reichel. (3 1) Die Anstalt kann in der Zeit von Morgen- 5 bi- Mittag- 1»/, Uhr und von Nachmittag- Si/, Uhr bi- zum Dunkelwerden unentgeltlich benutzt werden. 2) Die tägliche Schlußzeit wird durch zwei Zeichen mit der Glocke angegeben. 3) Nach dem ersten Zeichen wird Niemand mehr eingelassen: nach dem zweiten haben die Ba denden sich sofort au- den Bassin- und sodann mit möglichster Beschleunigung a»S der Anstalt zu entfernen. 4', Die Perron-, Brücken, AuS« und Ankleide-Stellen, Bassin- und sonstige Räumlichkeiten der Anstalt dürfen in keiner Weife verunreinigt werden. 5) Niemand darf den Andern bespritzen, untertauchen oder sonst belästigen. 6) Alle- unnöthige Schreien, Lärmen und Herumlaufen in der Anstalt ist untersagt. 7) Abwaschungen mit Seife dürfen nicht vorgenommen werden. 8) Da- Ein- »nd AuSsteigen darf nur auf den Treppen geschehen. 9) Die jede-malige Benutzung der Anstalt ist auf die Dauer einer Stunde beschränkt. 10) Da- Mitbringen von Hunden in die Anstalt ist verboten. 11) Da- Betreten der Rasenböschungen, da- Uebersteigen der Barriören und da» Baden in den Zu- und Abflußgräben ist nicht gestattet. 12) Jeder Besucher der Anstalt hat dem Aufseher auf dessen Verlangen feinen Namen «nd Stand, sowie seine Wohnung zu nennen. 131 Den Anordnungen de- Aufseher- ist unweigerlich Folge zu leisten. 14) Widersetzlichkeiten gegen denselben oder Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften werden mit Geldstrafe oder Haft, oder auch mit dem Verbote fernerer Benutzung der Anstalt geahndet. Bekanntmachung. DaS 23. «nd 24 Stück de- diesjährigen ReichS-GesetzblatteS find bei un- eingegangen »nd werden bi- z«« 20. dies. Mo», auf dem RathhauSsaale öffentlich au-hängen. Dieselben enthalten: Nr. 1191. Gesetz, betreffend die Koutrole de-ReichShau-halt- für die Rechnung-Periode vom 1. Januar 1876 bi- Ende März 1877 »nd de- Landc-Hau-Halt- von Elfaß-Lothringen für da- Jahr 1876. Vom 22. Mai 1877. » 1192. Gesetz, betreffend die Erwerbung von zwei in Berlin gelegenen Grundstücken 4 für dg- Reich. Vom 23 Mai 1877. . Patentgesetz', vom 25 Mai 1877. - 1194. Bekanntmachung, betreffend die AuSiabe von Schatzanweisungen im Betrage von 10,000.000 Mark. Vom 27. Mai 1877 Leipzig, den 1. Juni 1877. Der Rath de» Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Lerutti. Von Sr. Majestät Kriegsschiff „Leipzig' »44 —r. Awinrmünde« 1 Juni. ES sind nunmehr bald drei Jahre verflossen, al- eine- Tage» die Bewohner der guten Stadt Leipzig mit der Mir- > Heilung überrascht wurden, der oberste Kriegs herr der deutschen Krieg-marine, Kaiser Wil- belm, habe m dankbarer Erinnerung an den glorreichen Befreiungskampf, der einst auf Leipzig- Gefilden geschlagen, die Bestimmung getroffen, daß eine- der neuen, in Bau vergebenen deutschen Kriegsschiffe den Namen „Leipzig" führen solle. Diese Mittheilung erhielt ihre tatsächliche Be kräftigung, indem bei dem Stapellaus einer auf oer Werft der Schlff-baugcseüscbaft „Vulcan" zu Bredow bei Stettin erbauten Glattdeck-corvette im Wmter 1874 diese- Schiff „Leipzig " getauft wurde. Da- Bekanntwerden der kaiserlichen Ent schließung hatte in Leipzig lebhafte Freude und Befriedigung erweckt. Nachdem bl- dahin schon einer der großen Ocean - Dampfer de- Nord deutschen Lloyd den Namen der Stadt getragen und dieser in würdiger Weise innerhalb -er Handel-marine vertreten war, sollte derselbe fortan auch in Sr. Majestät Krieg-flotte zur Geltung gelangen »nd al- ein lebendiger Mahnruf an die unter unsäglichen Anstrengungen unserer Väter herbeigeführte Wledererstehung de- deutschen Vaterlande- zur Anschauung gebracht werden. E- war nicht eitle Ruhmsucht, welche in Leipzig- Bürgern diese freudigen Empfindungen hervorrief, sondern da- dankbare Aufschauen auf den kräftigen Entwickelung-gang, den die Nation inzwischen ge nommen und der einen erhebenden deutlichen Au-druck in dem Entstehen einer dculschen Kriegs flotte gefunden hatte, mtt der in Zukunft die Gegner Deutschland- zu rechnen haben «erden. Kurze Zeit naL der Taufe de» Schiffe- erhielt da« „Leipziger Tageblatt" von einem Leipziger Bürger, Herrn C G Naumann, eine Zu schrift, in welcher der Gedanke «»-gesprochen war, e- möge die Leipziger Einwohnerschaft in dank» barer Anerkennung der ihrer Stadt gewordenen Auszeichnung der Krieg-corvette „Leipzig" eine Galaflagge stiften. Diese Anregung, welcher von ihrem Urheber ein erster Geldbeitrag beigefügt war, fiel aus fruchtbaren Boden. Ihre «eitere Verfolgung wurde von Herrn Staudinger, Vorsteher der Expedition de- „Leipziger Tage» blatte-", kräftig in die Hand genommen und von Diese» ein Ausruf an Leipzig- Bürger erlassen, nachdem vorher die Zustimmung Sr. Maj. des Kachbr- Wilhelm zu dem Unternehmen eingeholt k Aufruf fand lebhaften Anklang, und in wenigen Wochen hatten die Geldfamm- lungen ein solche- Ergebniß aeliefert, daß mit den vorbereitenden Arbeiten zur Herstellung der Flagge begonnen werden konnte. Da-Werk erforderte pein liche-Einhalten von Vorschriften und Bedingungen, mit denen der Binnenlanv-bewohner naturgemäß wenig vertraut war, und es entstanden auS diesem Grunde nicht geringe Schwierigkeiten. Indessen, der patriotische Wille und die freudige Hingebung an die Sache wußten diese Schwierigkeiten zu be seitigen, und im Marz 1876 war endlich die Galaflagge fertig geworden. Dem Publicum wurde vor ihrer Absendung Gelegenheit gegeben, in dem Museum-saale zu Leipzig da- a»S dem rühmlich bekannten Atelier de- Herrn Hielel bervorgeqangene Erzeugniß de- vaterländischen Gewer befleiße- in Augenschein zu nehmen, und ganz allgemein gab sich die Meinung dahin zu erkennen, daß die Stadt Lei p.ig mit ihrer Schenkung Ehre einlegcn werde. Der Au-bau der „Leipzig" hatte einige unvor hergesehene Verzögerungen erfahren, so daß die Uebergabe der Flagge an Bord de- Schlffe- noch nicht gescheben konnte. Sie wurde auf die Anordnung de- Marineminister- v. Stosch einst weilen von der kaiserlichen Admiralität in Berlin in Aufbewahrung genommen »nd, wie sich die geehrten Leser diese- Blatte- erinnern werden, von Sr Majestät dem Kaiser vor dessen Ab reise nach Leipzig im September vorigen Jahre einer Besichtigung unterzogen, die sehr günstig für die Schenkgeber »nd den Hersteller der Fahne au-ficl. Briefliche Miltheilungen, die von kom petenter Seite nach Leipzig gelangten, ließen keinen Zweifel darüber, baß Sc Majestät lebhafte Be friedigung über die Flagge au-gesprochen hatte. Im Frühjahr de- gegenwärtigen Jahre- wurde endlich bekannt, daß der „Vulcan" die „Leipzig'" binnen Kurzem so weit hergestellt haben werde, um sie der Seekrieg-Verwaltung de- Reiche- über geben zu können Bor etwa acht Tagen traf in Leipzig die amtliche Nachricht ein, daß diese lieber- gäbe Ende Mai stattfinde, »nd e- war in dem betreffenden Schreiben da- Ersuchen enthalten, e- möge eine Deputation der Leipziger Bürger schaft sich zur Uebergabe der Flagge an Bord d^r „Leipzig" nach Swinemünde begeben. Nachdem feiten- de- mit der Ueberr.ahme de- Schiffe- betrauten Oberwerftdirector- Capi» tain zur See Weickhmann die weitere telegraphische Meldung emgelapfen, der Tag der betreffenden Feierlichkeiten fei endgültig auf den 1. Juni festgesetzt, reiste die Leipziger Deputation am letzten Douner-tag nach Swinemünde ab Sie war zusammengesetzt au- den Herren Bürger meister vr. Georgi, Stadtverordneten-Borsteher Goetz, Ottokar Staudinger und BerlagS- buchhändler Graubner. Die Reise hieher verlief aus da» Beste, da» Wetter war sehr günstig und deshalb gestaltete sich namentlich auch die etwa vier Stunden be anspruchende Ueberfahrt von Stettin nach Swine münde auf dem Dampfer „Da- Haff" zu einem wirklichen Genuß. Die See war namentlich im Stettiner Haff, welche- ein ganz ansehnliche-, die Ufer an beiden Seiten gänzlich verdeckende- Wag er becken darstellt, ganz ruhig, die Lust mild, die Sonne glitzerte auf der' weiten Wasserfläche, und erst al- der Dampfer in die Swine ein- doz und sich allmälig Swinemünde und damit der Ostsee näherte, wurde die Temperatur etwa frischer »nd eine leichte Bnse schwellte die Segel der zahlreichen vorüberfahrenden Boote und großen Kauffahrteifahrer. Unter den letzteren wurden nächst den deutschen Schiffen namentlich schwedische und dänische, dann aber auch ein fran zösische- und ein englische- Schiff bemerkt. Um 4i/, Uhr Nachmittag- ging unser Stettiner Dampfer in Swinemünde vor Anker. Zur Be grüßung der Leipziger hatten sich der Capitain Weickhmann, eine gedrungene und im ersten Augen blick etwa- gemessen auftretende, bei näherem ve- kanutwerden aber sehr einnehmende SeemannS- gestalt, »nd einige DirectionSmitglieder de» „Vul can" eingefunden. Nachdem die gegenseitigen Vor stellungen erfolgt waren, wurden die Leipziger al-bald in der liebenswürdigsten Weise in Be schlag genommen, sie hatten kaum Zeit, ihr Ge päck im Hotel abzulegen, und fort ging e- in den bereit gehaltenen Wagen nach dem wegen seiner reizenden Lage am Meeresstrande weit be kannten Seebade Hering-dorf, dessen gegenwärtig noch leer stehende- CurhauS die ganze Gesellschaft am Abend zu einem sehr anregenden kleinen Fest mahle vereinigte. Dem zwanglosen Charakter der Bereinigung entsprechend, hatten auch die au-ge- brachtcn Trinksprüche eine mehr gemüthliche Form. Der Anblick der See von der Terrasse de- CurhauscS au- war ein erhabener, pracht voller, »nd die bei untergehender Sonne, welche einen großen Tbeil de- Horizonte» und der Meere-fläche mit Purpur übergoß. unternommene Wanderung am Strande versetzte die an solche Schauspiele wenig oder nicht gewöhnten Theil- nehmer aus dem Binncnlande in eine weihevolle Stimmung. Spät Abend- führten die Wagen den größten Theil der Gesellschaft nach Swine- münde zurück. Tazrrgeschichtlichr tlrbrrjiqt. Leipzig. 2. Juni. Der Gothaer Socialistencongreß war von der Parteileitung zu einem Siege-feste ge stempelt; in Wirklichkeit aber dürste er die Denken- den unter den Agitatoren doch einigermaßen nach denklich gestimmt haben. Der Bericht de- „Centralwahlcomitü", der jetzt vom „Vorwärts" lm Wortlaut veröffentlicht wird, ist von Anfang bi- zu Ende ein einziger Triumphgesang. Nicht ganz mit Unrecht Zwar hat da- Ergebniß der Reich-tag-wahlen den pomphaften Prophezeiungen der sociaststischen Organe bei Weitem nicht ent sprochen; aber worauf die Partei stolz sein kann, da- sind die finanziellen Opfer, welche ihre An Hänger zum Zwecke der Wahlen gebracht haben. Der CentralwahlfondS hatte eine Einnahme von 28,327 55 ^s. Der Bericht bemerkt aber ausdrück lich, daß damit nickt der vierte Theil dessen be zeichnet sei. wa- seiten» der „deutschen socialistiscben Arbeiter" beim Wahlkampfe ausgebracht worden. So wurde z B in dem ersten fchlc-wig-holstein'schen Wahlkreise allein eine Einnahme von 23,000 er zielt. Neben diesen Lichtseiten hat jedoch der Gothaer Congreß bedenkliche Schattenseiten durchblicken lassen. Aus den Streit zwischen Liebknecht und Hasselmann braucht man freilich kein allzugroßcS Gewicht zu legen; doch ist derselbe immerhin von größerer Bedeutung al- da» Jntermeizo, welche» die socialistischc Localgröße von Frankfurt, Herr Frohme, im vorigen Jahre vcraulaßte. Liebknecht und Hasselmann sind Beide Reich-tag-abgeordnete, «nd zwar gehören sie Beide zu den „Führern". Unter diesen Umständen muß ein so erbitterter persönlicher Zwist, wie er zwischen diesen Beiden jetzt hervorgetreten ist, nickt allein die Thätigkeit des socialistischen Dutzend- im Reichstage lähmen, sondern auch auf die Partei im Allgemeinen zer setzend einwirken. Aber Da-nicht allein. Au-dem hitzigen Wortstreit ging auch deutlich genug her vor, daß der alte Gegensatz von Lastalleanern «nd Eisenachern noch keine-weg- vergessen ist, im Gegentheil, sich neuerding- wieder zu verschärfen scheint — für eine Partei, die so sehr aus di- einheitliche Zusammenfassung aller ihrer Kräfte angewiesen ist wie die socialiftische, wahrlich kein gleichgültige» Symptom. Nickt minder bedenklich ist die immer entschiedener auftretende Opposition gegen da» Eeatralorgan der Partei, de» „Vor wärts". Herr Liebknecht, der bekanntlich rits da- akademische Studium absolvirt hat, besitzt den Ehrgeiz, den „Borwärt-" zum ..wissenschaftlichen" Organ de- Sociali-mu-in Deutschland zu machen. Die endlo- - langweiligen Abhandlungen über Dühring'sche Philosophie »nd dergleichen find aber nicht nach dem Geschmack der „Männer au- dem Bolle"; ihnen mundet mehr die derbere, unmittel bar die actuellen Interessen berücksichtigende Kost, welche ihnen in derHasfelmann'schev .RothenKahne" vorgesetzt wird. Di--mal ist e- Herrn Liebknecht noch gelungen, den Congreß über die Tadler zur Tagesordnung übergehen zu lasten; aber damit wird nicht die Thatfache verwischt, daß der Keim der Zwietracht zwischen „gebildeten" und „reinen"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite