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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 11.05.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19060511022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1906051102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1906051102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1906
- Monat1906-05
- Tag1906-05-11
- Monat1906-05
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Fstest» «u»r» wird de» Lesern von Dresden und Umgebung am Lag« vorher -«eit» all Abeird-AriLgave zvgmenk wayrenv e» die Post.Abo,inelitrn am Morgen in ein« Gesamtausgabe «halten. VerugrgeMn «tn^NNrli» w» »««»«, b»i tLaN» »»N«all,a Zutraau«, d»r» imlerr votoi ,^»»d« und »»r««i>«, an Sonn, und Montoaen nur einmal) » Mt. novt.. durch audwdrtiae Nom- milkoadr« » Mt de« » Mk. »0 Pf. Be, einmal t««r Lukeluu, durch di« «oft »Mt. <okneve»e»aeU>I. ««nt- I rud «U eun»rechen de» ZuiMa^. Nachdruck aller »rtHel ». Ortainal. Mütrilun,« »ur «ü deutlicher v n»U» « a » » a d«t.Dredd. Nachr. ^ «lLM». Nochtraaldde bonorar- an,»räche bleibe» unberücklichtiat: W ' "»anultrwte werde» T»I,ar>m«-»drrst«: « » '.VL »,» »re»va» S> KegvürrHeL L8S8 Druck und Verlag von LLepsch L Reichardt in Dresden. Anreizen.canf. »nnadme von Ankündlaungeii bis nackmiiilaaS s Mr. Sonn- und Neiertaa» nur Manenktratze ss von 1) bis >/,tUhr. Die livaltiaeGrund- «rile <ca. 8 Silben) 20 Pf».. 8n- lündigiinaei, aus der Pnvalleiie Zeile 2L Pi, : die LivalliacZeile aul Lerl ieile so Pia . als Einaeiandt Zelle so Pla In Rummern nach Sonn- und Akterlagen l lval)i,e SlrundzeUe so Pia . aus Privatieiie « Pia . 2ivalli,e Zeile aul Tertleite und als Emgctandt so Wz. Auswartia« Auf träge nur gegen Lorausbezabluna. Belegblätier kosten w Pfennige. Fernsprecher: Nr. U und LÖSS. Hauptgeschäftsstelle: Marienstr. SS. I üÄillslllgen View! «r. ISS. l Neueste Drahtberichte. Hosiiachrichten, Geistlichengehälter. Schwedische Turner, Metallarbeitcrbewrglliig, Gerichtsverhandlungen. Der Kaiser in Straßburg. Berliner Leben. > Areitlll,. 11. Mai Neaeste Drahtmeldnngen vom 10. Mai. Lohnbewegungen. Neumünster. In der Tuchfabrik von Mehrens ver langten die Weber eine Lohnerhöhung. Als ihnen diese ab geschlagen wurde, legten sämtliche dort beschäftigten Weber die Arbeit nieder. Ter Fabrikantenverein trat daraufhin sofort zusammen und fable den Beschluß, daß, sofern die Aus ständige« die Arbeit innerlmlb von drei Tagen nicht wieder aus genommen haben sollten, mit einer sukzessiven Ausirerrung aller ,n den hiesigen Tuchfabriken beschäftigten Arbeiter vargega >gen werden jol Rom. Die Arbeitskammer hat heute nacht den General- an» stand für Rom von heute nachmittag ao angeordnet. Mailand. Hin ist der allgemeine Ausstand verkündet worden. Paris. Die Zahl der ausständigen Arbeiter derÄutomobilindustrie im Seine-Departement beträgt bereits über 28 000. Dazu kommt eine große Allzahl von Metallarbeitern und Kesselschmieden, die sich diesem Streik an geschlossen haben. 800 Automobil- und Kessclfabriken beschlossen >n einer gestern abend abgehaltenen Versammlung, sämtliche For derungen der Ausständigen abzulehnen. In Luneville streiken 300 Arbeiter einer Automobilfabrik wegen Verweigerung einer Lohnerhöhung. Zur Eröffnung der russischen Reichsduma. Petersburg. Dem „Dwadzali-Wek" zufolge wird aiN dem Hofe nahestehenden Kreisen versichert, die Thronrede werde eine Amnestie verkünden und die Volksvertreter aus- forderu, mit der Regierung Hand in Hand auf dem Wege der Reform Beruhigung und friedliches Gedeihen des Landes anzu- strchen. Lo» heute au ist für. den Wachdienst vor dem Palast der Reichsduma zeitweilig eine Kompagnie stationiert. Wie die „Nafcha-Schion" meldet, wird diese Kompagnie heute von dem Semenowschen Garde-Regiment gestellt. Der Präsident der Duma kann nötigenfalls die Kompagnie zur Herstellung der Ordnung in den Dumapalast heranziehen. Die Regimenter „Preotrashenski" und „Nowotscherkask" sind heute für alle Fälle in den Kaserne» konsigniert. Petersburg. Die Stimmung in der Residenz kündigte bereits in den Morgenstunden den Anbruch eines wich tigen historischen Nboments an. Die Häuser sind beflaggt. In den Straßen herrscht große Bewegung. Die Schulen, Danken und AmtSlokale sind geschlossen. In den Kirchen, in denen Festgottesdienst« stattfinden, ertönt Festgeläute. Dos Kaiser- paar wird von Peterhof mit der Kaiserjacht hier eintrefscn. Tie Brücken am Newakai sind gesperrt. Der Dampferverkehr auf der Newa ist eingestellt. Es herrscht herrliches Frnhlings- wett«. S tra Gl. Pilt suchen. Berl i rt egend bürg. Der Kaiser ist 8 Uhr vormittags nach gefahren, um von dort die Hohkönigsburg zu Le- Der Verein der Brauereien Berlins und Um beschloß einstimmig, von dem Inkrafttreten der Brau ner-Erhöhung an den Bi« rvreis innerhalb des Berliner sirtschaftsgebietes um 2,50 Mark pro Hektoliter zu erhöhen bei einer hohen Konventionalstrafe. Breslau. lPriv.-Tel.f Oberleutnant a. D- Georg Nieter hat soeben gemeiniam mit Leutnant Sch-meidler das Metro- pol-Theater und die dazu gehörigen Grundstücke für 1600000 Mark käuflich erworben. Hiermit ist die Metropol- Theaterfrage endgültig geregelt. Direktor Nieter wird das neue Theater im Herbst unter dem Namen „Breslauer Sch a u - sp ielha us" eröffnen. M e tz. Zu der Meldung von der Verhaftung einiger ver- dächtiger Individuen in der Umgebung des Schlosses Urville, und vom Aussinden vonDynamit in der dortigen Um gegend wird von maßgebender Stelle erklärt, daß an diejer Nach- richt kein wahresWort ist und 'sie jeglicher Anhaltspunkte entbehrt. Paris. Ter „Matin" veröffentlicht ein Telegramm aus Rom, das ihm angeblich von einer dem Vatikan nahestehen den Persönlichkeit zugegangen ist und in dem es heißt, der Aus- 'ammerwahlen werde an der vorgezeichnet habe und die er nach ... .. ... der iranzösischenBischöse bekannt geben tverde, nicht das geringste ändern. Paris. Weitere polizeiliche Untersuchungen in Sachen der verhafteten Hadert und Bouchard haben ergeben, daß die Behauptungen, sie ständen der anarchistischen Bewegung fern, unrichtig sind. London. Unterhaus. (Fortsetzung. Vergl. Tages- gcschickle.j Bellairs brachte ein Amendement ein, worin erklärt wird, daß sich dos Haus ans die Negierung verlasse, daß sie die Oberhoheit Englands zur See wahre. Es sei nicht ratsam, eine Beratung betr. Rüstungen zu eröffnen, die die Mächte für die Verteidigung ihres Gebietes für notwendig erachten. Der Red ner mies aus bas Anwachsen der deutschen Flotte und aus die Stationierung einer Torpcdoslottille in der Nordsee hin. Bal- four erklärte die Resolution für unangebracht. England Hab« jetzt an eine große Militärmacht ein Ultimatum gestellt, und im östlichen Mittclmeerbecken sei ein grober Teil der Seestreit kräfte konzentriert, um die Rechte Englands zu sichern. Er glaube mit Vivian, daß wir eine friedliche Beilegung mit einer kleineren Flotte erreichen werden. Der Redner ging dann aus die englische Grenzsrage ein und stellte die russisch-englischen Be- Ziehungen als die allerfreundlichsten bin. Er könne aber doch nicht einsehen, warum England sich nicht in Vorbereitung halten solle gegen die Wechsel der Politik seitens einer großen bedeuten den Nation. Die britische Flotte werde lediglich zu Defensiv zwecken gehalten. Die Mächte sollten ihre Flotten vermindern. England werde folgen. Grey erklärte darauf, die nationalen Ausgaben seien in den letzten Jahren sehr gewachsen: es :oäre jedoch Aussicht vorhanden, sie, ohne die Landessicherbeit preis- zugeben, um ein Beträchtliches vermindern zu können. Das änge aber größtenteils von der Politik der anderen Staaten gezogen und die Resolution unter Beifall angenommen. OertlicheS und Sächsisches. Dresden, 10 Mai. —* Se. Majestät der K ön > a wohnte heut« vormittag dem Prüfungsschießen eines Bataillons des Leib-Grenadier-Regi- ments auf dem Schießplätze in Königsbrück bei. —* Die Töchter des Königs, Prinzessinnen Marga rete und Alix. werden in Begleitung der Hofdame. Fräulein v. Schönberg-Rothschönberg, Mitte Juni zum Kurgebrauch in Bad Elster eintressen. In die Zeit der Anwesenheit der Prin zessinnen im Vogtlande dürfte auch der noch ausstehende offizielle Besuch der obervogtländischen Städte durch den König fallen. — Der Gewerkverein in Adorf gedenkt aus Anlaß des im Juli in Aussicht stehenden Besuches der Stgdt Adorf durch den Landes- Herrn ein« Ausstellung der Gewerbe- und Industrie-Erzeugnisse des Ortes zu veranstalten und berief zu diesem Zwecke eine vorbereitende Versammlung ein. dem Tiensteinkommen der Geistlichen beschäftigen, und zwar hauptsächlich aus Anlaß einer ihr zur Beschlußfassung im Ent würfe zugehenden Verordnung wegen Erhöhung der Staats; »lagen für Geistliche und geistliche Stellen. Unter der sächsischen evangeliich-lutherischcn Geistlichkeit, sowie bei deren Vorgesetzten Behörden herrscht einstimmig die Meinung, daß eine Erhöhung dieser Einkommen dringend nötig ist, da unter dc» 1868 geistlichen Stellen des Landes nur 321 sind, welche dem Inhaber des Amtes auf die volle Dauer seiner Amtszeit einen den Mindestgehalt von 2400 bis 4800 Mk. neben freier Wohnung, berechnet zu 600 Mk., übersteigenden Lebensunterhalt aus de» Stelleneinküiffte» sichern. Nach der erwähnten Verordnung sollen auS der Staatskasse gewährt werden Stellenzulagen zur Erfüllung des Mindesteinkommens ständiger Geistlicher auf den Betrag von 2400 Mk., persönliche Zulagen nach deni Dienstalter zur Erfüll»« des Einkommens stand wer Geistlicher auf den Betrag van fährst' 2900 Mk. nach 5 Dienstjahren, 3400 Mk. nach 10 Dienstjahren, 3900 Mk. nach 15 Dienstiahren, 4400 Mk. nach 20 Dienstjahren, 4900 Mk. »ach 25 Dienstjahren und 5400 Mk. nach 30 Dienst- jahren, sowie außerordentliche persönliche Zulagen in Fällen be sonderer Schwierigkeit in der Amtsführung, besonderer Arbeitslast oder ailsnahmsweise und in der Regel nur vorübergehend in Zöllen besonderer Famistenverhästnisse Bei Berechnung der ienstzeit für den Zweck dieser Zulagen soll nur die im ständigen geistlichen Amte, sowie ii» stäiidiaen Schulamte vom vollendeten -v> z'-de„sjichre ab verbrachte Dienstzeit in Betracht kommen. Verordn Eine weitere einschränkende Bestimmung der Verordnung liegt darin, daß sämtliche Ziilagen in der Regel nur an Geistliche solcher Gememde» oder Stiftungen bewilligt werden, welche nicht im stände sind, die Stellung aus eigenen Mitteln angemessen auszustatten, und zwar ist ans Verlangen dem evangelisch-luthe rischen Landeskvnsislorium das Unvermögen zur Gewährung der Zulagen in ausreichender Weise darzulegen. Die Annahme der Verordnung wird aus die Staatsfinanzen die Wirkung haben, daß die bisher gewährte Summe für Staatsznlagen an dir evangelisch lutherischen Geistlichen in Höhe von 4L 000 Mk. um 173 000 W. aus 598000 Mk. jährlich steigt. Ein Wechsel in dem bisherigen System dieser Unterstützung der Kirche durch den Staat ist mit der Verordnung nicht verbunden. Man bezweckt, in der Haupt sache nur dafür zu sorgen, daß die Geistlichen bei Ergreifung ihres Berufs die Gewißheit haben, am Ende ihrer Laufbahn beim Uebergange in den Ruhestand nicht wesentlich ungünstiger gestellt zu sein, als die Angestellten ähnlicher akademischer Berufsarten, denen es nicht gelungen ist, hervorragendere und besonders hoch dotierte Acmter zu erreichen. Die Geistlichen werden durch die Verordnung, was die Besoldung anbrlangt. den Gymnasial- und Realgymnasiallehrestr in nicht gehobenen Stellen und den Semi- »arlehrern in gehobener Stellung gleichgestellt. —* Zur Mctallarbeiter-Bewegung. Die streikenden Former und Gießer in den Betrieben der Kreishauptmannschast Dresden haben bis heute, den Beschlüssen der „Trianon"-Versammlung vom 8. Mai entsprechend, dieArbeitnicht Wiederau s- genommen. Von Hannover wurde der gleiche Beschluß der Arbeiter bereits gemeldet. Da nun in einer Versammlung des Gesamtverbandes deutscher Metallindustrieller vom 2. Mai in Berlin von den 28 dort vertretenen Verbänden 26 mit 320 000 Arbeitern beschlossen haben, die Verbände Dresden, Hannover, Braunschweig. Breslau, Frankfurt a. M- und Ostfrieslond durch Arbeiter-Aussperrungen zu unterstützen: muß dieser Beschluß nynmehr zur Durchführung gelangen. Der Gesamt verband tritt deshalb bereits morgen wieder in Berlin zu einer Sitzung zusammen, in der die Berichte über den Stand der Bewegung am 10. Mai in den mit Streik überzogenen Einzelvcrbänden vorgelegt und Beschlüsse darüber gefaßt wer den sollen, wann mit der Entlassung von Arbeitern der Metall industrie in großem Umfange vorgegangen werden und auf wie viel Prozent der beschäftigten 320000 Arbeiter sich die Aus sperrung erstrecken soll. — Eine am gestrigen Mittwoch in der Berliner Leben. L. Berlin, 9. Mai. Denn man in Berlin nach vollen acht Tagen noch eine SchwurgerichtSverhandlung eifrig bespricht, wenn man nicht nur an den Biertischen über deren Einzelheiten debattiert, stuckern auch in ernsten politischen und juristischen Kreisen, dann muß es sich schon um einen ganz besonderen Fall handeln. Und ganz besonders war wirklich der Fall, in dessen Mittelpunkt der fast zu einer Weltberühmtheit gelangte Raub mörder Hennig war. Ein ausgefeimter, geborener Verbrecher, sagen die einen. Ein von Natur ungewöhnlich begabter Mensch, der unter anderen Verhältnissen sicher ein bedeutender Zeit genosse geworden wäre, meinen die anderen. Er und keiner sonst ist der Mörder des armen Kellners gewesen, dem er das stattliche Sparkassenbuch geraubt bat, rufen die einen aus. Zu zutrauen ist ihm diese tme jede Untat schon, aber bewiesen hat man ihm nicht, daß er der Mörder gewesen ist, und deshalb hätte man ihn auch nicht zum Tode verurteilen dürfen, erklären die anderen. Em prächtiger GerichtSvorsitzender, dieser Potsdamer Landgerichtsdirektor. der dem Angeklagten freiesten Spielraum ließ, ihm die frechsten Bemerkungen und saloppsten Redensarten gestattete und ihm so die Gelegenheit gab, sich in voller Lebensgröße vor den Schranken emporzurecken! sagten dir «inen. Hoffentlich macht dieser Präsident, der in die Schule Pariser und Wiener Gerichtshöfe gegangen zu sein scheint, bei unS zu Lande nicht Schule! riefen die anderen entsetzt auS. Wie nett von der Königstochter, der Erbprinzessin zu Wied, sich unter daS Volk vor den Gerichtsfchranken zu mischen, um einmal einen Vertreter des Lebens von der ganz anderen Seite au» der Nähe kennen zu lernen! bemerkten bewundernd die «inen. Hobla«« oklstro! Die Tochter eines Königs darf nicht gewShnkichen Sensationen nachlausen, wie die erste best« hyste rische Frau au» der Gesellschaft! wenden entrüstet die anderen «och immer nicht zur Ruhe kommen können. Kein Zweifel, dieser ungewöhnliche Prozeß hat in mancher Hinsicht das lebhaft« Interesse verdient. Las «r allgemein er weckt hat. Hennig, der anfangs die Reporter so arg enttäuscht batte, da sein gemeines, dem Verbrechertyvus durchaus ent sprechendes Aeußere ihnen den vorher zurechtgelegten Text gründlich verdorben hat, fand später reichlich Gelegenheit, sich auch in ihren Augen zu rehabilitieren. Als inan ihn zuerst erblickte, sagte man fast verächtlich: Wie, dieser schmächtige, blasse, unbedeutende Bursche, der so müde und matt die Fragen des Vorsitzenden beantwortet und sich aus den nachgerade ab getanen großen Unbekannten herauszureden sucht, soll wirklich der Raubmörder Hennig sein, der durch seine kühne Dachkletterci alle Welt in Staunen versetzt und der Berliner Polizei eine Riesennase gedreht hatte?! Allmählich aber kam er in Feuer, entwickelte sich und begann sich in seiner Art auszuleben. Er entpuppte sich immer mehr als ein richtiger „schnoddriger" Ber liner, der zwar nicht das Herz, aber die überscharse Zunge auf dem rechten Flecke hat, und er gab schlagfertig« Antworten von io drastischem Witze und so unwiderstehlicher Durchschlagskraft, daß mehr als einmal das Tribunal zur Szene wurde und förm liche Lachsalven den sonst so ernsten, stillen Gerichkssaal wieder holt durchbrausten. Dieser ungebildete, heruntergekommene Bursche, der ein Drittel seines jungen Lebens in Gefängnissen und Zuchthäusern und ein zweites Drittel fast in Verbrechcr- spelunken zugebracht hat, entwickelte eine aeistige Ueberlegen- heit, eine SiUagsertigkeit und einen Mutterwitz von erstaun licher Höbe. Es erinnert fast an Dickenssche Figuren, wenn er aus den Vorhalt des Präsidenten, daß er eine gewisse Aussage erst so spät gemacht habe, spöttisch erwiderte: „Nun ja, vor meiner Verhaftung konnte ick sie doch nich jut machen! Und aus einen weiteren Einwand: „Wenn ick erst ein Jahr später vephastet werde, dann kann ick et doch nich ein Jahr früher zu Protokoll geben!" Als darauf der Präsident bemerkte: „Wenn man Sie früher verhaftet hätte, würden Sie diese Ausrede erdings die berühmte Verantwortung des frech-schlauen Dieners Mr. Pickwick vor Gericht an! Und wenn Hennig dann fängt, mit dem Vorsitzenden über den Wert der Hypotheien zu streiten und bemerkt, mit Hypothesen lasse sich einfach alles beweisen, sogar daß der Mond «in Pfannkuchen sei, wenn er den Vorsitzenden, der ihm doch an Wissen und Schulung unendlich überlegen ist, durch seine Einwürfe in die Enge getrieben Hai. daß er ihm zu sagen wagt: „Nun, dann werden Sie doch also zugeben, daß ich Recht habe!" oder ihm, dem Vorsitzenden, gar mißbilligend bemerkt: „Aber da kommen wir hier wieder zu Hvpothescn!" — dann wird man den Eindruck nicht los, daß da allerdings eine nickt gewöhnliche geistige Potenz durch Er ziehung, Umgang und Verhältnisse schmählich zu gründe gerichtet worden ist. Und dann zuletzt die meisterhaft gegliederte und ge- steigerte Schlußansprache an die Geschworenen mit der treff sicheren Heranziehung des alten römischen Rechtsgrundsatzes: „IN clubio pro roo!" (Das bat Hennig natürlich als „Äriminal- stndent", wie man in Berlin die sich uieist aus Verbrecher kreisen rekrutierenden ständigen Zuhörer der Gerichtsverhand lungen nennt, aus irgendeiner Verteidigerrede aufgeschnappt.j Das war ein kleines forensisches Kabinettstück, das auch ein berühmter Verteidiger nicht viel geschickter und wirksamer hätte ausarbeiten können. Hennig wußte genau, worauf es ankam. und richtete danach seinen Appell an die Richter aus dem Volke ein. Er war nicht überführt worden, seine Schuld war immer hin zweifelhaft, und er verlangte, daß man ihn diesen Zweifel zu gute halte und ihm so die Möglichkeit gebe, „noch einmal ins Leben zurückziikchrcn". Die Geschworenen haben ihm diese Möglichkeit abgcschnitten. und die eingelegte Revision wird wohl kaum verhindern, daß ibm der Scharfrichter demnächst den Kopf abschneiden wird. Offenbar ließen sich die Volksrichter von der Empfindung leiten, daß dieser endgültig verlorene, unverbesserliche Gewaltmensch nicht wieder auf seine friedfertigen Mitmenschen losgclassen werden dürfe. Den Raubmord hat er sicher aus dem Gewissen, gleichviel, ob er ihn allein oder in Gemeinschaft mit anderen ausgc führt hat. Er hat ja auch seine Verteidigung hauptsächlich daraus gerichtet, daß er den Mord nicht selbst verübt habe. Daß er darum wußte, daß er namentlich dessen Früchte eiw> geheimst hat, leugnete er kaum ernstlich, schon weil ihm nach, gewiesen wurde, daß er das Sparkassenbuch des Ermordeten an sich gebracht habe. Also von einem Justizmord wird man hier in keinem Falle zu sprechen haben. Immerhin hätte inan gewünscht, daß der Indizienbeweis, der ohnehin mit begreift'' Vorurteilen unter allen Umständen zu kämpfen hat. begreiflichen . schlüssiger
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