Besprechung. Charles Sanford Terry: „Johann Sebastian Bach." Eine Bio graphie. Übertragen von Alice Klengel. Mit einem Geleit wort von Karl Straube. XVI und 396 Seiten, 2 Tafeln und 55 Abbildungen. Leipzig (1929), Jnselverlag. Besprochen von Prof. vr. Gotthold Frotscher (Danzig). Der Geschichtsprofessor an der Universität Aberdeen, Charles San ford Terry, dessen Bachausgaben und Bachschriften schon wiederholt im Bach-Jahrbuch gewürdigt worden sind (s. Bach-Jahrbuch 1919, S. 62ff.; 1923, S. 74ff.; 1926, S. 165ff.), bat als einer der führenden Geister in der englischen Bachpflege Geltung. Durch die deutsche Ausgabe seiner Bachbiographie, die der Jnselverlag in mustergültiger Ausstattung vorlegt, wird er endlich auch der großen Gemeinde der deutschenBachfrcunde bekannt. Seit langem ist kein Werk über Bach erschienen, das in solch weitem Maße allgemeine Beachtung verdient wie Terrys Bachbiographie. Es gehörte der ganze Mut des Bachbegeisterten und die Selbstver leugnung des Historikers dazu, um nach Philipp Spittas monumentalem Werk über Joh. Seb. Bach eine Bachbiographie zu schreiben, die in wesentlichen Punkten von Spittas klassischem Werk loözukommen sucht. Die Bachliteratur der letzten Jahrzehnte scheidet sich deutlich in zwei Teile. Auf der einen Seite stehen Versuche, das Werk Bachs stilkritisch zu durchdringen und ästhetisch zu deuten; auf der anderen Seite stehen begrenzte historische Quellen- und Milieuforschungen über einzelne Perio den des Lebens Bachs, über lokale und zeitliche Zusammenhänge. Wenn Terry an eine neue Bachbiographie ging, hatte er die Aufgabe, die zahl reichen verstreuten Spezialstudien der letzten Jahrzehnte zusammenzu fassen und zu verbinden. Er hätte sich damit begnügen können, die Er gebnisse der neueren Spezialforschung in Spittas Werk hineinzuarbeiten. Terry ist aber viel weiter gegangen und tiefer vorgedrungen. Durch sorgfältigste Akten- und Lokalstudicn hat er die Quellen Spittas über prüft, zum Teil korrigiert und durch wichtige neue Dokumente und Erkenntnisse vermehrt. Man kann wohl sagen, daß der englische Histo riker nichts übernommen hat, was er nicht selbst kontrollieren konnte. Seine Arbeit erhält dadurch den Reiz persönlicher Anschauung; viele der Tatsachen, die in der bisherigen Bachliteratur schon genügend be kannt waren, erscheinen in neuer Beleuchtung und Verknüpfung, viele andere werden von Terry zum ersten Male bekannt gemacht. Es ist verständlich, daß Terry von seiner Arbeitsmethode aus gegen Spittas Darstellung den Vorwurf erhebt, der Leser verliere Bach ganz aus den Augen, der ungeheure Rahmen erdrücke das Bild, und Bachs Gestalt werde von der Masse theoretischer Erörterungen erbarmungslos verschlungen. Terry hat, um einer solchen Gefahr zu entgehen, seine Darstellung nur auf das Biographische angelegt. Das Werk Bachs wird nur insofern herangezogen, als es in besonderer Beziehung zu seinem Lebensgang steht.