60 Detlev Kranemann wert modern, und man ist versucht, sie hypothetisch auf Bachs Todeskrankheit anzuwenden. Graefe 33 und vor ihm schon Benedikt und Berndt 34 beschrieben die Katarakt (grauer Star) als häufigste Erblindungsursache beim früher unbehandelten Dia betes. Schlaganfall 35 als Hirnerweichungsherd ist eine bekannte, bis heute ge fürchtete Komplikation des Diabetes. Natürlich kann in bezug auf Bachs Krankheit nichts bündig bewiesen werden, hierin muß man Engelking zustimmen. Auch kann man nicht unbefangen von den Vorstellungen der Gegenwart ausgehen. Es gibt ja keine Krankheits geschichte mit Blutzuckerwerten und anderen Untersuchungsergebnissen. Als einzig faßbares Substrat kann das Skelett bezeichnet werden, welches von His 1894 36 wiederaufgefunden wurde. In dem Bericht an den Rat der Stadt Leipzig heißt es wörtlich: „als ein Altersmerkmal sind im Bereich der Wirbelsäule die ziemlich zahlreichen Knochen auflagerungen anzusehen, die sich an einzelnen Rückenwirbeln bis zu isolierten Auswüchsen entwickelt haben.“ Um einen rheumatischen Prozeß kann es sich nicht gehandelt haben, denn etwas später schreibt His: ,,. . . Im Übrigen sind die sämtlichen Gelenke bis zu Fingern und Zehen hin frei und sie tragen glatte Berührungsflächen.“ Vorher heißt es: ,,. . . die Verbindung zwischen Kreuzbein und dem rechten Hüftbein ist verknöchert und gleichfalls mit flachen Exostosen überlagert. Der Mann, dem das Skelett angehört hat, muß bei Lebzeiten einen etwas steifen Rücken und wohl auch gelegentlich Schmerzen gehabt haben . . .“ Wolfgang Rosenthal hat das Skelett 1951 bei der Überführung in die Thomas kirche noch einmal gesehen. 37 Er hat auch an den Oberschenkelknochen Exo- meine Encyc/opädie der Wissenschaften und Künste, Leipzig 1802, und J. P. Frank, Interpretationes clinicae (Dissertation), 1812. Vgl. auch Haeser, a. a. O. (s. Fußnote 3). 33 A. v. Graefe, in: Archive of Ophthalmology 1858, Nr. 4, S. 230-235. 34 F. A. G. Berndt, Diabetes, in: Enzyklopädisches Wörterbuch der medizinischen Wissen schaften, Bd. 9, Berlin 1833. 35 Schlaganfall bezeichnet neben dem plötzlichen Bewußtseinsverlust (oft tödlich durch Hirn blutung nach Gefäßriß) auch Arteriosklerose, Makroangiopathie mit allmählichem Verlauf — kleine Hirnerweichungsherde —, schließlich die Embolie mit Schocksymptomatik, Tod am Hirndruck oder einmaliger Teillähmung. Vgl. Weber, in: Die ärztliche Fortbildung, 1982, Nr. 8, S. 342; G. S. Barolin, Die zerebrale Apoplexie, Stuttgart 1980; W. H. Haas u. a. in: The Journal of the American Medical Association, 1968, Nr. 203, S. 961. 36 W. His, J. S. Bach - Forschungen über dessen Grabstätte, Gebeine und Antlitz, Bericht an den Kat der Stadt Leipzig, Leipzig 1895, S. 9. 37 W. Rosenthal, Die Identifizierung der Gebeine Johann Sebastian Bachs. Mit Bemerkungen über die „Organistenkrankheit", in: Leopoldina. Mitteilungen der Deutschen Akademie der Natur forscher Leopoldina. Halle (Saale) 1962/63, Reihe III, 8/9, S. 234-241.